Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 21. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6900 19. Wahlperiode 03.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Bettina Hoffmann, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/6198 – Aktuelle Vorhaben der Bundesregierung zur Vermeidung von Fahrverboten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nachdem zuletzt Verwaltungsgerichte wegen zu hoher Luftverschmutzung in mehreren deutschen Städten (z. B. Frankfurt, Mainz, Köln, Bonn) die Einführung von Fahrverboten zur Verbesserung der Luftqualität anordneten, wurden Pläne der Bundesregierung bekannt, die Einführung solcher nach Ansicht der Fragesteller wirksamen Maßnahmen für den Gesundheitsschutz zu erschweren. Zu diesem Zweck plant die Bundesregierung nach Medienberichten, das Bundes -Immissionsschutzgesetz (BImSchG) so zu ändern, dass Fahrverbote erst ab einem Jahresmittelwert von 50 Mikrogramm pro m³ Stickstoffdioxid zulässig sind (siehe z. B. www.deutschlandfunk.de/stickoxid-grenzwerte-merkel-willfahrverbote -per-gesetz.1766.de.html?dram:article_id=431189). Sofern ein Stickstoffdioxid-Immissionsgrenzwert von 50 Mikrogramm pro m³ für Stickoxide im Jahresmittel nicht überschritten wird, dürften Kommunen demnach zukünftig nicht auf das volle Maßnahmenset zur Verbesserung der Luftqualität in Städten, wie z. B. Fahrverbote, zurückgreifen. Der von der EU vorgegebene und europaweit geltende gesetzliche Grenzwert für Stickoxid in der Außenluft liegt bislang bei 40 Mikrogramm pro m³ im Jahresmittel. In der Schweiz und in Österreich gilt ein Jahresmittelwert von 30 Mikrogramm pro m³. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die vorgesehene Ergänzung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erschwert die Ergreifung wirksamer Maßnahmen für den Gesundheitsschutz nicht, sondern normiert einheitliche Vorgaben für die Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten wegen der Überschreitung des europarechtlich vorgegebenen Stickstoffdioxidgrenzwerts sowie bundesweit geltende Ausnahmen von derartigen Verkehrsverboten und schafft Rechtssicherheit. So wird klargestellt, dass, unterhalb des Jahreswertes von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Verkehrsverbote in der Regel nicht verhältnismäßig sind. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass der europarechtlich vorgegebene Luftqualitätsgrenzwert für Stickstoffdioxid bereits aufgrund der beschlossenen Maßnahmen baldmöglichst eingehalten wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6900 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welche Maßnahmen zur schnellstmöglichen Verbesserung der Luftqualität in Städten, in denen der Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid-Emissionen zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro m³ liegt, schlägt die Bundesregierung vor, und in welchem Umfang lassen sich Stickstoffdioxid-Emissionen durch diese Maßnahmen nachweislich reduzieren? Betroffene Städte können neben den Fördermaßnahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft 2017–2020“ Fördermaßnahmen des „Konzepts für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten“ wie die Hardware- Nachrüstung von schweren Kommunalfahrzeugen in Anspruch nehmen. Besondere Fördermaßnahmen für die Hardware-Nachrüstung in den von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Städten sind auch für Halter von Handwerker- und Lieferfahrzeugen vorgesehen, die ihren Firmensitz in einem von einer Grenzwertüberschreitung betroffenen Gebiet oder einem angrenzenden Landkreis haben oder nennenswerte Aufträge in dem von Grenzwertüberschreitung betroffenen Gebiet haben. Auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 87 des Abgeordneten Oliver Luksic auf Bundestagsdrucksache 19/4734 wird verwiesen . 2. Welche Alternativen zum vorliegenden Gesetzesentwurf wurden geprüft? Der Gesetzentwurf enthält inhaltliche Vorgaben zur Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen. Zu diesem Zweck kommt kein alternativer Regelungsstandort in Betracht. 3. Welche wissenschaftlichen Studien und Erkenntnisse liegen dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zugrunde? Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 4. Inwieweit sind nach Einschätzung der Bundesregierung die geplanten Maßnahmen , insbesondere die (temporäre) De-facto-Grenzwerterhöhung, mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar? Die vorgesehene Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist ausdrücklich dem europäischen Recht, namentlich der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG und den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 verpflichtet . Danach muss der Zeitraum einer Überschreitung des seit dem Jahr 2010 einzuhaltenden Stickstoffdioxidgrenzwerts von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft so kurz wie möglich gehalten werden. Der Grenzwert muss nunmehr schnellstmöglich eingehalten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2018, Az. 7 C 26/16, Rn. 32). Es wird davon ausgegangen, dass dieser Luftqualitätsgrenzwert aufgrund der Maßnahmen der Bundesregierung, der zuständigen Behörden der Länder sowie der kontinuierlichen Flottenerneuerung mit emissionsarmen Fahrzeugen in den Gebieten mit einem Stickstoffdioxid-Jahresmittelwert von nicht mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahr 2017 auch ohne Verkehrsverbote eingehalten werden kann. Der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft wird durch den Gesetzentwurf nicht verändert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6900 5. Inwieweit sind nach Einschätzung der Bundesregierung die geplanten Maßnahmen , insbesondere die (temporäre) De-facto-Grenzwerterhöhung, mit dem Vorsorgeprinzip vereinbar? Die Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG konkretisiert die im Rahmen des EU- Rechts zum Schutz der Gesundheit zu erfüllenden Anforderungen. Die vorgesehene Gesetzesänderung dient der Umsetzung dieser Richtlinie. 6. Welche konkreten Gründe haben bei der Rechtsgüterabwägung im Rahmen des Änderungsgesetzes dazu geführt, dass sich die Bundesregierung mit dem Gesetzesentwurf gegen rechtskonforme Urteile und nach Ansicht der Fragesteller damit gegen einen weitergehenden Gesundheitsschutz ausspricht? Der Gesetzentwurf der Bundesregierung widerspricht den bisher ergangenen Urteilen zur Luftreinhaltung nicht. Er konkretisiert vielmehr das aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Gebotene. 7. In welchen Punkten widerspricht nach Kenntnis der Bundesregierung das geplante Änderungsgesetz wirksamen Gerichtsurteilen des Verwaltungsgerichtes zu Fahrverboten z. B. in Düsseldorf oder Stuttgart? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 8. Wann wird nach Einschätzung der Bundesregierung in Deutschland der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro m³ flächendeckend eingehalten werden? 9. Wann wird unter Berücksichtigung aller Maßnahmen der Bundesregierung der Grenzwert in allen Gebieten, in denen der Jahresmittelwert bei Stickoxid zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro m³ liegt, voraussichtlich eingehalten werden? Die Fragen 8 und 9 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Aufgrund der kontinuierlichen Flottenerneuerung mit emissionsarmen Fahrzeugen , der Maßnahmen der Bundesregierung und den Maßnahmen der zuständigen Behörden der Länder ist davon auszugehen, dass in den Gebieten in denen ein Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschritten wird, der Luftqualitätsgrenzwert für Stickstoffdioxid für das Jahresmittel in einem überschaubaren Zeitraum auch ohne Verkehrsverbote eingehalten werden kann. Mit dem „Konzept der Bundesregierung für saubere Luft und Mobilität“ werden Zusatzmaßnahmen initiiert, die in den besonders belasteten Städten mit einer Stickstoffdioxidbelastung von mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zusätzlich wirken sollen mit dem Ziel, auch hier den Immissionsgrenzwert in naher Zukunft einzuhalten. 10. Inwieweit kann die Bundesregierung nachweisen, dass der vorliegende Gesetzesentwurf im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip steht und dem vorbeugenden Gesundheitsschutz dient? Auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6900 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Stimmt die Bundesregierung der Aussage des Europäischen Rechnungshofs zu, dass die Begrenzung der Nutzung von Pkw die wirksamste Maßnahme sei, um städtische Luftverschmutzung zu bekämpfen (vgl. Sonderbericht Nr. 23, 2018) (bitte begründen)? a) Wenn nein, welche nachweislich wirksameren Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen? b) Wenn ja, warum will die Bundesregierung den Gesundheitsschutz für eine Vielzahl von Städten, in denen Emissionsgrenzwerte überschritten werden , aufweichen? Die Wirksamkeit von Maßnahmen als Beitrag zur Einhaltung der zum Schutz der menschlichen Gesundheit geltenden Immissionsgrenzwerte ist schadstoff- und quellenabhängig vor Ort zu beurteilen. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen . 12. Kann die Bundesregierung die im Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs beschriebenen Effekte ausschließen, wonach die Luftverschmutzung aufgrund höherer Fahrzeugnutzung auch dann zunimmt, wenn die Fahrzeugmotoren weniger Luftschadstoffe emittieren (bitte begründen)? Nicht zuletzt aufgrund der deutlichen Reduzierung der Stickstoffoxidemissionen im realen Betrieb durch die auf EU-Ebene verabschiedeten RDE („real driving emissions“)-Regelungen wird nach Kenntnis der Bundesregierung ein entsprechender Effekt nicht eintreten, obgleich er grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann. Auf die Antworten zu den Fragen 8 und 9 wird verwiesen. 13. Erkennt die Bundesregierung die Studienlage an, nach der bereits ab einer langfristigen durchschnittlichen Exposition von 20 Mikrogramm pro m³ mit gesundheitsrelevanten Wirkungen von Stickstoffdioxid kalkuliert werden muss (WHO, 2013: Health risks of air pollution in Europe – HRAPIE project )? Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 115 und 116 der Großen Anfrage der Fraktion der FDP auf Bundestagsdrucksache 19/5237 wird verwiesen . 14. Welche Anreize und Vorgaben plant die Bundesregierung, um den von der Weltgesundheitsorganisation WHO, künftig wahrscheinlich empfohlenen Jahresmittelwert von 20 Mikrogramm pro m³ Stickstoffdioxid-Emissionen zu erreichen? Die Bemühungen der Bundesregierung sind darauf ausgerichtet, den europarechtlich geltenden Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid im Jahresmittel schnellstmöglich flächendeckend einzuhalten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6900 15. Stimmt die Bundesregierung Aussagen des Umweltbundesamtes (siehe Studie „Quantifizierung von umweltbedingten Krankheitslasten aufgrund der Stickstoffdioxid-Exposition in Deutschland“, www.umweltbundesamt. de/publikationen/quantifizierung-von-umweltbedingten) zu, wonach ein Anstieg der NO2-Konzentration im Jahresmittel von 10 Mikrogramm pro m³ das Risiko, an Herzkreislauferkrankungen zu versterben, um 3 Prozent erhöht ? a) Wenn nein, warum nicht? b) Wenn ja, warum nimmt die Bundesregierung mit der De-facto-Anhebung des Grenzwertes um 10 Mikrogramm pro m³ dieses Gesundheitsrisiko für die Bürgerinnen und Bürger in Kauf? Es handelt sich diesbezüglich, wie in der Studie angeführt, um eine wissenschaftlich begründete Annahme. Auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 wird verwiesen . 16. Mit welcher Begründung nimmt die Bundesregierung die geplanten Änderungen an § 40 BImSchG vor und nicht in der 39. BImSch-Verordnung, in der Grenzwerte für Luftschadstoffe festgelegt sind? Der Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes verändert die bestehenden Grenzwerte nicht, die zur Umsetzung der Vorgaben der Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG in der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV normiert sind. Die 39. BImSchV ist daher systematisch nicht der geeignete Standort für die vorgesehene Regelung. 17. Wie begründet die Bundesregierung, dass sie den Bundesrat bei dieser Gesetzesänderung als nicht zustimmungspflichtig ansieht, obwohl die Gesetzesänderung unmittelbare Wirkung für den Gesetzesvollzug in den Ländern und die Luftreinhaltepläne der Kommunen hat? Eine Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzentwurfs würde die Normierung verfahrensrechtlicher Regelungen voraussetzen. Solche Regelungen sieht der Gesetzentwurf jedoch nicht vor. Stattdessen beschränkt sich der Gesetzentwurf auf inhaltliche Aussagen zur Verhältnismäßigkeit von Verkehrsverboten. 18. Wie will die Bundesregierung in der Praxis sicherstellen, dass nachgerüstete Euro-4- und Euro-5-Pkw, die die Grenzwerte von 270 mg Stickoxidausstoß pro km einhalten, in die von Fahrverboten betroffenen Strecken oder Zonen einfahren dürfen bzw. nicht nachgerüstete Pkw an der Einfahrt gehindert werden? Mit dem Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes soll die Möglichkeit eines automatisierten Abrufs der beim Kraftfahrt-Bundesamt im Zentralen Fahrzeugregister hinterlegten Fahrzeugdaten anhand des Kfz-Kennzeichens geschaffen werden. Mit der in diesem Register zu vermerkenden Allgemeinen Betriebserlaubnis einer Nachrüstung kann fahrzeugindividuell die Einhaltung der Anforderungen überprüft werden. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 55 der Abgeordneten Judith Skudelny aus dem Plenarprotokoll 19/67 S. 7680 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6900 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Welches Verfahren will die Bundesregierung anwenden, um zu überprüfen, ob nachgerüstete Fahrzeuge diesen Grenzwert von 270 mg Stickoxidausstoß pro km tatsächlich einhalten? Die Einhaltung des Grenzwertes für die Stickoxidemissionen von 270 Milligramm pro Kilometer wird im praktischen Fahrbetrieb nachgewiesen werden. Die konkreten Prüf- und Nachweisvorschriften werden derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. 20. Wie will die Bundesregierung in der Praxis sicherstellen, dass Euro-6-Pkw, die die Grenzwerte von 270 mg Stickoxidausstoß pro km nicht einhalten, in die von Fahrverboten betroffenen Strecken oder Zonen tatsächlich nicht einfahren dürfen? Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 sollen nach dem Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes von den Verkehrsverboten ausgenommen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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