Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 19. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6673 19. Wahlperiode 20.12.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Helling-Plahr, Stephan Thomae, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6291 – Einführung von Online-Verfahren in die Zivilprozessordnung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Streitigkeiten, deren Streitwert 5 000 Euro nicht übersteigt, werden ausweislich § 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 23 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) vor den Amtsgerichten verhandelt. Die Frühjahrskonferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder hat beschlossen, die Verfahrensstruktur der Zivilklagen dahingehend zu untersuchen, ob insbesondere für den Bereich von geringfügigen Forderungen ein neues und kostengünstigeres Online-Verfahren entwickelt werden sollte. Dadurch soll effektiver Rechtsschutz auch im Bereich geringfügiger Streitwerte gewährt werden. Online -Verfahren werden im Ausland bereits für Streitigkeiten im geringfügigen Bereich genutzt. Das deutsche Verfahrensrecht sieht etwaige Regelungen bisher nicht vor und müsste ggf. durch den Bundesgesetzgeber geändert werden. Ausweislich der ZP-Statistik (exemplarisch für das Jahr 2017: www.destatis.de/ DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/Zivilgerichte210 0210177004.pdf?__blob=publicationFile) ist jedoch nicht ersichtlich, mit welcher absoluten Anzahl von Verfahren die Gerichte im geringfügigen Bereich belastet sind. 1. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie hoch die Eingangszahlen bei Gerichtsverfahren mit einem Streitwert unter 600 Euro sind (bitte nach Bundesland und Oberlandesgerichtsbezirken in absoluten Zahlen für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)? 2. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie hoch die Eingangszahlen bei Gerichtsverfahren mit einem Streitwert unter 2 000 Euro sind (bitte nach Bundesland und Oberlandesgerichtsbezirken in absoluten Zahlen für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6673 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie hoch die Eingangszahlen bei Gerichtsverfahren mit einem Streitwert unter 5 000 Euro sind (bitte nach Bundesland und Oberlandesgerichtsbezirken in absoluten Zahlen für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . In der vom Statistischen Bundesamt (Destatis) jährlich veröffentlichten Justizstatistik (Fachserie 10 Reihe 2.1/Rechtspflege Zivilgerichte) werden jeweils aufgeschlüsselt nach verschiedenen Streitwertkategorien und den Oberlandesgerichtsbezirken die erledigten Zivilverfahren vor den Amts-, Land- und Oberlandesgerichten lediglich nach ihrem prozentualen Anteil an den Gesamterledigungszahlen erfasst. Nach Streitwertkategorien aufgeschlüsselte absolute Eingangszahlen enthält die Justizstatistik nicht. 4. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie hoch die Anzahl der Klagen vor den Amtsgerichten, die zu Protokoll der Geschäftsstelle erhoben (§ 496 ZPO a. E.) worden sind (bitte nach Bundesland und Oberlandesgerichtsbezirken in absoluten Zahlen für die letzten fünf Jahre aufschlüsseln)? Wie hat sich dieser Anteil in den letzten zehn Jahren entwickelt? Der Bundesregierung ist die Anzahl der durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle erhobenen Klagen nicht bekannt. 5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine in der ZPO zu schaffende Möglichkeit zur Klageerhebung mittels Online-Eingabemaske und darauf schnell folgender mündlicher Verhandlung („kleine Lösung“) die Möglichkeiten effektiven Rechtsschutzes für Naturalparteien hinsichtlich der damit einhergehenden Niederschwelligkeit erhöhen würde? Der Vorschlag für ein sogenanntes online-Schnellverfahren, der auf einen Vorstoß des Landes Hamburg zurückgeht, wird derzeit in der Länderarbeitsgruppe „Legal Tech“ diskutiert. Die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz nimmt an den Sitzungen der Arbeitsgruppe teil. 6. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie lange die durchschnittliche Verfahrensdauer in absoluten Werten in der Zivilgerichtsbarkeit ist (bitte nach Instanzen aufschlüsseln)? 7. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie lange die durchschnittliche Verfahrensdauer in absoluten Werten in der Zivilgerichtsbarkeit bei Verfahren mit einem Streitwert unter 600 Euro ist? 8. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie lange die durchschnittliche Verfahrensdauer in absoluten Werten in der Zivilgerichtsbarkeit bei Verfahren mit einem Streitwert unter 2 000 Euro ist? 9. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie lange die durchschnittliche Verfahrensdauer in absoluten Werten in der Zivilgerichtsbarkeit bei Verfahren mit einem Streitwert unter 5 000 Euro ist? Die Fragen 6 bis 9 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6673 Im Jahr 2017 betrug nach der Justizstatistik die durchschnittliche Verfahrensdauer für erstinstanzliche Verfahren vor dem Amtsgericht 4,9 Monate, für erstinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht 11,7 Monate, für Berufungsverfahren vor dem Landgericht 5,7 Monate und für Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht 6,7 Monate. Eine Aufschlüsselung nach Streitwerten enthält die Justizstatistik nicht. Die durchschnittliche Verfahrensdauer für die Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof ist in der Justizstatistik ebenfalls nicht ausgewiesen . 10. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die Verfahrensdauer Einfluss auf die Anzahl der Klageerhebungen hat? Der Bundesregierung liegen hierzu keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. 11. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, wie oft, seit Einführung des § 128a ZPO im Jahr 2013, von der Möglichkeit der Bild- und Tonübertragung während der mündlichen Verhandlung Gebrauch gemacht wurde (bitte nach Bundesland und Oberlandesgerichtsbezirken aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Statistiken vor. 12. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine in der ZPO zu schaffende Möglichkeit eines durchgängigen Online-Verfahrens (Klageerhebung, Einreichen der Schriftsätze wie Beweiserhebung digital, Wahrung des Mündlichkeitsprinzips durch Videokonferenz – „große Lösung“) geeignet wäre, die durchschnittliche Verfahrensdauer zu verkürzen? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 13. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat durch den Eindruck gefährdet ist, dass es vermeintlich keine schnelle Rechtsdurchsetzung von Verfahren mit einem geringfügigen Streitwert vor deutschen Gerichten gibt? 14. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass sich die Länge der Verfahrensdauer negativ bei den Bürgern hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Justiz auswirkt? Die Fragen 13 und 14 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Die Bundesregierung hat keine eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, wie sich bei den Bürgerinnen und Bürgern die Länge des Verfahrens auf das Vertrauen in den Rechtsstaat und die Zufriedenheit mit der Justiz auswirkt. Ausweislich des Roland Rechtsreports 2018 genießt das deutsche Rechtssystem in der Bevölkerung ein hohes Maß an Vertrauen. Das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Rechtssystem ist danach seit Jahren relativ stabil (siehe www. roland-rechtsschutz.de/media/rechtsschutz/pdf/unternehmen_1/ROLAND_ Rechtsreport_2018.pdf, dort S. 11). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6673 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 15. Zu welchem Anteil ist, nach Auffassung der Bundesregierung, der in den letzten Jahren zu beobachtende Rückgang der Eingangszahlen in der Zivilgerichtsbarkeit auf die Implementierung außergerichtlicher Streitbeilegungsoptionen zurückzuführen? 16. Auf welche anderen Ursachen führt die Bundesregierung diesen Rückgang zurück? 17. Besteht nach Auffassung der Bundesregierung ein Kausalzusammenhang zwischen dem Rückgang der Eingangszahlen in der Zivilgerichtsbarkeit und eines möglichen Vertrauensverlusts der Bürger gegenüber dem Rechtsstaat? 18. Begrüßt die Bundesregierung den Rückgang der Eingangszahlen in der Zivilgerichtsbarkeit ? Die Fragen 15 bis 18 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz beobachtet die rückläufige Entwicklung der Eingangszahlen genau. Aufschluss über die Ursachen kann jedoch nur eine wissenschaftliche Untersuchung geben, wie sie das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz plant. 19. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass sich immer mehr private Streitbeilegungsangebote (bspw. PayPal-Käufer- und -Verkäuferschutz ) entwickeln? 20. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass private Streitbeilegungsangebote sich nicht an den Wertungen der Rechtsordnung orientieren müssen? 21. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass private Streitbeilegungseinrichtungen in Konkurrenz zu den staatlichen Gerichten treten? Die Fragen 19 bis 21 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Die Bundesregierung hält eine frühzeitige konsensuale Beilegung von Konflikten ohne Inanspruchnahme der staatlichen Justiz insgesamt für eine sinnvolle Alternative zur gerichtlichen Konfliktlösung. Die Bundesregierung begrüßt insbesondere die zunehmende Anerkennung und Etablierung von überwiegend privatrechtlich organisierten Verbraucherschlichtungsstellen nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Die Verfahren vor diesen Stellen sind durch das VSBG gesetzlich geregelt, für den Verbraucher kostengünstig und meist einfach zugänglich. Gleichzeitig wird die Verjährung etwaiger Ansprüche gehemmt. Die Schlichtungsvorschläge dieser Stellen sollen gemäß § 19 Absatz 1 VSBG am geltenden Recht ausgerichtet sein, wobei insbesondere die zwingenden Verbraucherschutzgesetze beachtet werden sollen. Das Ergebnis des Verfahrens ist dabei für den Verbraucher nie und für den Unternehmer nur in Einzelfällen verbindlich. Die Bundesregierung hat darüber hinaus Kenntnis von der Etablierung weiterer privater Schlichtungsstellen sowie anderer privater Stellen, die Konfliktlösungen anbieten. Die Bundesregierung sieht es daher als Aufgabe an, das Verhältnis zwischen staatlicher Justiz und privater Streitbeilegung weiterhin ständig zu hinterfragen und zu justieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6673 Sowohl der Schlichtungsvorschlag einer Verbraucherschlichtungsstelle als auch die Entscheidung oder Empfehlung einer anderen privaten Stelle versperren im Regelfall nicht den Weg zur staatlichen Gerichtsbarkeit und können auf diese Weise am Maßstab des geltenden Rechts gerichtlich überprüft werden. 22. Erachtet die Bundesregierung es als sinnvoll, die ZPO derart zu ändern, dass ein Online-Verfahren eingeführt werden könnte? 23. Welche Normen stehen, nach Auffassung der Bundesregierung, der Einführung einer Möglichkeit zur Klageerhebung mittels Online-Eingabemaske und darauf schnell folgender mündlicher Verhandlung („kleine Lösung“) de lege lata entgegen? 24. Welche Normen stehen, nach Auffassung der Bundesregierung, der Einführung eines durchgängigen Online-Verfahrens (Klageerhebung, Einreichen der Schriftsätze wie Beweiserhebung digital, Wahrung des Mündlichkeitsprinzips durch Videokonferenz – „große Lösung“) de lege lata entgegen? 25. Arbeitet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in der Arbeitsgruppe „Legal Tech“ unterstützend, hinsichtlich des Beschlusses der 89. Justizministerkonferenz, mit (vgl. Beschluss der 89. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister, TOP I.4)? Die Fragen 22 bis 25 werden wegen ihres Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Es wird insoweit auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 26. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, wie hoch die Anzahl der Bürger ist, die rechtsschutzversichert sind? Laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gibt es bei den von ihr beaufsichtigten Versicherungsunternehmen 24,2 Millionen Rechtsschutzversicherungen (Stand: Ende 2017, im Inland abgeschlossenes Geschäft). 27. Werden nach Auffassung der Bundesregierung die Möglichkeiten des Internets und der Digitalisierung ausreichend im Gerichtsverfahren berücksichtigt ? Die Bundesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Digitalisierung im Rechtswesen nachdrücklich zu fördern. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/5438 wird insoweit verwiesen. 28. Wie bewertet die Bundesregierung die Einrichtung des Small Claims Court in Großbritannien, des Civil Resolution Tribunals in British Columbia (Kanada ) und des neuen Online-Prozessportals in Dänemark? Die Bundesregierung verfolgt die rechts- und justizpolitischen Initiativen anderer Länder mit Interesse. Die weitere Entwicklung und die dort gemachten Erfahrungen bleiben abzuwarten. 29. Plant die Bundesregierung die Einführung eines Online-Verfahrens für Rechtsstreitigkeiten mit geringfügigem Streitwert? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333