Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 28. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6867 19. Wahlperiode 04.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Konstantin Kuhle, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6555 – Missbrauch von Interpol durch autoritäre Staaten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Internationale kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol), ein Verein nach französischem Privatrecht, ist seit ihrer Gründung im Jahr 1923 zum Symbol der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität durch die Staatengemeinschaft geworden. Die Verhaftung des chinesischen Interpol-Präsidenten Meng Hongwei im September diese Jahres (www.zeit.de/politik/ausland/2018-10/ meng-hongwei-interpol-china-verschwunden-ermittlungen; letzter Abruf am 20. November 2018) und die Kontroversen um die Wahl seines Nachfolgers (vgl. www.tagesspiegel.de/politik/nach-streit-um-kandidaten-interpol-ernenntsuedkoreaner -kim-jong-yang-zu-neuem-praesidenten/23661362.html; letzter Abruf am 21. November 2018) rückten die Organisation zuletzt in ein weniger ruhmreiches Licht. Tatsächlich steht Interpol bereits seit Längerem in der Kritik für seine Anfälligkeit, von autoritären Regimen zur Verfolgung unliebsamer politischer Gegner missbraucht zu werden (vgl. https://verfassungsblog.de/mythosinterpol -und-sein-missbrauch-durch-autoritaere-regime/; letzter Abruf: 20. November 2018). Das Problem sei struktureller Natur: Hauptaufgabe von Interpol ist es, die Polizeibehörden von derzeit 194 Mitgliedstaaten miteinander zu vernetzen und beim Austausch von polizeilich relevanten Informationen zu unterstützen. Wichtige Instrumente hierfür sind einerseits die sogenannten Red Notices und andererseits die sogenannten Diffusions. Mit der „Red Notice“ kann eine nationale Polizeibehörde die Behörden anderer Länder darum ersuchen, den Aufenthaltsort einer gesuchten Person ausfindig zu machen bzw. diese Person verhaften zu lassen , vgl. Artikel 82 Interpol’s Rules on the Processing of Data (Datenverarbeitungsregelungen ). Die „Red Notice“ wird in der Interpol-Datenbank für alle Mitgliedstaaten veröffentlicht und enthält persönliche Informationen über die gesuchte Person sowie eine Beschreibung der erhobenen Vorwürfe. Das Generalsekretariat von Interpol ist dabei grundsätzlich verpflichtet, die „Red Notice“ vor Veröffentlichung der Ausschreibung in der Interpol-Datenbank rechtlich zu prüfen. Insbesondere ist Artikel 3 der Interpol-Verfassung zu beachten, der es der Organisation untersagt, Maßnahmen oder Aktivitäten mit politischem, militärischem , religiösem oder rassistischem Charakter durchzuführen, vgl. Artikel 86 Datenverarbeitungsregelungen. Mit der Diffusion wiederum können die na- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6867 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode tionalen Verbindungsstellen zu Interpol (Nationale Zentralbüros) gezielt einzelne oder mehrere Nationale Zentralbüros kontaktieren, um die Festnahme einer Person oder die Mitteilung ihres Standorts zu ersuchen. Hier findet eine rechtliche Vorprüfung durch Interpol nicht statt, vgl. Artikel 97 f. Datenverarbeitungsregelungen . Mehreren Nicht-Regierungsorganisationen und Medienberichten zufolge ermöglicht diese rechtliche Ausgestaltung autoritären Staaten, das Interpol-System für die internationale Verfolgung von Dissidenten oder anderen unliebsam gewordenen Personen zu missbrauchen (vgl. www.fairtrials.org/wp-content/ uploads/INTERPOL-Summary.pdf; letzter Abruf am 21. November 2018). Zum einen gebe es Fälle, in denen der ersuchende Staat seiner „Red Notice“ schlichtweg einen falschen Sachverhalt beifüge. Eine andere missbräuchliche Strategie bestehe darin, gar nicht erst auf eine „Red Notice“ zurückzugreifen, sondern stattdessen Fahndungsausschreibungen nur als „Diffusions“ an die verbleibenden 193 Mitgliedstaaten zu versenden und so die Überprüfung durch das Generalsekretariat von Interpol zu umgehen. Der darin liegende Verstoß gegen Artikel 99 Absatz 3 der Datenverarbeitungsregelungen, der die Versendung einer „Diffusion“ anstelle einer „Red Notice“ nur dann erlaubt, wenn das Festnahmeersuchen an einen beschränkten Empfängerkreis gesendet werden soll, bleibe meist folgenlos. Auch die in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden nationalen Kontrollfilter erweisen sich möglicherweise als unzulänglich. Gemäß der Artikel 62 und 63 der Datenverarbeitungsregelungen von Interpol sind die Nationalen Zentralbüros dazu verpflichtet, bei der Nutzung von Daten aus den Informationssystemen von Interpol die Richtigkeit und Relevanz der Daten selbstständig zu überprüfen . In Deutschland ist für die Prüfung das Bundeskriminalamt (BKA) als Nationales Zentralbüro zuständig, vgl. § 3 Absatz 1 des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG). In Fällen, denen besondere Bedeutung in politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung zukommt, holt das BKA zuvor die Bewilligung des Bundesamtes für Justiz und des Auswärtigen Amtes ein, vgl. § 33 Absatz 3 BKAG i. V. m. Nummer 13 der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt). Diese institutionelle Aufgabenteilung und das dem Interpol-Fahndungssystem entgegengebrachte Vertrauen führten nach Auffassung von Fachleuten indes zu einem Kaskadeneffekt: Bei Erlass eines vorläufigen Auslieferungshaftbefehls vertraue das zuständige Oberlandesgericht auf die Prüfung der Generalstaatsanwaltschaft, die wiederum auf die Prüfung des BKA (und des gegebenenfalls beteiligten Bundesamts für Justiz sowie des Auswärtigen Amtes), welches selbst auf die rechtliche Prüfung des Generalsekretariats von Interpol und des ersuchenden Nationalen Zentralbüros vertraue – mit der Folge, dass am Ende niemand den Fall wirklich inhaltlich geprüft habe (vgl. https://verfassungsblog.de/mythos-interpol-und-seinmissbrauch -durch-autoritaere-regime/; letzter Abruf am 14. Dezember 2018). 1. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass Interpol zwar als Völkerrechtssubjekt anerkannt ist, es aber bis heute keinen parlamentarisch ratifizierten , völkerrechtlichen Vertrag gibt, auf den die Organisation ihre Arbeit stützen könnte, und inwiefern sieht die Bundesregierung Bedarf hierfür? Aus Sicht der Bundesregierung wird Interpol in der völkerrechtlichen Praxis wie eine zwischenstaatliche internationale Organisation behandelt. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregierung aktuell keinen Handlungsbedarf. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6867 2. Wie hat die Bundesregierung auf der 87. Generalversammlung von Interpol hinsichtlich der Wahl des neuen Präsidenten von Interpol abgestimmt, und wie begründet sich die Entscheidung? Die Bundesregierung äußert sich grundsätzlich nicht zu ihrem Wahlverhalten in internationalen Organisationen. 3. In welchem formellen und materiellen Umfang überprüft das Bundeskriminalamt die mittels einer „Red Notice“ übermittelten Daten vor deren Übernahme in das Inpol-System? Das Bundeskriminalamt (BKA) überprüft jedes einzelne Fahndungsersuchen (Notices und Diffusions) in seiner Funktion als Nationales Zentralbüro der Bundesrepublik Deutschland für die Internationale kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) gemäß § 3 Absatz 1 des Bundeskriminalgesetzes (BKAG). Der Ablauf der Prüfung ist gesetzlich vorgeschrieben und erfolgt nach § 33 BKAG. Im Rahmen seiner Prüfung hat das BKA in Fällen, denen besondere Bedeutung in politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung zukommt, zuvor die Bewilligung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV)/ Bundesamt für Justiz (BfJ) und des Auswärtigen Amtes einzuholen (§ 33 Absatz 3 BKAG in Verbindung mit Nummer 13 der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten [RiVASt]). 4. In welchem formellen und materiellen Umfang überprüft das Bundeskriminalamt die mittels einer „Diffusion“ übermittelten Daten vor der Übernahme in das Inpol-System? 5. Welche Unterschiede gibt es zwischen der Prüfung durch das BKA von Fahndungsersuchen, die als „Red Notice“, und solchen, die als „Diffusion“ zirkuliert werden? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 6. Insofern eine Überprüfung von Fahndungsersuchen in Form einer „Red Notice “ und/oder „Diffusion“ durch das BKA stattfindet, wie, und in welcher Form wird diese aktenkundig gemacht? Haben Betroffene ein Recht auf Akteneinsichtnahme, und inwiefern wird dies ermöglicht? Die Überprüfung von Fahndungsersuchen wird im BKA-internen Vorgangsbearbeitungssystem aktenkundig gemacht. Die Rechte der betroffenen Person richten sich nach § 84 BKAG i. V. m. den §§ 57, 58 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Ferner bestehen Rechte nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG). 7. Inwiefern prüft das Bundeskriminalamt auch die Formvorschriften der Datenverarbeitungsregelungen von Interpol, und wie wird mit Ersuchen umgegangen , in denen die Datenverarbeitungsregelungen von Interpol nicht befolgt wurden? Die Prüfung des BKA erfolgt nach § 33 des BKA-Gesetzes. Artikel 80 Absatz 1 Buchstabe c der Interpol-Regeln über die Datenverarbeitung sieht eine Benachrichtigung des Nationalen Zentralbüros an das Interpol-Generalsekretariat bei Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6867 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zweifeln an der Vereinbarkeit eines Fahndungsersuchens mit den Datenverarbeitungsregelungen von Interpol vor. Derartige Benachrichtigungen durch das BKA sind in der Vergangenheit verschiedentlich erfolgt. 8. Hat das BKA Kenntnis vom gesamten Empfängerkreis einer „Diffusion“ und wie verfährt das BKA mit einer „Diffusion“, die sich – der Wirkung einer „Red Notice“ gleich – an alle oder den überwiegenden Teil der Interpol-Mitgliedstaaten wendet? Das BKA hat Kenntnis vom Empfängerkreis einer „Diffusion“, wenn es selbst Teil des Empfängerkreises dieser Diffusion ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 9. Welche Rechtschutzmöglichkeiten haben Betroffene gegen in das deutsche Inpol-System übernommene Ausschreibungen, die gegen die Datenverarbeitungsregeln von Interpol verstoßen? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Betroffene haben zudem die Möglichkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage. 10. Mit welcher Begründung wurde in den Fällen, bei denen aus der amtlichen Auslieferungsstatistik des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für das Jahr 2016 hervorgeht, dass die Auslieferung abgelehnt und/oder auf andere Weise beendet wurde, die Auslieferung abgelehnt a) soweit die Bewilligung seitens der Bundesrepublik Deutschland verweigert wurde, b) soweit die Auslieferung aufgrund gerichtlicher Entscheidung für unzulässig erklärt wurde? Im Jahr 2016 sind 1 690 Auslieferungsverfahren eingeleitet worden. In 257 Fällen ist die Bewilligung der Auslieferung abgelehnt worden. Gründe für die Ablehnung sind in anwendbaren völkervertraglichen Regelungen oder dem nationalen deutschen Recht vorgesehen. Eine statistische Erfassung der Ablehnungsgründe erfolgt nur in Fällen der Überstellung an andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Erfasst wird nicht, ob einer Ablehnung eine negative Zulässigkeitsentscheidung vorausging. Im Jahr 2016 wurden 213 Überstellungsersuchen auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls abgelehnt. Gründe dafür waren § 9 Nr. 1 des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) 15 Fälle § 73 Satz 2 IRG 40 Fälle § 80 Abs. 1 und 2 IRG 13 Fälle § 80 Abs. 3 IRG, § 83b Abs. 2 Nr. 2 IRG 64 Fälle § 81 Nr. 2 IRG 1 Fall § 83 Abs.1 Nr. 1 IRG 4 Fälle § 83 Abs. 1 Nr. 3 IRG 29 Fälle § 83 Abs. 1 Nr. 4 IRG 1 Fall § 83a Abs. 1 IRG 8 Fälle § 83b Abs.1 Nr. 1 IRG 2 Fälle § 83b Abs. 1 Nr. 3 2 Fälle Sonstige Gründe 34 Fälle Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6867 11. Beinhaltet die amtliche Auslieferungsstatistik auch solche Verfahren, in denen zwar aufgrund einer Interpol-Ausschreibung eine Festnahme des Betroffenen erfolgte, das zuständige Oberlandesgericht jedoch den Erlass eines (vorläufigen) Auslieferungshaftbefehls abgelehnt hat und es somit nicht zum Beginn eines förmlichen Auslieferungsverfahrens gekommen ist? Ja. 12. Welche konkreten Maßnahmen ergriff und ergreift die Bundesregierung im Zeitraum von 2014 bis 2018, um die Einhaltung von ergänzenden Zusicherungen im Auslieferungsverkehr mit bestimmten Staaten (z. B. der Russischen Föderation) – etwa zu den Haftbedingungen, konsularischer Betreuung durch Angehörige der deutschen Botschaft, Arztbesuchen oder zur Möglichkeit der Prozessbeobachtung – zu überprüfen? Die Einhaltung von Zusicherungen wird durch Monitoringbesuche bei den Ausgelieferten und – sofern geboten – durch Gespräche mit dem Rechtsbeistand und Teilnahme an Gerichtsterminen überprüft. Eine konsularische Betreuung von ausgelieferten ausländischen Staatsangehörigen ist nach dem Konsulargesetz nicht vorgesehen. 13. Insofern infolge von Zusicherungen Maßnahmen im Sinne der Frage 12 erfolgen , wie werden diese aktenkundig gemacht, und wem, und wie wird darüber berichtet? Die Auslandsvertretungen berichten schriftlich über Monitoringbesuche und andere Monitoringmaßnahmen an die Bewilligungsbehörde. 14. Insofern infolge von Zusicherungen Maßnahmen im Sinne der Frage 12 erfolgen , werden diese a) der Generalstaatsanwaltschaft, b) dem Oberlandesgericht, das an dem Auslieferungsverfahren beteiligt war, und/oder c) den deutschen Rechtsbeiständen eines ausgelieferten Verfolgten mitgeteilt, und werden diese über Einhaltung bzw. Nichteinhaltung von Zusicherungen informiert? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 15. In welchem Umfang und in welchen Verfahren haben Angehörige der Deutschen Botschaft oder Konsulate in der Russischen Föderation im Zeitraum von 2014 bis 2018 a) Prozessbeobachtungen und/oder b) Haftbesuche durchgeführt? Die Bundesregierung führt keine Statistik über Monitoringbesuche und Prozessbeobachtungen in Auslieferungsfällen. Gemäß der Auslieferungsstatistik des Bundes erfolgten in den Jahren 2014 bis 2016 18 Auslieferungen in die Russische Föderation. Für die Jahre 2017 und 2018 liegen noch keine verlässlichen statistischen Zahlen vor. In jedem Auslieferungsfall erfolgen Monitoringbesuche in der Untersuchungs- und Strafhaft und – soweit sinnvoll und hilfreich im konkreten Fall – ebenfalls Prozessbeobachtungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6867 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Inwiefern hält die Bundesregierung die Zusicherungen der Russischen Föderation im Auslieferungsverkehr weiterhin für zuverlässig, angesichts des Umstandes, dass laut den amtlichen Auslieferungsstatistiken in den vergangenen Jahren zwischen ca. 25 bis 50 Prozent aller Auslieferungsersuche der Russischen Föderation abgelehnt wurden? Die Ablehnung der Auslieferungen in die Russische Föderation erfolgte nach Kenntnis der Bundesregierung nicht aufgrund einer etwaigen Nichteinhaltung von Zusicherungen durch die Russische Föderation. 17. Wie erklärt die Bundesregierung, dass – nach Berichten von Verfahrensbeteiligten – das Auswärtige Amt in Stellungnahmen im Asylverfahren an der Rechtsstaatlichkeit in der Russischen Föderation Zweifel äußert, hingegen in Stellungnahmen im Auslieferungsverfahren keine rechtsstaatlichen Defizite in der Russischen Föderation zu erkennen vermag? Dem Auswärtigen Amt obliegt im Rahmen der Amtshilfe die Beantwortung von Anfragen von Behörden und Gerichten vor allem in asyl- und auslieferungsrechtlichen Verfahren durch die Mitarbeit an der Aufklärung des Sachverhalts. Wertungen und rechtliche Schlussfolgerungen haben die zuständigen Behörden und Gerichte selbst vorzunehmen. Diese erfolgen unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls. 18. Hält die Bundesregierung trotz des wiederholten Missbrauchs deutscher Strafverfolgungsorgane durch die Russische Föderation und die Republik Türkei in der Vergangenheit weiterhin an dem Grundsatz fest, dass Auslieferungsverfahren im vertraglichen und vertragsfreien Auslieferungsverkehr außerhalb des Systems des Europäischen Haftbefehls ohne Schuld- bzw. Tatverdachtsprüfung durchzuführen sind? Nach § 10 Absatz 2 IRG findet eine Schuldverdachtsprüfung statt, wenn besondere Umstände des Falles Anlass dazu geben, zu zweifeln, ob die verfolgte Person der Tat hinreichend verdächtig ist. Ob das im Einzelfall erforderlich ist, entscheidet ein unabhängiges Oberlandesgericht. 19. Wie bewertet die Bundesregierung die geltende Rechtslage, wonach Verfolgte , gegen die der Erlass eines vorläufigen Auslieferungshaftbefehls abgelehnt wurde, deren Auslieferung für unzulässig erklärt oder nicht bewilligt wurde, aufgrund des Wortlauts von § 2 Absatz 1 und 3 des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) für im Inland erlittene Haft keine Entschädigung vom deutschen Staat erhalten, und soweit das Auslieferungsverfahren ohne gerichtliche Entscheidung beendet wird, zudem auch ihre notwendigen Auslagen nicht erstattet bekommen, und gedenkt die Bundesregierung Maßnahmen zu ergreifen, um Verfolgte, deren Auslieferung abgelehnt wurde, für erlittene Auslieferungshaft zu entschädigen? Eine Entschädigung für in der Bundesrepublik Deutschland erlittene Auslieferungshaft auf Ersuchen eines anderen Staates sieht das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) nicht vor, weil Anordnung und Vollzug von Auslieferungshaft für ein ausländisches Strafverfahren keine Maßnahmen sind, die originär von deutschen Behörden veranlasst werden können. Voraussetzung für das Tätigwerden einer deutschen Behörde ist hier vielmehr ein zulässiges Auslieferungsersuchen einer zuständigen ausländischen Behörde nebst einem im ausländischen Strafverfahren ergangenen Haftbefehl. Eine etwaige Entschädigung richtet sich – dem Veranlassungsprinzip folgend – grundsätzlich nach dem Recht des ersuchenden Staates. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/6867 20. Welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung in Hinblick auf die Befugnisse des Richters am Amtsgericht im Verfahren nach Ergreifung nach vorläufiger Festnahme gemäß § 22 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen? §§ 21, 22 IRG sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. September 2010, – 2 BvR 1608/07 –) verfassungskonform auszulegen und anzuwenden. Das Amtsgericht muss vor Erlass einer Festhalteanordnung in summarischer Weise auch die Haftvoraussetzungen der §§ 15, 16 IRG in seine Prüfung einbeziehen. Diese Rechtsprechung soll bei einer allgemeinen Überarbeitung des IRG klarstellend aufgenommen werden. 21. Inwiefern sieht die Bundesregierung Bedarf, die zuständigen Stellen in den Generalstaatsanwaltschaften sowie die für Auslieferungsangelegenheiten zuständigen Senate der Oberlandesgerichte über den anhaltenden Missbrauch der Instrumente der transnationalen Strafrechtspflege aufzuklären? Die Bundesregierung steht mit den Generalstaatsanwaltschaften und den Oberlandesgerichten in regelmäßigem Austausch zu Fragen der internationalen Strafrechtspflege . 22. Welche weiteren Maßnahmen plant die Bundesregierung, um den Missbrauch ihrer Strafverfolgungsorgane durch fremde Staaten zu unterbinden? Das BKA wird das innerhalb des Interpol-Generalsekretariats eingerichtete Projekt zur gezielten Überprüfung des Altbestands der Fahndungsersuchen vor 2016 nach den seitdem eingeführten höheren Prüfstandards durch die temporäre Entsendung einer Juristin (ab Januar 2019) unterstützen. Die Entsendung weiteren geeigneten Personals auch aus anderen Ressorts wird geprüft. Im Übrigen wird die Antwort zu Frage 21 sowie auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 13a der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/4365 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333