Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 27. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6792 19. Wahlperiode 02.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Zimmermann, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/6392 – Arbeitsbedingungen von im Haushalt lebenden Pflegekräften V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Pflegenotstand in Deutschland befördert seit vielen Jahren ein Phänomen, das in Presse und Politik häufig wenig Beachtung findet. Tausende Frauen, meist Staatsbürgerinnen aus Polen oder Rumänien, arbeiten und leben in Häusern und Wohnungen von Menschen mit Pflegebedarf. Sie werden von Agenturen angeworben und an Haushalte in Deutschland vermittelt. Dort übernehmen die teilweise nicht ausgebildeten Pflegekräfte die Pflege und Aufsicht von Menschen mit Pflegebedarf. Dabei sind sie nicht selten 24 Stunden am Tag für diese Personen verantwortlich, Freizeit oder Urlaub erhalten sie nicht. Das Gehalt der sogenannten Live-in-Pflegerinnen entspricht nur einem Bruchteil des ohnehin schon niedrigen Gehalts einer Pflegekraft. Teilweise werden die Frauen, die so arbeiten, auch geschlagen und misshandelt. Öffentlich werden solche Gewalttaten nur sehr selten (vgl. www.zeit.de/wissen/gesundheit/2016-08/pflegekraeftebundesregierung -osteuropa-illegal-hausangestellte). Verantwortung im Sinne von Arbeitgebern übernehmen in der Regel weder die Vermittlungsagenturen noch die Menschen mit Pflegebedarf. Viele Pflegekräfte arbeiten als Selbstständige, obwohl offensichtlich ist, dass sie abhängig beschäftigt sind. Durch die Scheinselbständigkeit werden Arbeitszeitgesetze umgangen und es wird versucht, illegale Arbeitsverhältnisse jedenfalls teilweise zu legalisieren . Kontrollen und Überprüfungen solcher Arbeitsverhältnisse finden in der Regel nicht statt. 1. Wie viele sogenannte Live-in-Pflegekräfte gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland und wie hoch war die Anzahl vor fünf, zehn, 15 und 20 Jahren (bitte wenn möglich nach Bundesländern und nach Geschlecht aufschlüsseln)? 2. Wie viele „24-Stunden-Pflegekräfte“ arbeiten nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr als Selbstständige, und wie viele sind angestellt beschäftigt (bitte Entwicklung seit 1998 beschreiben)? 3. Wie viele ausländische Pflegekräfte, die in deutschen Haushalten leben und arbeiten, sind nach Kenntnis der Bundesregierung Frauen? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6792 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Welche Informationen liegen der Bundesregierung über die Anwerbungskriterien der Vermittlungsagenturen, also bestimmte Voraussetzungen wie Alter , Geschlecht, berufliche Bildung etc., der Pflegekräfte in ihren Herkunftsländern vor? 5. Wie viele Agenturen zur Anwerbung von im Haushalt lebenden Pflegekräften sind der Bundesregierung in Deutschland bekannt, und wie viele davon haben ihren Firmensitz nicht in Deutschland (bitte Entwicklung seit 1998 beschreiben)? Die Fragen 1 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 6. Wie viele Überprüfungen durch deutsche Behörden (z. B. Zoll) von Agenturen zur Vermittlung von „24-Stunden-Pflegekräften“ hat es nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1998 gegeben (bitte in Jahren und, wenn möglich, nach Bundesländern ausführen)? Die Arbeitsstatistik der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) sieht eine gesonderte Auswertung für das Branchensegment „Agenturen zur Vermittlung von 24-Stunden-Pflegekräften“ nicht vor. Insoweit können hierzu keine statistischen Aussagen gemacht werden. 7. Wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Anfragen seit 1998 im Bereich der häuslichen Pflege, mit denen sich die Kontrollbehörden aus ost- und südeuropäischen Ländern (Polen, Bulgarien, Rumänien) an die deutschen Zollbehörden gewandt haben (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? 8. In wie vielen Fällen haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung Arbeitsbehörden aus ost- und südeuropäischen Ländern (Polen, Bulgarien, Rumänien ) an die deutschen Zollbehörden aufgrund von Ermittlungen zu Arbeitskräften in der 24-Stunden-Pflege gewandt (bitte nach Jahren seit 1998 aufschlüsseln )? Die Fragen 7 und 8 werden gemeinsam beantwortet. Eine statistische Auswertung nach Ländern, die Amtshilfeersuchen an das deutsche Verbindungsbüro übersandt haben, ist erst seit dem Jahr 2011 möglich. Für die Jahre 2011 bis 2017 wurden von Polen, Bulgarien und Rumänien insgesamt 66 Amtshilfeersuchen über Internal Market Information System (IMI) an Deutschland gerichtet. Die Amtshilfeersuchen haben sich über die Jahre wie folgt verteilt: Polen Bulgarien Rumänien Gesamt 2011 0 0 0 0 2012 0 1 4 5 2013 1 0 2 3 2014 0 2 5 7 2015 1 2 4 7 2016 2 1 2 5 2017 10 27 2 39 Summe 14 33 19 66 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6792 Im Jahr 2018 gingen bisher aus Polen sechs, aus Bulgarien 11 und aus Rumänien 18 Amtshilfeersuchen ein. Eine weitere Differenzierung nach zugrundeliegenden Sachverhalten wie zum Beispiel häusliche oder 24-Stunden-Pflege ist nicht möglich. 9. Welche und wie viele Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz durch Beschäftigung von im Haus lebenden Pflegekräften sind der Bundesregierung seit 1998 bekannt, und welche dieser Verstöße wurden wie bestraft? Für die Durchführung des Arbeitszeitgesetzes sind die Arbeitsschutzbehörden der Länder zuständig. Der Bundesregierung liegen keine Informationen über die Anzahl oder die Ahndung von Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz durch Beschäftigung von im Haus lebenden Pflegekräften vor, da eine Aufschlüsselung erfolgter Kontrollen der Länder zu bestimmten Bereichen wie dem Haushalt nicht möglich ist. 10. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 1998 wegen gegen „24-Stunden-Pflegekräfte“ verübter Straftaten eingeleitet , und mit welchem Ergebnis (bitte, wenn möglich, nach Bundesländern aufführen)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 11. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Beratung von im Haushalt lebenden Pflegekräften gesetzlich geregelt, in den jeweiligen Bundesländern organisiert, und wie werden Informationen über die Beratungseinsätze erhoben ? Pflegende Angehörige können eine individuelle Pflegeberatung nach § 7a des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) in Anspruch nehmen, soweit die pflegebedürftige Person zustimmt. Dieser Anspruch gilt nicht für im Haushalt lebende Kräfte, die keine pflegenden Angehörigen sind. Diese Personen haben jedoch die Möglichkeit, sich zum Beispiel an die Beratungsstellen der Wohlfahrtverbände zu wenden. 12. Welche gesetzlichen Initiativen plant die Bundesregierung, um die Situation der im Haushalt lebenden Pflegekräfte zu verbessern? 13. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die im Haushalt lebenden Pflegekräfte in Deutschland hinreichend vor Misshandlung und Ausbeutung geschützt sind, und wenn ja, welche Regelungen und Verordnungen schützen die im Haushalt lebenden Pflegekräfte vor Gewalt und Ausbeutung? Die Fragen 12 und 13 werden gemeinsam beantwortet. Spezielle Regelungen für den genannten Personenkreis sind zumindest derzeit nicht vorgesehen, da bestehende Regelungen im Haushalt lebende Pflegekräfte schützen. Allerdings hat die Gleichbehandlungsstelle EU-Arbeitnehmer bei der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration im Austausch mit Beratungsstellen (z. B. Faire Mobilität) und Wohlfahrtsverbänden den Eindruck gewonnen , dass sich die Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte in privaten Haushalten , die im weitesten Sinne der Pflege zugerechnet werden, durch einen hohen Grad an Intransparenz auszeichnen. Eine Klärung des Tätigkeitsprofils der Betreuungs - und Pflegekräfte in privaten Haushalten, eindeutige rechtliche Rahmen- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6792 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode bedingungen (etwa zu Bereitschaftszeiten, Arbeitsperioden etc.) und eine Verbesserung der Informationslage sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite wären wünschenswert. Heute schon aber werden Haushalt lebende Pflegekräfte durch die Straftatbestände des siebzehnten Abschnitts des Strafgesetzbuches (Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit) vor Gewalt geschützt, insbesondere durch die Straftatbestände der Körperverletzung (§ 223 StGB), gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB), schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) und Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Wegen Ausbeutung der Arbeitskraft gemäß § 233 Absatz 1 StGB wird u. a. bestraft , wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, durch eine ausbeuterische Beschäftigung ausbeutet. Eine ausbeuterische Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung aus rücksichtslosem Gewinnstreben zu Arbeitsbedingungen erfolgt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer stehen, welche der gleichen oder einer vergleichbaren Beschäftigung nachgehen. Wer einer solchen Tat durch die Vermittlung einer ausbeuterischen Beschäftigung Vorschub leistet, kann gemäß § 233 Absatz 5 StGB bestraft werden. Weiter kann nach dem Gesetz zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG) in Fällen von Gewalt eine gerichtliche Gewaltschutzanordnung beantragt werden. Das Gericht hat in der Gewaltschutzanordnung alle zur Abwendung weiterer Verletzungen bzw. Belästigungen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine Zuwiderhandlung gegen eine Gewaltschutzanordnung kann gemäß § 4 GewSchG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. 14. Welche gesetzlichen Regelungen, zum Beispiel das Hausbetreuungs- bzw. Medizinbetreuungsgesetz aus Österreich hält die Bundesregierung in Deutschland für umsetzbar, und welche Forschungs- bzw. Prüfaufträge wurden dafür erteilt? Forschungs- bzw. Prüfaufträge zu dieser Frage sind derzeit nicht erteilt. 15. Welche Initiativen setzt die Bundesagentur für Arbeit (BA) gegenwärtig um, damit legale und fair bezahlte Arbeit im Privathaushalt gefördert wird, und in welcher Weise werden die Ergebnisse bisheriger Modellinitiativen umgesetzt ? Die Vermittlungs- und Beratungsdienstleistungen des Arbeitgeber-Service (AG-S) der BA stehen allen Arbeitgebern gleichermaßen offen. Falls private Haushalte z. B. eine Haushaltshilfe oder Pflegefachkraft suchen und somit als Arbeitgeber fungieren, können auch sie die Dienstleistungen des AG-S in Anspruch nehmen. Sobald ein Vermittlungsauftrag an die BA erteilt wurde, prüft der AG-S das Stellenangebot sowie die damit einhergehenden Konditionen anhand der rechtlichen Voraussetzungen (z. B. Einhaltung des Mindestlohn-gesetzes, des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und des Grundsatzes der guten Sitten). Soweit das Stellenangebot alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wird es in die arbeitgeberorientierten Vermittlungsprozesse des AG-S einbezogen. Spezielle Modell-initiativen, wie in dem Fragenteil angesprochen, setzt die Bundesagentur für Arbeit (BA) derzeit nicht um. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333