Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 24. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7380 19. Wahlperiode 28.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Dr. Bettina Hoffmann, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/6956 – Umweltverschmutzung durch Zigarettenkippen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Rauchen schadet nicht nur der Gesundheit, sondern belastet auch die Umwelt. Vom Anbau über die Herstellung von Tabakprodukten bis hin zum Verbrauch und der Entsorgung der Produkte entstehen schädliche Folgen für die Umwelt. Insbesondere die Überreste von Zigaretten stellen eine hohe ökologische Belastung dar. Nach einer Studie der Weltgesundheitsorganisation (Tobacco and its environmental impact, WHO 2017) machen Zigarettenstummel weltweit den größten Anteil der Abfälle aus, die in Städten und an Stränden aufgesammelt werden. Sogar im Meereis der Arktis wurden bereits Chemikalien und Kleinstpartikel aus Zigarettenfiltern gefunden (www.tagesschau.de/inland/ giftige-zigarettenstummel-101.html). Nicht nur die Menge, auch die Zusammensetzung ist schädlich. Die Zelluloseazetatfilter enthalten krebserzeugende Substanzen wie Nikotin, Arsen und polyzyklische Kohlenwasserstoffe, die in den Boden und in Gewässer gelangen (Rauchen schadet – vom Anbau bis zur Zigarettenkippe, dkfz, 2017). Es kann Jahrzehnte dauern bis die Filter zerfallen. In Frankreich werden bereits unterschiedliche Möglichkeiten diskutiert und umgesetzt , um den Zigarettenabfall zu minimieren (Zigarettenmüll in Frankreich – Kampf gegen die Kippe, SPIEGEL ONLINE, 2. Mai 2018). Dazu zählen Säuberungsaktionen , Sensibilisierungskampagnen oder ein Umweltzuschlag für die Tabakindustrie. Letztes entspricht dem Verursacherprinzip, wonach die Hersteller von Produkten, die die Umwelt und die Gesundheit schädigen, in die Pflicht genommen werden. Deutschland hinkt nicht nur bei diesen Maßnahmen hinterher , sondern ist auch das einzige Land in der EU, das Tabakaußenwerbung noch zulässt und damit den Tabakkonsum und die daraus folgenden Gesundheits- und Umweltschäden befördert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7380 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragesteller, dass die Entsorgung der Überreste von Zigaretten außerhalb dafür vorgesehener Sammelgefäße, etwa durch achtloses Wegwerfen von Zigarettenkippen in der freien Natur oder im öffentlichen Straßenraum, eine ökologische Belastung darstellt, der die Gesellschaft entgegentreten muss. Mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) wurde der notwendige rechtliche Rahmen für die Abfallentsorgung geschaffen, dem auch die ordnungsgemäße Entsorgung von Zigarettenkippen unterfällt. Es handelt sich beim einfachen Wegwerfen von Zigarettenkippen um eine Abfallentsorgung außerhalb dafür zugelassener Anlagen. Dies stellt eine illegale Abfallentsorgung dar, bei der es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt, die im Rahmen der kommunalen Zuständigkeit für die Abfallwirtschaft bereits heute mit Bußgeldern belegt ist und die von den zuständigen Behörden zunehmend auch geahndet wird. Im Rahmen der routinemäßigen Straßenreinigung werden Zigarettenkippen regelmäßig entfernt, um weitergehende mögliche Folgeschädigungen von Menschen und Umwelt auszuschließen. Im Rahmen von kommunalen Aktionswochen oder anderen Reinigungskampagnen von Wäldern, Parks oder von öffentlichen Räumen werden regelmäßig auch Zigarettenkippen eingesammelt. Zu nennen ist hier insbesondere die europaweite Kampagne „Let’s Clean Up Europe“, die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit unterstützt und gefördert wird. Die Verringerung des Tabakkonsums und ein möglichst umfassender Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens sind zudem vordringliche gesundheitspolitische Ziele, die von der Bundesregierung mit aufeinander abgestimmten präventiven, gesetzlichen und strukturellen Maßnahmen verfolgt werden. Zur Erreichung der umwelt- und gesundheitspolitischen Ziele hat die Bundesregierung eine Vielzahl von gesetzlichen Regelungen mit dem Ziel erlassen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens nachdrücklich vor Augen zu führen und insgesamt auf eine Einschränkung bzw. auf einen Verzicht des Tabakkonsums der Bevölkerung hinzuwirken. Die Bundesregierung wird sich auch künftig dafür einsetzen, durch bewusstseinsbildende Maßnahmen eine weitere spürbare Verbesserung des Umweltschutzes im privaten Bereich zu bewirken . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7380 Entsorgung von Zigaretten 1. Wie hoch ist, nach Kenntnis der Bundesregierung, der Anteil der Zigaretten, die nach dem Konsum unsachgemäß entsorgt werden? Zum Anteil der Zigaretten, die nach dem Konsum unsachgemäß entsorgt werden, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Allerdings hat der Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU) von 2008 bis 2016 eine Langzeitstudie (Information 93 – Wahrnehmung von Sauberkeit und Ursachen von Littering) durchgeführt, in der unter anderem die Wahrnehmung der Bevölkerung hinsichtlich der am häufigsten unsachgemäß weggeworfenen Abfälle analysiert wurde. Hiernach sind Zigarettenkippen und Take-away-Verpackungen die beiden am häufigsten unsachgemäß entsorgten Gegenstände. 2. Welche Folgekosten entstehen nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich durch die nicht sachgerechte Entsorgung von Zigarettenkippen, und wer trägt diese Kosten (bitte aufschlüsseln)? Für die Sammlung und Entsorgung von nicht ordnungsgemäß entsorgten Zigarettenkippen im öffentlichen Raum sind nach § 20 KrWG die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zuständig. Die Kosten werden letztlich über die Abfallgebühren auf die Allgemeinheit umgelegt. Zu der Höhe der Folgekosten der nicht sachgerechten Entsorgung von Zigarettenkippen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Eine Bezifferung der Kosten speziell der Entsorgung von Zigarettenkippen dürfte aber schwierig sein, da Zigarettenkippen in aller Regel im Rahmen der Straßenreinigung mit anderen Abfällen gemeinsam erfasst werden. 3. Woraus bestehen, nach Kenntnis der Bundesregierung, Zigarettenkippen, und welche umweltschädlichen Stoffe enthalten sie? Zigarettenkippen bestehen aus den nach dem Gebrauch der Zigarette noch verbleibenden Resten des Tabaks, die aber kaum Umweltprobleme hervorrufen, und den gebrauchten Filtern. Diese wiederum bestehen aus dem Kunststoff Celluloseacetat . In den Zigarettenfiltern sammelt sich bestimmungsgemäß ein Großteil der im Tabakrauch enthaltenen Schadstoffe, vor allem Nikotin. Dieses ist im Gefahrstoffrecht GHS (Global Harmonisiertes System) unter anderem als giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung (H411) eingestuft. Daneben können in gebrauchten Zigarettenfiltern noch Arsen, Blei, Chrom, Kupfer, Cadmium, Formaldehyd , Benzol, Nitrosamine und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten sein. 4. Wie lange braucht der natürliche Abbau einer Zigarettenkippe nach Kenntnis der Bundesregierung? Zur Abbauzeit von Zigarettenkippen gibt es divergierende Angaben, wobei eine wissenschaftlich belegte Grundlage fehlt. Die Verrottungszeit ist abhängig von den Umweltbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit und pH-Wert. Hiernach könnte unter optimalen Bedingungen eine Zigarettenkippe nach zwei bis drei Jahren vollständig abgebaut sein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7380 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Umwelt 5. Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat, nach Kenntnis der Bundesregierung , die Verunreinigung von Böden und Wasser durch Zigarettenkippen auf Menschen und Tiere? Die in der Antwort zu Frage 3 genannten Schadstoffe können bei einer nicht ordnungsgemäßen Entsorgung der Zigarettenkippe durch den Regen in Böden und Grund- und Oberflächenwasser ausgewaschen werden und dort lebende Organismen schädigen. Es kann zudem nicht ausgeschlossen werden, dass sie über diesen Pfad auch in die Nahrungskette gelangen. Weitere Erkenntnisse hierzu liegen der Bundesregierung nicht vor. 6. Besteht nach Kenntnis der Bundesregierung die Gefahr, dass Giftstoffe aus Zigarettenkippen in die Nahrungskette gelangen und schließlich über die Nahrung von Menschen aufgenommen werden? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 7. Wie viele Nikotinvergiftungen bei Kindern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten Jahren festgestellt (bitte nach Jahren aufschlüsseln ), und wie viele dieser Vergiftungen sind auf unsachgemäße Entsorgung von Zigarettenkippen zurückzuführen? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erhält gemäß § 16e des Chemikaliengesetzes (ChemG) von Ärztinnen und Ärzten Meldungen zu Vergiftungen. Diese Meldungen erfolgen allerdings nicht vollständig, so dass die beim BfR registrierten Fallzahlen nicht unbedingt das reale Vergiftungsgeschehen widerspiegeln . Im Zeitraum von 1990 bis 2017 wurden dem BfR 128 Fälle mit Nikotinvergiftungen bei Kindern (0 – 13 Jahre) mitgeteilt. Bei allen Vergiftungen handelt es sich – soweit bekannt – um orale Vergiftungen. Unter den 128 Fällen befinden sich 118 Fälle mit Zigaretten(kippen), drei Fälle mit Liquids für E-Zigaretten, zwei Fälle mit Tabak, zwei Fälle mit Shisha-Tabak, zwei Fälle mit nikotinhaltigen Kaugummis und ein Fall mit einer Tabakpflanze. Informationen darüber, ob in den genannten Fällen die Zigarettenkippen unsachgemäß entsorgt wurden, werden in der Vergiftungs-Datenbank des BfR nicht erfasst. Die 128 erfassten Fälle gliedern sich nach Jahren wie folgt: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7380 1990 2 2003 2 1991 7 2004 2 1992 2 2005 3 1993 11 2007 1 1994 4 2008 2 1995 6 2010 4 1996 3 2011 1 1997 15 2012 5 1998 7 2013 7 1999 10 2014 2 2000 12 2015 4 2001 10 2016 2 2002 3 2017 1 Darüber hinaus registrieren die deutschlandweit acht Giftinformationszentren Verdachtsfälle von Humanexpositionen mit Tabak bzw. Tabakerzeugnissen. Eine bundesweit einheitliche Statistik über diese Daten gibt es bislang aber nicht. Derzeit wird von der Bundesregierung die Einrichtung eines nationalen Vergiftungsregisters geprüft, welches unter anderem die genannten Daten vorhalten soll. 8. Wie wird die Trinkwasserqualität nach Kenntnis der Bundesregierung durch unsachgemäß entsorgte Zigarettenkippen beeinträchtigt, und welche Gefährdung geht für maritime Ökosysteme aus? Eine mögliche Auswaschung von Schadstoffen aus Zigaretten in das Trinkwasser scheint aus toxikologischer Sicht aufgrund von Verdünnungseffekten nicht relevant . Zudem wird das Trinkwasser gemäß der Trinkwasserverordnung regelmäßig auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) untersucht. Beeinträchtigungen der Trinkwasseraufbereitung in Wasserwerken durch unsachgemäß entsorgte Zigarettenkippen sind der Bundesregierung nicht bekannt. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Meeresökosysteme haben Untersuchungen von WICKE et al. (2017)1 gezeigt, dass Nikotin über auf Straßen und Fußwege geworfene Zigarettenfilter in den Regenabfluss gelangt. Dabei wurde festgestellt , dass 50 Prozent des in Zigarettenfiltern enthaltenen Nikotins bereits in weniger als 30 Minuten herausgelöst werden kann (RODER GREEN et al. 2014)2. In Versuchen mit Seeringelwürmern (Hediste diversicolor) wurden von WRIGHT et al. (2015)3 die Auswirkungen von Schadstoffen aus benutzen Zigarettenfiltern untersucht. Bei deutlich geringeren Konzentrationen, als sie aus städtischen Oberflächenabflüssen bekannt sind, zeigten Seeringelwürmer bereits signifikant längere Eingrabungszeiten, Gewichtsverluste von mehr als 30 Prozent 1 Daniel Wicke, Andreas Matzinger, Hauke Sonnenberg, Nicolas Caradot, Rabea-Luisa Schubert, Pascale Rouault, Bernd Heinzmann, Uwe Dünnbier und Dörthe von Seggern (2017). Spurenstoffe im Regenwasserabfluss Berlins. Korrespondenz Abwasser, Abfall, Nr. 5 2 Amy L. Roder Green, Anke Putschek, Thomas Nehls (2014). Littered cigarette butts as a source of nicotine in urban waste waters. Journal of Hydrology 519 (2014) 3566-3474 3 Stephanie L. Wright, Darren Rowe, Malcolm J. Reid, Kevin V. Thomas, Tamara S. Galloway (2015). Bioaccumulation and biological effects of cigarette litter in marine worms. Scientific reports, 5::14119, DOI:10.1038/srep14119 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7380 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode und mehr als eine Verdopplung von DNA-Schäden. Weitere Studien wiesen Effekte von Zigarettenfiltern auch auf Schnecken (BOOTH et al. 2015)4 und Fische (LEE & LEE 2015)5 nach. Zudem stellen Zigarettenkippen – wie alle kleinen Fremdstoffpartikel – eine Bedrohung für Meereslebewesen dar. Diese können kleine im Wasser befindliche Partikel jeder Art mit Nahrung verwechseln, was zur Verstopfung im Verdauungsapparat mit möglicher Todesfolge oder zum Verhungern mit gefülltem Magen führen kann. 9. Zu welchem Anteil besteht der Müll an Küsten und Stränden, der nicht sachgerecht entsorgt wurde, nach Kenntnis der Bundesregierung aus Zigarettenkippen ? Die Europäische Kommission hat Anfang 2018 im Rahmen ihrer EU-Kunststoffstrategie (COM(2018) 28 final) ein Ranking der Gegenstände bzw. Objekte zum einmaligen Gebrauch (single use) veröffentlicht, die zum Meeresmüll beitragen . Innerhalb der Obergruppe „Kunststoffe“ stellen Zigarettenkippen mit 19 Prozent der gezählten Gegenstände die größte Abfallfraktion dar. Im Spülsaummonitoring an der deutschen Ostseeküste machen Zigarettenfilter im Durchschnitt rund 9 Prozent der Funde aus und liegen damit auf Platz 2 der sog. Top Litter Items. An Stränden der deutschen Nordsee hingegen befinden sie sich nicht unter den Top 20 der Funde. 10. Zu welchem Anteil besteht der Müll in Städten, der nicht sachgerecht entsorgt wurde, nach Kenntnis der Bundesregierung aus Zigarettenkippen, und welche regionalen Unterschiede sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung liegen keine belastbaren Zahlen zum Anteil von Zigarettenkippen am Gesamtaufkommen der nicht sachgerecht entsorgten Abfälle vor. Einzig die in Frage 1 genannte Langzeitstudie des VKU weist für 2016 den Anteil des Litterings von Zigarettenkippen mit ca. 35 Prozent am Gesamtlittering aus. Das Umweltbundesamt untersucht derzeit in einer breit angelegten Studie „Status quo, Handlungspotentiale, Instrumente und Maßnahmen zur Reduzierung des Litterings “ – FKZ 3717 34 338 0) unter anderem auch die Arten der gelitterten Abfälle in Deutschland. 11. In wie vielen Fällen hat das Wegwerfen von glimmenden Zigarettenkippen nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland in den letzten zehn Jahren zu Waldbränden geführt, und um welche Fälle handelt es sich? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 4 David J. Booth, Paul Gribben, Kerryn Parkinson (2015). Impact of cigarette butt leachate on tidepool snails. Marine Pollution Bulletin 95, 362-364 5 Wenjau Lee & Chih Chun Lee (2015). Developmental toxicity of cigarette butts – An underdeveloped issue. Ecotoxicology and Environmental Safety113(2015)362–368 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7380 Umweltfolgen der Zigarettenproduktion 12. Wie viel Wasser wird nach Kenntnis der Bundesregierung zur Produktion einer Schachtel Zigaretten benötigt, und wie viele Hektar Wald werden nach Kenntnis der Bundesregierung für den Anbau und die Trocknung von Tabak jährlich gerodet? Der Wasserverbrauch für die Produktion einer Schachtel Zigaretten teilt sich in den Wasserverbrauch für den Anbau des Tabaks und für die industrielle Produktion der Zigarette. Nach einer 2011 veröffentlichten Studie (M. M. Mekonnen, A. Y. Hoekstra: The green, blue and grey water footprint of crops and derived crop products, in: Hydrology and Earth System Sciences, 5, S. 1577 ff.) beträgt der Gesamtwasserverbrauch pro Tonne Rohtabak im globalen Durchschnitt 2 925 m3. Umgerechnet auf eine Schachtel mit 20 Zigaretten und einem Tabakanteil von ca. 10 bis 16 g liegt der Wasserverbrauch im landwirtschaftlichen Anbau damit zwischen 30 und 47 Litern pro Packung. Hinzu kommt der Wasserverbrauch im Rahmen des industriellen Fertigungsprozesses. Dieser liegt bei 0,05 bis 0,1 Liter pro Packung (Umrechnung aufgrund der Angaben der Weltgesundheitsorganisation in: Tobacco and its environmental impact: an overview, 2017, S. 17/Table 2; Anmerkung: Die Beschriftung der dritten Spalte der Tabelle ist fehlerhaft. Anstatt „cubic meters“ müsste es korrekterweise „liters“ heißen). Zur Frage der Waldrodung durch Tabakanbau gibt es zwar keine offizielle Statistik , aber laut einer Studie der Europäischen Kommission (The impact of EU consumption on deforestation: Comprehensive analysis of the impact of EU consumption on deforestation – final report) von 2013 kann die globale Entwaldung durch Tabakanbau auf unter 1 Prozent zurückgeführt werden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die Anbaugebiete von Tabak in den letzten zehn Jahren geografisch verschoben haben, so dass die Aktualität der Studie nicht mehr gewährleistet ist. 13. Welche Pestizide werden nach Kenntnis der Bundesregierung beim Anbau von Tabak üblicherweise verwendet, und welche davon sind für Menschen schädlich? Nach dem einschlägigen EU-Recht werden unter dem Begriff „Pestizide“ sowohl Pflanzenschutzmittel als auch Biozide gefasst. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Fragesteller mit Pestiziden Pflanzenschutzmittel meinen. Die aktuell in Deutschland an Tabakpflanzen zugelassenen Pflanzenschutzmittel können in der Datenbank des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) recherchiert werden (www.bvl.bund.de > Pflanzenschutzmittel). Gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 dürfen Pflanzenschutzmittel nur zugelassen werden, wenn von ihnen bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung keine schädlichen Wirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgehen. 14. Wie viel chemischer Abfall, der in Deutschland meldepflichtig wäre, entsteht nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich bei der Produktion von Zigaretten ? Zur Masse des gefährlichen und damit nachweispflichtigen Abfalls aus der Zigarettenproduktion liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die Abfälle aus der Verarbeitung von Tabak werden im Abfallverzeichnis (Anlage zur Abfallverzeichnisverordnung ) in der Gruppe 02 03 erfasst. Diese Gruppe enthält keinen Eintrag eines als gefährlich eingestuften Abfalls. Es ist deshalb davon aus- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7380 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode zugehen, dass bei der Tabakverarbeitung gefährliche Abfälle nur eine untergeordnete Rolle spielen. Das gilt auch für die Herstellung der Zigarettenfilter, dessen Grundstoff Cellulose ist. Maßnahmen zur Reduktion von Zigarettenkippen in der Umwelt 15. Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf zur Reduktion des Mülls durch Zigarettenkippen? a) Wenn ja, wie sollte nach Ansicht der Bundesregierung die Menge des Mülls von Zigarettenkippen reduziert werden? b) Wenn nein, wieso nicht? Die Frage wird im Zusammenhang beantwortet. Die Vermeidung von Abfall hat entsprechend der durch § 6 KrWG geregelten Abfallhierarchie oberste Priorität. Allerdings entstehen Zigarettenkippen zwangsläufig beim Konsum von Zigaretten. Die Vermeidung bzw. Reduzierung der Menge von Zigarettenkippen ließe sich daher nur durch einen Verzicht auf den Zigarettenkonsum oder eine Verringerung der Zigarettenkippen-Menge, z. B. Verkürzung der Filter oder längeres Abbrennen der Zigarette, erreichen. Die Möglichkeiten des Abfallrechts dies zu erzwingen sind gering. Ein gänzliches Verbot des Zigarettenkonsums allein mit dem Ziel der Reduzierung der schädlichen Umweltauswirkungen durch unsachgemäß weggeworfene Zigarettenkippen erscheint unverhältnismäßig, denn die beschriebenen Umweltprobleme bestehen nur dann, wenn die Zigarettenkippen nicht ordnungsgemäß entsorgt werden. Die Maßnahmen müssen daher vielmehr bei der ordnungsgemäßen Entsorgung der Zigarettenkippen ansetzen (siehe dazu die Antwort zu Frage 18). 16. Befürwortet die Bundesregierung die von der EU-Kommission geplanten Reduktionsziele für Tabakwarenfilter mit Kunststoffanteil in ihrem Vorschlag zur „Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt“ (COM/2018/340 final – 2018/0172 (COD))? Deutschland begrüßt die Ziele der Richtlinie und hat deren Entwicklung auf europäischer Ebene aktiv begleitet. a) Wenn nein, wieso nicht? Die Antwort erübrigt sich mit den oben genannten Ausführungen. b) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorschlag der EU-Kommission, Hersteller von Zigarettenfiltern zur Deckung der Kosten für die Abfallbewirtschaftung und die Säuberung der Umwelt sowie für Sensibilisierungsmaßnahmen zu verpflichten? Der Richtlinienvorschlag sieht vor, die Hersteller bestimmter Einwegartikel aus Kunststoff an den Reinigungskosten der Umwelt sowie an den Kosten von Sensibilisierungsmaßnahmen zu beteiligen. Dabei können die Mitgliedstaaten die Hersteller auch verpflichten, die Kosten für das Aufstellen geeigneter Sammelbehälter (Aschenbecher) im öffentlichen Raum zu tragen. Die Bundesregierung wird unmittelbar nach Verabschiedung der Richtlinie prüfen, welche Maßnahmen auf nationaler Ebene zur Umsetzung dieser EU-rechtlichen Vorgaben ergriffen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/7380 c) Sind der Bundesregierung Planungen bekannt, die EU-Warnhinweise auf Zigarettenpackungen um Informationen zu den ökologischen Folgen von weggeworfenen Zigarettenkippen zu ergänzen, und wie positioniert sich die Bundesregierung zu diesen Vorschlägen? Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass Tabakprodukte mit kunststoffhaltigen Filtern sowie kunststoffhaltige Filter, die zur Verwendung in Kombination mit Tabakprodukten vermarktet werden bzw. deren Verpackungen mit Informationen unter anderem zum korrekten Entsorgungsweg und zu den negativen Umweltwirkungen einer nicht ordnungsgemäßen Entsorgung gekennzeichnet werden müssen . Die Europäische Kommission wird verpflichtet, spätestens 12 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie einen Durchführungsrechtsakt zu erlassen, welcher eine EU-weit einheitliche Kennzeichnung festlegt. 17. Befürwortet die Bundesregierung die Einführung einer Umweltabgabe für Zigarettenhersteller, wie sie beispielsweise in Frankreich geplant ist? Wenn nicht, wieso nicht? Die Bundesregierung wird nach Verabschiedung der in Frage 16 genannten Richtlinie prüfen, welche Maßnahmen zur Umsetzung der EU-rechtlichen Vorgaben auf nationaler Ebene ergriffen werden. Hierzu zählt auch die Ausgestaltung der erweiterten Herstellerverantwortung gemäß Artikel 8 der genannten Richtlinie mit Blick auf die Hersteller von Tabakprodukten mit kunststoffhaltigen Filtern sowie von kunststoffhaltigen Filtern, die zur Verwendung in Kombination mit Tabakprodukten vermarktet werden. 18. Ist seitens der Bundesregierung ein Müllkonzept zur Reduzierung der Umweltfolgen von Zigarettenkippen geplant? Wenn nein, wieso nicht? Für eine ordnungsgemäße und schadlose Entsorgung von Zigarettenkippen stehen aus abfallwirtschaftlicher Sicht technische Lösungen zur Verfügung. Zigarettenkippen werden gemeinsam mit anderen gemischten Siedlungsabfällen in dafür zugelassenen Restabfallbehandlungsanlagen beseitigt oder in Müllverbrennungsanlagen energetisch verwertet. Weitere negative Umweltfolgen entstehen diesbezüglich nicht. Problematisch sind vielmehr die Umweltfolgen, die durch sogenanntes Littering, also der Vermüllung von Umweltmedien durch das achtlose oder beabsichtigte Wegwerfen von Abfall, entstehen. Dieses Problem lässt sich ausschließlich durch eine bessere Aufklärung, eine Verschärfung von Sanktionen bzw. eine stringentere Durchsetzung der einschlägigen Verbote erreichen. Gefordert sind hier vor allem die zuständigen Landesbehörden sowie die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger . Durch welche weiteren Maßnahmen im Einzelnen das Littering – auch von Zigarettenkippen – reduziert werden kann, wird derzeit in dem in der Antwort zu Frage 10 angesprochenen Forschungsvorhaben des Umweltbundesamtes eingehend untersucht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7380 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 19. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um Raucherinnen und Raucher über die ökologischen Folgen von weggeworfenen Zigarettenkippen aufzuklären? Die Aufklärung über die ordnungsgemäße und schadlose Entsorgung von Abfällen vor Ort ist als Teil der Abfallberatung gemäß § 46 KrWG Aufgabe der öffentlich -rechtlichen Entsorgungsträger. In sehr vielen Kommunen wird bereits Aufklärungsarbeit zum Thema „Wegwerfen von Kippen“ geleistet. Diese reicht von Informationen auf der Internetseite der Stadtreinigung über Hinweise auf den im öffentlichen Raum aufgestellten Abfallbehältnissen bis hin konzentrierten Kontrollaktionen durch die Ordnungsbehörden. 20. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung ein Rauchverbot auf öffentlichen Spielplätzen (Ansicht bitte begründen), und in welchen Bundesländern und Kommunen gibt es solche Rauchverbote nach Kenntnis der Bundesregierung bereits? In Deutschland liegt die Gesetzgebungskompetenz für rauchfreie Spielplätze bei den Ländern und Kommunen. Nach derzeitigem Kenntnisstand legten bisher die Bundesländer Bayern, Brandenburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Saarland im Rahmen der Landesnichtraucherschutzgesetze ein Rauchverbot auf Spielplätzen fest. In Berlin soll ein Rauchverbot auf Spielplätzen im Laufe des Jahres 2019 in Kraft treten. Darüber hinaus gibt es auch in verschiedenen Städten und Gemeinden kommunale Rauchverbote auf Spielplätzen. Eine Übersicht über diese kommunalen Rauchverbote liegt der Bundesregierung nicht vor. 21. Inwieweit befürwortet die Bundesregierung die Einstufung von Zigarettenkippen als Sondermüll (Ansicht bitte begründen)? Der Begriff des Sondermülls wird im Kreislaufwirtschaftsrecht nicht verwendet, vielmehr wird zwischen nicht gefährlichen und gefährlichen Abfällen unterschieden . Derzeit werden Zigarettenkippen dem Abfallschlüssel 20 03 01 (gemischte Siedlungsabfälle) oder dem Abfallschlüssel 20 03 03 (Straßenkehricht) zugeordnet . Beide Abfallarten sind als nicht gefährlich eingestuft. Sachgemäß entsorgte Zigarettenkippen stellen aufgrund der in Deutschland üblichen, in der Regel energetischen Verwertung keine Belastung für Mensch und Umwelt dar. Unsachgemäß entsorgte Zigarettenkippen stellen jedoch aufgrund ihrer Schadstoffbelastung und ihres langsamen Abbaus in der Umwelt potentiell eine Gefahr und Belastung für Mensch und Umwelt dar (siehe auch Antwort zu Frage 18). 22. Inwieweit sollte die Tabakindustrie nach Ansicht der Bundesregierung an den Folgekosten der unsachgemäßen Entsorgung von Zigarettenkippen beteiligt werden, und wie hoch wären diese Kosten? Auf die Antwort zu Frage 16b wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333