Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7101 19. Wahlperiode 17.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bettina Stark-Watzinger, Christian Dürr, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6551 – Provisionsdeckel für Lebensversicherungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Lebensversicherungen bilden in einer alternden Gesellschaft einen wichtigen Grundstein zur privaten Altersvorsorge. Um allen Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen im Alter ausreichend finanziell abgesichert zu sein, sollte es nach Auffassung der Fragesteller ein Hauptanliegen des Staates sein, breiten Bevölkerungsschichten den Zugang zu dieser Art der Vorsorge zu ermöglichen. Weiterhin muss der Staat ein Interesse daran haben, dass Bürgerinnen und Bürger, denen das Thema fremd ist, ausreichend Zugang zu qualifizierter Beratung erhalten . Mit der geplanten Einführung eines Provisionsdeckels würde der Staat aus Sicht der Fragesteller nicht nur in die Vertragsfreiheit eingreifen, sondern gleichzeitig niedrigen und mittleren Einkommen den Zugang zur Versicherungsberatung deutlich verschlechtern. Im aktuellen provisionsbasierten System kommt es zu einer Quersubventionierung von hohen Versicherungsbeitragszahlern hin zu niedrigen Beitragszahlern (Stichwort Mischkalkulation). Zusätzlich ermöglicht das provisionsbasierte System eine aus Konsumentensicht zunächst kostenlose Beratung und Bedarfsermittlung. Dies, so zeigen Erfahrungen anderer europäischer Länder, wäre bei einer Deckelung und einer daraus resultierenden Verschiebung hin zu vermehrter Honorarberatung nicht mehr der Fall. Gerade die Haushalte, die am ehesten von geringen Rentenansprüchen betroffen sind, würden praktisch von der Vorsorge ausgeschlossen oder müssten auf das für sie teurere Honorarberatungssystem wechseln. In der Antwort auf Bundestagsdrucksache 19/3424 schreibt die Bundesregierung in ihrer Vorbemerkung, dass sie sich für einen gesetzlichen Provisionsdeckel ausspreche. Des Weiteren schreibt sie: „Die Umsetzung der Maßnahmen wird im zweiten Halbjahr 2018 angestoßen. Über die konkrete Ausgestaltung des Provisionsdeckels, insbesondere mit Blick auf die Angemessenheit der Provisionshöhe sowie auf mögliche Fehlanreize, hat die Bundesregierung noch keine Entscheidung getroffen.“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7101 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie schätzt die Bundesregierung die Wettbewerbssituation am Lebensversicherungsmarkt ein? 2. Wie schätzt die Bundesregierung die Wettbewerbssituation für Versicherungsvermittler ein? 3. Wie schätzt die Bundesregierung die Ertragssituation bei freien Versicherungsvermittlern ein? Die Fragen 1 bis 3 werden zusammen beantwortet. Nach der Statistik der BaFin zu Erstversicherungsunternehmen und Pensionsfonds für das Jahr 2017 standen Ende 2017 84 deutsche Lebensversicherungsunternehmen unter Bundesaufsicht. Diese Unternehmen benutzen im Vertrieb unterschiedliche Vertriebswege und Arten von Versicherungsvermittlern. Laut DIHK Versicherungsvermittlerregister gibt es derzeit mehr als 200 000 Versicherungsvermittler verschiedener Größe und in unterschiedlichen Vertriebswegen (z. B. Ausschließlichkeitsvermittler, Versicherungsmakler, Mehrfachvermittler aber auch angestellter Außendienst). Der Bundesregierung liegen keine Detailinformationen zur Ertragssituation einzelner Versicherungsvermittler vor. 4. Liegen der Bundesregierung Informationen über eine gestiegene Unzufriedenheit (z. B. anhand von Beschwerdezahlen) der Kunden mit der Leistung von Versicherungsvermittlern oder dem Preis für die Vermittlerleistung vor? Beschwerden über Versicherungsvermittler gehen typischerweise beim Versicherungsombudsmann , bei den Industrie- und Handelskammern, bei der BaFin, bei den Landesdatenschutzbeauftragten und bei der Bundesnetzagentur ein. 5. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Vermittlerprovisionen für Lebensversicherungen im Neugeschäft in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte nach Vermittlertyp (z. B. freie Vermittler, gebundene Vermittler ) aufschlüsseln)? In der nachfolgenden Tabelle finden sich die Abschluss- und Verlängerungsprovisionen sowie Provisionen, soweit sie nicht anderen Funktionsbereichen zuzurechnen sind innerhalb des jeweiligen Jahres – unabhängig davon, ob auch der Lebensversicherungsvertrag in diesem Jahr abgeschlossen worden ist. Daher beinhalten die Zahlen des jeweiligen Jahres auch Zahlungen, die im jeweiligen Geschäftsjahr für das Neugeschäft aus früheren Jahren geleistet wurden. Andererseits sind Provisionszahlungen nicht enthalten, die zwar auf das Neugeschäft des jeweiligen Jahres entfallen, jedoch erst in späteren Jahren fällig werden. Die unten genannte Anzahl an Policen bezieht sich auf die eingelösten Versicherungsscheine im Neugeschäft im jeweiligen Jahr. 2008 2009 2010 2011 2012 Provisionen (in Mrd. Euro) 5,2 5,5 5,9 6,3 6,0 Anzahl Policen (in Mio.) 6,7 6,2 6,1 6,3 6,0 2013 2014 2015 2016 2017 Provisionen (in Mrd. Euro) 5,4 5,6 5,1 5,0 4,8 Anzahl Policen (in Mio.) 5,3 5,6 5,2 5,1 5,0 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7101 Im Rahmen der Evaluierung des Lebensversicherungsreformgesetzes (www. bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Finanzmarktpolitik/2018- 06-28_Evaluierungsbericht-zum-Lebensversicherungsreformgesetz.pdf?__blob =publicationFile&v=1) wurden auf die im Jahr 2017 angebotenen Tarife einmal die aktuellen Vergütungsvereinbarungen und einmal die im Jahr 2013 maßgebenden Vergütungsvereinbarungen angewendet und verglichen, welche Unterschiede sich in der Vergütung, die über die Laufzeit des Versicherungsvertrags insgesamt gezahlt wird, ergeben. Hieraus ergibt sich, dass die Vergütungen im Jahr 2017 gut 5 Prozent unter dem Niveau aus der Zeit vor dem LVRG lagen. Dieser Vergleich ergibt außerdem, dass die Verringerung der Abschlusskosten je nach Vertriebsweg unterschiedlich ausgefallen ist. Die Zahlungen an Ausschließlichkeitsvermittler sind um 2,89 Prozent gesunken, bei den Versicherungsmaklern und Mehrfachvermittlern um 7,21 Prozent. Die Vergütungen in dieser Gruppe sind auch nach der Senkung weiterhin höher als bei den Ausschließlichkeitsvermittlern . 6. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der durchschnittliche effektive Stundensatz für Lebensversicherungsvermittler in Deutschland (bitte nach Vermittlertyp aufschlüsseln)? Hierzu liegen der BaFin keine Erkenntnisse vor. 7. Hat die Bundesregierung mit Blick auf die in der Vorbemerkung der Fragesteller zitierte Bundestagsdrucksache 19/3424 bezüglich der konkreten Ausgestaltung des Provisionsdeckels, der Angemessenheit der Provisionshöhe und möglichen Fehlanreizen durch einen Provisionsdeckel im Laufe des bald abgelaufenen zweiten Halbjahres 2018 eine Position (z. B. über die als sachgerecht erachtete Höhe) erarbeitet? Wenn ja, wie lautet diese? Und aufgrund welcher Überlegungen und Daten wurde diese Position erarbeitet ? 8. Hat die Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf die Einführung eines Provisionsdeckels? 9. Welche Modelle stehen in der Vorbereitung der Einführung eines Provisionsdeckels zur Diskussion? Welches Modell der Provisionsdeckelung plant die Bundesregierung einzuführen ? 10. Auf welches konkrete Niveau sollen die Abschlusskosten nach Ansicht der Bundesregierung gesenkt werden, nachdem die Bundesregierung im Evaluierungsbericht des LVRG (= Lebensversicherungsreformgesetz) eine weitere Senkung durch einen gesetzlichen Provisionsdeckel unterstützt (vgl. Seite 21 Evaluierung des LVRG)? 11. Wird die Bundesregierung in der Regulierung zwischen verschiedenen Vermittlertypen unterscheiden (z. B. gebundene und freie Vermittler)? 12. Auf Basis welcher Kalkulationen ergibt sich der von der BaFin und im Rahmen der Evaluation des LVRG vom BMF benannte Wert von 2,5 Prozent (fixer Anteil) bzw. 1,5 Prozent (variabler Anteil) als Höchstsätze für Provisionen ? 13. Anhand welcher Methode soll die sachgerechte Höhe des Provisionsdeckels festgestellt werden? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7101 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Auf Basis welcher Daten bzw. betriebswirtschaftlichen Kalkulationen (d. h. Laufzeiten, Monatsbeiträge, Abschlussquoten, Zeitaufwand, Vertriebskosten , etc.) wird die Bundesregierung die sachgerechte Höhe des Provisionsdeckels festsetzen? 15. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass ein zu niedrig angesetzter Provisionsdeckel das Geschäft für Versicherungsvermittler unrentabel macht und insbesondere hoch qualifizierte Makler bzw. Berater aus dem Markt verschwinden werden? 16. Plant die Bundesregierung die Einführung eines Provisionsdeckels pauschal für alle Lebensversicherungsprodukte oder soll eine Differenzierung nach Produktart eingeführt werden? 17. Nach welchen Kriterien soll der variable Teil der Vergütung berechnet werden , sofern die Bundesregierung ein Modell nach Vorschlag der BaFin (fixer und variabler Anteil, basierend auf qualitativen Kriterien) plant? Durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen, dass keine Umgehung bzw. Aufweichung in der Umsetzung von qualitativen Kriterien erfolgt bzw. dass eine Vergleichbarkeit zwischen den Bewertungen des variablen Anteils herrscht? Die Themen und Sachverhalte zu den Fragen 7 bis 17 sind Gegenstand laufender Vorarbeiten für ein geplantes Gesetzgebungsverfahren. Aufgrund dessen werden die Fragen 7 bis 17 zusammen beantwortet. Wie in der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 19/3424 bereits erläutert, beabsichtigt die Bundesregierung gesetzlich einen Provisionsdeckel (kein Provisionsverbot) für Lebens- und Restschuldversicherungen festzulegen , der etwaigen Fehlanreizen entgegenwirken und die weitere Senkung der Abschlusskosten unterstützen soll. Die Bundesregierung bereitet dazu gegenwärtig einen Gesetzentwurf vor. Eine Entscheidung über die Ausgestaltung des Provisionsdeckels einschließlich der konkreten Höhe ist noch nicht getroffen worden. 18. Wie bewertet die Bundesregierung die Erfahrungen aus anderen OECD-Ländern bei der Einführung von Provisionsobergrenzen bzw. Abschaffung von Provisionen in der Versicherungsbranche (bitte, wenn möglich, Erfahrung nach Ländern aufschlüsseln)? 19. Wie bewertet die Bundesregierung mit Blick auf die internationale Erfahrung (z. B. Rückgang der Anzahl der Versicherungsberater in Großbritannien (HM Treasury (2016): FAMR Financial Advice Market Review – Final Report, S. 18, www.fca.org.uk/publication/corporate/famr-final-report.pdf) nach Einführung eines Provisionsverbotes) die Auswirkungen einer Provisionsdeckelung auf das Lebensversicherungsangebot in Deutschland? 20. Wie bewertet die Bundesregierung mit Blick auf die o. g. internationale Erfahrung die Auswirkungen auf kleine und mittelständische freie Versicherungsvermittler in Deutschland? Die Fragen 18 bis 20 werden zusammen beantwortet. Laut einer Studie der EIOPA vom 13. Dezember 2018 herrschen in der Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten weiterhin provisionsbasierte Vergütungssysteme von Versicherungsvermittlern vor, wobei bei Maklern verstärkt ein Mix zwischen Provisionen und Beratungshonoraren zur Anwendung kommt (siehe https://eiopa. europa.eu/Publications/Reports/IDD%20Evaluation%20of%20intermediary%20 markets.pdf). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7101 Der Bundesregierung sind Regelungen aus Dänemark, Finnland, den Niederlanden , Norwegen und dem Vereinigten Königreich bekannt, die für bestimmte Versicherungszweige , -produkte oder Vermittlertypen Provisionen teilweise oder ganz verbieten (siehe auch Bundestagsdrucksache 19/4390). Ein Provisionsverbot ist in Deutschland allerdings nicht vorgesehen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass unabhängig von der Einführung eines Provisionsdeckels Lebensversicherungen Personen aller Einkommensgruppen weiterhin angeboten werden. 21. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fragesteller, dass ein Rückgang der Anzahl von freien Versicherungsvermittler und der daraus resultierenden steigenden Marktmacht von größeren Versicherungsunternehmen mit gebundenen Vermittlern zu Nachteilen in der Qualität der Beratung und insgesamt steigenden Preisen führen wird? 22. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass eine Provisionsdeckelung die Rendite für geringe Lebensversicherungsbeiträge senkt (Ruß et al. (2018): Regulierung von Provisionen – Ziele, Risiken und Nebenwirkungen provisionsbegrenzender Regulierung in der Lebensversicherung in Deutschland , siehe S. 39 ff. für Beispielkalkulation, https://insurance.uni-hohenheim. de/organisation/publikation/regulierung-von-provisionen-ziele-risiken-undnebenwirkungen -provisionsbegrenzender-regulierung-in-der-lebensversicherungin -deutschland) und damit das Lebensversicherungsangebot für niedrige bis mittlere Einkommen reduziert wird? 23. Wie möchte die Bundesregierung sicherstellen, dass die Beratungsleistung auch für kleine Beitragszahlungen bzw. Anlagevolumina rentabel bleibt? 24. Teilt die Bundesregierung die Analyse wissenschaftlicher Studien (Ruß et al. (2018), S. 60), dass eine Provisionsdeckelung eine Ausweichbewegung der Unternehmen in Richtung Honorarberatung zur Folge haben wird? Die Fragen 21 bis 24 werden zusammen beantwortet. Die zitierte Studie beruht auf mehreren Annahmen, die maßgeblich für die dort getroffenen Schlussfolgerungen sind. Diese Annahmen und somit auch die darauf basierenden Schlussfolgerungen werden von der Bundesregierung nicht geteilt. 25. Gegeben der wissenschaftlichen Einschätzung und praktischen Erfahrung aus Großbritannien, dass Honorarberatungen aus Konsumentensicht nur für größere Anlagevolumina rentabel sind (Stichwort Beratungslücke bzw. Advice Gap) (Ruß et al. (2018), S. 55 ff.), teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass der faktische Ausschluss unterer Einkommensgruppen vom Markt für Lebensversicherungen durch die Einführung eines Provisionsdeckels nicht erstrebenswert ist? Falls ja, wie plant die Bundesregierung, das Entstehen einer Beratungslücke zu verhindern? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 18 bis 24 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333