Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 8. Februar 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/750 19. Wahlperiode 14.02.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Gerald Ullrich, Stephan Thomae, Johannes Vogel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/552 – Ausgestaltungspotential der EU Blue Card V o r b e m e r k u n g d e r F r a g s t e l l e r Seit einigen Jahren positionieren sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte. Denn laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) gilt es, einen jährlichen Bedarf an 300 000 Fachkräften aus dem Ausland – zusätzlich zu inländischen Potentialen und den aktuellen Wanderungsbewegungen – zu decken (IAB-Kurzbericht 06/2017). Zum Zweck der erleichterten, erwerbsorientierten Einwanderung hochqualifizierter Fachkräfte hat die EU im Jahr 2009 die Richtlinie zur Blue Card beschlossen (Richtlinie 2009/50/EG). Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte in Deutschland 2012 unter Beteiligung der Freien Demokratischen Partei und hat dazu beigetragen, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Blick auf das deutsche Einwanderungsrecht von „einem der liberalsten Systeme aller Industrieländer “ spricht (Interview Liebig – OECD –, Wirtschaftswoche, 2. August 2013). Quantitativ schlagen sich die Auswirkungen jedoch trotz kontinuierlicher Steigerung der Ausstellungszahlen nicht so nieder, wie angesichts des jährlichen Bedarfs notwendig wäre (IAB – Kurzbericht 06/2017). Die Gründe hierfür sind komplex, aber klar ist aus Sicht der Fragesteller: Acht Jahre nach Beschluss der EU-Richtlinie zur Blue Card besteht noch Verbesserungsbedarf. Zugleich gibt es immer noch Ausgestaltungspotential bei der nationalen Umsetzung der EU-Richtlinie zur Blue Card. Abgesehen davon hat auch die EU-Kommission im Juni 2016 umfassende Reformvorschläge zur Blue-Card-Richtlinie gemacht (COM(2016) 378). Auch im Sinne einiger dieser Reformvorschläge könnte die Bundesregierung nach Auffassung der Fragesteller bereits heute Verbesserungen im Rahmen einer konsequenten Nutzung ihres nationalen Ausgestaltungspotentials erzielen. Zudem ist die Anerkennung bzw. Bewertung ausländischer Abschlüsse eine mit der EU Blue Card verknüpfte Herausforderung, die im Falle einer Ausweitung der EU Blue Card auf Ausbildungsberufe an Komplexität gewinnen würde. Im Bereich Anerkennung ist eine Vielzahl von Akteuren involviert (z. B. das Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – BMAS, das Bundesinstitut für Berufsbildung –BIBB, die Kultusministerkonferenz – KMK, Landesbehörden, Kammern etc.), Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/750 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode die verschiedene Initiativen vorantreiben (z. B. Datenbank „Anabin“, öffentlich -rechtlicher Zusammenschluss von Industrie- und Handelskammern zur Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen, Projekt vom BMBF/BIBB „Prototyping Transfer“, Informationsangebote durch www.anerkennung -in-deutschland.de oder das IQ-Netzwerk). Nach wie vor sind die Verfahren zur Anerkennung und Bewertung ausländischer Hochschul- und Ausbildungsabschlüsse jedoch hochkomplex und in vielen Fällen, insbesondere bei nicht verkammerten Berufen, nicht bundesweit einheitlich. Derzeit gibt es verschiedene Verfahrensträger, die das Anerkennungsverfahren unterschiedlich und uneinheitlich handhaben, insbesondere bei bundeslandspezifischen Regelungen . Experten bemängeln, dass es kein einheitliches Verfahren gibt (BIBB Expertenmonitor 2015). 1. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Zahl der EU-Blue- Card-Halter angesichts des bestehenden zusätzlichen Fachkräftebedarfs zu steigern? 2. Wie erklärt sich die Bundesregierung die nur langsam steigenden Nutzerzahlen (BAMF, Bericht „Die Blaue Karte EU in Deutschland“)? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Die Zuwanderung von Hochqualifizierten erfolgt auf Grundlage ihrer konkreten Präferenzen. Nach Erkenntnissen der von den Fragestellern zitierten BAMF-Studie „Die Blaue Karte EU in Deutschland“ aus dem Jahr 2016 (www.bamf.de/ SharedDocs/Anlagen/DE/Publikationen/Forschungsberichte/fb27-blaue-karteeu .pdf?__blob=publicationFile) sind für die Migrationsentscheidung eines Hochqualifizierten eine Vielzahl von Faktoren relevant. Vor allem der konkrete Arbeitsplatz aber auch Spracherfordernisse und allgemeine Lebensbedingungen im Zielstaat, nicht zuletzt für Familienangehörige, sind weitere maßgebliche Faktoren . Das Aufenthaltsrecht kann die Entscheidung für einen bestimmten Zielstaat zwar erleichtern, ist aber hierfür kein alleiniger Grund. 3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Vorstoß der EU-Kommission zur Reform der EU-Richtlinie zur Blue Card? Die Bundesregierung unterstützt grundsätzlich das Ziel, die Zuwanderung von Hochqualifizierten zu fördern und die Sichtbarkeit der EU-Blue Card zu stärken. Sie befürwortet im Sinne eines optimalen und flexiblen Angebots an Hochqualifizierte zugleich die Möglichkeit zur Beibehaltung paralleler nationaler Systeme der Zuwanderung von Hochqualifizierten. 4. Welche grundsätzlichen Hindernisse sieht die Bundesregierung für einen Übergang aus dem Asylsystem in die EU Blue Card (sog. Spurwechsel)? Die geltende EU-Richtlinie schließt die Anwendung der Richtlinie auf Asylantragsteller aus. Die generelle Möglichkeit des Übergangs aus dem Asylsystem, d. h. vor Entscheidung über den Asylantrag, in eine EU Blue Card könnte ein Anreiz für den Versuch sein, das gesteuerte Verfahren zur Erteilung einer EU Blue Card vor der Einreise in das Bundesgebiet durch das Stellen eines Asylantrages zu umgehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/750 5. Sieht die Bundesregierung die Ausweitung der Blue Card auf Nichtakademiker mit Ausbildung und fachlicher Berufserfahrung als eine Möglichkeit zur Steigerung des Beitrags der Blue Card zur Fachkräftesicherung? 6. Teilt die Bundesregierung die Ansicht der Fragesteller, dass auch Nichtakademiker als Hochqualifizierte im Sinne der Definition der Richtlinie zur EU Blue Card angesehen werden sollten? Falls nein, aus welchen Gründen? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Grundsätzlich können auch Personen ohne Hochschulabschluss hochqualifiziert beschäftigt sein. Bereits die aktuelle Fassung der Hochqualifizierten-Richtlinie ermöglicht, anstelle eines höheren beruflichen Bildungsabschlusses eine mindestens fünfjährige einschlägige Berufserfahrung zu berücksichtigen, die mit einem Hochschulabschluss vergleichbar ist. Bisher existieren jedoch keine Kriterien und Verfahren für die Äquivalenz von formalen und durch Berufserfahrung erworbene Qualifikationen. Diese wären aber zur Feststellung der Eigenschaft als hochqualifizierter Beschäftigter erforderlich. Auch aufgrund fehlender Kriterien und Verfahren hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Verordnungsermächtigung gemäß § 19a Absatz 1 Nr. 1 b) i. V. m. Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bisher keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen können Fachkräfte mit einem anerkannten Abschluss in einem Ausbildungsberuf bereits nach nationalen Regelungen zuwandern soweit hierfür ein Bedarf auf dem Arbeitsmarkt besteht. 7. Inwiefern sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, durch eine Differenzierung des Mindestgehalts, beispielsweise nach Branchen, Regionen oder Berufserfahrung, den Beitrag der EU Blue Card zur Fachkräftesicherung zu steigern? 8. Wie weit könnte hier aus Sicht der Bundesregierung das Mindestgehalt in besonderen Fällen maximal gesenkt werden (bitte nach bestehenden Mangelberufen , Branchen, Regionen – insbesondere Ost- und Westdeutschland – und Berufserfahrung aufschlüsseln)? 9. Inwiefern kann nach Kenntnis der Bundesregierung eine regionale Anpassung des Mindestgehalts für die EU Blue Card erfolgen, deren Grundlage bisher die Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung für Westdeutschland ist? 10. Besteht nach Ansicht der Bundesregierung die Möglichkeit anstelle der Beitragsbemessungsgrenze für Westdeutschland einen Durchschnittswert der in West- und Ostdeutschland unterschiedlichen Beitragsbemessungsgrenzen heranzuziehen oder je nach Aufenthaltsregion zu differenzieren? Falls ja, warum erfolgt dies nicht? 11. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche nach § 18c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zeitlich auszuweiten und nach Kriterien wie Alter, Sprachkenntnissen und Arbeitsmarktbedarf zu differenzieren sowie Hürden abzubauen? 12. Kann aus Sicht der Bundesregierung eine Absenkung der finanziellen Hürden bei Aufenthaltstiteln zur Arbeitsplatzsuche für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen und Ausbildungen sowie eine Verknüpfung mit der EU Blue Card zum Verbleib dieser Potentialträger in Deutschland beitragen ? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/750 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die finanziellen Hürden (z. B. Lebensunterhaltssicherung) bei den Aufenthaltstiteln zur Arbeitsplatzsuche für Absolventen deutscher Hochschulen und Ausbildungen nach § 16, Absatz 4 und 5b AufenthG abzubauen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Personenkreise bereits in Deutschland sind, deutsche Abschlüsse besitzen und sich bereits während ihres Studiums bzw. ihrer Ausbildung selbst finanziert haben? 14. Welche sonstigen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, ausländische Absolventen deutscher Hochschulen und ggf. zukünftig Ausbildungen, die hohe Chancen auf eine EU Blue Card haben, in Deutschland zu halten bzw. ihnen einen leichteren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen? Die Fragen 7 bis 14 werden gemeinsam beantwortet. Die Frage der Ausgestaltung des Zuwanderungsrechts für ausgebildete Fachkräfte und Hochqualifizierte ist Gegenstand der aktuellen Diskussion um ein Gesetz für Deutschland zur Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und bleibt daher der künftigen Bundesregierung vorbehalten. Aus heutiger Sicht sollte die Definition der Gehaltsschwellen der Hochqualifizierten-Richtlinie u. a. sicherstellen, dass tatsächlich hochqualifizierte Personen über diese Regelung zuwandern. Zudem würde der gegenwärtig beratene Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Reform der Blauen Karte-Richtlinie aus dem Jahr 2009 erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der von den Fragestellern genannten Faktoren haben. Im Übrigen können Hochschulabsolventen, deren Einkommen unterhalb der Gehaltsschwelle der EU Blue Card liegt, bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen bereits nach nationalen Regelungen zuwandern, wenn das erzielte Entgelt dem Entgelt vergleichbarer inländischer Beschäftigter entspricht. 15. Gibt es eine zentrale Koordination durch die Bundesregierung der vielen an der Weiterentwicklung der Anerkennungsthematik beteiligten Stellen (z. B. BMBF, BMAS, BIBB, KMK, Bundesländer, Kammern etc.), um die immer wieder angestoßene Verbesserung der Anerkennungs- bzw. Bewertungsverfahren ausländischer Abschlüsse insbesondere bei Ausbildungsberufen und bei fehlenden Dokumenten umzusetzen (u. a. BIBB – Experten Monitor 2015)? Falls nein, gibt es dahingehende Überlegungen seitens der Bundesregierung? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nimmt in der Bundesregierung eine umfassende Koordinierungsfunktion für die Umsetzung des Anerkennungsgesetzes (Gesetz zur Feststellung und Verbesserung ausländischer Berufsqualifikationen) wahr. In Zusammenarbeit mit den zuständigen Fachressorts steuert das BMBF den Monitoring-Prozess und begleitet die Umsetzung der Anerkennungsregelungen, die durch Behörden der Länder und Kammern erfolgt. Bereits zum Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes im Jahr 2012 hat das BMBF beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) eine zentrale Fach- und Berichtsstelle zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen eingerichtet mit der Aufgabe, das Monitoring der Umsetzung dieses Gesetzes durchzuführen. Dabei wertet das BIBB die Anerkennungsstatistik aus, führt qualitative Erhebungen und Befragungen zu den Anerkennungsverfahren durch und erstellt regelmäßig Berichte , die wesentliche Entwicklungen und Herausforderungen im Vollzug des Anerkennungsgesetzes des Bundes aufzeigen. Bestandteil des Anerkennungsmonitoring ist die Beratung durch einen Monitoring-Beirat, in dem sich die zentralen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/750 Akteure (Vertreter der Länder, von Kammerorganisationen, Sozialpartnern, der Bundesagentur für Arbeit, der zuständigen Fachressorts der Bundesregierung etc.) zweimal jährlich über die Umsetzung und Weiterentwicklung der Anerkennungsverfahren austauschen. Zur Verbesserung der Verfahren wurde auch eine bundesweite Beratungs- und Begleitstruktur zum Anerkennungsgesetz geschaffen, die durch das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung (IQ)“ vom federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales gemeinsam mit dem BMBF und der Bundesagentur für Arbeit gefördert und gesteuert wird. Für diejenigen Anträge, bei denen die Dokumente fehlen, fördert das BMBF bereits seit 2012 die Projekte Prototyping und Prototyping Transfer, in denen inzwischen sieben Kammern die zuständigen Stellen für Anerkennungsverfahren bei der Durchführung der Qualifikationsanalyse unterstützen. Gleichzeitig ist das BMBF eng eingebunden in die „Arbeitsgruppe der für die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen koordinierend zuständigen Ressorts der Länder (AG Koordinierende Ressorts)“, die durch Beschluss der Amtschefkonferenz der Kultusministerkonferenz zur länderüber-greifenden Koordinierung der Umsetzung der Anerkennungsverfahren eingerichtet wurde. Im Bereich einzelner Fachgesetze (z. B. der Ärzteordnung) erfolgt diese Abstimmung im jeweils fachlich zuständigen Ländergremium (z. B. für Ärzte in der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden AOLG). Das BMBF ist hier ebenfalls eingebunden. Themen in beiden Gremien sind die Abstimmung der Gesetzgebung sowie die Harmonisierung und Bündelung der Anerkennungsverfahren . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333