Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21. Dezember 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/6903 19. Wahlperiode 03.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Gabelmann, Susanne Ferschl, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/6345 – Nachfragen zu möglichen Ungereimtheiten beim Zulassungsverfahren von Zoloft® V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 31. Juli 2017 richtete die Fraktion DIE LINKE. die Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu möglichen Unzulänglichkeiten bei der Zulassung von Antidepressiva auf Bundestagsdrucksache 18/13316. In der Antwort der Bundesregierung vom 30. August 2017 auf Bundestagsdrucksache 18/13452 fehlten jedoch aus Sicht der Fragesteller auf etliche Fragen konkrete Antworten, bzw. es wurde der Kern der Frage selbst nicht beantwortet, sondern es wurden stattdessen allgemeine Vorschriften zitiert. Darum – und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 7. November 2017 zur Auskunftspflicht der Bundesregierung gegenüber den Abgeordneten und zur Sicherstellung einer parlamentarischen Kontrolle von Regierung und Verwaltung – werden in der vorliegenden erneuten Kleinen Anfrage weitere Fragen und Nachfragen zum Zulassungsverfahren von Zoloft® gestellt. Es geht dabei – wie schon in der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/13316 – um den Verdacht, dass die Risiken des Antidepressivums Zoloft® im Zulassungsverfahren möglicherweise verschleiert wurden und somit Zoloft® nicht so geprüft wurde, wie es das Arzneimittelgesetz (AMG) in § 25 vorschreibt . Bei nachträglichem Bekanntwerden einer nicht ausreichenden Prüfung eines Arzneimittels im Zulassungsverfahren muss die Zulassung entzogen oder das Ruhen der Zulassung angeordnet werden (§ 30 AMG). Von der Zulassungsund Aufsichtsbehörde, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wurde jedoch bislang nichts unternommen, obwohl ihm die möglichen Verstöße im Zulassungsverfahren schon im Frühjahr 2014 gemeldet wurden. Fragen zu möglichen Interessenskonflikten des Präsidenten der Aufsichtsbehörde BfArM, Prof. Dr. Karl Broich, insbesondere die Fragen 22, 23, 25, 26, 27 und 30 der Kleinen Anfrage vom 31. Juli 2017, wurden von der Bundesregierung aus Sicht der Fragesteller ebenfalls nicht oder nur ausweichend mit allgemeinen Verweisen beantwortet (zudem recht kurz: für zwei Fragen zusammen eine einzige Zeile bzw. insgesamt neun Zeilen für sechs Fragen), so dass diese Fragen mit der Bitte um detaillierte, konkrete und inhaltliche Beantwortung erneut an die Bundesregierung gestellt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6903 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Im unabhängigen Verbrauchermagazin „Gute Pillen – schlechte Pillen“ in Ausgabe Januar-Februar 2018 wird im Nachgang zu der Kleinen Anfrage bzw. zu den Antworten der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/13452 die Frage gestellt, „ob in diesem Fall das Ministerium für Gesundheit seiner Aufsichtspflicht für die Zulassungsbehörde BfArM gerecht wurde und ob das Wohl und die Sicherheit von Patientinnen und Patienten tatsächlich immer die höchste Priorität bei der Zulassung haben“. Im selben Heft wird die Aussage der Bundesregierung kritisiert, dass eine Häufung von Suiziden während der Therapie mit Zoloft® grundsätzlich nicht in die Bewertung des Risikoprofils eines Arzneimittels einfließt, wenn nicht feststeht, dass die Häufung ursächlich auf die Medikamenteneinnahme zurückzuführen ist. In dem unabhängigen Fachblatt wird hingegen folgende Position eingenommen: „Denn klinische Studien sind ja gerade dazu da, Nutzen und Schaden einer Behandlung herauszufinden. Wenn die Gefahr suizidaler Handlungen bei der Behandlung mit einem Antidepressivum häufiger ist als bei Einnahme eines Scheinmedikamentes, ist dies ein ernstes Warnsignal, dem Anbieter und Behörden nachgehen müssen. Diese Verpflichtung ist insbesondere gegeben bei der Zulassung von Arzneimitteln, weil in diesem Stadium noch wenig über die Nebenwirkungen bekannt ist.“ Bei den Antidepressiva der Kategorie Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und insbesondere bei Zoloft® ist dies aber nicht erfolgt. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Bei Sertralin, in Deutschland u. a. unter dem Handelsnamen Zoloft® (Originator) zugelassen, handelt es sich um ein Antidepressivum aus der Gruppe der Serotonin -Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Die Zulassung für dieses Arzneimittel wurde im Rahmen eines nationalen Zulassungsverfahrens am 7. Oktober 1996 erteilt. Die Substanz wird – wie auch andere Vertreter aus der Gruppe der SSRI – gegen Depressionen, Angststörungen, bei posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) und Zwangsstörungen angewendet. Sertralin-haltige Arzneimittel sind inzwischen generisch unter verschiedenen Handelsnamen weltweit zugelassen. Seit seiner Markteinführung wird das Arzneimittel durch die jeweiligen Zulassungsbehörden im Rahmen ihrer Pharmakovigilanz-Aktivitäten beobachtet, u. a. in regelmäßigen Abständen auf europäischer Ebene im Zusammenhang mit den vom Zulassungsinhaber vorzulegenden periodischen Unbedenklichkeitsberichten (PSUR). In der Europäischen Union (EU) wurden zu Sertralin-haltigen Arzneimitteln mehrere Risikobewertungsverfahren durchgeführt. Es wurden jeweils einzelne Risikoaspekte , z. B. suizidales Risiko bei Heranwachsenden, Risiko für Knochenerkrankungen und erniedrigte Blutzuckerwerte diskutiert. Den identifizierten Risiken , wie z. B. dem Risiko der Suizidalität, wurde jeweils durch Ergänzungen der Fachinformation und Packungsbeilage Rechnung getragen. Anhaltspunkte für zu treffende Maßnahmen nach § 30 Arzneimittelgesetz (AMG), d. h. Rücknahme, Widerruf oder Ruhen der Zulassung, waren und sind derzeit nicht ersichtlich. Eine Rücknahme, ein Widerruf oder ein Ruhen der Zulassung wurden auch auf EU-Ebene nicht angeordnet. Gestützt auf die Informationen und Erkenntnisse des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) werden die Fragen an die Bundesregierung wie folgt beantwortet: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/6903 1. Welche Belege sind der Bundesregierung bekannt darüber, dass die SSRI- Antidepressiva bei ihrer Zulassung ausreichend nach dem Stand der Wissenschaft von den pharmazeutischen Unternehmen geprüft wurden, und erfolgte die Prüfung nach Kenntnis der Bundesregierung unter Einbeziehung sämtlicher verfügbarer Daten über schwerwiegende Nebenwirkungen aus klinischen Studien, insbesondere zu vollendeten Suiziden? Falls nicht sämtliche Daten zu schwerwiegenden Nebenwirkungen unter dem zu prüfenden Medikament einbezogen wurden, wie hoch war nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der schweren Nebenwirkungen in klinischen Studien, die bei der Bewertung der Risiken im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigt wurden, für die verschiedenen SSRI-Antidepressiva ? Arzneimittel werden auf der Grundlage des geltenden Rechts auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit geprüft. Bei klinischen Prüfungen am Menschen, die zur Zulassung eines Arzneimittels dienen, gelten gemäß § 40 Absatz 1 AMG die Grundsätze und Leitlinien der guten klinischen Praxis (Good Clinical Practice, GCP) nach Maßgabe des Artikels 1 Absatz 3 der Richtlinie 2001/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln. Die Einhaltung der Vorgaben des AMG und der GCP ist und war eine Voraussetzung für die erfolgreiche Zulassung eines Arzneimittels. Dies betrifft grundsätzlich auch die Einbeziehung sämtlicher verfügbarer Daten über Nebenwirkungen (schwerwiegende und nicht-schwerwiegende Ereignisse) aus klinischen Studien zum Zeitpunkt der Zulassung. 2. Ist die Bundesregierung – unter Berücksichtigung der aktuell bekannten Informationen zum Stand des Wissens, das zum Zeitpunkt der Zulassung von Zoloft® im Jahr 1996 vorlag, insbesondere unter Berücksichtigung der internen Daten zu sämtlichen Nebenwirkungen aus klinischen Studien zu Zoloft® – der Ansicht, dass Zoloft® vom pharmazeutischen Unternehmen Pfizer nach damaliger Gesetzeslage ausreichend im Sinne des § 25 AMG geprüft wurde? Zoloft® wurde im Rahmen eines nationalen Zulassungsverfahrens im Jahr 1996 in Deutschland zugelassen. Der pharmazeutische Unternehmer hat zum damaligen Zeitpunkt im Rahmen der Einreichung des Zulassungsdossiers alle relevanten Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten aus den durchgeführten klinischen Studien zu Zoloft® dargelegt. Der pharmazeutische Unternehmer hat zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung eine umfassende Dokumentation zur Unbedenklichkeit von Zoloft® bereitgestellt. Die sog. INDIE-Datenbank (eine betriebsinterne Datenbank zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) der Fa. Pfizer Pharma GmbH) enthält sämtliche Meldungen über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse aus verschiedenen Quellen ohne Berücksichtigung eines Kausalzusammenhanges mit der Einnahme von Sertralin. Ereignisse, die anschließend einer Kausalitätsprüfung nicht standhalten , fließen grundsätzlich nicht in die Bewertung des Risikoprofils eines Arzneimittels ein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6903 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 3. Inwiefern kann die Bundesregierung Aussagen darüber treffen, dass vom pharmazeutischen Unternehmen Pfizer alle relevanten Daten zu Zoloft® nicht nur dargelegt wurden (wie dies von der Bundesregierung in der Antwort zu Frage 3 auf Bundestagsdrucksache 18/13452 formuliert wurde), sondern dass diese Daten auch in der Realität bei der Prüfung der Risiko-Nutzen -Bewertung im Rahmen des Zulassungsverfahrens herangezogen wurden ? Alle vom Antragssteller eingereichten Unterlagen werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens geprüft. Sämtliche aus den Unterlagen ersichtlichen unerwünschten Ereignisse werden dabei geprüft und auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels bewertet. 4. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass schwerwiegende Nebenwirkungen nur dann nicht berücksichtigt werden sollten, wenn die Ursachen dafür mit großer Sicherheit bekannt sind, und daher mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass diese beobachteten schwerwiegenden Nebenwirkungen nicht durch die Anwendung des Medikamentes verursacht wurden? 5. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass bei psychischen Erkrankungen es zwar sein kann, dass bereits die Grunderkrankung die Ursache suizidaler Ereignisse darstellen kann, aber eine für das Ausselektieren erforderliche große Sicherheit eben nicht vorliegt, und dass die Patientinnen und Patienten bei tödlichem Ausgang durch Suizid nach dem Ableben retrospektiv nicht mehr befragt werden können, die genaue Ursache somit häufig nicht mehr feststellbar ist, und daher diese Fälle bei der Bewertung der Risiken mit einbezogen werden müssten? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Prüfung eines Zulassungsantrags erfolgt auf Basis der eingereichten Unterlagen . Sämtliche aus der Zulassungseinreichung ersichtlichen unerwünschten Ereignisse werden geprüft und auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels bewertet. Die Kausalitätseinschätzung, d. h. die Einschätzung des Zusammenhangs zwischen beobachteten schweren Nebenwirkungen und der Anwendung eines Arzneimittels oder Prüfarzneimittels, obliegt dabei insbesondere den Prüfärztinnen bzw. den Prüfärzten oder behandelnden Ärztinnen bzw. Ärzten, die Probandinnen und Probanden einer klinischen Prüfung betreuen oder Patientinnen und Patienten behandeln. Eine Bewertung des Kausalitätszusammenhanges der vorgelegten Dokumentation mit der Einnahme von Sertralin hat stattgefunden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/6903 6. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Position der Fragesteller sowie von unabhängigen Fachleuten (vgl. Verbrauchermagazin „Gute Pillen – schlechte Pillen“, Ausgabe Januar-Februar 2018), dass die Auswertung und Beurteilung des Risikoprofils von Zoloft® im nach § 24 des Arzneimittelgesetzes (AMG) verpflichtend vorgeschriebenen Sachverständigengutachten und im Zulassungsdossier durch das Ausselektieren von 90 Prozent der Daten über schwerwiegende Zwischenfälle und Suizide unbrauchbar wurden, und der Zweck der Risikobewertungen dadurch konterkariert wurde, dass schwere Nebenwirkungen bei der Beurteilung nicht berücksichtigt wurden, indem diese Nebenwirkungen als irrelevant eingestuft wurden? Der pharmazeutische Unternehmer hat zum Zeitpunkt des Antrags auf Zulassung eine umfassende Dokumentation zur Unbedenklichkeit von Zoloft® bereitgestellt. Bei der Zulassung von Zoloft® wurden auch Informationen der sog. INDIE-Datenbank vorgelegt und bewertet. Diese Datenbank enthält Meldungen über schwerwiegende Ereignisse aus verschiedenen Quellen ohne Berücksichtigung eines Kausalzusammenhanges mit der Einnahme von Sertralin, siehe auch Antwort zu Frage 2. Aus Sicht der Nutzen-Risiko-Bewertung muss sich ein Bezug von Nebenwirkungen zur Einnahme des beantragten Arzneimittels herstellen lassen. Als nicht-behandlungsbezogen eingestufte Ereignisse aus der INDIE-Datenbank haben dieser Kausalitätsbewertung nicht standgehalten. 7. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Position der Fragesteller, dass pharmazeutische Unternehmen wie auch die Prüfinstitute, die die klinischen Studien durchführen, ein starkes wirtschaftliches Interesse haben, möglichst wenige Nebenwirkungen festzustellen und unerwünschte Ereignisse möglichst anderen Ursachen zuzuschreiben, da ansonsten die Zulassung gefährdet sein könnte? Die Position der Fragesteller wird nicht geteilt. Im Übrigen stellt die Nichtanzeige von Nebenwirkungen durch den Zulassungsinhaber oder Sponsor einer klinischen Prüfung eine Ordnungswidrigkeit dar. 8. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Position, dass die Änderungen der Vorschriften für klinische Studien in den Guidelines on good pharmacovigilance practices (GVP) im Jahr 2005 ein wünschenswerter Beitrag für die Arzneimittelsicherheit sind, da nunmehr die Darstellung der Daten aus klinischen Studien in den Periodic Safety Update Reports (PSUR) unabhängig von der Kausalitätseinschätzung zu erfolgen hat, was in den Jahren davor bei Zoloft® nicht der Fall war? Die europäischen Vorgaben zu den Inhalten periodischer Sicherheitsberichte haben sich über die Jahre weiterentwickelt und erlauben einen umfassenden Überblick über die insbesondere im jeweils betrachteten Zeitfenster gemachten Beobachtungen und gewonnenen Erkenntnisse aus den verschiedenen Datenquellen, über deren Beurteilung durch den Zulassungsinhaber sowie über durchgeführte und regulatorische Maßnahmen. Daten aus klinischen Prüfungen vor der Zulassung fließen bereits in die Zulassungsentscheidung ein. Daten aus klinischen Prüfungen nach der Zulassung sind insbesondere dann von Bedeutung für die Nutzen -Risiko-Beurteilung, wenn sie entweder qualitativ neue Anwendungsrisiken aufdecken oder unerwartete quantitative Unterschiede im Vergleich zum bisherigen Kenntnisstand aufzeigen. Unerwünschte Ereignisse (adverse events) ohne erkennbaren kausalen Zusammenhang mit der Anwendung der (Prüf-)Arzneimittel sind kaum geeignet, die Nutzen-Risiko-Bewertung eines Arzneimittels zu beein- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6903 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode flussen. Für die Annahme eines solchen Kausalzusammenhangs genügt es bereits, wenn einer der an der klinischen Prüfung Beteiligten (Prüfer oder Sponsor) einen solchen als möglich annimmt. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass es im Jahr 2005 keine Änderungen an GVP-Modulen gab. Sämtliche GVP-Module zur Pharmakovigilanz stammen aus dem Jahr 2012 und später. 9. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass das Ausselektieren von 90 Prozent der Daten zu schwerwiegenden Zwischenfällen heutzutage im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht mehr zulässig wäre (so wie auch beim Unbedenklichkeitsbericht – Periodic Safety Update Report – für Zoloft® der Reportingperiode 1. September 2005 bis 31. März 2008 erstmalig auch die Daten aus den klinischen Studien der Periode unabhängig von der Kausalitätsbewertung mit einbezogen wurden)? Die Prüfung eines Zulassungsantrags erfolgt auf Basis der eingereichten Unterlagen . Sämtliche aus der Zulassungseinreichung ersichtlichen unerwünschten Ereignisse werden geprüft und auf ursächlichen Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels bewertet. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob neben dem Sachverständigengutachten (nach § 24 AMG) und den Periodic Safety Update Reports weitere Berichte zur Unbedenklichkeit des Arzneimittels Zoloft® bei der Aufsichtsbehörde vorgelegt wurden, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob darin nur die Nebenwirkungen aus klinischen Studien berücksichtigt wurden, bei denen der pharmazeutische Unternehmer oder die Prüfärzte einen kausalen Zusammenhang mit der Behandlung vermuteten , während der Großteil der schweren Nebenwirkungen aus klinischen Studien jedoch aussortiert und unberücksichtigt gelassen wurden (bitte konkret beantworten, nicht nur Darstellung der Rechtslage)? 11. Existieren nach Erkenntnissen der Bundesregierung Bewertungen zur Unbedenklichkeit und zum positiven Risiko-Nutzen-Verhältnis für das Medikament Zoloft®, basierend auf klinischen Studien, in denen tatsächlich sämtliche schwere Nebenwirkungen unabhängig von der Frage der Kausalität berücksichtigt wurden? Wie wurde das Nutzen-Risiko-Verhältnis in diesen Untersuchungen bewertet ? Die Fragen 10 und 11 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Grundsätzlich werden neue Erkenntnisse hinsichtlich sicherheitsrelevanter Daten zu einem zugelassenen Arzneimittel im Rahmen von Verlängerungsanträgen geprüft . Des Weiteren unterrichtet der pharmazeutische Unternehmer die Behörde im Rahmen von Änderungsanzeigen über neue (sicherheitsrelevante) Daten. Diese Daten stammen zum einen aus Studien, die nach der Zulassung durchgeführt wurden, zum anderen aus Spontanmeldungen. Auch für das Arzneimittel Zoloft® wurden entsprechende Änderungsanzeigen eingereicht und bewertet. Diese führten u. a. zur Aufnahme von Daten zur Fertilität im Abschnitt 4.6 der Fachinformation, zu Warnhinweisen im Abschnitt 4.4 und zur Aufnahme von Wechselwirkungen im Abschnitt 4.5 der Fachinformation. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/6903 Umfangreiche Daten wurden auch im Rahmen der in der Vorbemerkung der Bundesregierung angeführten Verfahren auf europäischer Ebene bewertet. 12. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass in den aktuellen Unbedenklichkeitsberichten (PSUR) zu Zoloft® unter dem Punkt B.5.6.2 in der summarischen Darstellung sämtlicher schwerer Nebenwirkungen seit der Zulassung aus klinischen Studien auch tatsächlich die Fälle berücksichtigt wurden, die zuvor in den PSUR nicht genannt wurden, oder kann die Bundesregierung bestätigen, dass nur die Daten aus den früheren Berichten summarisch zusammengefasst wurden (in der Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 16 und 17 auf Bundestagsdrucksache 18/13452 wird auf diese konkreten Fragen keine Auskunft gegeben)? Die Pharmakovigilanzleitlinie (sog. Good Vigilance Practice (GVP-Modul) VII, Rev.2, Stand 9. Dezember 2013) zu den periodisch vorzulegenden Unbedenklichkeitsberichten (PSURs) sieht aktuell unter dem Abschnitt VII.B.5.6.2 „Cumulative summary tabulations of serious adverse events from clinical trials“ vor, dass alle schwerwiegenden Ereignisse aus den klinischen Studien des Zulassungsinhabers kumulativ und in tabellarischer Form seit Zulassung dargelegt werden müssen . Vor Einführung der neuen Pharmakovigilanzgesetzgebung im Jahre 2012, galten die Bedingungen des sog. Vol. 9A of the rules governing medicinal products in the European Union – Guidelines on Pharmacovigilance for Medicinal Products for human use für die Einreichung von Daten im Rahmen von periodischen Sicherheitsberichten . Hier galt der Grundsatz, nur schwerwiegende und nicht in den Produktinformationen enthaltene unerwünschte Ereignisse kumulativ zu berichten . Aufgrund der zuvor dargelegten unterschiedlichen Berichtspflichten aus der jeweils gültigen Pharmakovigilanzgesetzgebung (Vol. 9A und GVP-Modul VII) ist ein Vergleich von berichteten Nebenwirkungen aus klinischen Studien in PSUR- Perioden erstellt vor 2013 und nach 2013 nicht möglich. 13. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung darüber, in welchem Periodic Safety Update Report (PSUR) zu Sertralin (Zoloft®) die Suizidfälle unter Sertralin aus den klinischen Studien zu Sertralin in der Risiko-Nutzen-Bewertung berücksichtigt wurden, die vor dem 1. September 1993 von Pfizer gesponsert wurden, aber im Zulassungsdossier und Zulassungsgutachten nicht in die Risikobewertung eingeflossen sind? Gemäß GVP-Modul VII Abschnitt B.5.6.2 sollen alle schwerwiegenden Ereignisse seit dem sog. DIPD (Developmental International Birth Date) summarisch und kumulativ dargestellt werden. Das GVP Modul enthält entsprechende Vorgaben (Template), in welcher Weise die Daten aufzubereiten sind. Es ist für die Behörden nicht erkennbar, aus welcher klinischen Prüfung diese Ereignisse jeweils stammen; d. h. die gezielte Recherche nach konkreten Einzelfällen ist anhand dieser Daten nicht möglich. Aufgrund des kumulativen Ansatzes ist es anhand dieser Daten ebenso wenig möglich festzustellen, welche Fälle bereits im Zulassungsdossier berücksichtigt worden sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6903 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. In welchem PSUR-Report wurden nach Kenntnis der Bundesregierung diese und die anderen Fälle schwerwiegender Nebenwirkungen unter Sertralin aus den klinischen Studien, die in der internen INDIE-Datenbank des pharmazeutischen Unternehmens dokumentiert sind und vor dem Jahr 2005 in den PSUR-Report nicht erfasst wurden, in dem Abschnitt B.5.6.2 mit der summarischen Zusammenfassung aller Nebenwirkungen mit aufgenommen? Es wird auf die Antworten zu den Frage 12 und 13 verwiesen. Eine Identifizierung einzelner Fälle ist aus den genannten Gründen nicht möglich. 15. Sind der Bundesregierung oder dem BfArM interne Untersuchungen des pharmazeutischen Unternehmens Pfizer zum Suizidrisiko von Zoloft® aus dem Jahr 1992 bekannt? Falls nein, gedenkt die Bundesregierung oder das Bundesministerium das pharmazeutische Unternehmen hierzu zu kontaktieren und zur Übersendung der Ergebnisse dieser Untersuchungen, falls es sie gegeben hat, aufzufordern ? Interne Untersuchungen des pharmazeutischen Unternehmens Pfizer zum Suizidrisiko von Zoloft® aus dem Jahr 1992 sind der Bundesregierung nicht bekannt. Die Frage der Nutzen-Risiko-Bewertung war bereits Gegenstand der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/13316 und ist in der Vorbemerkung und den Antworten zu den Fragen 1, 2 und 6 durch die Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 18/13452 bereits beantwortet worden. Es wird auch auf die Antworten zu den Fragen 21 und 23 dieser Kleinen Anfrage verwiesen. An der dort gegebenen Einschätzung hält die Bundesregierung weiter fest. 16. Welche Studien hinsichtlich suizidalem Verhalten unter SSRI-Antidepressiva sind der Bundesregierung bekannt, und kann die Bundesregierung bestätigen , dass es Untersuchungen von Aufsichtsbehörden gibt, nach denen sich unter SSRI-Antidepressiva etwa doppelt so viele Fälle ereignet haben wie unter Placebo-Gabe? Falls es solche Untersuchungen von Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten geben sollte, ist davon auszugehen, dass diese in die bereits stattgefundenen Risikobewertungsverfahren eingeflossen sind bzw. im Falle von neuen Untersuchungen von Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten in die europäischen Gremien eingebracht und diskutiert worden wären, sofern sich daraus neue Erkenntnisse zur Nutzen-Risiko-Bewertung ableiten lassen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/6903 17. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass eine statistische Auswertung der gesamten Daten zum Risiko von Zoloft® sich weder in dem Sachverständigengutachten noch in der Bewertung durch das pharmazeutische Unternehmen im Zulassungsdossier findet? Mit welchem statistischen Verfahren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung vom pharmazeutischen Unternehmen Risiken und Nutzen abgewogen , um zu der Einschätzung zu gelangen, dass der Nutzen größer ist als die Risiken? Wie oder nach welchem Verfahren hat die Aufsichtsbehörde nach Kenntnis der Bundesregierung das Risiko und den Nutzen von Zoloft® analysiert und beurteilt? Die Bewertung der Zulassungsstudien erfolgte mit gängigen statistischen Methoden nach dem Intention-to-treat-Prinzip. Der Vergleich der Veränderungen des Hamilton-Depression-Gesamtscores und der Scores aus den Selbstbeurteilungsskalen in den Vergleichsgruppen (Sertralin versus Placebo bzw. aktive Kontrolle, je nach Studie) erfolgte mit parametrischen Tests. Häufigkeiten von Nebenwirkungen zur Bewertung der Risiken wurden im Vergleich zu den Kontrollgruppen in den klinischen Studien ermittelt. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis wurde wie üblich durch das BfArM einer systemischen qualitativen Analyse unterzogen. 18. Kennt die Bundesregierung Dokumente oder Belege über die Risiko-Nutzen -Bewertung von Zoloft®? Falls nein, kann die Bundesregierung ausschließen, dass solche Unterlagen gar nicht existieren? Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass es keine Dokumente oder Belege darüber gibt, wie die Risiko-Nutzen-Bewertung im Zulassungsverfahren erfolgte und auf welche Weise die vollständigen Daten aus der INDIE-Datenbank zu Zoloft® hierbei einbezogen wurden oder auch nicht? 19. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass von Seiten des BfArM darum nur indirekt gefolgert werden könnte, ob diese Daten Eingang in die Bewertung gefunden haben und dass es keine expliziten Belege darüber gibt? Würde dieser Sachverhalt aus Sicht der Bundesregierung bedeuten, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfArM die vorgelegten Nebenwirkungsmeldungen aus der INDIE-Datenbank überprüft haben sollen, ohne allerdings ihr Prüfergebnis irgendwo in der Akte festgehalten zu haben, und dass sie bei der Überprüfung der Daten aus der INDIE-Datenbank die Diskrepanzen zu den Angaben im Gutachten und die erhöhte Rate von Suizidalität für SSRIs nicht bemerkt haben? Aufgrund des Sachzusammenhangs werden die Fragen 18 und 19 gemeinsam beantwortet . Sowohl die Daten der INDIE-Datenbank wie auch die in den Zulassungsunterlagen enthaltenen Fälle aus den klinischen Studien lagen dem BfArM zum Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung vollständig vor und haben bei der Entscheidung über den Zulassungsantrag Berücksichtigung gefunden. Die INDIE-Datenbank enthält u. a. Meldungen über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse aus verschiedenen Quellen ohne Berücksichtigung eines Kausalzusammenhangs mit der Einnahme von Sertralin. Die vorhandenen Mel- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6903 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode dungen wurden daraufhin durch Prüfärzte bzw. Prüfärztinnen hinsichtlich der Kausalität geprüft, bewertet und gegebenenfalls anschließend im Hinblick auf die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses berücksichtigt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 20. Inwieweit schließt sich die Bundesregierung der Einschätzung von Prof. Dr. Karl Broich, dem Präsidenten des BfArM, aus dem Schreiben vom 28. Januar 2016 (Geschäftszeichen 76-2016-7471) an, dass aus der Stellungnahme einer klinischen Assessorin mit der Forderung zur Aufnahme eines Sicherheitshinweises in die Fachinformation geschlossen werden könne, sämtliche Daten zu schweren Nebenwirkungen hätten Eingang in die Bewertung gefunden – vor dem Hintergrund, dass sich dieser Warnhinweis nahezu wortwörtlich schon Jahre vorher im Zulassungsbescheid eines anderen SSRI-Antidepressivums, nämlich bei Fluctin®, wiederfindet und für Zoloft® trotz der hohen Zahlen an Suiziden in der INDIE-Datenbank mit den vollständigen Nebenwirkungsmeldungen aus klinischen Studien unter Zoloft® nicht verschärft wurde? Eine vergleichende Studie zwischen Zoloft® und Fluctin® wurde seinerzeit nicht verlangt und würde im Übrigen auch heute im Einklang mit den Empfehlungen der Guideline on clinical investigation of medicinal products in the treatment of depression (EMA/CHMP/185423/2010 Rev.2) nicht verlangt. Indirekte Vergleiche sind nur begrenzt verwertbar. Das Suizidrisiko unter SSRI – einschließlich Sertralin – wurde in der Vergangenheit mehrfach auf europäischer Ebene bewertet, sowohl durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) wie auch durch den Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) bzw. dessen Vorgänger, die Pharmakovigilanz-Arbeitsgruppe (Pharmacovigilance Working Party – PhVWP). Hinsichtlich Suiziden und Suizidalität besteht demnach kein substantieller Unterschied innerhalb der Klasse der SSRI oder zwischen verschiedenen Arten von Antidepressiva, die verschärfte Warnhinweise für Zoloft® rechtfertigen würden. 21. Sind die im Gesetz (§ 30 AMG) genannten rechtlichen Voraussetzungen zum Entzug bzw. zur Anordnung des Ruhens der Zulassung im Fall von Zoloft® nach Ansicht der Bundesregierung gegeben? Falls nicht, warum nicht? Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Zoloft® wird unter Einbeziehung aller im Zusammenhang mit Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bekannt gewordenen Risiken seitens des BfArM wie auch von den Zulassungsbehörden der anderen EU-Mitgliedstaaten kontinuierlich überwacht bzw. überprüft und weiterhin als positiv erachtet. 22. Liegen der Bundesregierung mehrere Anträge auf Ruhen der Zulassung von Zoloft® von unterschiedlichen Antragstellern vor, weil die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 18/13452 keine konkrete Antwort gibt mit der Begründung, dass der Antrag auf Ruhen der Zulassung von Zoloft® nicht genau identifiziert werden könne? Wie wurden vom Referat 112 für Arzneimittel- und Heilmittelwerberecht oder dem Justiziariat des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) die in dem Antrag vom 19. November 2015 (AZ 111 41021/Zoloft) auf Anordnung des Ruhens der Zulassung für Zoloft® aufgeführten Begründungen in rechtlicher Hinsicht bewertet, und wie wurde dies festgehalten? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/6903 Falls keine rechtliche Bewertung oder Stellungnahme zu dem Antrag und zur Dienstaufsichtsbeschwerde erfolgte, kann die Bundesregierung erläutern , warum dies nicht erfolgte, und aus welchem Grund wurde das Referat 112 hinzugezogen? Welche Erkenntnisse hatte das Referat 112 bezüglich der im Gesetz genannten Voraussetzungen für den Entzug der Zulassung bzw. das Anordnen des Ruhens der Zulassung von Zoloft® vor dem Hintergrund, dass der Entwurf des Ministererlasses (mit Datum vom 7. Juli 2016) der Ministerialdirigentin B. N. sowohl eine fachliche wie auch rechtliche Stellungnahme des BfArM zu dem Antrag vorsah, jedoch nach einer E-Mail aus dem Referat 112 an das Referat 111 des BMG der Erlass revidiert wurde mit der Begründung, dass aus einer erneuten Prüfung sich keine neuen rechtlichen Erkenntnisse ergeben würden, die zu einer veränderten Bewertung des Arzneimittels Zoloft® durch das BfArM führen könnten? Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Rahmen seiner Aufsicht die Handlungen des BfArM im Zusammenhang mit dem Antrag auf das Ruhen der Zulassung von Zoloft® überprüft. Nach den vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat festgelegten Grundsätzen zur Ausübung der Fachaufsicht folgt diese den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns, der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit des Geschäftsbereichs und damit der Beschränkung von Weisungen auf das notwendige Maß. Diesen Grundätzen folgend richtete sich der Erlass vom 8. Juli 2016 darauf, dass das BfArM prüfen sollte, ob das neuerliche Schreiben neue fachliche oder rechtliche Aspekte enthalte, die nicht Gegenstand der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Prüfungen und Stellungnahmen waren. Auch nach nochmaliger interner Überprüfung des hier angesprochenen Antrags auf Ruhen der Zulassung konnten keine Fehler festgestellt werden. 23. Stimmt die Bundesregierung mit der bereits in Frage 21 auf Bundestagsdrucksache 18/13452 aufgeführten Position des seinerzeit für die Zulassung von Fluctin® zuständigen Vorsitzenden der Zulassungskommission im Bundesgesundheitsamt überein, der laut „Süddeutscher Zeitung“ vom 16./ 17. Februar 2013 Jahrzehnte später erklärt haben soll, dass „nach den Daten, die wir heute kennen, die Zulassung (von Fluctin®) keine gute Entscheidung war“, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung als Aufsichtsbehörde des BfArM aus der zitierten Äußerung dieses Experten? Zulassungsentscheidungen werden auf der Grundlage einer sorgfältigen Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses getroffen. Für alle im Verkehr befindlichen Arzneimittel aus der Gruppe der SSRI ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach derzeitigem Kenntnisstand weiterhin positiv. 24. Inwiefern kann die Bundesregierung inzwischen die in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 16./17. Februar 2013 geschilderten Kontakte einiger Mitglieder der Zulassungskommission zum Pharmahersteller bestätigen, nachdem ihr noch vor einem Jahr laut Antwort zu Frage 24 auf Bundestagsdrucksache 18/13452 „unzulässige Kontakte von Mitgliedern der Zulassungskommission zum Hersteller des Arzneimittels Prozac® zum Zeitpunkt der Zulassungsprüfung […] nicht bekannt“ waren, und inwieweit kann die Bundesregierung bestätigen, dass entsprechende Kontakte, wie sie in dem Zeitungsartikel geschildert wurden, unzulässig sind? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6903 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Sind nach Ansicht der Bundesregierung Kontakte wichtiger Mitglieder der Zulassungskommission zu dem pharmazeutischen Unternehmen, über dessen Antrag auf Zulassung entschieden werden soll, unter bestimmten Bedingungen doch gestattet? Ist die Bundesregierung im Gegenteil der Ansicht, dass die in der „Süddeutschen Zeitung“ geschilderten Kontakte in der Realität nicht stattgefunden haben? Kontakte zwischen Mitgliedern der Zulassungskommission und dem pharmazeutischen Unternehmen, über dessen Zulassung entschieden wird, sind nur im Rahmen der geltenden Gesetze und der jeweiligen Geschäftsordnungen zulässig. Unzulässige Kontakte von Mitgliedern der Zulassungskommission zum Hersteller des Arzneimittels Prozac® zum Zeitpunkt der Zulassungsprüfung sind der Bundesregierung nicht bekannt. 25. Ist die Rolle von Prof. M. im Zulassungsverfahren von Zoloft® nach Ansicht der Bundesregierung mit der Geschäftsordnung der Zulassungsbehörde vereinbar , da er sowohl der vom pharmazeutischen Unternehmen im Zulassungsverfahren von Zoloft® beauftragte Gutachter und gleichzeitig (nichtstimmberechtigtes ) Mitglied der Kommission A im Zulassungsverfahren von Zoloft® war? Unzulässige Kontakte oder Einflussnahmen zum Zeitpunkt der Zulassungsprüfung von Zoloft® sind der Bundesregierung nicht bekannt. 26. Welche Fachartikel hat der heutige Präsident des BfArM, Prof. Dr. Karl Broich, nach Kenntnis der Bundesregierung zu SSRI-Antidepressiva vor und nach deren Zulassung verfasst (bitte auflisten)? 27. Welche gemeinsamen Veröffentlichungen von Prof. Hans Jürgen Möller, und dem heutigen Präsidenten der Aufsichtsbehörde, Prof. Dr. Karl Broich, sind der Bundesregierung bekannt? Die Fragen 26 und 27 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Veröffentlichungen sind über entsprechende Literaturrecherchen erhältlich. Die Bundesregierung weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es nicht Bestandteil der parlamentarischen Kontrollfunktion ist, frei verfügbare Informationen durch die Bundesregierung zusammentragen und anschaulich aufbereiten zu lassen. 28. Welche Äußerungen und Veröffentlichungen des heutigen Leiters der Zulassungsbehörde BfArM, Prof. Dr. Karl Broich, seitdem er in der Aufsichtsbehörde in verantwortlicher Position tätig ist, in Bezug auf die kritische Publikation von Prof. Irving Kirsch (Kirsch, I., Deacon, B. J. et al., (2008) Initial severity and antidepressant benefits: a meta-analysis of data submitted to the Food and Drug Administration. PLoS Med. 5(2), e45) sind der Bundesregierung bekannt? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/6903 Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Äußerung von Prof. Broich aus dem Jahr 2009: „The CHMP is of the opinion that, as no public health concerns have been identified, no regulatory action is necessary on the basis of Kirsch et al.’s findings“ ( Zitat aus dem Artikel zu der Publikation von Kirsch aus dem Jahr 2009 – K. Broich (2009), Committee for Medicinal Products for Human Use (CHMP) assessment on efficacy of antidepressants . Eur Neuropsychopharmacol. 2009 May; 19(5):305-8), und welche Auswirkungen könnte diese Einschätzung von Prof. Broich aus dem Jahr 2009 nach Ansicht der Bundesregierung auf eine unabhängige Prüfung des Antrags auf Ruhen der Zulassung für das Medikament Zoloft® durch das BfArM unter seinem heutigen Präsidenten Prof. Broich haben? Die der wissenschaftlichen Abhandlung zugrunde liegende Metaanalyse ist samt ihrer Limitationen und Aussagekraft für zulassungsrelevante Entscheidungen Gegenstand zahlreicher weiterer Publikationen gewesen. Kritikpunkte dieser Metaanalyse , wie z. B. die eingeschränkte Auswahl der Antidepressiva, die geringe Anzahl an Studien zu den untersuchten Antidepressiva (Federal-Drug-Administration -relevante Zulassungsstudien; mittlerweile sind deutlich mehr kontrollierte Studien vorhanden) und die Limitationen der Methodik per se (Ergebnisse von methodisch mangelhaften Studien werden mit solchen aussagefähiger Studien vermischt; Limitationen der Hamilton-Skala als alleinigem Outcome zur Beurteilung der Wirksamkeit), sind hinreichend diskutiert worden. Metaanalysen werden nur bei einwandfreier Methodik der eingeschlossenen Studien als zusätzliche Evidenz akzeptiert. Zudem ist anzumerken, dass Herr Prof. Dr. Broich stellvertretend für das CHMP bzw. im Namen und in Abstimmung mit den CHMP-Mitgliedern die genannte Publikation verfasst hat. Die beteiligten Personen werden regelmäßig aufgefordert , ihre sog. „conflicts of interests“ offenzulegen. Daneben sorgt das Vier- bzw. Mehraugenprinzip sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene dafür, dass individuelle Einschätzungen Einzelner allein nicht maßgebend sind für die Beurteilung eines Sachverhalts durch das BfArM bzw. die Europäische Arzneimittel-Agentur. Die Entscheidung über das Ruhen einer Arzneimittelzulassung oder eine Einschränkung würde aufgrund des Bestehens der Zulassungen in mehreren EU-Mitgliedstaaten immer im Rahmen eines sog. Referrals nach den Artikel 31 ff. Richtlinie 2001/83/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel, d. h. im Rahmen eines gemeinsamen Risikobewertungsverfahrens erfolgen. Insofern liegen insgesamt keine Hinweise vor, dass die Prüfung des Antrages auf Ruhen der Zulassung für das Arzneimittel Zoloft® durch das BfArM nicht unabhängig erfolgte . 29. Welche argumentative Unterstützung erhielt der heutige Leiter der Aufsichtsbehörde BfArM, Prof. Dr. Karl Broich, nach Kenntnis der Bundesregierung in dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Äußerungen von Prof. Kirsch vom damaligen Gutachter im Zulassungsverfahren von Sertralin (Zoloft®)? Eine argumentative Unterstützung wurde vom damaligen Gutachter im Zulassungsverfahren zu Zoloft® nach Kenntnis der Bundesregierung nicht vorgebracht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/6903 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 30. Welche Aufgabe hat nach Kenntnis der Bundesregierung der Präsident der Arzneimittelbehörde BfArM, Prof. Broich, heute im Rahmen der Prüfung, ob das Zulassungsverfahren des SSRI-Antidepressivums Zoloft® zu beanstanden sei? Nach Kenntnis der Bundesregierung ergeben sich keine Beanstandungen am Zulassungsverfahren zu Zoloft®. 31. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass sowohl Prof. Broich als auch Prof. M. (Mitglied der Zulassungskommission und Verfasser des Sachverständigengutachten zu Zoloft® / Wirkstoff Sertralin im Zulassungsverfahren), ein starkes gemeinsames Interesse daran haben könnten , dass das Zulassungsverfahren von Zoloft® nicht in Kritik gerät, da beide maßgeblichen Anteil an der aktuellen Position der Aufsichtsbehörde bezüglich der Risikoeinschätzung der SSRI-Antidepressiva haben und ein Ruhen oder eine Einschränkung der Zulassung eines SSRI-Antidepressivums ihren Ruf beschädigen könnten? Die Entscheidung über das Ruhen einer Arzneimittelzulassung oder über eine Einschränkung würde aufgrund des Bestehens der Zulassungen in mehreren EU- Mitgliedstaaten im Rahmen eines sog. Referrals nach den Artikel 31 ff. der Richtlinie 2001/83/EG, d. h. im Rahmen eines gemeinsamen Risikobewertungsverfahrens erfolgen. Dies wäre eine Entscheidung durch die dazu berufenen europäischen Gremien und nicht durch einzelne (nationale) Entscheidungsträger. Die bisherigen europäischen Risikobewertungsverfahren zu Sertralin-haltigen Arzneimitteln haben keine Notwendigkeit des Ruhens der Zulassungen entsprechender Arzneimittel ergeben. 32. Ist die Bundesregierung der gleichen Ansicht wie der Fragesteller, dass eine unabhängige Überprüfung, ob das Arzneimittel im Zulassungsverfahren ausreichend vom pharmazeutischen Unternehmen wie auch von der Aufsichtsbehörde nach dem Stand der Wissenschaft geprüft wurde und hierbei sämtliche Daten aus klinischen Studien – also auch die aus der internen Datenbank INDIE – einbezogen wurden, nicht durch die Behörde gewährleistet werden kann, die über den Zulassungsantrag entschieden hat, und dass stattdessen hiermit ein unabhängiges Institut, wie zum Beispiel das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), oder eine rechtsmedizinische Fakultät einer Universität, beauftragt werden müsste? 33. Gedenkt die Bunderegierung eine fachliche und juristische Stellungnahme, ob die im Gesetz (§ 30 AMG) genannten Voraussetzungen für den Entzug der Zulassung bzw. der Anordnung des Ruhens der Zulassung von Zoloft®, wie es der Entwurf des Ministererlasses vom 7. Juli 2016 (AZ 111-41021/ Zoloft) ursprünglich vorgesehen hatte, vorliegen, von einem unabhängigen Institut oder der rechtsmedizinischen Fakultät einer Universität einzuholen? Die Fragen 32 und 33 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Über die Rücknahme, den Widerruf oder das befristete Ruhen einer Zulassung wird gemäß den gesetzlichen Vorgaben entschieden. Hierbei handelt es sich um Amtsaufgaben der zuständigen Bundesoberbehörden. Gemäß § 77a Absatz 1 AMG stellen die zuständigen Bundesoberbehörden im Hinblick auf die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Transparenz sicher, dass mit der Zulassung und Überwachung befasste Bedienstete der Zulassungs- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/6903 behörden oder anderer zuständiger Behörden oder von ihnen beauftragte Sachverständige keinen finanziellen oder sonstigen Interessen in der pharmazeutischen Industrie haben, die ihre Neutralität beeinflussen könnten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333