Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 18. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7257 19. Wahlperiode 22.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Michel Brandt, Gökay Akbulut, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/6731 – Hohe Todesraten bei Flüchtenden auf dem Mittelmeer V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die aktuelle Fluchtsituation auf dem Mittelmeer fordert nach wie vor viele Menschenleben . Nach Ansicht der Fragestellenden hat insbesondere die Behinderung und Kriminalisierung ziviler Seenotrettungskräfte auf dem Mittelmeer durch EU-Mitgliedstaaten zur Folge, dass im September dieses Jahres nach Angaben des Instituto per gli Studi di Politica Internazionale (ISIP) fast jeder fünfte fliehende Mensch, der auf der zentralen Mittelmeerroute von Libyen aus floh, zu Tode kam (https://docs.google.com/spreadsheets/d/1ncHxOHIx4ptt4YFXg Gi9TIbwd53HaR3oFbrfBm67ak4/edit?usp=sharing). Bis zum 30. November kamen im Jahr 2018 nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration bereits 2 123 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer ums Leben (www.iom.int/news/mediterranean-migrant-arrivals-reach-107216-2018-deathsreach -2123). Die bisherige Weigerung der EU, ein wirksames staatlich-finanziertes, ziviles Seenotrettungsprogramm auf dem Mittelmeer sicherzustellen, die Festsetzung von zivilen Rettungsschiffen, insbesondere durch Italien und Malta, die Kriminalisierung ziviler Seenotretterinnen und Seenotretter sowie die Weigerung der anderen EU-Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschlands, Geflüchtete, die in den Mittelmeeranrainerstaaten der EU an Land kommen, zügig aufzunehmen, sind aus Sicht der Fragestellenden Ursachen für die zahlreichen Toten auf dem Mittelmeer. Menschen in Seenot haben das Recht, davor geschützt zu werden, von einer lebensgefährlichen Situation in die nächste zu geraten. Dieses Recht, das Internationale Flüchtlingsrecht sowie die internationalen Menschenrechte werden jedoch vor allem durch die Verantwortungsübertragung für die Seenotrettung der EU-Mitgliedstaaten einschließlich Deutschlands an die sogenannte libysche Küstenwache und die fehlende Koordinierung durch zuständige Rettungsleitstellen unterwandert. Die menschenrechtlich äußerst fragwürdige Situation flüchtender Menschen in libyschen Folter- und Gefangenenlagern, in die Menschen auf der Flucht nach Europa im Falle einer Seenotrettung durch libysche Einheiten zurückgebracht werden, ist ebenfalls zahlreich dokumentiert („UN sprechen von ‚Horror‘ in libyschen Gefängnissen“, www.zeit.de vom 10. April 2018). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7257 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Einfahrt in einen sicheren europäischen Hafen bleibt vielen Rettungsschiffen aufgrund des fehlenden politischen Willens der Mittelmeeranrainerstaaten der EU, Rettungsschiffe einfahren zu lassen, verwehrt. Sie werden jedoch auch von den anderen EU-Staaten kaum unterstützt. In Deutschland gibt es derzeit kaum Aufnahmekontingente. Diese könnten nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes für zivile Seenotrettungsschiffe geschaffen werden, wenn diese Rettungsschiffe einen sicheren Hafen benötigen und es zu langen Verhandlungen bezüglich der etwaigen Aufnahme von Geflüchteten kommt. 1. Durch welche Maßnahmen wirkte die Bundesregierung in diesem Jahr durch eigene Aktivitäten und durch Initiativen auf EU-Ebene dem Massensterben auf dem Mittelmeer entgegen, und wie viele Menschen wurden dadurch gerettet ? Die Bundesregierung hat sich im EU-Kreis und in zahlreichen bilateralen Kontakten unter anderem für eine Verbesserung der Koordinierung der Anrainerstaaten eingesetzt, damit nach Seenotrettungseinsätzen rasch ein sicherer Ort für die Ausschiffung zur Verfügung steht. Ferner hat sie sich intensiv an den Diskussionen über die Einrichtung eines temporären Ad-hoc-Mechanismus für die Ausschiffung und Verteilung von aus Seenot geretteten Menschen beteiligt und treibt diese im Licht der aktuellen Vorgänge weiter voran. Sie hat sich in mehreren Fällen freiwillig zur Übernahme der Zuständigkeit zur Durchführung von Asylverfahren bereit erklärt. Ferner hat sie sich im Jahr 2018 durchgehend mit seegehenden Einheiten an EUNAVFOR MED Operation SOPHIA beteiligt. Seit Beginn der Operation im Juni 2015 sind etwa 45 000 Menschen durch Einheiten der Operation aus Seenot gerettet worden, davon etwa 17 000 von deutschen Einheiten. Darüber hinaus unterstützt die Bundesregierung im EU-Rahmen den Fähigkeitsaufbau der libyschen Küstenwache, damit diese zukünftig ihrer Verantwortung für Seenotrettungen im libyschen Such- und Rettungsbereich (SAR-Zone) eigenverantwortlich nachkommen kann. Libyen ist nach dem Internationalen Übereinkommen von 1979 über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR-Konvention) verpflichtet, Seenotrettungsleitstellen einzurichten und zu betreiben. 2. Wie viele Einsätze der EU-Mittelmeer-Mission EUNAVFOR MED hat es zur Rettung von Menschen in Seenot in den Jahren 2017 und 2018 nach Kenntnis der Bundesregierung gegeben, und wie viele Menschen konnten dabei gerettet werden? Nach der Bundesregierung vorliegenden Berichten der EUNAVFOR MED Operation SOPHIA waren im Berichtszeitraum 1. November 2016 bis 30. November 2017 seegehende Einheiten der EUNAVFOR MED Operation SOPHIA an 83 Seenotrettungseinsätzen beteiligt, dabei wurden insgesamt 12 830 Menschen aus Seenot gerettet. Im Berichtszeitraum 1. Dezember 2017 bis 30. November 2018 waren seegehende Einheiten der EUNAVFOR MED Operation SOPHIA an 25 Seenotrettungseinsätzen beteiligt, dabei wurden insgesamt 2 769 Menschen aus Seenot gerettet. Diese wurden in italienischen Häfen an die dortigen Behörden übergeben. Im Monat Dezember 2018 waren seegehende Einheiten der EUNAVFOR MED Operation SOPHIA nicht an Seenotrettungseinsätzen beteiligt . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7257 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass seit Jahresanfang 2018 monatlich etwa 180 Menschen durch EUNAVFOR MED Einsatzschiffe , unter ihnen seit September 2018 die deutsche Fregatte „Augsburg“, gerettet worden seien, und wohin wurden diese Menschen gebracht (vgl. Artikel „Keine Verlängerung für „Sophia““, FAZ, 22. November 2018)? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 4. Wie viele Einsätze der NATO-Mission SEA GUARDIAN hat es zur Rettung von Menschen in Seenot in den Jahren 2017 und 2018 nach Kenntnis der Bundesregierung gegeben, und wie viele Menschen wurden dabei gerettet? Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1982 (SRÜ), dem Internationalen Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See aus dem Jahr 1979 (SAR-Konvention) und dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See aus dem Jahr 1974 (SOLAS-Konvention) sind Kapitäne verpflichtet, Personen in Seenot Hilfe zu leisten. Im Rahmen der NATO Operation SEA GUARDIAN ist es bisher nicht zu Fällen gekommen, in denen entsprechende Seenotrettungseinsätze erforderlich wurden. 5. Wie viele Schlepperinnen und Schlepper und Schleuserinnen und Schleuser wurden durch die EU-Mission EUNAVFOR MED und die NATO-Mission SEA GUARDIAN festgenommen, und wie viele davon wurden bisher durch die zuständigen Gerichte verurteilt? Im Rahmen der EUNAVFOR MED Operation SOPHIA wurden insgesamt 151 der Schleuserei Verdächtige an die zuständigen italienischen Behörden übergeben . Darüber hinausgehende Informationen, auch zum Abschluss etwaiger Gerichtsverfahren , liegen der Bundesregierung nicht vor. Darüber hinaus wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 7 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/2860 verwiesen. 6. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, um das Ertrinken von Menschen im Mittelmeer in den kommenden Jahren wirksam zu verhindern sowie den hohen Hürden für eine menschenrechtskonforme und schnelle Rettung aller Betroffenen entgegenzuwirken, und welche Mittel sind dafür im Bundeshaushalt 2019 vorgesehen? Die Bundesregierung hält an ihrer aus geltendem Völkerrecht abgeleiteten Auffassung fest, wonach die Organisation der Seenotrettung im Mittelmeer den zuständigen Anrainerstaaten obliegt. Sie wird sich gleichwohl unverändert mit Nachdruck für eine Lösung zur Ausschiffung im EU-Kreis einsetzen. Ferner wird sie weiterhin die EU-Anstrengungen zum Fähigkeitsaufbau der libyschen Küstenwache unterstützen, da eine professionelle und effiziente Seenotrettung im libyschen Such- und Rettungsbereich die wirksamste Maßnahme gegen dortige Todesfälle auf See darstellt. Dabei wird die Bundesregierung weiterhin auf die Einhaltung menschenrechtlicher Standards durch Libyen drängen. Da die Koordinierung der Seenotrettung im Mittelmeer die Aufgabe der Mittelmeer-Anrainer ist, sind keine Haushaltsmittel für diese Aufgabe im Bundeshaushalt 2019 vorgesehen . Zudem engagiert sich die Bundesregierung bei der Schleuserbekämpfung. Hierzu wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 9 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/6235 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7257 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Bundesregierung arbeitet außerdem darauf hin, Ursachen von Flucht und irregulärer Migration zu reduzieren und kooperiert dazu eng mit Herkunfts-, Erstaufnahme - und Transitländern. 7. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Bereitschaft Maltas, zivile Rettungsschiffe einfahren zu lassen, sofern neben anderen Mitgliedstaaten auch Deutschland Geflüchtete aufzunehmen bereit ist, und welche Gespräche und Verhandlungen hat die Bundesregierung bisher diesbezüglich auf EU-Ebene und mit Malta geführt? Malta hat sich mehrfach bereit erklärt, die Ausschiffung von Personen von zivilen Seenotrettungsschiffen zuzulassen, nachdem eine Lösung für die Verteilung der auszuschiffenden Personen gefunden wurde. Im Hinblick darauf wurden intensive Gespräche der Bundesregierung mit anderen Mitgliedstaaten sowie durch die EU-Kommission geführt. Deutschland hat sich mehrfach freiwillig zur Übernahme der Zuständigkeit zur Durchführung von Asylverfahren für einen Teil dieses Personenkreises bereit erklärt. 8. Wie unterstützt die Bundesregierung die EU-Anrainerstaaten dabei sicherzustellen , dass auf dem Mittelmeer gerettete Menschen schnellstmöglich in einem sicheren europäischen Hafen an Land gehen können, angesichts der Verpflichtungen der EU-Staaten durch Menschen-, Völker- und Seerechtsabkommen , Menschen in Seenot zu retten und diese in sichere Häfen zu bringen (vgl. Artikel des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen)? Die Bundesregierung drängt in bilateralen Gesprächen und im EU-Kreis auf eine Abstimmung unter den Anrainerstaaten, um Ausschiffungen in transparenter und vorhersehbarer Weise zu koordinieren. Lösungen in Einzelfällen konnten gefunden werden, nachdem sich die Bundesregierung gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten zur freiwilligen Übernahme der Zuständigkeit zur Durchführung von Asylverfahren für einen Teil der geretteten Personen bereit erklärt hatte. 9. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung dazu vor, dass Handelsschiffe sowie Schiffe der EU-Mission EUNAVFOR MED und der NATO- Mission SEA GUARDIAN Gebiete, in denen Seenotfälle mit Geflüchteten gehäuft auftreten, gezielt weiträumig umfahren, um eine seerechtliche Rettungspflicht zu vermeiden? Die jeweilige Schiffsführung eines Handelsschiffes wählt ihre Routen eigenverantwortlich . Die seegehenden Einheiten der maritimen Operationen der EU und der NATO werden durch die jeweilige Einsatzführung im operativen Hauptquartier (OHQ) in Rom bzw. dem NATO Maritime Command (MARCOM) in Northwood zur Umsetzung ihrer entsprechenden Aufträge eingesetzt. Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen sich Handelsschiffe oder staatliche Schiffe ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Seenotrettung entzogen haben. 10. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, dass Handelsschiffe sowie Schiffe der EU-Mission EUNAVFOR MED und der NATO- Mission SEA GUARDIAN ihrer seerechtlichen Rettungspflicht in diesem Jahr nicht nachkommen? Auf die Antwort zu Frage 9 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7257 11. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung zu den Vorkommnissen um das kommerzielle US-Kriegsschiff „Trenton“ vor, das laut Zeugenberichten und Dokumentationen ziviler Seenotretterinnen und Seenotretter am 12. Juni 2018 einen Seenotfall bewusst ignoriert haben soll? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 12. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um der unterlassenen Hilfeleistung von Handelsschiffen und weiterer auf dem Mittelmeer operierender Schiffe, die in der Seenotrettungspflicht stehen, entgegenzuwirken , auch angesichts der Hafenschließungen Italiens und Maltas? Der Bundesregierung liegen keine Kenntnisse über die Verletzung der Verpflichtung zur Hilfeleistung nach dem VN Seerechtsübereinkommen (SRÜ), dem Internationalen Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR- Übereinkommen) oder weiterer völkerrechtlicher Regelungen im Hinblick auf die Seenotrettung durch Handelsschiffe oder andere Schiffe vor. 13. Wie unterstützt die Bundesregierung die Eignerinnen und Eigner von Handelsschiffen , die ihrer seerechtlichen Rettungspflicht nachkommen, aber keinen sichereren Hafen der Mittelmeeranrainerstaaten der EU anlaufen dürfen und dadurch möglicherweise selbst in Seenot geraten? Der Bundesregierung sind keine Fälle bekannt, in denen Handelsschiffe aufgrund einer Seenotrettungsaktion selbst in Seenot geraten wären. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1, 6 bis 8 verwiesen. 14. Wie unterstützt die Bundesregierung einzelne Bundesländer, Städte und Kommunen dabei, bindende humanitäre Aufnahmekontingente für Situationen , in denen zivile Seenotrettungsschiffe einen sicheren Hafen benötigen und es zu langen Verhandlungen bezüglich der etwaigen Aufnahme von Geflüchteten kommt, nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes zu realisieren? Die Bundesregierung begrüßt die Bereitschaft einzelner Kommunen zur Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angewiesen, aufgrund der Bereitschaft zahlreicher Kommunen mehrerer Bundesländer bei Bedarf und in Absprache mit den jeweiligen Bundesländern auf die aufnahmebereiten Kommunen zuzugehen. Von dieser Möglichkeit hat das BAMF bereits Gebrauch gemacht. Rechtsgrundlage für die Übernahme der Zuständigkeit für aus Seenot gerettete Asylsuchende im Jahr 2018 war Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013. 15. Warum mussten die geretteten Menschen des zivilen Rettungsschiffs „Lifeline“ der Nichtregierungsorganisation (NGO) „Mission Lifeline“, für die auch Deutschland Aufnahmen zugesagt hatte, monatelang auf Malta ausharren , und wann wurden diese Menschen nach Deutschland gebracht (bitte nach Ankunftsort und jeweiliger Anzahl der aufgenommenen Personen aufschlüsseln )? Die Bundesregierung hatte sich nicht an der Übernahme der Zuständigkeit für aus Seenot gerettete Menschen des Schiffes „Lifeline“ beteiligt, da andere Mitgliedstaaten der EU ihre Bereitschaft erklärt hatten, diese Zuständigkeit zu übernehmen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7257 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Mit welchen Maßnahmen und Mitteln unterstützt die Bundesregierung die zivilen Seenotrettungskräfte, die derzeit die einzige wirksame Rettungsstruktur auf dem Mittelmeer darstellen, um das grausame Ertrinken Flüchtender zu verhindern? Auf die Antworten zu den Fragen 1, 6 bis 8 wird verwiesen. 17. Wie stellt die Bundesregierung die völkerrechtliche Pflicht zur Zuweisung eines sicheren Hafens in den Mittelmeeranrainerstaaten der EU für Schiffe, die Geflüchtete aus Seenot gerettet haben, sicher? Soweit mit der Zuständigkeit des jeweiligen Flaggenstaates vereinbar, hat sich die Bundesregierung dafür eingesetzt, dass das Einlaufen in den Hafen eines Drittstaates, das Auslaufen im Fall einer Festsetzung und die Prozessbeobachtung für zivile Seenotrettungskräfte ermöglicht wird. 18. Wie bewertet die Bundesregierung die Effektivität und Einsatzfähigkeit der Rettungsleitstelle in Rom in den Jahren 2017 und 2018 bezüglich einer schnellstmöglichen Koordination von Rettungskräften und einer schnellstmöglichen Rettung von in Seenot geratenen Menschen? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist die italienische Rettungsleitstelle in Notfällen in ihrem Einsatzbereich in der Lage, eine Rettung effektiv und schnell einzuleiten . Sie hat 2017 die Rettung von insgesamt 114 286 Personen im Mittelmeer koordiniert. Im Jahr 2018 wurden bis Ende November insgesamt 19 573 Personen unter ihrer Koordinierung gerettet. 19. Wie bewertet die Bundesregierung die Effektivität und Einsatzfähigkeit der sogenannten Rettungsleitstelle in Libyen in den Jahren 2017 und 2018 bezüglich einer schnellstmöglichen Koordination von Rettungskräften und einer schnellstmöglichen Rettung von in Seenot geratenen Menschen sowie der Einhaltung von Konventionen und Vereinbarungen angesichts zahlreicher Dokumente über mangelnde Professionalität und Kontrolle der sogenannten libyschen Küstenwache? 20. Wie belegt die Bundesregierung die Handlungs- und Einsatzfähigkeit der sogenannten Rettungsleitstelle in Libyen in den Jahren 2017 und 2018, und welche Informationen hat sie dazu herangezogen und ausgewertet? Die Fragen 19 und 20 werden gemeinsam beantwortet. Libyen hat der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) gemäß Ziffer 2.1.3 der Anlage zum SAR-Übereinkommen Koordinaten für einen eigenen Such- und Rettungsbereich (SAR-Zone) notifiziert und eine nationale Such- und Rettungsleitstelle für Rettungsfälle zur See und in der Luft („Joint Rescue Coordination Center“/JRCC) eingerichtet. Das JRCC ist für die Koordinierung von Such- und Rettungsaktionen innerhalb der libyschen SAR-Zone verantwortlich. Nach Kenntnis der Bundesregierung kommt das JRCC dieser Verantwortung grundsätzlich nach. So hat die libysche Küstenwache nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2017 etwa 21 500 und im Jahr 2018 etwa 15 000 Flüchtlinge und Migranten aus Seenot gerettet. Nach Kenntnis der Bundesregierung befindet sich die libysche Seenotrettungsleitstelle MRCC („Maritime Rescue Coordination Center“) weiterhin im Aufbau. Die Einrichtung des MRCC soll bis 2020 abgeschlossen sein. Auf die Antwort Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7257 der Bundesregierung zu Frage 11 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3047 wird verwiesen. Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. 21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine Funkstille zwischen den zuständigen Rettungsleitstellen in Seenotrettungssituationen, und welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um dies zu vermeiden ? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von einer generellen Funkstille zwischen Seenotrettungsleitstellen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen . 22. Wie bewertet die Bundesregierung die derzeitige menschenrechtliche Lage von Geflüchteten in Auffang- und Gefangenenlagern in Libyen, welche Menschenrechtsverletzungen sind ihr dazu bekannt, und wie viele Menschen werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Lagern in Libyen festgehalten ? Nach Kenntnis der Bundesregierung werden mit Stand Ende November 2018 knapp 5 000 Flüchtlinge und Migranten von libyschen Behörden unter teilweise menschenunwürdigen Zuständen in sogenannten staatlichen „Detention Centers“ festgehalten. Eine unbekannte, Schätzungen zufolge höhere Zahl an Flüchtlingen und Migranten wird von Milizen und Kriminellen in inoffiziellen, privaten „Detention Centers“ unter teilweise menschenunwürdigen Zuständen willkürlich festgehalten und dazu häufig auch wirtschaftlich ausgebeutet. Nach einem Bericht über die Menschenrechtslage von Migranten und Flüchtlingen in Libyen der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) vom Dezember 2018 sind Flüchtlinge und Migranten in Libyen grundsätzlich dem Risiko von willkürlicher Haft, Folter, sexueller Gewalt, Zwangsarbeit und Tötung ausgesetzt (vgl. https://unsmil.unmissions.org/sites/default/files/libya-migrationreport -18dec2018.pdf). 23. Wie bewertet die Bundesregierung die Pushback-Aktivitäten durch die sogenannte libysche Küstenwache in den Jahren 2017 und 2018 und das Zurückzwingen der aufgegriffenen geflüchteten Menschen in libysche Auffang - und Gefangenenlager angesichts der analysierten und dokumentierten menschenrechtlichen Lage in diesen Lagern? Zur Seenotrettung durch die libysche Küstenwache wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 22 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/13153 sowie auf die Antwort zu Frage 20 verwiesen. Die Bundesregierung setzt sich regelmäßig und hochrangig gegenüber der libyschen Regierung sowie der libyschen Küstenwache für die Einhaltung internationaler humanitärer und Menschenrechtsstandards in den sogenannten „Detention Centers “ und bei der Seenotrettung ein. Die Bundesregierung unterstützt zudem das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) unter anderem bei der Evakuierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Drittländer sowie die Internationale Organisation für Migration (IOM) unter anderem bei der Ermöglichung der freiwilligen Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7257 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 24. Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über in den letzten zehn Jahren von der griechischen und/oder italienischen Küstenwache durchgeführte so genannte Pushbacks vor, und an wie vielen dieser Aktionen waren in welchem Maß nach Kenntnis der Bundesregierung Frontex-Mitarbeiterinnen und Frontex-Mitarbeiter beteiligt (bitte nach Jahren aufschlüsseln und jeweils angeben, wer genau jeweils nach Kenntnis der Bundesregierung beteiligt war)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 25. Wie bewertet die Bundesregierung die Übertragung der Verantwortung für Seenotrettung an die sogenannte libysche Küstenwache angesichts des momentanen „Failed-State“-Status des Landes, und inwiefern ist diese Verantwortungsübertragung eine Unterwanderung des internationalen Flüchtlingsrechts ? In Übereinstimmung mit den Verpflichtungen unter dem SAR-Übereinkommen von 1979 und dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See hat Libyen ein eigenes Such- und Rettungsgebiet gegenüber der zuständigen Internationalen Organisation für Seeschifffahrt notifiziert und nimmt in diesem Gebiet Such- und Rettungsaufgaben wahr. 26. Wie kann die Bundesregierung bei der Kooperation mit der sogenannten libyschen Küstenwache sicherstellen, dass den geretteten Flüchtenden ihre internationalen Menschenrechte jederzeit gewährt werden? Eine bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und der libyschen Küstenwache besteht nicht. Die Ausbildungsunterstützung durch EUNAVFOR MED Operation SOPHIA zielt darauf ab, die libysche Küstenwache so zu befähigen , dass sie nach professionellen Standards und unter Achtung menschen- und völkerrechtlicher Verpflichtungen ihren Aufgaben nachkommt. Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/1345 wird verwiesen . Im politischen Dialog mit der libyschen Regierung und in Treffen mit Vertretern der libyschen Küstenwache fordert die Bundesregierung regelmäßig die Einhaltung internationaler humanitärer und Menschenrechtsstandards ein. 27. Welche Fehlverhalten und Straftaten der sogenannten libyschen Küstenwache in den Jahren 2017 und 2018 sind der Bundesregierung bekannt, welche Informationen hat sie dazu herangezogen und ausgewertet, und wie geht die Bundesregierung gegen solche Straftaten vor? Auf die Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/4133, auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Ulrich Lechte auf Bundestagsdrucksache 19/3762 und zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/1345 wird verwiesen. Ferner wird auf die Antwort zu Frage 26 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/7257 28. Was hat die Bundesregierung bisher unternommen und was wird diese zukünftig unternehmen, um zivile Seenotretterinnen und Seenotretter deutscher Staatsangehörigkeit bzw. deutscher NGOs und in Deutschland lebende Seenotretterinnen und Seenotretter gegen deren Kriminalisierung sowie bei Anklage gegen einzelne Crew-Mitglieder und gesamte Besatzungen zu unterstützen bzw. diese davor zu schützen? Deutschen Staatsangehörigen wird auch künftig konsularischer Rat und Beistand gewährt. 29. Wie sorgt die Bundesregierung dafür, dass die zivilen Seenotretterinnen und Seenotretter in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit Anerkennung bekommen, anstatt kriminalisiert zu werden? Die Bundesregierung hat mehrfach öffentlich betont, dass zivile Organisationen einen wichtigen Beitrag zur Seenotrettung leisten. 30. Setzt sich die Bundesregierung für die Identifizierung der Toten und Vermissten im Mittelmeer ein, und wenn ja, inwieweit unterstützt sie auch die betroffenen Familien? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333