Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6772 19. Wahlperiode 28.12.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Renata Alt, Jens Beeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6319 – Die Pläne der Bundesregierung zur Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Derzeit finden in den Brüsseler Ratsgremien umfassende Beratungen zu einer Reform des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) statt. Dabei geht es vor allem um die Einführung zweier neuer Instrumente: einer sog. Letztsicherung (backstop) für den Bankenabwicklungsfonds SRF und einer vorsorglichen Kreditlinie. Diese soll in zwei Varianten vorliegen und auf bislang schon im ESM-Vertrag verankerten, aber noch nie genutzten Vorläufer-Instrumenten aufbauen , der vorsorglichen bedingten Kreditlinie (PCCL) und der Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen (ECCL) (Artikel 14 ESM-Vertrag i. V. m. Artikel 2 Leitlinie für eine vorsorgliche Finanzhilfe). Gemeinsames Ziel der Reformbemühungen ist es, das ESM-Kapital von knapp 705 Mrd. Euro leichter verfügbar zu machen als bei herkömmlichen ESM-Vollprogrammen – sei es zur Abwicklung maroder Banken, sei es zur Unterstützung grundsätzlich solventer und liquider Mitgliedstaaten. 1. In welcher Höhe ist die Bereitstellung einer Letztsicherung für den Bankenabwicklungsfonds SRF durch den ESM nach Kenntnis der Bundesregierung geplant und nach Ansicht der Bundesregierung notwendig? Nach den von der Eurogruppe am 4. Dezember 2018 vereinbarten und vom Europagipfel am 14. Dezember 2018 gebilligten Eckpunkten (Terms of Reference) für die Letztsicherung für den Bankenabwicklungsfonds SRF wird sich die Letztsicherung an der Größe des Bankenabwicklungsfonds zum Ende der Aufbauphase (31. Dezember 2023) ausrichten. Der Bankenabwicklungsfonds wird zum Ende der Aufbauphase gemäß Artikel 69 Absatz 1 SRM-Verordnung (Einheitlicher Bankenabwicklungsmechanismus) mindestens 1 Prozent der gedeckten Einlagen der Kreditinstitute in der Bankenunion betragen. Nach derzeitigen Schätzungen des Abwicklungsausschusses SRB wird der Abwicklungsfonds eine Größe von ca. 59,8 bis 71,3 Mrd. Euro besitzen. Eine Letztsicherung in dieser Höhe ist als letztes Mittel erforderlich, sollte der Bankenabwicklungsfonds zur Finanzierung Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6772 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode einer Abwicklung herangezogen werden müssen, aber nicht oder nicht ausreichend befüllt sein und außerordentliche, nachträglich zu erhebende Bankenbeiträge nicht in ausreichender Höhe rechtzeitig zur Verfügung stehen. 2. Würde man die Banken verpflichten, den SRF mit zusätzlichen Beiträgen so weit zu füllen, dass der SRF so viel Kapital hätte, wie es derzeit für SRF und ESM-Letztsicherung zusammen angedacht ist, wäre eine ESM-Letztsicherung , bei der die Steuerzahler für Bankenrisiken haften, aus Sicht der Bundesregierung dann noch erforderlich? a) Wenn ja, warum? b) Wenn nein, hat die Bundesregierung bereits einen entsprechenden Vorschlag zur Vergrößerung des SRF durch zusätzliche Bankenabgaben unterbreitet ? Wenn nein, warum nicht? c) Haben andere Mitgliedstaaten bereits einen solchen Vorschlag zur Vergrößerung des SRF unterbreitet? Wenn ja, in welcher Höhe? Grundlegendes Ziel des einheitlichen Abwicklungsmechanismus und des SRF ist es, dass Eigentümer, Gläubiger oder letztlich der Bankensektor in der Verantwortung für Risiken und Kosten bleiben. Wie die europäischen Finanzminister am 18. Dezember 2013 im Zusammenhang mit der Einrichtung des einheitlichen Abwicklungsmechanismus erklärt haben, kann es zugleich vor allem in der Aufbauphase , aber auch darüber hinaus zu Situationen kommen, in denen der SRF nicht ausreichend befüllt ist. Aus Sicht der Bundesregierung ist eine Letztsicherung als letztes Mittel erforderlich für den Fall, dass der SRF nicht oder nicht ausreichend befüllt ist und außerordentliche, nachträglich zu erhebende Bankenbeiträge nicht rechtzeitig in ausreichender Höhe zur Verfügung stehen. In der deutsch-französischen Erklärung von Meseberg vom 19. Juni 2018 ist vereinbart worden, den Umfang des Abwicklungsfonds im Zusammenhang mit der Ende 2018 stattfindenden Überprüfung der SRM-Verordnung zu bewerten. Arbeiten dazu auf technischer Ebene dauern an. Die Bundesregierung setzt sich für eine sorgfältige und ergebnisoffene Prüfung dieser Frage ein. Ein Vorschlag anderer Mitgliedstaaten zur Vergrößerung des Abwicklungsfonds liegt nicht vor. 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Einigung der Eurogruppe auf eine Zwölfstunden-Frist als Regelfall zur Bewilligung von möglicherweise zweistelligen Milliarden-Euro-Krediten im Rahmen der geplanten ESM-Letztsicherung für den SRF? a) Hält sie eine sorgfältige Entscheidungsfindung in diesem zeitlichen Rahmen für möglich? b) Wie bewertet die Bundesregierung dies insbesondere vor dem Hintergrund der Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages? Wie könnte beispielsweise der zeitliche Ablauf der Entscheidungsfindung des deutschen Vertreters in den ESM-Gremien unter Einbeziehung der Stellungnahme des Deutschen Bundestages gestaltet werden (bitte detailliert darlegen)? Die Fragen 3a und 3b werden gemeinsam beantwortet. Die Eurogruppe hat in den Eckpunkten für die Letztsicherung erneut explizit bestätigt , dass es eine Einzelfallentscheidung des ESM-Direktoriums geben wird, welche die nationalen verfassungsrechtlichen Anforderungen beachtet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6772 Die von der Eurogruppe am 4. Dezember 2018 vereinbarte Zwölfstundenfrist als Regelfall ergibt sich aus den zeitlichen Abläufen und der Dringlichkeit einer Abwicklungsentscheidung , die notfalls an einem Wochenende oder auch über Nacht getroffen werden können muss. In Ausnahmefällen, insbesondere komplexen Abwicklungsentscheidungen , kann die Frist nach Zustimmung des geschäftsführenden Direktors des ESM auf bis zu 24 Stunden verlängert werden. Die Bundesregierung hält eine sorgfältige Entscheidungsfindung in diesem zeitlichen Rahmen für möglich, aber auch für unerlässlich. In diesem Sinne strebt die Bundesregierung eine entsprechende Klärung der Umsetzung und Ausgestaltung dieser zeitlichen Vorgaben im Einzelnen auf nationaler Ebene an. c) Könnten nach Einschätzung der Bundesregierung schon vor Beginn der Zwölfstunden-Frist dem Deutschen Bundestag Dokumente zum sich anbahnenden SRF-Krisenfall zugeleitet werden, so dass dem Deutschen Bundestag bereits früher eine Einarbeitung und Vorbereitung auf die anstehende Entscheidung möglich wäre? Die von der Eurogruppe vereinbarten Eckpunkte sehen vor, dass das ESM-Direktorium vor Annahme eines Abwicklungskonzepts eine bedingte Auszahlungsentscheidung auf der Basis aller relevanten Informationen trifft. Die genauen Abläufe sowie der Informationsaustausch im Einzelnen stehen noch nicht fest und müssen im Jahr 2019 weiter ausgearbeitet werden. 4. Würde im Falle einer schweren Finanzkrise, die die fristgerechte Rückzahlung von Letztsicherungskrediten zweifelhaft erscheinen ließe, der ESM in seiner Letztsicherungsfunktion einen Antrag des SRF auf Finanzhilfe ablehnen , soweit es auf den Vertreter der Bundesregierung in den ESM-Gremien ankommt? a) Wenn ja, wie vertrüge sich dies nach Ansicht der Bundesregierung mit der Begründung für die Notwendigkeit einer ESM-Letztsicherung, wonach eine solche Letztsicherung unabdingbar sei, um im Falle einer schweren Finanzkrise einen sog. Bank Run zu verhindern? b) Wenn nein, wie vertrüge sich dies nach Ansicht der Bundesregierung mit der Betonung des Prinzips der fiskalischen Neutralität? Auf welchem Wege wäre nach Ansicht der Bundesregierung die fiskalische Neutralität der Letztsicherung auch im Falle einer schweren Finanzkrise gesichert (bitte detailliert darlegen)? Die von der Eurogruppe vereinbarten Eckpunkte für die Letztsicherung sehen eine Einzelfallentscheidung des ESM-Direktoriums vor. Diese Einzelfallentscheidung soll von einer Reihe von Kriterien geleitet werden. Sie sehen unter anderem vor, dass die Letztsicherung nur als ultima ratio zum Einsatz kommen darf, mittelfristig haushaltsneutral sein muss und die vereinbarten Abwicklungsregeln, insbesondere die Regeln zur Verlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern (Bail-in) fortbestehen. All das dient dem von der Bundesregierung verfolgten Ziel, die Kosten einer Abwicklung den Anteilseignern, Gläubigern sowie dem Bankensektor aufzuerlegen und den Steuerzahler zu schützen. Von diesen Kriterien wird sich die Bundesregierung bei einer etwaigen, in der Zukunft nach Errichtung der Letztsicherung gegebenenfalls erforderlichen Einzelfallentscheidung unter Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls leiten lassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6772 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Zu welchen Konditionen, insbesondere zu welchem Zins sollen nach Kenntnis und nach Ansicht der Bundesregierung die Kredite des ESM im Rahmen der Letztsicherung an den SRF ausgereicht werden? 6. Stimmt die Bundesregierung der Ansicht zu, dass es das Prinzip der fiskalischen Neutralität, das der Letztsicherung zugrunde liegen soll, erfordert, dass ein Kredit marktgerecht verzinst wird, weil dem ESM ansonsten Opportunitätskosten in Höhe der Zinsvergünstigung entstehen? a) Berücksichtigt dies die Bundesregierung in ihren Verhandlungen über die Ausgestaltung der Letztsicherung? b) Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 5 und 6 werden zusammen beantwortet. Die wesentlichen Konditionen für die Letztsicherung sind in den von der Eurogruppe vereinbarten Eckpunkten niederlegt. Sie sehen – wie in der Antwort zu Frage 4 dargelegt – unter anderem vor, dass die Letztsicherung nur als ultima ratio zum Einsatz kommen darf, mittelfristig haushaltsneutral sein muss und die vereinbarten Abwicklungsregeln, insbesondere die Regeln zur Verlustbeteiligung von Anteilseignern und Gläubigern (Bail-in) fortbestehen. Zudem wird der ESM allgemeine Schutzrechte wie eine vorrangige Gläubigerstellung, besondere Pfandrechte und die Möglichkeit einer vorzeitigen Fälligstellung bei einem Zahlungsverzug des Abwicklungsausschusses erhalten. Als Regelfall ist die mittelfristige Haushaltsneutralität durch eine Rückzahlung innerhalb von drei Jahren sicherzustellen, die einmalig von dem ESM-Direktorium um zwei Jahre verlängert werden kann. Zum Pricing ist bisher vereinbart, dass bei der ESM-Unterstützung an den SRB eine Marge von 35 Basispunkten in den ersten drei Jahren und eine erhöhte Marge von 15 zusätzlichen Basispunkten nach drei Jahren fällig wird. Die Arbeiten zum Pricing werden im Übrigen im Jahr 2019 fortgesetzt. 7. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung künftig der Übergang von einem PCCL- zu einem ECCL- und von einem dieser beiden zu einem ESM-Vollprogramm ausgestaltet werden? a) Sieht die Bundesregierung die Gefahr, dass Mitgliedstaaten aufgrund der geringeren Konditionalität künftig nur noch die vorsorglichen Programme in Anspruch nehmen und damit die primärrechtliche Vorschrift des Artikels 136 Absatz 3 Satz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), wonach die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen strengen Auflagen unterliegen wird, faktisch unterlaufen werden ? b) Wenn nein, warum nicht? Das von der Eurogruppe am 4. Dezember 2018 vereinbarte „Term Sheet on the European Stability Mechanism reform“ bestätigt ausdrücklich, dass Konditionalität (strenge Auflagen) ein grundlegendes Prinzip des ESM-Vertrags und aller ESM-Instrumente bleibt. Dies gilt auch für die bereits bestehenden, in Artikel 14 des ESM-Vertrags geregelten vorsorglichen Finanzhilfeinstrumente: die vorsorglich bedingte Kreditlinie (precautionary conditioned credit line – PCCL) und die Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen (enhanced conditions credit line – ECCL). Artikel 12 Absatz 1 des ESM-Vertrags sieht vor, dass ESM-Finanzhilfen unter strengen, dem gewählten Finanzinstrument angemessenen Auflagen gewährt werden können. Diese Auflagen können von einem makroökonomischen Anpassungsprogramm bis zur kontinuierlichen Erfüllung zuvor festgelegter Zugangskriterien reichen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6772 Die Zugangskriterien für die PCCL sind in der ESM-Leitlinie für vorsorgliche Finanzhilfen geregelt. Diese wurde im Jahr 2012 – nach vorheriger Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages – verabschiedet. Vorsorgliche ESM-Instrumente wurden bislang noch nicht beantragt. Im Vergleich zur geltenden ESM-Leitlinie sieht das „Term Sheet on the European Stability Mechanism reform“ eine strengere und präzisere Formulierung der Zugangskriterien vor. Insofern dürfte nicht davon auszugehen sein, dass die Mitgliedstaaten künftig nur noch vorsorgliche Programme in Anspruch nehmen. Dies ist auch nicht das Ziel der von der Eurogruppe gesetzten Reformvorgaben. Wesentlicher Zweck der reformierten PCCL ist es, dass Mitgliedstaaten mit gesunden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen effektiver Hilfen erhalten können, wenn sie trotz nachweisbar guter Politik ohne eigenes Verschulden in Gefahr geraten , den Zugang zum Markt für Staatsanleihen zu verlieren. Die Gewährung einer PCCL soll künftig als eine Art „Gütesiegel“ den Märkten signalisieren, dass der betreffende Mitgliedstaat kreditwürdig und fähig ist, die Folgen eines asymmetrischen Schocks außerhalb seiner politischen Kontrolle zu bewältigen. Mitgliedstaaten, die aufgrund von strukturellen Defiziten, einer geringen Wachstumsdynamik und einer unsoliden Fiskalpolitik in eine die Finanzstabilität der Währungsunion gefährdende Schieflage geraten, können auch in Zukunft nur ESM-Programme mit weiteren strengen Reformauflagen beantragen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass ESM-Kreditlinien nur mit vorheriger Zustimmung des Plenums des Deutschen Bundestages gewährt werden können. Der Übergang von einer PCCL- zu einer ECCL- und von einer dieser beiden zu einem ESM-Darlehen mit vollem makroökonomischem Anpassungsprogramm soll auch künftig einen entsprechenden Antrag des betroffenen Mitgliedstaats voraussetzen . Das „Term Sheet on the European Stability Mechanism reform“ sieht vor, dass die PCCL-Kreditlinie zu schließen ist, wenn der betroffene Mitgliedstaat die Zugangskriterien nicht mehr einhält. Hat der betroffene Mitgliedstaat während der Laufzeit der PCCL-Fazilität Kreditmittel in Anspruch genommen, so wird – sofern die Abweichung nicht auf Umstände außerhalb der politischen Kontrolle des Mitgliedstaates zurückzuführen ist – eine Strafgebühr von 50 Basispunkten erhoben, die nach sechs Monaten um weitere 65 Basispunkte angehoben wird. Damit werden aus Sicht der Bundesregierung angemessene Anreize gesetzt , die Zugangskriterien kontinuierlich zu erfüllen bzw. bei Nichterfüllung, entweder eine ECCL oder ein ESM-Darlehen mit makroökonomischem Anpassungsprogramm zu beantragen. In beiden Fällen müsste der Mitgliedstaat dann zusätzliche Reformauflagen – sogenannte ex-post Konditionalität – akzeptieren. 8. Inwiefern erfüllen die für das PCCL-Programm anscheinend vorgesehenen Zugangskriterien, die sich auf vergangene (beispielsweise den staatlichen Schuldenstand) und gegenwärtige (beispielsweise das staatliche Haushaltsdefizit ) Zustände beziehen, nach Ansicht der Bundesregierung den Tatbestand der Auflage gemäß Artikel 136 Absatz 3 Satz 2 AEUV, der bislang gemeinhin als auf die Zukunft gerichtet verstanden wird (im Sinne einer Auflage , künftig etwas zu tun oder zu unterlassen)? Das „Term Sheet on the European Stability Mechanism reform“ sieht vor, dass sich der die PCCL in Anspruch nehmende Mitgliedstaat verpflichtet, die Zugangskriterien kontinuierlich, also während der gesamten Dauer des PCCL-Programms , einzuhalten. Es handelt sich insofern auch um in die Zukunft gerichtete Auflagen. Die Verpflichtung zur kontinuierlichen Einhaltung der Zugangskrite- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6772 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode rien ist bereits in der derzeit geltenden ESM-Leitlinie für vorsorgliche Finanzhilfen vorgesehen sowie auch in Artikel 12 Absatz 1 des ESM-Vertrags, wonach Auflagen von einem makroökonomischen Anpassungsprogramm bis zur kontinuierlichen Erfüllung zuvor festgelegter Zugangskriterien reichen können. 9. Inwiefern erfüllen die für das PCCL-Programm anscheinend vorgesehenen Zugangskriterien, die sich auf die Einhaltung ohnehin bestehender Normen des Unionsrechts beschränken (etwa des Stabilitäts- und Wachstumspakts), nach Ansicht der Bundesregierung den Tatbestand der Strenge der Auflagen gemäß Artikel 136 Absatz 3 Satz 2 AEUV? Neben den im „Term Sheet on the European Stability Mechanism reform“ konkret genannten Kriterien gilt weiterhin, dass eine PCCL nur gewährt werden kann, wenn die öffentlichen Schulden tragfähig sind, Zugang zum Kapitalmarkt besteht, eine tragfähige externe Position gegeben ist und keine Solvenzprobleme im Bankensektor bestehen, die eine systemische Bedrohung der Finanzstabilität des Bankwesens der Eurozone darstellen. Die Zugangskriterien gehen über die „Einhaltung ohnehin bestehender Normen des Unionsrechts“ deutlich hinaus und werden im Einzelfall bei Antragstellung beurteilt und danach kontinuierlich überwacht . Die Zugangskriterien sollen sicherstellen, dass die PCCL nur wirtschaftlich und finanziell gesunden Eurozonen-Mitgliedstaaten gewährt werden kann. In Einklang mit Artikel 12 Absatz 1 des ESM-Vertrags stellen die Zugangskriterien zusammen mit der Verpflichtung zu deren kontinuierlicher Einhaltung sowie den vorgesehenen Sanktionen bei Verstößen dem Instrument der PCCL angemessene und hinreichend strenge Auflagen dar. 10. Ist es nach Ansicht der Bundesregierung ein sinnvolles Ziel, die Nachfrage nach ESM-Programmen zu erhöhen? Wenn ja, warum? a) Wie ist dieses Ziel mit dem bei Errichtung des ESM zugrunde gelegten Ultima-Ratio-Prinzip vereinbar, das seinen Ausdruck in Artikel 136 Absatz 3 Satz 1 AEUV („wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren“) und nahezu wortgleich in Erwägungsgrund 6 und in Artikel 3 ESM-Vertrag gefunden hat? b) Wie ist dieses Ziel mit dem sog. No-Bailout-Prinzip vereinbar, das bei Gründung der Währungsunion maßgeblich auf Druck der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung im europäischen Primärrecht (heute Artikel 125 AEUV) verankert wurde? Wie in der Antwort zu Frage 7 bereits dargelegt, ist es nicht Ziel und Zweck der Anpassungen, dass sich die „Nachfrage nach ESM-Programmen“ erhöht. Das in Artikel 136 Absatz 3 AEUV und dem ESM-Vertrag verankerte Ultima-Ratio- Prinzip steht nicht zur Disposition. Dies hat die Eurogruppe am 4. Dezember 2018 in ihrem „Eurogroup report to Leaders on EMU deepening“ erneut ausdrücklich bekräftigt. Der ESM wird auch künftig „letztes Mittel“ bleiben und Stabilitätshilfen an Eurozonen-Mitgliedstaaten nur gewähren, wenn dies unabdingbar zur Wahrung der Finanzstabilität der Eurozone und ihrer Mitgliedstaaten ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/6772 11. Warum sollte sich nach Ansicht der Bundesregierung ein Mitgliedstaat, der fiskalisch und wirtschaftlich gesund ist und dem dies durch die Europäische Kommission, aber auch durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) oder die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und weitere multilaterale Organisationen sowie die Ratingagenturen im Rahmen des regelmäßigen Berichts- und Konsultationswesens bestätigt wird, nicht zu angemessenen Konditionen am Kapitalmarkt finanzieren können, sondern einer vorsorglichen Kreditlinie des ESM bedürftig sein? Die Gewährung einer PCCL soll künftig als eine Art „Gütesiegel“ den Märkten signalisieren, dass der betroffene Mitgliedstaat kreditwürdig und fähig ist, die Folgen eines asymmetrischen Schocks außerhalb seiner politischen Kontrolle zu bewältigen. Mit Hilfe dieses „Gütesiegels“ kann sich der Mitgliedstaat besser aus eigener Kraft am Markt halten, und somit ein mögliches Ausbreiten der Krise auf andere Euro-Mitgliedstaaten verhindert werden, um die Finanzstabilität der Eurozone zu bewahren. Diese Überlegungen lagen im Grundsatz auch der geltenden ESM-Leitlinie für vorsorgliche Finanzhilfen zugrunde. Mit den Reformvorgaben der Eurogruppe soll die Effektivität der vorsorglichen ESM-Kreditlinien erhöht werden, indem die Zugangskriterien und die Anreizmechanismen zur Einhaltung der Zugangskriterien stärker präzisiert und strenger formuliert werden. 12. Worin besteht nach Auffassung der Bundesregierung der Unterschied zwischen der reformierten vorsorglichen Kreditlinie PCCL und sog. Eurobonds, von denen die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im Jahr 2012 sagte, es werde sie nicht geben, solange sie lebe (vgl. www.handelsblatt.com/politik/ deutschland/euro-bonds-nicht-solange-ich-lebe-merkel-zieht-mit-klarerkampfansage -in-den-eu-gipfel/6804370.html)? a) Pflichtet die Bundesregierung der Ansicht bei, dass es sich in beiden Fällen um die gemeinsam verbürgte Kreditaufnahme für Mitgliedstaaten handelt, die aufgrund des AAA-Ratings der Kreditwürdigkeit einzelner Mitgliedstaaten zu günstigeren Zinsen erfolgt, ohne dass diese Unterstützung unabdingbar wäre, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren? b) Wenn ja, warum setzt sie sich dann trotz der langfristig ablehnenden Haltung der Bundeskanzlerin für die reformierte vorsorgliche Kreditlinie ein? c) Wenn nein, worin sieht die Bundesregierung ökonomisch relevante Unterschiede zwischen PCCL und Eurobonds? Bei der reformierten PCCL wird es sich auch weiterhin um eine Form der ESM Stabilitätshilfe handeln, die nur dann gewährt werden kann, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität der Eurozone und ihrer Mitgliedstaaten unabdingbar ist und dies unter entsprechender Konditionalität erfolgt. Eine Vergleichbarkeit mit Eurobonds besteht demnach nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6772 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Wie bewertet die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen der Kreditlinie mit erweiterten Bedingungen ECCL und dem Staatsanleihekaufprogramm OMT der Europäischen Zentralbank (EZB)? a) Genügt nach Kenntnis der Bundesregierung bereits ein ECCL-Programm, damit ein Mitgliedstaat von der EZB über ein OMT-Programm durch Staatsanleihekäufe aus der Notenpresse finanziert werden kann? b) Wenn ja, wie bewertet dies die Bundesregierung? Warum setzt sich die Bundesregierung in diesem Fall indirekt für eine Ausweitung der Staatsanleihekäufe der EZB ein? c) Wenn nein, worauf stützt die Bundesregierung diese Kenntnis? Die EZB hat Informationen zum Outright Monetary Transactions/OMT-Programm , einschließlich der Voraussetzungen, auf ihrer Webseite veröffentlicht (www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2012/html/pr120906_1.en.html). Darin heißt es, dass strikte Konditionalität in Verbindung mit einem EFSF/ESM-Programm (volles Programm oder ECCL) eine notwendige Voraussetzung für das OMT- Programm sei. Der EZB-Rat entscheide über OMT in Übereinstimmung mit seinem geldpolitischen Mandat. Die EZB und die nationalen Zentralbanken im Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken sind nach Artikel 130 AEUV unabhängig. Die Bundesregierung gibt keine Einschätzungen über die Ausgestaltung geldpolitischer Maßnahmen der EZB ab. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333