Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 15. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7099 19. Wahlperiode 17.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Thomas Lutze, Jörg Cezanne, Fabio De Masi, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/6677 – Sicherheit im Flugbetrieb – Rechte und Pflichten von Pilotinnen und Piloten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ausgerichtete Fluggipfel am 5. Oktober 2018 beschäftigte sich hauptsächlich damit, wie die Abwicklung des Flugverkehrs an Zuverlässigkeit gewinnen kann. Sicherheitsaspekte spielten dabei eine eher untergeordnete Rolle und auch nur in Bezug auf die Sicherheit am Boden (siehe www.bmvi.de/SharedDocs/DE/ Artikel/LF/gemeinsame-erklaerung.html). Doch Sicherheit im Flugverkehr ist nicht nur eine Frage der Luftsicherheit (Gepäckkontrollen etc.), weshalb die weitgehende Ausklammerung der den unmittelbaren Flugbetrieb betreffenden Sicherheitsaspekte beim Gipfel in Hamburg zu kritisieren ist. Die Pilotinnen oder Piloten sind unmittelbar für die Sicherheit des Fluges und der Passagiere verantwortlich und müssen daher sicherheitsrelevante Entscheidungen treffen. Wenn wie beim Fluggipfel die Zuverlässigkeit des Flugbetriebes im Vordergrund steht, muss sichergestellt sein, dass Pilotinnen und Piloten Flüge auch dann rechtssicher aus Sicherheitsgründen absagen können, wenn der Flugausfall Kosten für die Fluggesellschaft nach sich zieht. 1. Welche Rechte und Pflichten haben Pilotinnen und Piloten in Situationen, in denen sie begründete Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere haben? Die Vorschrift CAT.GEN.MPA.100 „Verantwortlichkeiten der Besatzung“ der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 regelt, dass jedes Besatzungsmitglied für die ordnungsgemäße Ausübung seiner Aufgaben verantwortlich ist, die in einem Zusammenhang mit der Sicherheit des Luftfahrzeugs und seiner Insassen stehen und in den Anweisungen und Verfahren des Betriebshandbuchs festgelegt sind. In den Betriebshandbüchern der Luftfahrtunternehmen sind die unter Frage 1, Buchstabe a bis c, genannten Fälle geregelt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7099 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode a) Welche speziellen Rechte und Pflichten haben Pilotinnen und Piloten in Situationen, in denen sie begründete Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere aufgrund von Witterungsbedingungen haben? Die Wetterminima, unter denen ein Flug durchgeführt werden darf, sind in der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 geregelt und variieren je nach Luftfahrtunternehmen , Qualifikation der Besatzung und Ausrüstungszustand des Luftfahrzeugs. Im Übrigen wird auf die Regelungen der CAT.OP.MPA.175 („Flugvorbereitung “) der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 unter Buchstabe b) Nr. 7 verwiesen. CAT.OP.MPA.245 und CAT.OP.MPA 246 spezifizieren dies noch weiter. b) Welche speziellen Rechte und Pflichten haben Pilotinnen und Piloten in Situationen, in denen sie begründete Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere aufgrund von Fehlverhalten von Passagieren haben? Es wird auf die Regelungen der CAT.GEN.MPA.105 („Verantwortlichkeiten des Kommandanten“) der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 verwiesen. Zudem ergeben sich privatrechtliche Befugnisse der Piloten aus den einschlägigen Vorschriften des Arbeits-, Beförderungsvertrags sowie den maßgeblichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Darüber hinaus überträgt das Luftsicherheitsgesetz den Pilotinnen und Piloten die hoheitliche Aufgabe der Gefahrenabwehr für die Dauer eines Fluges. Für die Wahrnehmung dieser Aufgabe sind Pilotinnen und Piloten befugt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 12 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 LuftSiG). Zur Durchsetzung der Maßnahmen dürfen Pilotinnen und Piloten nach Maßgabe des § 12 Absatz 3 LuftSiG Zwangsmittel anwenden. Alle an Bord befindlichen Personen haben den Anordnungen der Pilotinnen und Piloten Folge zu leisten (§ 12 Absatz 4 LuftSiG). Im Übrigen berechtigt das Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen („Tokioter Abkommen“) vom 14. September 1963 (BGBl. 1969 II S. 121) unter bestimmten Voraussetzungen die Pilotinnen und Piloten, Maßnahmen, einschließlich Zwangsmaßnahmen, zur Ausübung der Bordgewalt zu ergreifen. c) Welche speziellen Rechte und Pflichten haben Pilotinnen und Piloten in Situationen, in denen sie begründete Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere aufgrund von Übermüdung der Flugzeugbesatzung haben ? Es wird auf die Regelungen der CAT.GEN.MPA.100 („Verantwortlichkeiten der Besatzung“) Buchstabe b) Nr. 4 und Buchstabe c) Nr. 1, 4 und 5 der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 verwiesen. 2. Können Pilotinnen und Piloten nach Kenntnis der Bundesregierung seitens der Fluggesellschaften finanziell für durch sie aus Sicherheitserwägungen erwirkte Flugausfälle haftbar gemacht werden (bitte begründen), und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7099 3. Drohen Pilotinnen und Piloten nach Kenntnis der Bundesregierung möglicherweise arbeitsrechtliche Sanktionen von Seiten der sie beschäftigenden Fluggesellschaften bei Ausfällen von Flügen infolge begründeter Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere aufgrund von Witterungsbedingungen , Fehlverhalten von Passagieren oder Übermüdung der Flugzeugbesatzung (bitte unter Angabe der einschlägigen Rechtsgrundlagen beantworten ), und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Luftfahrtunternehmen sind nach Artikel 16, Absatz 11 der Verordnung (EU) Nr. 376/2014 verpflichtet, interne Regeln festzulegen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit sicherheitsrelevanten Aufgaben nicht für deren Handlungen , Unterlassungen oder Entscheidungen, die Erfahrung und Ausbildung entsprechen , zu sanktionieren. Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen die Flugbesatzung aufgrund der in Fragen 2 und 3 umrissenen Entscheidungen arbeitsrechtliche Konsequenzen zu tragen hatten. 4. In wie vielen Fällen hat die Bundesregierung seit 2010 jährlich die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen (Höchst-)Flugzeiten von Pilotinnen und Piloten überprüft, und wie viele Verstöße wurden dabei jährlich festgestellt (bitte unter Angabe der betreffenden Fluggesellschaft beantworten)? Während des von Anhang II (Teil-ARO) der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 vorgeschriebenen Aufsichtszyklus von 24 Monaten auditiert das Luftfahrt-Bundesamt das gesamte Spektrum der Vorschriften in jedem deutschen Luftfahrtunternehmen . Dies beinhaltet auch die Flugdienst- und Ruhezeiten. Die Einhaltung der Flugdienst- und Ruhezeiten ist zudem ein Prüfpunkt bei Vorfeldinspektionen gem. Anhang II, Teilabschnitt RAMP (ARO.RAMP) der Verordnung (EU) Nr. 965/2012. Im Detail werden die Zeiten geprüft, wenn es erste Anzeichen für eine Nichteinhaltung der Vorschriften (z. B. deutliche Verspätung) gibt. 5. Wie viele Flugausfälle infolge begründeter Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere seitens der Pilotinnen und Piloten sind der Bundesregierung bekannt (bitte Fälle seit 2010 aufgeschlüsselt nach Fluggesellschaft , Start- und Zielort, Dauer des Fluges und Grund des Zweifels aufführen )? Aus welchen Gründen werden solche Daten ggf. nicht erhoben, und welche Stelle ist bzw. wäre für die Annahme und Bearbeitung diesbezüglicher Meldungen durch Pilotinnen und Piloten zuständig? Gemäß Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1018, die die Ereignisse festlegt, die gem. Verordnung (EU) Nr. 376/2014 zu melden sind: Es gibt zwei Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Anfrage stehen: Übermüdung der Besatzung, wodurch ihre Fähigkeit, ihre Aufgaben sicher zu erfüllen, beeinträchtigt wird oder beeinträchtigt werden könnte. Schwierigkeiten bei der Kontrolle berauschter, gewalttätiger oder sich Anordnungen widersetzender Fluggäste. Eine Zuordnung dieser Meldungen zu Flugausfällen ist allerdings nicht möglich, da die genannten Ereignisse häufig nicht im Zusammenhang mit einem Flugausfall stehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7099 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor, die darauf schließen lassen, dass Flüge stattgefunden haben, bei denen es begründete Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere seitens der Pilotinnen und Piloten gab (falls konkrete Fälle bekannt sind, bitte seit 2010 aufgeschlüsselt nach Fluggesellschaft , Start- und Zielort, Dauer des Fluges und Grund des Zweifels aufführen)? a) Liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor, die darauf schließen lassen, dass Flüge stattgefunden haben, obwohl Pilotinnen und Piloten begründete Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere hatten, weil die Pilotinnen und Piloten bei Flugausfall arbeitsrechtliche Sanktionen befürchteten (falls konkrete Fälle bekannt sind, bitte seit 2010 aufgeschlüsselt nach Fluggesellschaft, Start- und Zielort, Dauer des Fluges und Grund des Zweifels aufführen)? b) Liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor, die darauf schließen lassen, dass Flüge stattgefunden haben, bei denen es begründete Zweifel an der Sicherheit des Fluges und der Passagiere seitens der Pilotinnen und Piloten gab und die Fluggesellschaft dabei einen ökonomischen Schaden bei Flugausfall befürchtete (falls konkrete Fälle bekannt sind, bitte seit 2010 aufgeschlüsselt nach Fluggesellschaft, Start- und Zielort, Dauer des Fluges und Grund des Zweifels aufführen)? c) Aus welchen Gründen werden solche Daten ggf. nicht erhoben? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 7. Sieht die Bundesregierung einen Interessenskonflikt bei Pilotinnen und Piloten durch ihre Funktion als Sicherheitsverantwortlicher im Flugbetrieb und ihrer Position als Arbeitnehmer gegeben (bitte begründen)? Nein. 8. Durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung verhindern, dass Pilotinnen und Piloten trotz begründeter Zweifel an der Sicherheit einen Flug antreten, weil sie wirtschaftliche Nachteile für die Fluggesellschaft oder für sich befürchten? Die Redlichkeitskultur und die offene Sicherheitskultur sind in deutschen Luftfahrtunternehmen etabliert. Das Luftfahrt-Bundesamt wird im Rahmen der Genehmigung und Überwachung deutscher Luftfahrtunternehmen diese Aspekte auch weiterhin überwachen. Ziel der Bundesregierung wird es weiterhin sein, sämtliche Beteiligte zu sensibilisieren , dass sicherheitsbezogene Informationen, die dem Arbeitgeber bekannt werden, ausschließlich zu Zwecken der Verbesserung der Flugsicherheit herangezogen werden dürfen. Zu diesem Zweck hat unter Leitung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im September 2018 eine Tagung an der Deutschen Richterakademie stattgefunden, in der Vertreterinnen und Vertreter der Rechtspflege und der Staatsanwaltschaft mit den Gedanken der Redlichkeitskultur vertraut gemacht wurden. Hintergrund ist das Bestreben, dass im Falle z. B. eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens diese wichtigen Aspekte ebenfalls seitens des Gerichts berücksichtigt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7099 9. Wie bewertet die Bundesregierung den Beschluss des Bundesrates (Bundesratsdrucksache 420/18), durch den Strafzahlungen für Flugbewegungen zu Zeiten einer Betriebsbeschränkung zukünftig nicht nur gegenüber Pilotinnen und Piloten, sondern auch den Fluggesellschaften verhängt werden könnten? Für die Bundesregierung ist die Einhaltung der geltenden Betriebsbeschränkungsregelungen an deutschen Flugplätzen von besonderer Bedeutung. Verstöße gegen Betriebsbeschränkungszeiten eines Flugplatzes sollen durch geeignete Maßnahmen der Beteiligten (Luftfahrtbehörden der Länder, Fluglärmbeauftragte, Flugsicherung , Luftfahrtunternehmen, Piloten etc.) verhindert werden. Sofern es trotzdem zu Verstößen kommt, müssen diese aus spezial- bzw. generalpräventiven Gründen angemessen sanktioniert werden. Die Bundesregierung unterstützt daher grundsätzlich das mit dem Gesetzentwurf verfolgte Anliegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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