Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 17. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7179 19. Wahlperiode 21.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Claudia Müller, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/6799 – Entgasung von Binnenschiffen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Binnenschiffe, welche Erdöldestillate wie z. B. Benzin transportieren, führen immer noch viele Gase in ihrem Laderaum, nachdem die Fracht bereits „gelöscht “ wurde. Bevor neue Ladung aufgenommen werden kann, muss dieses Gas aus den Tanks entfernt werden. In Deutschland ist in der Zwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (20. BIm- SchV) geregelt, dass solches Gas in speziellen Absauganlagen entsorgt werden muss, denn es gilt ein Entgasungsverbot für Ottokraftstoffe, Rohbenzin und Kraftstoffgemische. Allerdings gibt es weder ausreichend viele solcher Anlagen noch lässt sich durch die Wasserschutzpolizei in geeigneter Weise überprüfen, ob und wo Binnenschiffe ihre Tanks „entgasen“ (www.nrz.de/staedte/emmerichrees -isselburg/illegale-benzinentgasung-kann-kaum-kontrolliert-werden-id2157 81983.html). Dies führt dazu, dass Binnenschiffe Medienberichten zufolge (www.nrz.de/staedte/kleve-und-umland/entgast-wird-waehrend-der-fahrtid 215651253.html) häufig illegal entgast werden, indem z. B. Rheinschiffer mit ihren Schiffen bis kurz hinter die niederländische Grenze fahren, um die Gase (Kohlenwasserstoffe, Benzol, krebserregende und mutagene Stoffe) entweichen zu lassen. In den Niederlanden ist das Entgasungsverbot auf Ottokraftstoffe begrenzt . Hieraus ergeben sich für die betroffene Bevölkerung angrenzender Wohngebiete hohe gesundheitliche und geruchliche Belastungen, insbesondere Benzol ist krebserregend (www.umweltbundesamt.de/themen/luft/luftschadstoffe /benzol). 1. Seit wann ist der Bundesregierung die Problematik der illegalen Entgasungen bekannt, und welche statistischen Informationen liegen hierzu vor? Das Problem der notwendigen Entgasung bei Binnenschiffen ist der Bundesregierung bekannt. Daher wurde bereits im Jahr 2001 das Ventilierungsverbot im Umweltrecht in den §§ 5 und 11 der 20. BImSchV verankert. Im Jahr 2010 wurde die vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie „Bauer, S., Polcher, A., Greßmann, A.: Evaluierung der Anforderungen der 20. BImSchV für Binnentankschiffe im Hinblick auf die Wirksamkeit der Emis- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7179 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode sionsminderung klimarelevanter Gase, FKZ: 3709 45 326, BiPRO GmbH, München 2010“ [Bauer et al. 2010] veröffentlicht, in der für Ottokraftstoffe die Anzahl der stattfindenden Ventilierungen – erlaubte und unerlaubte – quantitativ geschätzt wurden. Gemäß der Studie konnte seit Einführung des Ventilierungsverbotes im Jahr 2001 ein Rückgang der Ventilierungen von Ottokraftstoffdämpfen von ca. 3 000 auf geschätzte 280 Ventilierungen pro Jahr verzeichnet werden. 2. Wie viele Einrichtungen zur ordnungsgemäßen Entgasung von Binnenschiffen in Deutschland sind der Bundesregierung bekannt? Es gibt nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland keine Anlagen zur Entgasung von Binnenschiffen. 3. Welche Bundes- oder Landesbehörden sind für die Überwachung einer sachgemäßen Entgasung durch die Schiffe auf welcher Rechtsgrundlage zuständig ? Die Zuständigkeit für die Überwachung einer sachgemäßen Entgasung durch die Schiffe liegt bei den Ländern. Jedes Land richtet sich entsprechend seiner Zuständigkeitsverordnung eine Behörde ein, die die geplante Entgasung nach den Vorschriften des § 11 Absatz 1 Satz 1 i. V. m. § 5 Absatz 2 der 20. BImSchV auf ihrem Gebiet genehmigt. Eine Liste der Zuständigkeiten für die Anträge auf Genehmigung von geplanten Entgasungen in den einzelnen Ländern ist im Internet auf der Homepage der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) verfügbar (Link: www.lai-immissionsschutz.de/documents/140618_behoerdenuebersicht_15035 73944.pdf ). Vorschriften über das Entgasen von Binnenschiffen ergeben sich darüber hinaus aus internationalen gefahrgutrechtlichen Vorschriften, wie die aus dem Europäischen Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenschiffen resultierende Verordnung (ADN). Diese zielt auf die Verhinderung von Gefahren während des Entgasungsvorgangs ab, der jedoch nur dann durchgeführt werden darf, wenn und soweit das Entgasen nicht aufgrund anderer Rechtsvorschriften verboten ist. Die Zuständigkeit für die Überwachung des ADN ist auf Bundeswasserstraßen nach § 16 Absatz 6 Satz 1 Nummer 4 und Satz 2 der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn, Binnenschifffahrt (GGVSEB) den Wasserstraßen - und Schifffahrtsämtern und den nach Landesrecht zuständigen Stellen, auf sonstigen Wasserstraßen einschließlich Häfen, die nicht Bundeswasserstraße sind, der jeweils nach Landesrecht zuständigen Stelle zugewiesen. Kontrollen werden auf Bundeswasserstraßen aufgrund des jeweiligen Landesrechts oder aufgrund bestehender Bund-Länder-Vereinbarungen über die Wahrnehmung der schifffahrtspolizeilichen Aufgaben ausschließlich durch die Behörden (i. d. R. Wasserschutzpolizeien) der Länder durchgeführt. 4. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung die ordnungsgemäße Entgasung von Binnenschiffen kontrolliert und dokumentiert? Die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Entgasung von Binnenschiffen ist Ländersache . Zu der Durchführung der Kontrollen nach ADN durch die Wasserschutzpolizeien der Länder liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7179 Nach den Vorschriften des ADN ist der Schiffsführer verpflichtet, die an der Austrittsstelle gemessene Konzentration von endzündbaren oder giftigen Gasen/ Dämpfen in einem an Bord mitzuführenden Prüfbuch schriftlich festzuhalten. 5. Welche Probleme ergeben sich nach Kenntnis der Bundesregierung bei der Kontrolle und Dokumentation der Entgasungsvorgänge, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um diese Probleme zu beheben? Die Kontrolle der Entgasungsvorgänge ist Ländersache. Der Bundesregierung sind keine Probleme bei der Kontrolle und Dokumentation der Entgasungsvorgänge nach ADN bekannt. 6. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus der Machbarkeitsstudie des Umweltbundesamtes zur Einrichtung und zum Betrieb von Abgasreinigungsanlagen aus dem Jahr 2014 (www.umweltbundesamt.de/sites/default/ files/medien/378/publikationen/texte_32_2014_machbarkeitsstudie_zur_ einrichtung_und_betrieb_von_abgasreinigungsanlagen.pdf) gezogen (bitte begründen)? In der genannten Machbarkeitsstudie wird u. a. die Empfehlung ausgesprochen, gasförmige Restdämpfe in das Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI) aufzunehmen . Die Aufnahme der gasförmigen Reste in das CDNI hat den Vorteil, dass die Übernahme der Dämpfe länderübergreifend einheitlich geregelt wird. Deutschland engagiert sich als Vertragspartei des CDNI um dessen Fortentwicklung. Mit Beschluss CDNI 2017-I-4 vom 22. Juni 2017 beabsichtigt die Konferenz der Vertragsparteien des CDNI den sachlichen Anwendungsbereich auf gasförmige Rückstände flüssiger Ladungen (Dämpfe) zu erweitern und ein schrittweises Entgasungsverbot für leichtflüchtige Stoffe in der Binnenschifffahrt einzuführen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. 7. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gesundheitsgefährdung von Beschäftigten der Häfen und der rheinnahen Anwohnerinnen und Anwohner durch die freigesetzten Gase, und welche Konsequenzen zieht sie daraus? Es liegen der Bundesregierung keine Untersuchungen oder Untersuchungsergebnisse zur Gesundheitsgefährdung von Beschäftigten der Häfen und der rheinnahen Anwohnerinnen und Anwohnern durch Entgasungsvorgänge von Binnenschifftanks vor. 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich der Klimawirkung der bei der Entgasung freigesetzten Gase? Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse über die Art und Menge der illegal freigesetzten Gase vor, so dass deren Klimawirksamkeit nicht beurteilt werden kann. 9. Welche Mengen an Gasen und Restchemikalien werden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen von unkontrollierten Entgasungen in die Umwelt abgegeben? Für Deutschland liegen der Bundesregierung keine Zahlen vor. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 13, 14 und 15 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7179 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Welche Chemikalien außer den Erdöldestillaten fallen noch unter das Ventilierungsverbot (bitte alle aufzählen)? Ein Ventilierungsverbot mit Ausnahmevorschriften (geplanter oder unerwarteter Wertaufenthalt oder zwecks Reparaturen unter bestimmten Bedingungen) schreibt die 20. BImSchV für Ottokraftstoffe (UN 1203), Kraftstoffgemische (UN 3475) und Rohbenzin (UN 1268) vor. 11. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Errichtung von Abgasauffangund Reinigungsanlagen zur ordnungsgemäßen Entgasung von Binnenschiffen geplant? Mit Inkrafttreten der Bestimmungen zum Umgang mit gasförmigen Resten flüssiger Ladung (Dämpfen) des CDNI werden in Deutschland die Hersteller verpflichtet , Entgasungsanlagen für ihre entgasungspflichtigen Produkte zu schaffen oder durch Dritte schaffen zu lassen. Zudem ist damit zu rechnen, dass weitere Anbieter für Entgasungen den Markt bereichern werden. a) Wenn ja, wo sollen diese Anlagen errichtet werden, und wann sollen sie nach Kenntnis der Bundesregierung nutzbar sein? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist bisher ein deutsches Unternehmen auf dem Markt aufgetreten, das sofort einsatzfähige mobile Abgasreinigungsanlagen anbietet. Diese Anlagen sollten zuletzt in Binnenhäfen in Nordrhein-Westfalen (soweit bekannt Köln und Duisburg) zum Einsatz kommen. Inwieweit ein Einsatz erfolgt, ist nicht bekannt. b) Inwieweit sollen in diesem Zusammenhang Maßnahmen zur Wiederverwertung dieser Gase berücksichtigt und gefördert werden? Die technische Lösung basiert auf der Verbrennung der zu entsorgenden Gase/ Dämpfe. 12. Wie viele Ausnahmegenehmigungen zum Ventilieren wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren erteilt? Das Erteilen von Genehmigungen zum Ventilieren obliegt den Ländern. Der Bundesregierung liegen diese Zahlen nicht vor. 13. Wie viele Gespräche o. Ä. wurden seitens der zuständigen Bundesministerien zu diesem Problem innerhalb der letzten fünf Jahre geführt? 14. Wie viele Gespräche o. Ä. wurden seitens der zuständigen Bundesministerien im Austausch mit niederländischen Ministerien zu diesem Problem innerhalb der letzten fünf Jahre geführt? Die Frage 13 und 14 werden wegen des Zusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Vertragsstaaten des CDNI sind im Jahr 2013 übereingekommen, Arbeiten zu einem umfänglichen Verbot des Entgasens klimaschädlicher Gase, die beim Transport und der Entladung von Gütern mit Binnentankschiffen entstehen, aufzunehmen , um das CDNI um solche Vorschriften zu ergänzen (Beschluss CDNI 2013-II-3). Vorarbeiten hierzu fanden im Rahmen des CDNI bereits ab dem Jahr 2010 statt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7179 Vertragsstaaten des CDNI sind die Niederlande, die Schweiz, Belgien, Luxemburg , Frankreich und Deutschland. Die Gremien des CDNI tagen jährlich zweibis dreimal. Insofern fand und findet zu diesem Thema ein regelmäßiger und intensiver Austausch statt. Federführend zuständig für das CDNI ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Dieses hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit regelmäßig beteiligt . 15. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Praxis unkontrollierter Entgasungen zu beenden und hierdurch die betroffenen Menschen vor gesundheitsschädigenden Belastungen durch Benzol und andere gesundheitsgefährdende Substanzen zu schützen? Im Ergebnis der im Jahr 2013 begonnen Arbeiten für Bestimmungen zum Umgang mit Dämpfen (siehe Antwort zu Frage 13) hat die Konferenz der Vertragsparteien des CDNI auf Ihrer Sitzung im Juni 2017 beschlossen, ein stufenweises Entgasungsverbot für leichtflüchtige Stoffe in der Binnenschifffahrt einzuführen, das weit über die Bestimmungen der heutigen 20. BImSchV hinausgeht. Dieser Beschluss wurde im Einvernehmen mit der betroffenen Industrie und dem Binnenschiffsgewerbe gefasst wurde. Nach Untersuchungen, die im Auftrag des CDNI durchgeführt wurden, können zukünftig voraussichtlich 95 Prozent der schädlichen Entgasungen von Schiffen in die Atmosphäre im Vertragsgebiet vermieden und somit ein großer Schritt zur Entlastung der Umwelt und zum Klimaschutz getan werden. Dieser Beschluss bedarf der Ratifizierung aller sechs Vertragsstaaten und tritt am ersten Tag des sechsten Monats nach Hinterlegung der letzten Ratifizierungsurkunde beim Verwahrer des CDNI in Kraft. Das BMVI, als für das CDNI zuständiges Ressort, bereitet derzeit das entsprechende Ratifizierungsgesetz und ein Änderungsgesetz zum Ausführungsgesetz zum CDNI vor. Nach Inkrafttreten der Bestimmungen werden die Länder für deren Kontrolle verantwortlich sein. Entsprechende Kontroll- und Sanktionierungsmöglichkeiten werden im Gesetz vorgesehen. So ist eine Entgasungsbescheinigung vorgesehen, in der die Schifffahrt und die Industrie bestätigen müssen, dass sie ihren Verpflichtungen nachgekommen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333