Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 17. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7212 19. Wahlperiode 21.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Thomas Seitz, Corinna Miazga, Tobias Matthias Peterka, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/6813 – Qualität der Asylentscheidungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge der Jahre 2016/2017 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In dieser Kleinen Anfrage wird Bezug genommen auf die Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksachen 19/2969 und 19/5877. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat vom 1. Januar 2015 bis zum 1. Januar 2018 seinen Personalumfang etwa verdreifacht. Ende 2016 bzw. Anfang 2017 war durch die auf sechs Monate befristete Einstellung von ca. 3 000 Mitarbeitern im Rahmen des Projekts „Erweitertes Instrumentarium“ (EI) der Umfang zwischenzeitlich sogar auf etwa 9 000 Mitarbeiter gestiegen (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5877, Antwort zu Frage 3). In dem genannten Dreijahreszeitraum verließen etwa 500 Mitarbeiter die Behörde (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5877, Antwort zu Frage 7). Somit ist festzustellen , dass von den 2018 etwa 7 400 Mitarbeitern etwa 5 500, das entspricht 75 Prozent der Beschäftigten, erst im Verlauf der sogenannten Flüchtlingskrise zum BAMF kamen. Beim Spitzenpersonal (Besoldungsgruppen A15/E15 aufwärts) trifft das mit Stand vom 1. Januar 2018 auf 52 von 128 Mitarbeitern, also auf 41 Prozent, zu (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5877, Antwort zu Frage 2). In der ersten Jahreshälfte 2018 verließen zudem die Präsidentin und ihre beiden Stellvertreter das BAMF (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5877, Antwort zu Frage 13). Von November 2015 bis März 2017 wurde das BAMF außerdem massiv durch andere Geschäftsbereiche der Bundesregierung personell unterstützt, zu Beginn bis Ende 2016 besonders durch die Bundeswehr mit über 500 abgestellten Soldaten . Aktuell gibt es im BAMF immer noch eine dreistellige Zahl von aus anderen Geschäftsbereichen abgestellten Unterstützungskräften. In das BAMF versetzt wurden seit 1. Januar 2015 etwa 800 Mitarbeiter aus anderen Geschäftsbereichen (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5877, Antwort zu den Fragen 4 ff.). Von den etwa 3 000 im Rahmen des Projekts EI zunächst auf sechs Monate befristet eingestellten Mitarbeitern wurden dagegen nur etwa 400 in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5877, Antwort zu Frage 10). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7212 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Grundsätzlich werden Asylentscheider, die aufgrund ihrer Eingruppierung im gehobenen Dienst über einen akademischen Abschluss verfügen müssen, in einem zwölfwöchigen Lehrgang auf ihre Tätigkeit vorbereitet. Im Rahmen des Projekts EI wurde diese Qualifizierung innerhalb von vier Wochen, also in einem Drittel der eigentlich vorgesehenen Zeit, durchgeführt. Auf die Frage, ob die Bundesregierung diesen Zeitansatz rückblickend für ausreichend hält, um rechtsstaatliche Asylverfahren sicherzustellen, wurde bisher nicht geantwortet (vgl. Bundestagsdrucksache 19/5877, Antwort zu den Fragen 9 ff.). Dies ist aus Sicht der Fragesteller insbesondere vor dem Hintergrund von Interesse, dass von diesen EI-Entscheidern in den Jahren 2016/2017 von Seiten der Behördenleitung unmittelbar nach deren vierwöchigen Erstqualifikation die gleiche quantitative Leistung wie von langjährig erfahrenen und voll ausgebildeten Entscheidern , nämlich drei Asylentscheidungen pro Tag, verlangt wurde (vgl. Bundestagsdrucksache 19/2969, Antwort zu den Fragen 4 und 6). Zwar weist die Bundesregierung darauf hin, dass „auch in den Jahren 2016/2017 die geltenden Dienstanweisungen des Bundesamtes“ anzuwenden gewesen seien und dass die sogenannten Performance-Dialoge mit den Referatsleitern der dezentralen Organisationseinheiten nicht das Ziel hatten, einen Druck aufzubauen , der zu nicht der gesetzlichen Sorgfaltspflicht entsprechenden Anhörungen und Entscheidungen führte, trotzdem räumte sie ein, dass in diesem Zusammenhang auch Außenstellenleiter „aufgrund mangelnder Führungsfähigkeiten von ihren Aufgaben entbunden“ wurden (vgl. Bundestagsdrucksache 19/2969, Antwort zu den Fragen 7 f.). Deshalb und da in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 380 045 Asylentscheidungen durch das BAMF getroffen wurden, also mehr als doppelt so viele wie in den Jahren 2014 und 2015 zusammen und heruntergerechnet, trotz vergleichbarer Personalausstattung, sogar durchschnittlich etwa fünfmal so viele wie im ersten Halbjahr 2018 (vgl. BAMF: Schlüsselzahlen erstes Halbjahr 2018), ist die Qualität der Asylentscheidungen des BAMF der Jahre 2016 und 2017 nach Ansicht der Fragesteller mehr als fraglich. Begleitet wurden die Steuerungsmaßnahmen im BAMF in den Jahren 2016 und 2017 durchgehend von Mitarbeitern der Firma McKinsey & Company (durchschnittlich von 26 Beratern, vgl. Bundestagsdrucksache 19/2969, Antwort zu Frage 1). Die durch diese und das Referat Qualitätssicherung gewonnenen Erkenntnisse zur Optimierung und Standardisierung von Prozessabläufen im Asylverfahren führten zu einem ab September 2017 umgesetzten System der Qualitätssicherung im BAMF. Seit November 2017 analysiert außerdem das Forschungszentrum des BAMF Unterschiede in der Entscheidungspraxis (vgl. Bundestagsdrucksache 19/2969, Antwort zu den Fragen 1 f. und 9 ff.). 1. Hält die Bundesregierung rückblickend die Qualifizierung der im Rahmen des Projekts EI im BAMF 2016 und 2017 beschäftigten Entscheider durch einen vierwöchigen Lehrgang für ausreichend, um rechtsstaatliche Asylverfahren sicherzustellen? Ja. Die im Rahmen des Projektes „Erweitertes Instrumentarium“ (EI) zwischen 2016 und 2017 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingestellten Mitarbeitenden wurden durch das Qualifizierungszentrum des BAMF vor Aufnahme ihrer Tätigkeit geschult. Um die Schulungszeit zu optimieren, wurde die Schulungsmaßnahme auf die später konkret übertragene Aufgabe abgestimmt. Dadurch konnten die Schulungen verkürzt durchgeführt werden. Als Dozenten wurden erfahrene Entscheiderinnen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7212 und Entscheider des BAMF eingesetzt, die mit dem Schulungskonzept des Qualifizierungszentrums vertraut waren und ihre teils langjährige Praxiserfahrung in die Schulung einbringen konnten. Die Mitarbeiter, die das BAMF im Rahmen des Projektes EI für sechs Monate beschäftigt hatte, wurden hauptsächlich eingesetzt, um weniger komplexe Fälle in einem lediglich begrenzten Einsatzfeld zu entscheiden. Die zur Entscheidung dieser Verfahren erforderlichen Kenntnisse wurden den Beschäftigten vermittelt. Entscheidungsinstrumente, wie Leitsätze, Texthandbücher und Musterbescheide, wurden den Beschäftigten zur Verfügung gestellt. Sie standen bei ihrer Tätigkeit unter Aufsicht erfahrener Mitarbeiter. 2. Wenn die Frage 1 mit ja beantwortet wurde, warum ist man dann dazu zurückgekehrt , Entscheider wieder zwölf Wochen lang zu qualifizieren, wenn doch ein Drittel der Ausbildungszeit ausreichend ist, um rechtsstaatliche Asylverfahren sicherzustellen? Die verkürzte Ausbildung bedingt sich, wie in die Antwort zu Frage 1 dargelegt, durch das begrenzte Einsatzfeld der o. g. Beschäftigten. Seit 2017 wurden Anhörer und Entscheider zunehmend wieder für eine größere Breite von Herkunftsländern eingesetzt und das Schulungsformat daher entsprechend erweitert. Außerdem werden seither wieder alle neu eingestellten Entscheiderinnen und Entscheider in der vollständigen, zwölf Wochen dauernden, Schulungsmaßnahme ausgebildet, um das gesamte Aufgabenspektrum der Entscheidertätigkeit vermitteln zu können. 3. Welche zuvor gewonnenen Erkenntnisse zur Optimierung und Standardisierung von Prozessabläufen im Asylverfahren finden seit 1. Januar 2018 praktische Anwendung im BAMF? Prozessabläufe im Asylverfahren werden stetig weiterentwickelt und fortlaufend standardisiert. Die aus den Herausforderungen der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse fanden ihren Niederschlag in den in der Antwort zu Frage 5 dargestellten Anpassungen der Qualitätssicherung. Schwerpunktmäßig sind für 2018 die Prüfung von noch ungeprüften Personaldokumenten , die nachgehende erkennungsdienstliche Behandlung von Antragstellenden , die Erweiterung des Qualitätssicherungssystems im Asylverfahren, Optimierungen im Prozessbereich, die erweiterte Nutzung der IDM-Systeme (insb. Sprachbiometrie, Namenstransliteration und -analyse, Auslesen von mobilen Datenträgern ) sowie die Prozessoptimierung im Bereich der Widerrufsprüfungen zu nennen. Sowohl in der Pilotierung der AnkER-Einrichtungen, als auch in der Verfahrensoptimierung von Prozessabläufen vor Antragstellung wird das Ineinandergreifen von Abläufen zwischen BAMF und weiteren beteiligten Behörden ausgebaut und standardisiert. 4. Werden im Asylverfahren im BAMF nach wie vor Anhörungen und Entscheidungen teilweise getrennt voneinander von verschiedenen Mitarbeitern durchgeführt, und wenn nicht, warum ist man zum ursprünglichen Verfahren zurückgekehrt? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 32 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/6786 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7212 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Welche neuen Maßnahmen zur Qualitätssicherung wurden seit dem 1. Januar 2018 im BAMF eingeführt, und zu welchen ursprünglichen Regelungen von vor 2016 ist man in diesem Zusammenhang zurückgekehrt? Als Ergänzung zu dem bereits im Jahr 2017 implementierten Qualitätspaket wurde zur Bündelung aller Aufgaben der Qualitätssicherung eine neue Gruppe „Qualitätssicherung, Informationszentrum Asyl und Migration (IZAM)“ in der Organisationsstruktur des BAMF eingerichtet. 6. Wie erklärt die Bundesregierung, dass im ersten Halbjahr 2018 trotz der Prozessoptimierung und trotz vergleichbarer Personalausstattung nur etwa ein Fünftel der Asylentscheidungen wie durchschnittlich in einem Halbjahr der Jahre 2016 und 2017 getroffen wurde, wo doch letztere zu einem Teil durch erst kurz zuvor eingestellte und vergleichsweise eingeschränkt qualifizierte Entscheider des Projekts EI getroffen wurden? In den Jahren 2016 und 2017 hat das BAMF alle verfügbaren Personalressourcen auf die Bearbeitung von Asylanträgen konzentriert. Ein Teil der 2016 und 2017 befristet im BAMF beschäftigten Entscheiderinnen und Entscheider ist 2018 nicht mehr im BAMF tätig gewesen. Seit 2018 wird mehr Personal in der Qualitätssicherung eingesetzt (vgl. u. a. Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 18 ff. auf Bundestagsdrucksache 19/1371(neu)). Außerdem bildet die Bearbeitung der Widerrufsverfahren einen entsprechenden weiteren Schwerpunkt der Arbeit (vgl. BT-Innenausschuss 09/2018) und auch die Ausweitung des Prozessbereiches bindet personelle Ressourcen im Bereich der Entscheiderinnen und Entscheider . Gleichzeitig hat das Volumen der Antragstellungen und damit das Volumen der zu bearbeitenden Verfahren in 2018 im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgenommen. Zudem sind Verfahrenskonstellationen und Verfahrensschritte in 2018 vielschichtiger geworden: Wurden in 2016 und 2017 überwiegend einfache Fallkonstellationen und Verfahren mit mehreren Personen bearbeitet, sind es in 2018 vermehrt Zweit- und Folgeanträge sowie komplizierte Fallkonstellationen die Anfragen z. B. bei internationalen Behörden erforderlich machen. 7. Zu welchen Erkenntnissen gelangte das Forschungszentrum des BAMF in Bezug auf die signifikanten Unterschiede in der Entscheidungspraxis unterschiedlicher Organisationseinheiten des BAMF, und welche Schlüsse wurden daraus gezogen? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 6 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 19/4961 verwiesen. 8. Steht die Versetzung der Präsidentin des BAMF, Jutta Cordt, und ihrer beiden Stellvertreter im ersten Halbjahr 2018 im Zusammenhang mit den Geschehnissen der Jahre 2016 und 2017 und der daraus resultierenden Qualität der Asylentscheidungen dieser Jahre? Die Versetzung der ehemaligen BAMF-Leitung stand nicht im Zusammenhang mit den Geschehnissen der Jahre 2016 und 2017. Das BAMF sollte neu ausgerichtet werden. Für diesen Neuanfang und um das öffentliche Vertrauen in die Asylpolitik bzw. das BAMF zu stärken, war ein größtmöglicher organisatorischer Handlungsspielraum erforderlich. Dazu war es notwendig, eine neue Leitung zu etablieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7212 9. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Beratung des BAMF durch die Firma McKinsey & Company weiter fortzusetzen? Rahmenvertragsabrufe für Leistungen der McKinsey & Company, Inc. finden seit dem 30. September 2018 nicht mehr statt. Der Rahmenvertrag mit der McKinsey & Company, Inc. hat eine Laufzeit bis Ende 2020. Derzeit sind aber keine Leistungsabrufe beabsichtigt. 10. Sieht die Bundesregierung den Bedarf, alle Asylentscheidungen der Jahre 2016 und 2017, die nicht von einem Entscheider getroffen wurden, der bereits 2015 als solcher für das BAMF tätig war, erneut zu überprüfen, etwa um das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat zu fördern? Die erneute Überprüfung aller Entscheidungen der Jahre 2016 und 2017 ist nicht erforderlich. Soweit es sich bei den vom BAMF getroffenen Entscheidungen um Ablehnungen handelte, stand den betroffenen Antragstellern der Klageweg zur Überprüfung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit offen. Soweit es sich um Schutzgewährungen handelte, findet eine Überprüfung der Entscheidungen im Rahmen der laufenden Widerrufs- und Rücknahmeprüfungen gemäß § 73 des Asylgesetzes (AsylG) statt. 11. Liegt nach Ansicht der Bundesregierung die politische Verantwortung für etwaige Missstände im BAMF in den Jahren 2016 und 2017 nur beim Bundesministerium des Innern (BMI) oder auch beim Bundeskanzleramt, das das BMI möglicherweise durch Maßnahmen der Flüchtlingskoordination bei der Fachaufsicht über das BAMF übersteuerte? Die Fachaufsicht über das BAMF lag und liegt beim Bundesministerium des Innern , für Bau und Heimat. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. 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