Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 28. Januar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7446 19. Wahlperiode 30.01.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/6886 – Modellrechnungen bei NO2-Messungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Dieselfahrverbote gefährden die Mobilität in Deutschland. Durch Urteile zu strecken- und flächenbezogenen Fahrverboten wird vielen Menschen die Möglichkeit genommen, ihr bisheriges Leben ungestört weiterzuführen. Insbesondere Pendler und Stadtbewohner sind davon betroffen, in ihrem beruflichen wie privaten Alltag. Gleichzeitig bedeuten Dieselfahrverbote eine stille Enteignung von Dieselhaltern, die ihre Wagen nur noch für einen Bruchteil des ursprünglichen Marktpreises abgeben können. Auf Drucksache 18/16903 des Abgeordnetenhauses Berlin (Antwort auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Henner Schmidt, FDP) schreibt die Senatsverwaltung : „Für die Beurteilung der Einhaltung des Stickstoffdioxid (NO2)-Grenzwerts, der als Jahresmittelwert definiert ist, ist als Qualitätsziel gemäß Anlage 1 Abschnitt A der 39. Bundes-Immissionsschutzverordnung (39. BImSchV) für die Modellrechnung eine Unsicherheit bis max. 30 Prozent vorgegeben. Dies ist durch Vergleich der Modellergebnisse mit ortsfesten Messungen zu ermitteln.“ In § 13 Absatz 2 der 39. BImschV ist dagegen festgelegt, dass in Gebieten, in denen die relevanten Schadstoffe die obere Beurteilungsschwelle überschreiten, zur Beurteilung der Luftqualität ortsfeste Messungen durchzuführen sind. Diese Regelung ist ausdrücklich gegenüber den Gebieten, in denen die betreffenden Schadstoffe die obere Beurteilungsschwelle unterschreiten , abgegrenzt, in denen zur Beurteilung der Luftqualität auch eine Kombination von ortsfesten Messungen und Modellrechnungen angewandt werden kann (vgl. § 13 Absatz 3). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7446 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Ist es nach Auffassung der Bundesregierung in Gebieten, in denen die NO2- Belastung über der oberen Beurteilungsschwelle liegt, zur Beurteilung der Luftqualität nach der 39. BImschV ausreichend, eine Kombination von ortsfesten Messungen und Modellrechnungen bzw. nur Modellrechnungen mit orientierenden bzw. validierenden Messungen anzuwenden? Wie interpretiert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang § 13 Absatz 2 Satz 2? Der Vollzug des Immissionsschutzrechts liegt in der Zuständigkeit der Länder. Dies umfasst auch die Beurteilung der Luftqualität und die Luftreinhalteplanung. In Gebieten, in denen die NO2-Konzentration oberhalb der oberen Beurteilungsschwelle liegt, sind zur Beurteilung der Luftqualität ortsfeste Messungen durchzuführen . Darüber hinaus können Modellrechnungen durchgeführt werden, um Informationen über die räumliche Verteilung von Luftschadstoffen zu erhalten. 2. Welche Prognoseprogramme für NO2-Konzentrationen nutzen die Bundesländer nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Bundesländern auflisten )? Für die Berechnung der NO2-Konzentrationen kommen unterschiedliche Prognoseprogramme zur Anwendung. Es werden unterschiedliche Modelle für die unterschiedlichen Belastungsregime/Skalen (regionaler Hintergrund, urbaner Hintergrund und Verkehr) verwendet. Nach Kenntnis der Bundesregierung werden in den Ländern u. a. folgende Prognoseprogramme verwendet: Immis-Luft PROKAS MISKAM REM-Calgrid (RCG) EURAD RLUS LASAT Austal Immis-Net. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, bei welchen Gerichtsverfahren zu Fahrverboten in Deutschland die Ergebnisse von Prognoseprogrammen bisher relevant waren? Der Vollzug des Immissionsschutzrechts liegt in der Zuständigkeit der Länder. Aus der Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland bei den Verwaltungsstreitverfahren zu den Luftreinhalteplänen Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden ist der Bundesregierung bekannt, dass in diesen Gerichtsverfahren in den Stellungnahmen des für die Luftreinhalteplanung in Hessen zuständigen Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) die Wirkung von Fahrverboten mit Prognoseprogrammen quantifiziert wurde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7446 4. Wie erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die Verarbeitung der Messergebnisse ortsfester Messstellen in diesen Prognoseprogrammen jeweils? Ortsfeste Messungen werden hauptsächlich für die Validierung der Modelle verwendet . Außerdem findet oftmals eine Kombination von Modellen und Messungen statt, vor allem bei der Modellierung des regionalen und urbanen Hintergrundes . 5. Sind diese Programme und deren Anwendung zur Beurteilung der Luftqualität aus Sicht der Bundesregierung jeweils mit der 39. BImSchV konform? Der Vollzug des Immissionsschutzrechts liegt in der Zuständigkeit der Länder. Dies umfasst auch die Sicherstellung der Konformität der Modelle mit den Vorgaben der 39. BImSchV. 6. Wie häufig werden diese Modellrechnungen nach Kenntnis der Bundesregierung validiert (bitte nach Bundesländern auflisten)? Genaue Informationen diesbezüglich liegen der Bundesregierung nicht vor. In der Praxis sollten jedoch neue Modellrechnungen validiert werden, indem sie mit zur Verfügung stehenden Messungen verglichen werden. 7. Sind diese Programme, deren methodische Grundlagen und die zugrunde liegende Datenbasis sowie deren Anwendung nach Kenntnis der Bundesregierung dokumentiert und in transparenter, gemeinverständlicher Form für die Öffentlichkeit verfügbar? Bei den in Tabelle 1 aufgelisteten Modellen handelt es sich oftmals um kommerzielle Software, die von Gutachterbüros entwickelt, vertrieben und aktualisiert wird. Beispielsweise handelt es sich bei PROKAS (Ingenieurbüro Lohmeyer) und Immis-Luft (IVU Umwelt GmbH) speziell um Modelle, mit denen straßennahe NO2-Konzentrationen berechnet werden können. Kurze Beschreibungen der methodischen Grundlagen, Eingangsdaten und Referenzlisten sind auf den Internetseiten der Anbieter zu finden. Bei dem Modell MISKAM handelt es sich um ein komplexes mikroskaliges Modell, mit dem Detailmodellierungen der Gebäudeumströmung simuliert werden können. Auch für dieses Modell liegen umfangreiche Dokumentationen vor. Die Chemie-Transportmodelle für großräumige Ausbreitungsrechnungen wie RCG und EURAD sind von der Komplexität her am höchsten einzuordnen. Sie benötigen umfangreiche rasterbasierte Eingangsdaten wie Landnutzung, Orographie, Meteorologie und Emissionen. Diese Eingangsdaten sind in der Regel gut dokumentiert. Methodische Grundlagen der Chemie- Transportmodelle sind in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht. 8. Haben zwischenzeitliche neue Messergebnisse, durch ortsfeste Messstellen oder Passivsammler, Auswirkungen auf die Modellrechnungen, die Messergebnisse aus einem bestimmten Basisjahr verwenden? Modellrechnungen nach § 13 der 39. BImSchV werden zur Bestimmung des Ist- Zustands der Luftqualität in einem bestimmten Zeitraum durchgeführt. Messergebnisse , die zu späteren Zeitpunkten erhoben werden, haben daher keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Luftqualität in früheren Zeiträumen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7446 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 9. Haben die Modellergebnisse von Prognoseprogrammen für NO2-Konzentrationen nach Kenntnis der Bundesregierung Auswirkungen auf die offiziellen NO2-Jahresmittelwerte und/oder die gemeldete Luftqualität (bitte nach Kommunen auflisten)? Ergebnisse von Modellrechnungen können nur bei Schadstoffkonzentrationen unterhalb der unteren Beurteilungsschwelle berichtet werden. Dies ist gegenwärtig in Sachsen und NRW für die Schadstoffe CO und PM2,5 der Fall. Modellrechnungen können darüber hinaus einen indirekten Einfluss auf die offiziellen NO2-Konzentrationen und/oder die gemeldete Luftqualität haben, wenn auf Basis der Ergebnisse dieser Rechnungen neue Messstellen beispielsweise an einem neu identifizierten Belastungsschwerpunkt eingerichtet werden. 10. In welchen Straßen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung gerichtlich bzw. durch die zuständigen Behörden angeordnete Einfahrts- oder Durchfahrverbote für Dieselfahrzeuge, an denen sich keine Messstellen befanden (bitte nach betroffenen Kommunen auflisten)? Eine vollständige Liste aller Straßen, für die gerichtlich oder durch die zuständigen Behörden ein Fahrverbot angeordnet wurde, liegt der Bundesregierung derzeit nicht vor. Grundsätzlich ist zwischen gebietsbezogenen und streckenbezogenen Fahrverboten zu unterscheiden. Beispielsweise wurden in Hamburg an zwei Straßen Fahrverbote gerichtlich angeordnet (Stresemannstraße und Max-Brauer-Allee), an denen sich jeweils eine Messstation befindet. Für Stuttgart wurde gerichtlich ein Fahrverbot für das Gebiet der Umweltzone angeordnet. In diesem Gebiet befinden sich Messstationen, allerdings wird nicht an allen Straßenabschnitten innerhalb der Umweltzone die Luftqualität messtechnisch erfasst. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 11. Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage werden nach Auffassung der Bundesregierung Fahrverbote statt durch Messungen allein auf Basis von Modellrechnungen begründet? Der Vollzug des Immissionsschutzrechts liegt in der Zuständigkeit der Länder. Dies umfasst auch die Beurteilung der Luftqualität und die Luftreinhalteplanung. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass Fahrverbote allein auf Basis von Modellrechnungen erlassen wurden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333