Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 21. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6859 19. Wahlperiode 28.12.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Roman Müller-Böhm, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6462 – Marktmacht Amazon V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Versandhändler Amazon hat in den vergangenen Jahren durch den Amazon Marketplace, aber auch durch seine vielen weiteren Dienstleistungen, wie etwa Amazon Prime, Alexa und Audible seine Marktanteile nicht nur in Deutschland, sondern weltweit vergrößert. Amazon gehört zu den umsatzstärksten Unternehmen weltweit und baut seine Stellung unter anderem im Einzelhandel weiter aus. Auch ein großer Teil des deutschen Onlinehandels wird über diesen Marktplatz abgewickelt. In der Vergangenheit häuften sich jedoch Meldungen, in denen kritisch über Amazon berichtet wurde (www.handelsblatt.com/unternehmen/handelkonsumgueter /e-commerce-so-maechtig-ist-amazon-in-deutschland/23578 310.html). Dabei wurde insbesondere die Marktmacht Amazons in Bezug auf den lokalen Einzelhandel beklagt. Unabhängige Händler würden sich in eine Abhängigkeit gegenüber Amazon begeben und ihre Artikel über diesen Marktplatz verkaufen müssen. Der Einzelhandel lebt jedoch vom Wettbewerb und fairen Marktbedingungen. Es besteht die Gefahr, dass durch eine marktbeherrschende Stellung einzelner Unternehmen, wie sie Amazon potentiell haben könnte, dieser Wettbewerb gefährdet wird. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Marktmacht Amazons, in Bezug auf den deutschen Einzelhandel im Hinblick auf die Kooperation mit diesem sowie der Konkurrenzsituation? a) Welche Vorteile sieht die Bundesregierung darin? b) Welche Gefahren sieht die Bundesregierung darin? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6859 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Hat Amazon aus Sicht der Bundesregierung eine marktbeherrschende Stellung im Einzelhandel? a) Welche Folgen sind der Bundesregierung durch die Marktmacht Amazons für den lokalen Einzelhandel in Deutschland bekannt? b) Welche dieser Folgen bergen aus Sicht der Bundesregierung Gefahren für den deutschen Einzelhandel im Online- und im stationären Bereich? c) Inwiefern ist diese Stellung aus Sicht der Bundesregierung im Sinne der Handelslandschaft? 3. Wie beurteilt die Bundesregierung die Marktmacht Amazons kartellrechtlich ? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Amazon ist in Deutschland der größte Online-Händler und betreibt den größten Online-Marktplatz. Händler und Hersteller sind daher beim Online-Vertrieb auf die Reichweite des Amazon Markplatzes angewiesen, um die Kunden zu erreichen . Mit einer marktbeherrschenden Stellung oder einem Abhängigkeitsverhältnis (sog. relative Marktmacht) besteht die Gefahr einer Behinderung von anderen Händlern auf der Plattform. Dies kann kartellrechtlich in Bezug auf das Verbot des Missbrauchs einer solchen Marktposition relevant sein. Dies zu prüfen und ggf. festzustellen fällt in die Zuständigkeit der Kartellbehörden und Zivilgerichte. Die Frage einer marktbeherrschenden Stellung Amazons auf bestimmten Märkten oder einer Abhängigkeit von Händlern gegenüber Amazon ist Gegenstand des Missbrauchsverfahrens, das das Bundeskartellamt am 29. November 2018 gegen Amazon eingeleitet hat, um die Geschäftsbedingungen und Verhaltensweisen von Amazon gegenüber den Händlern auf dem deutschen Marktplatz amazon.de zu überprüfen. Die möglicherweise missbräuchlichen Geschäftsbedingungen und damit zusammenhängenden Verhaltensweisen betreffen unter anderem Haftungsregeln zu Lasten der Händler im Zusammenhang mit Gerichtsstand- und Rechtswahlklauseln , Regeln zu Produktrezensionen, intransparente Kündigungen und Sperrungen von Händlerkonten, Einbehalt von Zahlungen und verzögerte Auszahlungen , Klauseln zur Einräumung von Rechten an dem vom Händler bereit zu stellenden Produktmaterial sowie Geschäftsbedingungen zum pan-europäischen Versand. Das Bundeskartellamt wird dies in dem Verfahren ermitteln und eingehend prüfen. 4. Wie viele Beschwerden sind in den vergangenen fünf Jahren (bitte nach Jahren aufschlüsseln) von Händlern auf der Plattform Amazon beim Bundeskartellamt eingegangen? Das Bundeskartellamt hat im Jahr 2018 bislang 73 Beschwerden von Marktplatzhändlern gegen Amazon erhalten, wovon der größte Teil auf die Zeit seit der Einleitung des Missbrauchsverfahrens entfällt. Die in den Jahren 2014 bis 2017 beim Bundeskartellamt gegen Amazon eingereichten Beschwerden waren nicht speziell auf den Amazon Marketplace bezogen. Eine deutlich zweistellige Zahl von Beschwerden zu diesem Bereich gab es zuletzt im Jahr 2012. Diese Beschwerden betrafen die Verpflichtung von Händlern zur Preisparität, die Amazon im Zuge des damals vom Bundeskartellamt geführten Verfahrens aufgegeben hat. Das Bundeskartellamt weist darauf hin, dass eine exakte Bezifferung der eingehenden Beschwerden schwierig sein kann, weil diese oft auch anonym oder gebündelt durch Verbände eingereicht werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6859 5. Sollte aus Sicht der Bundesregierung aufgrund von Beschwerden von Händlern , die sich von Amazon schlecht behandelt fühlen und die Geschäftsbedingungen kritisieren, ein Missbrauchsverfahren oder eine Sektoruntersuchung gegen Amazon eingeleitet werden? Wenn nein, warum nicht? Es wir auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 3 verwiesen. 6. Welche Rolle spielen aus Sicht der Bundesregierung Sprachassistenten wie Alexa aktuell für die Marktmacht Amazons? 7. Welche Rolle werden aus Sicht der Bundesregierung Sprachassistenten wie Alexa zukünftig für die Marktmacht Amazons spielen? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Nach derzeitiger Einschätzung der Bundesregierung spielen Sprachassistenten für die Marktstellung digitaler Plattformen aktuell noch keine entscheidende Rolle. Es erscheint aber denkbar, dass sich dies in Zukunft ändern wird, wobei eine belastbare Prognose über die künftige Entwicklung bei Sprachassistenten im Hinblick auf den Erfolg der verschiedenen Anbieter (neben Alexa insbesondere auch Google Assistant, Siri und Cortana), die jeweiligen Nutzerzahlen und das Nutzungsverhalten nicht ohne weiteres möglich erscheint. Grundsätzlich denkbar erscheint es jedoch, dass Sprachassistenten die Abhängigkeit etwa von Händlern gegenüber digitalen Plattformen weiter erhöhen, wenn der effektive Zugang für bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu bestimmten Kundengruppen nur noch über solche Sprachassistenten möglich sein sollte. Insofern ist auch auf die laufenden Überlegungen zur Reform der Missbrauchsaufsicht hinzuweisen (siehe Antwort zu Frage 8). 8. Mit welchen Maßnahmen versuchen die Bundesregierung und das Bundeskartellamt , den Wettbewerb – online und stationär – zu erhalten? Das Kartellrecht verfügt mit dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen , dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung und der Fusionskontrolle über verschiedene Instrumente, die der Aufrechterhaltung von Wettbewerb und insbesondere dem Offenhalten von Märkten dienen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat im September 2018 ein Gutachten zur Modernisierung der Missbrauchsaufsicht für marktmächtige Unternehmen veröffentlicht und eine „Kommission Wettbewerbsrecht 4.0“ eingesetzt , die sich u. a. mit den wettbewerbspolitischen Fragestellungen auf Plattformmärkten auseinandersetzen wird. Die Vorschläge des Gutachtens werden derzeit geprüft. Ergebnisse daraus sollen im Rahmen der anstehenden 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) berücksichtigt werden. Im Online-Bereich können aufgrund bestimmter struktureller Merkmale der jeweiligen Märkte (insbesondere ausgeprägter Netzwerk- und Skaleneffekte) Tendenzen zu einer Vermachtung besonders stark ausgeprägt sein. Hier hat das Bundeskartellamt eine Vielzahl von Verfahren geführt, die insbesondere auch dem Schutz kleinerer Marktteilnehmer bzw. Händler und ihrer wettbewerblichen Handlungsfreiheit dienen. Beispiele sind etwa die Untersagung der Bestpreisklauseln von Hotelbuchungsportalen, das Verbot von Exklusivitätsvereinbarun- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6859 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode gen einer führenden Ticketing-Plattform oder auch das Vorgehen gegen rechtswidrige Beschränkungen des Online-Vertriebs von Markenartikeln. Diese können gerade kleinen Händlern, die parallel zu ihrem stationären Vertrieb eine Online- Präsenz aufbauen wollen, die Auffindbarkeit im Internet erschweren oder unmöglich machen. Zudem ist auf das in der Antwort zu den Fragen 1 bis 3 erwähnte, vor einigen Wochen eingeleitete Missbrauchsverfahren gegen Amazon hinzuweisen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333