Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 18. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7231 19. Wahlperiode 22.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Carina Konrad, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6832 – Pflanzenschutz im Zuckerrübenanbau V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der ständige EU-Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel stimmte am 27. April 2018 mehrheitlich für ein Freilandverbot der drei Neonicotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat in Folge dessen die Zulassungen von 15 Pflanzenschutzmitteln mit diesen drei neonicotinoiden Wirkstoffen zurückgezogen (www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/06_ Fachmeldungen/2018/2018_08_22_Fa_Widerruf_Neonikotinoide.html). Unter anderem sind von diesem Verbot auch neun Beizmittel zur Behandlung von Zuckerrüben - und Futterrübensaatgut betroffen und nicht mehr für die Aussaat 2019 zugelassen. Im Rübenanbau boten diese Pflanzenschutzmittel bislang einen wirksamen Schutz gegen saugende und beißende Auflaufschädlinge und Vektoren wie beispielsweise dem Drahtwurm und Moosknopfkäfer oder Blattläuse . Laut Risikobewertung der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA kann bei der Bewertung von Neonicotinoiden in Bezug auf ein mögliches Risiko für die Bienengesundheit auf drei wesentliche Expositionspfade eingegangen werden. Hierbei steht die Exposition durch Pollen und Nektar, die Exposition durch Stäube und die Exposition durch Guttation, eine tropfenförmige Abgabe von Wasser über die Blätter, im Fokus der Bewertung (www.efsa.europa.eu/ de/press/news/130116). Die bisher geltende Zulassung von neonicotinoiden Wirkstoffen in der Saatgutbeizung der Zuckerrübe wurde damit begründet, dass diese Kultur nicht als attraktive Nahrungsquelle für Bienen gesehen werden kann, da die Pflanzen bereits im ersten Vegetationsjahr, der vegetativen Phase, geerntet werden und nicht blühen. Die Exposition durch Guttation ist bei Zuckerrüben für die Einflüsse auf Bienen von geringer Bedeutung, da diese hier nur selten auftritt und Bienen bevorzugt Wasser an anderen Stellen aufnehmen (www.ifz-goettingen.de/images/JB_IfZ_2016_17_red.pdf). Rübensaatgut ist aufgrund der Produktionstechnik „Pillieren“ als besonders staubarm anerkannt. Darüber hinaus ist die Staubbildung beim Aussaatvorgang gering, weil die Aussaat der Rüben großenteils mittels mechanischer Aussaatgeräte erfolgt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7231 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Als Alternative zur Saatgutbeizung steht eine flächendeckende Applikation von Pflanzenschutzmitteln zur Verfügung, welche allerdings aus ökonomischer sowie ökologischer Sicht erhebliche Nachteile mit sich bringt. Zudem gelten aufkommende Resistenzen besonders bei pyrethroidhaltigen Pflanzenschutzmitteln als wesentliches Problem bei der Bekämpfung von Schädlingen. 1. Angesichts dessen, dass die Bundesregierung durch das Verbot der angesprochenen neonicotinoiden Wirkstoffe einen Rückgang des Anbauumfangs von Zuckerrüben nicht ausschließen kann (Bundestagsdrucksache 19/3198), welche Kulturen werden laut Einschätzung der Bundesregierung anstelle von Zuckerrüben vermehrt angebaut? Die Anbauwürdigkeit einer Kultur ergibt sich zum einen aus der relativen wirtschaftlichen Vorzüglichkeit der jeweiligen Kulturen und zum anderen aus den betriebsspezifischen Bedingungen. Welche Kulturen auf Einzelbetriebsebene möglicherweise anstelle von Zuckerrüben angebaut werden, kann daher seitens der Bundesregierung nicht eingeschätzt werden. Die systematische Fruchtfolge voraussetzend fällt der Zuckerrübe zum Beispiel in Getreide-betonten Fruchtfolgen die Rolle der tragenden Blattfrucht zu. Als Ersatzfrüchte für die Zuckerrübe könnten andere Blattfrüchte wie Winterraps, Mais, Kartoffel und großkörnige Leguminosen bevorzugt in Frage kommen. 2. Welche Folgekulturen werden nach Informationen der Bundesregierung nach der Zuckerrübe größtenteils angebaut, und wie wird der Vorfruchtwert der Zuckerrübe allgemein beurteilt? Nach der Zuckerrübe wird vielfach Winterweizen angebaut. Der Vorfruchtwert der Zuckerrübe wird im Allgemeinen von der Landwirtschaft als hoch beurteilt. Durch den Zuckerrübenanbau erfahren die Wintergetreide-betonten Fruchtfolgen eine Auflockerung, so dass die Gefahr des Auftretens von Schadorganismen im nachfolgenden Getreide gemindert werden kann. Zuckerrüben hinterlassen bei bodenschonender Rodung in der Regel einen garen, unkrautarmen Boden. 3. Falls die Bundesregierung davon ausgeht, dass andere Kulturen anstelle der Zuckerrübe angebaut werden, wie ist diese Tatsache im Hinblick auf die Bodenfruchtbarkeit innerhalb der betrieblichen Fruchtfolgen zu beurteilen? Wenn Fruchtfolge-systematische Grundsätze bei der Auswahl von Alternativkulturen beachtet werden, gehen die Experten des Julius Kühn-Instituts davon aus, dass die Bodenfruchtbarkeit innerhalb der einzelbetrieblichen Fruchtfolgen nicht beeinträchtigt wird. 4. Welche Informationen liegen der Bundesregierung zur Höhe von Rückständen der neonicotinoiden Wirkstoffe in Folgekulturen der Zuckerrübe vor, und welche Gefährdung von Insekten ist dadurch zu erwarten? Den Bewertungsbehörden liegen umfangreiche Studien zu Rückständen in Nektar , Pollen und Böden in für Bienen attraktiven Folgekulturen vor, die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ausgewertet wurden. Diese Studien wurden entweder auf Standorten mit mehrjährig ununterbrochener Applikation neonikotinoidhaltiger Pflanzenschutzmittel oder mehrjähriger Beizanwendungen und einem daraus resultierenden Wirkstoffplateau oder auf Böden, bei denen künstlich ein Wirkstoffplateau generiert wurde, das einer mehrjährigen Nutzung entspricht, durchgeführt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7231 Die höchsten Rückstandsmengen in Pollen und Nektar der Folgekulturen, die in den Versuchen gemessen wurden, die der EFSA berichtet wurden (Stand: 2015), liegen für Clothianidin bei 1,5 µg/kg in Pollen bzw. 0,6 µg/kg in Nektar, für Imidacloprid bei 2,5 µg/kg in Pollen bzw. 3,5 µg/kg in Nektar und für Thiamethoxam bei 3 – 39 µg/kg in Pollen und 2,2 – 7,7 µg/kg in Nektar. Die EFSA stellte in ihren Schlussfolgerungen 2018 Risiken für insbesondere Wildbienen durch Nachfolgekulturen beim Zuckerrübenanbau fest. 5. Welche Risikominderungsmaßnahmen im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung von Bestäubern könnten getroffen werden, um eine mögliche Gefährdung auszuschließen? Die Frage wird von der Bundesregierung dahingehend verstanden, dass sie sich auf Risikominderungsmaßnahmen in Folgekulturen nach Zuckerrübenanbau bezieht . Es müssten Risikominderungsmaßnahmen z. B. als Anwendungsbestimmungen erlassen werden, die sicherstellen, dass ausschließlich für Bestäuber unattraktive Folgekulturen angebaut werden, die auch nicht zur Wasserversorgung staatenbildender Insekten dienen, um eine Exposition der Bestäuber auszuschließen . Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen müssten in einem Zulassungsverfahren belegt werden. 6. Wie beurteilt die Bunderegierung ein Zusammentreffen von Bestäubern und den als Alternative zu Neonicotinoid-Beizen ganzflächig ausgebrachten Wirkstoffen zur Schädlingsbekämpfung in Zuckerrübenkulturen? Eine umfassende Erhebung der in den einzelnen Kulturen angewendeten Pflanzenschutzmittelmengen erfolgt in Deutschland nicht. Es besteht ausschließlich eine Meldepflicht der Abgabemengen nach § 64 des Pflanzenschutzgesetzes. Insofern ist eine abschließende Antwort zu den Auswirkungen alternativer Pflanzenschutzmittelwirkstoffe auf Bestäuber nicht möglich. 7. Welche Handlungsoptionen werde seitens der Bundesregierung gesehen, einen möglichen ökonomischen Schaden, der für die Anbauer durch das Verbot dieser neonicotinoiden Wirkstoffe auftreten könnte, in angemessener Weise zu kompensieren? Da seitens der Bundesregierung mögliche ökonomische Schäden für den Zuckerrübenanbau durch den Wegfall der neonikotinoiden Wirkstoffe nicht abgeschätzt werden können, plant die Bundesregierung zurzeit auch keine entsprechenden Kompensationsmaßnahmen. 8. Ist der Bundesregierung bekannt, dass weitere EU-Mitgliedstaaten Notfallzulassungen (gemäß Artikel 53, EU 1107/2009) für bestimmte neonicotinoide Wirkstoffe erteilt haben? Wenn ja, bitte die Zulassungen nach Wirkstoff und angebauter Kultur im jeweilen EU-Mitgliedstaat auflisten. Der Bundesregierung ist bekannt, dass folgende Mitgliedstaaten Notfallzulassungen für neonikotinoide Wirkstoffe erteilt haben: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7231 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Mitgliedstaat Wirkstoff Kultur Anwendung Österreich Clothianidin, Thiamethoxam, Imidacloprid Zuckerrübe Saatgutbeizung Slowakei Thiamethoxam Zuckerrübe Saatgutbeizung Tschechien Bisher keine näheren Angaben Ungarn Clothianidin Mais, Sonnenblume Saatgutbeizung Thiamethoxam Zuckerrübe Bodenbehandlung Rumänien Clothianidin Raps Saatgutbehandlung Thiamethoxam Zuckerrübe, diverse andere Kulturen Saatgutbehandlung, Sprühapplikationen Imidacloprid Raps, Mais, Sonnenblume Saatgutbehandlung Polen Clothianidin Raps Saatgutbehandlung Thiamethoxam, Imidacloprid Zuckerrübe Saatgutbehandlung Belgien Clothianidin, Thiamethoxam Zuckerrübe, Futterrübe Saatgutbeizung Kroatien Bisher keine näheren Angaben Finnland Clothianidin, Thiamethoxam, Imidacloprid Zuckerrübe Saatgutbeizung 9. Hat die Bundesregierung Kenntnis über aktuelle, dem BVL vorliegende Anträge über Notfallzulassungen von neonicotinoiden Wirkstoffen? Aktuell liegen dem zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit elf Anträge auf Notfallzulassung nach Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 für Pflanzenschutzmittel mit neonikotinoiden Wirkstoffen für das Jahr 2019 vor. Fünf Anträge betreffen die Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid zur Saatgutbehandlung von Zuckerrüben- und Futterrübensaatgut . Sechs Anträge auf Notfallzulassung betreffen Pflanzenschutzmittel mit dem EUweit genehmigten Wirkstoff Acetamiprid zur Spritzanwendung gegen verschiedene Schädlinge in den Kulturen Zuckerrübe und Futterrübe. 10. In welchem zeitlichen Rahmen werden diese Sonderzulassungen nach Einschätzung der Bundesregierung bei einer positiven Bewertung erteilt, um die Anbauplanungen der Landwirte zu berücksichtigen? Der zeitliche Rahmen für Notfallzulassungen wird durch die gesetzlichen Vorgaben bestimmt: Nach Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 können Notfallzulassungen nur für einen Zeitraum von 120 Tagen erteilt werden. Bei einer positiven Bewertung eines Antrages auf Notfallzulassung orientiert sich der tatsächliche Zulassungsbeginn am geltend gemachten Bedarf, solange keine fachlichen Gründe dagegen sprechen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7231 11. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über mögliche alternative Wirkstoffe zu pyrethroidhaltigen Pflanzenschutzmitteln, bei deren Anwendung bereits Resistenzen bei Bekämpfung von Blattläusen aufgetreten sind, vor? Derzeit sind für eine Spritzanwendung gegen Blattläuse in der Zuckerrübe zwei pyrethroide Wirkstoffe (Beta-Cyfluthrin, Lambda-Cyhalothrin) und das Carbamat Pirimicarb zugelassen, wobei nur Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Beta- Cyfluthrin und Pirimicarb explizit zur Bekämpfung der Blattläuse als Virusvektoren zugelassen sind. Die Zulassungen des Beta-Cyfluthrin-haltigen Produkts endet nach derzeitigem Kenntnisstand am 30. Juni 2019, die des Pirimicarb-haltigen Produkts am 30. April 2019. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333