Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7545 19. Wahlperiode 05.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7197 – Verbesserung von Entschädigungsleistungen für NS-Opfer unter Sinti und Roma V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bei der Praxis der Entschädigung erlittenen NS-Unrechtes gehören Sinti und Roma zu den am stärksten benachteiligten Opfergruppen. Anträge auf Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) wurden in den 1950er und 1960er Jahren häufig abgelehnt, weil den Betroffenen abgesprochen wurde, verfolgt worden zu sein. Beispielhaft hierfür ist ein Urteil des Bundegerichtshofes von 1956, in dem die Verfolgung von Sinti und Roma zumindest für die Zeit bis Anfang 1943 als legitime polizeiliche Maßnahme gerechtfertigt worden war. Der Bundesgerichtshof hat dieses Urteil zwar später revidiert und sich in der jüngsten Vergangenheit ausdrücklich davon distanziert (http://juris. bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art= pm&sid=ffc9edde83d94bdf472676c9302e44ff&nr=70455&pos=1&anz=2), für Entschädigungsanträge war es in der Regel dennoch zu spät. Auch in Ämtern und Behörden stießen Sinti und Roma vielfach auf tradierte antiziganistische Ressentiments, was dazu führte, dass sie häufig auf eine Antragstellung von vornherein verzichteten. Da Anträge nach dem BEG seit 1969 nicht mehr gestellt werden können, bleibt Sinti und Roma nur der Weg über Anträge nach dem sogenannten Wiedergutmachungsdispositionsfonds (WDF, Richtlinien der Bundesregierung für die Vergabe von Mitteln an Verfolgte nicht jüdischer Abstammung zur Abgeltung von Härten in Einzelfällen im Rahmen der Wiedergutmachung in der Fassung vom 7. März 1988), dessen Leistungen aber erheblich geringer ausfallen (vgl. Bundestagsdrucksache 19/1537). Besonders stark benachteiligt sind indes jene Sinti und Roma, die nicht über eine deutsche Staatsbürgerschaft verfügen. Sie haben nach Artikel 8 Absatz 3 der WDF-Richtlinien keinen Anspruch auf laufende monatliche Zahlungen, sondern auf maximal eine Einmalzahlung von 2 556 Euro. In der Praxis wird diese allerdings verweigert, wenn die Betroffenen in der Vergangenheit bereits eine (geringere) Zahlung aus Bundesmitteln erhalten haben (vgl. Antwort zu Frage 16 auf Bundestagsdrucksache 19/1537). Als prekär empfinden diese Situation auch überlebende Sinti und Roma in Polen , die als ehemalige Ghettobeschäftigte vor Hindernisse beim Zugang zu einer Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7545 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ghettorente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigung in einem Ghetto (ZRBG) gestellt werden (vgl. gemeinsamer Brief des Vorsitzenden der Vereinigung der Roma in Polen und des Bevollmächtigten des Vorstands der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen für Ghettorenten-Angelegenheiten vom 9. November 2018 an das Bundesministerium der Finanzen – BMF). Aber auch deutsche Sinti und Roma klagen weiterhin über entschädigungsrechtliche Benachteiligungen, die auch durch die regelmäßigen Gespräche mit dem Bundesministerium der Finanzen über die Ausgestaltung des WDF nicht ausgeräumt werden können. Dabei geht es nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller beispielsweise um die Anerkennung des Lebens nach dem sogenannten Festsetzungserlass von 1939, der als Vorstufe der Deportation Sinti und Roma im ganzen Reichsgebiet festsetzte. Die Folge waren Trennung von Familienangehörigen und ständige Furcht vor Einweisungen in Konzentrationslager, außerdem gravierende ökonomische Schwierigkeiten, da den Betroffenen teilweise die Lebensgrundlage entzogen worden war. Sinti und Roma klagen über Langzeitwirkungen dieser Erlebnisse bis heute; dennoch gilt das Leben unter „Festsetzung“ nicht als Entschädigungsgrund im Sinne des WDF; nach Informationen der Fragestellerinnen und Fragesteller berichtet der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma über 58 abgelehnte Anträge. Jüdische NS-Opfer nicht deutscher Staatsangehörigkeit können, anders als nicht deutsche Sinti und Roma, laufende Leistungen von derzeit 336 Euro monatlich erhalten (auf Grundlage von Abkommen mit der Jewish Claims Conference). Die Fragestellerinnen und Fragesteller betonen, dass sie die – nur vergleichsweise – günstigen Entschädigungsmöglichkeiten für jüdische NS-Opfer ausdrücklich begrüßen und ihre weitere Aufstockung fordern. Sie können aber keinen plausiblen Grund für die hier sichtbar werdende Schlechterstellung von Sinti und Roma bzw. anderen nicht jüdischen Opfern erkennen. Nach ihrer Kenntnis sehen auch Vertreter jüdischer Organisationen keinen plausiblen Grund für die Schlechterstellung ihrer Leidensgenossen unter den Sinti und Roma. Das Verfolgungsschicksal von Sinti und Roma lässt sich aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller keinesfalls als „weniger hart“ bezeichnen. Sie können sich diese Schlechterstellung von (ausländischen) Sinti und Roma nur als antiziganistische Konstante in der deutschen Entschädigungspolitik erklären . Für die Betroffenen ist das Thema im hohen Alter keineswegs ausgestanden – im Gegenteil brechen bei einigen gerade jetzt Traumatisierungen auf, so dass eine zügige Verbesserung der Entschädigungspraxis angezeigt ist. Nach Kenntnisstand der Fragestellerinnen und Fragesteller bleibt bei Leistungsbeziehern nach dem BEG bis jetzt eine gesetzliche Übergangsregelung für die Krankenversicherung der Hinterbliebenen aus, d. h. für die Karenzzeit von zwei bis sechs Wochen nach dem Tod des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g : Die Bundesregierung hat eine Fülle gesetzlicher und außergesetzlicher Regelungen für unterschiedliche Personenkreise, die von nationalsozialistischem Unrecht betroffen waren, geschaffen. Alle an der Gesetzgebung und der Durchführung der Wiedergutmachungsgesetze Beteiligten waren sich stets bewusst, dass eine vollständige „Wiedergutmachung“ im Wortsinn nicht möglich sei. Das unermessliche Leid, das den überlebenden Opfern von NS-Unrecht zugefügt wurde, kann nicht durch Geld- oder andere Leistungen aufgewogen werden. Angesichts des völligen Zusammenbruchs des Deutschen Reichs im Jahr 1945 und der Unmöglichkeit , für sämtliches während der NS-Herrschaft verübtes Unrecht in vollem Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7545 Umfang eine finanzielle Entschädigung zu gewähren, musste der Gesetzgeber von Anfang an auch bei der Regelung der Entschädigung für Opfer der NS-Verfolgung Differenzierungen hinsichtlich des Personenkreises, der Art und des Umfangs der Leistungen vornehmen. Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung haben sich aber stets bemüht, die Not und das Leid der Betroffenen durch Entschädigungsleistungen zu lindern. Außerdem haben mehrere Bundesländer für ihren Landesbereich geltende ergänzende Regelungen erlassen. Dadurch konnte den Opfern des Nationalsozialismus zumindest auf materiellem Gebiet geholfen werden. Alle vom Gesetzgeber getroffenen Regelungen stehen zueinander in einem nach Grund und Umfang der Schädigung ausgewogenen Verhältnis und erfassen nahezu alle durch NS-Unrecht verursachten Schäden. Das System der Wiedergutmachung ist sehr komplex und vielfältig. Begründet ist dies auch durch die geschichtliche Entwicklung nach 1945. In den Jahren 1959 bis 1964 wurden mit Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien , Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden und der Schweiz Globalabkommen zugunsten von durch NS-Verfolgungsmaßnahmen geschädigten Staatsangehörigen dieser Länder geschlossen. In Anlehnung an diese Abkommen wurden nach der Herstellung der Deutschen Einheit und der Überwindung des Ost-West-Gegensatzes entsprechende Verträge mit ostund mitteleuropäischen Staaten geschlossen. Mit der Wiedervereinigung im Jahre 1990 entstand das Bedürfnis zu einer gesamtdeutschen Neuordnung der Entschädigung von Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes. Im Oktober 1992 wurde deshalb auf der Grundlage des Artikels 2 der Vereinbarung vom 18. September 1990 zum Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der früheren Deutschen Demokratischen Republik mit der Claims Conference (JCC) das sogenannte Artikel 2-Abkommen vereinbart. Sowohl die Regelungen für jüdische als auch die für nicht jüdische NS-Verfolgte knüpfen an die Bestimmungen der §§ 1 und 2 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) an. Hiernach ist nur beihilfeberechtigt, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und dadurch erhebliche Gesundheitsschäden davongetragen hat. Ebenso wie bei den Regelungen für jüdische Verfolgte mit der Jewish Claims Conference werden auch für den Bereich der nichtjüdischen Verfolgten mit dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma regelmäßig Gespräche über eine Nachsteuerung und Weiterentwicklung der Wiedergutmachung geführt. Viele Einzelregelungen ergänzen sich zu einem mehr als 70 Jahre währenden Gesamtwerk , das der Verfolgung zur Zeit des Nationalsozialismus mit seinen unterschiedlichen Facetten und in die Zukunft gerichtet zunehmend dem Gedanken der Erinnerungskultur Rechnung trägt. Wenn auch eine materielle und substanzielle Neuordnung des Gesamtsystems nicht beabsichtigt ist, so hat die Bundesregierung in der Vergangenheit Regelungen zugunsten der Verfolgten im Rahmen der parlamentarischen Vorgaben immer wieder angepasst und wird dies wenn angezeigt in Zukunft auch weiterhin tun. Dies ist eine Daueraufgabe. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/1537 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7545 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Inwiefern ist die Bundesregierung bereit, das Leben unter den Bedingungen der im Oktober 1939 erlassenen Festsetzung unter Androhung von KZ-Haft als „Freiheitsentziehung in einer anderen Haftstätte“ im Sinne von § 8 Absatz 2 der WDF-Richtlinien (die sich wiederum auf Artikel 43 Absatz 2 und 3 des BEG beziehen, das von „Leben unter haftähnlichen Bedingungen“ spricht), zu werten und entsprechend einen Leistungsanspruch gemäß dieser Richtlinien anzuerkennen (bitte begründen)? Inwiefern berücksichtigt die Bundesregierung dabei, dass die 1939 verursachten Lebensumstände für die Betroffenen wirtschaftlich katastrophal und zudem hochgradig traumatisierend sein konnten, insbesondere wenn sie mit einer dauerhaften Trennung von Familienangehörigen verbunden waren? Die Entschädigungsregelungen sehen in Fällen von „Festschreibung“ Einmalzahlungen vor. Bei Festschreibung durften die Betroffenen in der Regel ihren Wohnort nicht verlassen. Diese Form der Freiheitsbeschränkung stellte gegenüber der Inhaftierung in einem Konzentrationslager oder einer anderen Haftstätte unter haftähnlichen Bedingungen ein weniger schlimmes Verfolgungsschicksal dar. An dieser Regelung wird festgehalten. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 2. Handelte es sich beim Festsetzungserlass nach Auffassung der Bundesregierung um eine NS-spezifische Unrechtsmaßnahme, und wenn ja, was will sie unternehmen – sofern sie nicht die WDF-Richtlinien entsprechend auslegen oder ändern will –, um den Betroffenen hierfür eine Entschädigung zugänglich zu machen (bitte begründen, falls keine Entschädigungsmöglichkeit geplant ist)? Das für die Durchführung der WDF-Richtlinien zuständige Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma angeboten, in besonders gelagerten, schweren Einzelfällen zu prüfen, ob eine laufende Beihilfe gewährt werden kann. Eine Änderung der Wiedergutmachungsdispositionsfonds /WDF-Richtlinien ist nicht beabsichtigt. 3. Wie begründet die Bundesregierung entschädigungsrechtliche Ungleichbehandlungen zwischen jüdischen Opfern und nicht jüdischen Opfern, insbesondere die Verweigerung laufender Leistungen für verfolgte Sinti und Roma, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben? Inwiefern hält sie es für einen Mangel der deutschen Entschädigungspolitik, ausländischen Jüdinnen und Juden laufende Leistungen zu gewähren, ausländischen Sinti bzw. Roma aber nicht? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 4. Lässt sich aus Sicht der Bundesregierung pauschal sagen, dass Sinti und Roma ein im Vergleich zu jüdischen Verfolgten weniger hartes Verfolgungsschicksal erlitten haben, so dass hieraus eine Schlechterstellung in Hinsicht auf den Umfang der Entschädigungsleistungen abgeleitet werden könnte (bitte ggf. begründen), und wenn nein, was will sie unternehmen, um möglichst eine Gleichstellung zu erreichen? Sinti und Roma waren als rassisch Verfolgte ebenso den Unrechtsmaßnahmen der Nationalsozialisten ausgesetzt wie jüdische Verfolgte. Eine Schlechterstellung erfolgt nicht. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7545 5. Inwiefern ist die Bundesregierung bereit, die Leistungen für nicht jüdische Verfolgte dahingehend zu erweitern, dass auf das Erfordernis der deutschen Staatsbürgerschaft für laufende Leistungen in den WDF-Richtlinien verzichtet wird (falls sie dazu nicht bereit ist, bitte begründen)? Inwiefern sieht die Bundesregierung in den im § 8 Absatz 3 der Richtlinien enthaltenen Regelungen einen Verstoß gegen das EU-Recht bzw. gegen das Diskriminierungsverbot gegenüber EU-Staatsangehörigen? Für nicht jüdische Verfolgte ohne deutsche Staatsbürgerschaft, insbesondere auch für solche mit Wohnsitz in Ost- und Südosteuropa, sind in den Jahren nach dem Prozess der Deutschen Einheit andere Regelungen zur Entschädigung in Form von bilateralen Verträgen mit den einzelnen Staaten getroffen worden. Dazu wurden Stiftungen in den Staaten Osteuropas eingerichtet, die die bereit gestellten Mittel in eigener Verantwortung verteilt haben. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 6. Was konkret haben die deutschen Auslandsvertretungen bislang unternommen , um potentiell Antragsberechtigte nicht jüdischer Abstammung in den osteuropäischen Staaten über die Ausgestaltung des WDF zu informieren (bitte möglichst vollständig angeben, welche Behörden und NGOs benachrichtigt worden sind und inwiefern Medienarbeit gemacht wurde), und inwiefern hält die Bundesregierung hier eine Nachsteuerung für erforderlich (es wird Bezug auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 15 auf Bundestagsdrucksache 19/1537 genommen)? Hierauf hat die Bundesregierung bereits zu Frage 13 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/4353 wie folgt geantwortet: Zur Unterrichtung über Entschädigungsmöglichkeiten für verfolgte nicht jüdische NS-Opfer haben die deutschen Auslandsvertretungen in Serbien, Kosovo, Polen, Ungarn, Rumänien, Moldau, Russland, Ukraine, Slowenien, Weißrussland , Tschechien, Slowakei, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Lettland, Mazedonien , Bulgarien, Estland, Litauen, Kroatien und Montenegro Informationen über Antragsvoraussetzungen und die antragsannehmende Stelle auf ihrer Internetseite veröffentlicht. 7. Warum wird eine Entschädigungsmöglichkeit wie der (mit der Jewish Claims Conference ausgehandelte) Child Survivor Fund, der – ergänzend zu laufenden Leistungen – Einmalzahlungen in Höhe von 2 556 Euro für jüdische Holocaust-Opfer, die nach dem 1. Januar 1928 geboren wurden, vorsieht , nicht auch für Sinti und Roma geschaffen? Im WDF ist neben einer Einmalleistung im Grundverfahren nach § 4 der Richtlinien auch zusätzlich die Gewährung einer laufenden Beihilfe nach § 8 der Richtlinien möglich, an deren Stelle in bestimmten Fällen eine zweite Einmalleistung treten kann. Diese Parallelität von Einmalleistung und laufender Beihilfe wurde für den Bereich der Leistungen für jüdische NS-Verfolgte im Ergebnis nachvollzogen . Eine Schlechterstellung für Sinti und Roma ist darin nicht zu sehen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7545 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Warum wird eine Entschädigungsmöglichkeit wie der (mit der Jewish Claims Conference ausgehandelte) Orphan Fund, der – ergänzend zu anderen Einmal- und laufenden Leistungen – für jüdische osteuropäische Holocaust -Opfer, die NS-verfolgungsbedingt zu Waisen wurden, eine Einmalzahlung in Höhe von 2 556 Euro vorsieht, nicht auch für Sinti und Roma geschaffen ? Dies ist im WDF als mögliches Berechtigungskriterium grundsätzlich bereits vorhanden . Ein Nachbesserungsbedarf besteht insofern nicht. Voraussetzung für die Gewährung einer Entschädigungsleistung ist ein eigenes Verfolgungsschicksal. Sofern auch die übrigen Kriterien der jeweils einschlägigen Härteregelungen vorliegen , ist die Gewährung einer Entschädigung möglich. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 9. Welche Maßnahmen unternimmt oder fördert die Bundesregierung zur sozialen , karitativen und medizinischen Hilfe für überlebende Sinti und Roma im In- und Ausland (bitte laufende Programme bzw. Projekte und Fördervolumen angeben)? Wie viele Mittel werden derzeit für häusliche Betreuung und pflegebezogene Tätigkeiten für überlebende Sinti und Roma im Ausland bereitgestellt? Inwiefern will die Bundesregierung diese Unterstützung ausbauen? Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert seit 2015 über das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ verschiedene Maßnahmen auf lokaler, regionaler und bundesweiter Ebene, die sich auf der Basis präventivpädagogischer Ansätze mit dem Themenfeld Antiziganismus auseinandersetzen. Neben zahlreichen Einzelmaßnahmen der 300 lokalen „Partnerschaften für Demokratie “ werden in allen Bundesländern Landesdemokratiezentren gefördert, die von rechter, rassistischer, antiziganistischer und antisemitischer Gewalt Betroffene beraten. Darüber hinaus wird das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma e. V. in seiner Strukturentwicklung zum bundeszentralen Träger unterstützt. Das Dokumentationszentrum trägt zum Ausbau einer bundesweiten historisch-politischen Bildungsarbeit gegen Antiziganismus bei und bietet Empowerment-Projekte zur Stärkung der gesellschaftlichen Position von Sinti und Roma an. Im Weiteren werden zwölf Modellprojekte unterschiedlicher Träger im gesamten Bundesgebiet gefördert, die innovative methodische und pädagogische Ansätze und Arbeitsformen im Bereich der Prävention von Antiziganismus entwickeln und erproben. Neben der historisch-politischen Bildung, der Schulung von Multiplikator/-innen und der Präventionsarbeit in Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen, stehen vor allem Empowerment Angebote im Vordergrund der Projektarbeit. Außerdem wird auf die Berichte der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission zum EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration der Roma bis 2020 Integrierte Maßnahmenpakete zur Integration und Teilhabe der Sinti und Roma in Deutschland und auf das Kontaktgremium für Fragen der deutschen Sinti und Roma im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat verwiesen. Darüber hinaus engagiert sich auch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) mit diversen Förderprogrammen, wie z. B. dem Projekt „Latscho Diwes“, das überlebende verfolgte Roma in Russland, Ukraine, Belarus und Moldau sowie in Zentral- und Südosteuropa unterstützt. Ziel des Programms ist die Verbesserung der Lebenssituation der Überlebenden durch materielle und praktische Hilfen sowie Unterstützung beim Zugang zu staatlichen Leistungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7545 10. Welche Angaben kann die Bundesregierung zur Entwicklung eines nach Informationen der Fragestellerinnen und Fragesteller geplanten Zeitzeugenprojektes machen, das Verfolgten aus der Gruppe der Sinti und Roma ermöglichen soll, über ihre Verfolgungen und ihre Erfahrungen mit der Wiedergutmachung durch die Bundesrepublik Deutschland zu erzählen? Informationen über ein entsprechendes Zeitzeugenprojekt liegen der Bundesregierung nicht vor. Bei den in den letzten Jahrzehnten vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sowie dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma geführten Zeitzeugeninterviews stand die Verfolgungserfahrung in der Zeit des Nationalsozialismus im Zentrum. Fragen der Wiedergutmachung wurden dabei nur am Rande behandelt. 11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Hinblick auf die Förderung oder Unterstützung von Forschung sowie kultureller und historischer Vermittlung und Aufarbeitung der Auswirkungen der transgenerationellen Trauma-Weitergabe bei Nachkommen von ehemals verfolgten Sinti und Roma und die Berücksichtigung der Erkenntnisse in der politischen und kulturellen Bildung (bitte nach bislang seit 2002 geförderten Projekten auflisten , und wenn nein, bitte begründen)? Wie bewertet die Bundesregierung ihre Erfahrungen mit dem Beirat, der in § 8 der WDF-Richtlinien vorgesehen ist, vor dem Hintergrund, dass diesem Beirat entgegen der Formulierungen in den Richtlinien zu keinem Zeitpunkt Angehörige der verfolgten Minderheiten angehört haben (vgl. Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, WD 4 – 3000 – 173/18) und der Beirat schon seit den 1990er Jahren nicht mehr zusammengekommen ist? Die Bundesregierung ermöglicht dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sowie dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma durch eine seit vielen Jahren bewährte institutionelle Förderung, sich in diesem Rahmen mit allen relevanten Fragen der Minderheit eigenverantwortlich und auf der Basis eigener Projekte auseinanderzusetzen. Hinsichtlich der Antwort zu Erfahrungen mit dem Beirat wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 12. Inwiefern hält die Bundesregierung eine erneute Einrichtung des Beirates für sinnvoll, um in einem größeren Kreis von Betroffenen – vorausgesetzt, der Beirat wird tatsächlich, wie vorgesehen, paritätisch von Angehörigen der Verfolgten besetzt – Defizite der Entschädigungspraxis zu erörtern? Der Beirat wurde am 11. Februar 1982 mit dem Ziel eingerichtet, an der Abwicklung des seinerzeit mit 100 000 000 DM ausgestatteten Fonds mitzuwirken, seine politische Bedeutung hervorzuheben und sicherzustellen, dass bei der Entscheidung schwieriger Fälle Gesichtspunkte und Anregungen aus Sicht des Parlaments und der Verfolgten gebührend zur Geltung kommen. Der Beirat bestand aus sechs von den Bundestagsfraktionen vorgeschlagenen und von der Bundesregierung berufenen Mitgliedern. Bei der Benennung haben die Bundestagsfraktionen jeweils zur Hälfte Vertreter aus Kreisen der Verfolgten berücksichtigt. Experten von den Verfolgtengruppen konnten darüber hinaus zu bestimmten Sachfragen gehört werden. Sie hatten jedoch kein Stimmrecht. Die 5. und letzte Sitzung des Beirats hatte am 10. Februar 1992 stattgefunden. Mit BMF-Schreiben vom 8. März 1995 ist den Mitgliedern der CDU-/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages mitgeteilt worden, dass keine Notwendigkeit Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7545 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode mehr für eine erneute Sitzung bestehe. Der überwiegende Teil der auf Vorschlag des Deutschen Bundestages berufenen Beiratsmitglieder waren zu diesem Zeitpunkt bereits ausgeschieden, ohne dass die Fraktionen Nachfolger benannt hätten. Die Bundesregierung hält eine Neuauflage des Beirates nicht für notwendig, da seit mehr als 26 Jahren alle Fragestellungen zwischen dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und dem für die Durchführung des WDF zuständigen BMF unmittelbar besprochen werden. Die Mittel aus dem Fonds wurden vollständig ausgekehrt . 13. Welches Verfahren wäre aus Sicht der Bundesregierung einzuhalten, wenn Fraktionen des Deutschen Bundestages eine Wiederbelebung des Beirates wünschen, vor dem Hintergrund, dass der Beirat von der Bundesregierung auf Vorschlag des Deutschen Bundestages einzuberufen ist? Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. 14. Wie sind die Leistungen des WDF in den Jahren 2017 und 2018 verausgabt worden (bitte nach laufenden und einmaligen Beihilfen, ggf. weiteren Ausgabenpunkten und In- und Ausland aufgliedern)? Inwiefern ist die Bundesregierung zu einer Aufstockung der Mittel bereit, um ggf. auch NS-Opfer ohne deutsche Staatsangehörigkeit zu entschädigen? Im Jahr 2017 wurden im Inland sechs einmalige und 425 laufende Beihilfen (neun davon in 2017 neu bewilligt) gewährt. Im Ausland wurden 113 einmalige Beihilfen gewährt. Im Jahr 2018 wurden im Inland 16 einmalige und 438 laufende Beihilfen (13 davon in 2018 neu bewilligt) gewährt. Im Ausland wurden 106 einmalige Beihilfen gewährt. Die Richtlinien sehen eine Zahlung laufender Leistungen an NS-Verfolgte im Ausland nicht vor. Eine Änderung der Richtlinien ist nicht vorgesehen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 15. Welche Überlegungen waren für die Bundesregierung ausschlaggebend, die Anhebung laufender Leistungen auf das Niveau der BEG-Mindestrente (vgl. Bundestagsdrucksache 19/4170) innerhalb von drei Jahren vorzunehmen, und nicht innerhalb eines Jahres und nicht auf das Niveau der BEG-Durchschnittsrente ? Beabsichtigt die Bundesregierung, die Leistungen nach WDF, Härterichtlinien des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes, Leistungen aufgrund Artikel-2- Fonds, Ost- und Mitteleuropafonds usw. gleichermaßen auf das Niveau der BEG-Mindestrente anzuheben (falls nicht, bitte Kriterien erläutern)? Inwiefern sollen diese Leistungen einkommensunabhängig gewährt werden oder nur nach Nachweis der Bedürftigkeit (bitte ggf. Einkommens- bzw. Vermögensuntergrenzen angeben)? Die Anhebung laufender Leistungen auf das Niveau der gesetzlichen Mindestrente nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) über mehrere Teilschritte folgt der Systematik der Entwicklung der über die JCC gezahlten laufenden Leistungen an jüdische NS-Verfolgte. Im Rahmen der Gleichbehandlung werden auch die Leistungen der anderen außergesetzlichen Härteregelungen des Bundes entsprechend angeglichen. Ein Nachweis der Bedürftigkeit wird dabei nicht gefordert. Die Höhe der individuellen Rentenzahlungen nach dem BEG Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/7545 ergibt sich dagegen aus einer Vielzahl auf den Einzelfall bezogener Faktoren. Der rechnerische Durchschnitt dieser Zahlungen hat für sich genommen keinen Aussagegehalt und kann daher kein Anknüpfungspunkt sein. 16. Treffen Informationen der Fragestellerinnen und Fragesteller zu, dass es im November 2018 ein Treffen der Entschädigungsbehörden der Länder mit dem Bund gegeben hat, und wenn ja, was kann die Bundesregierung über dessen Tagesordnung, Verlauf und Ergebnisse berichten? Das jährliche Treffen der mit der Ausführung des BEG betrauten Entschädigungsreferenten der Länder, an dem auch betroffene Bundesressorts teilnehmen, fand im vergangenen Jahr vom 5. bis 7. November 2018 in Hannover statt (zu weiteren Einzelheiten siehe www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/ Themen/Oeffentliche_Finanzen/Vermoegensrecht_und_Entschaedigungen/ Kriegsfolgen_Wiedergutmachung/Entschaedigungsreferentenkonferenz.html). Die Konferenz der Entschädigungsreferenten der Länder und beteiligter Bundesressorts dient der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Anwendung des BEG in allen hierfür zuständigen Bundesländern. Die Länder tauschen sich hierbei über die Verwaltungspraxis aus und stimmen sich hinsichtlich eines einheitlichen Verwaltungshandelns ab. Das BMF unterrichtet die Entschädigungsreferenten der Länder über aktuelle, insbesondere internationale Entwicklungen im Bereich der Wiedergutmachung. 17. Welche in dieser Anfrage bislang nicht angesprochenen Verbesserungen bei der Entschädigung von Sinti und Roma (mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit ) beabsichtigt die Bundesregierung künftig vorzunehmen? Zwischen dem für die Durchführung des WDF zuständigen Bundesministerium der Finanzen und dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma finden regelmäßig Besprechungen über Verbesserungen zur Entschädigung von Sinti und Roma statt. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 18. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Problematik, dass in bestimmten Fällen Hinterbliebene von BEG-Leistungsbeziehern nach deren Tod zumindest vorläufig nicht weiter krankenversichert sind, und in welchen Fallkonstellationen taucht dieses Problem auf? Was unternimmt sie auf gesetzlicher Ebene oder im Rahmen des Verwaltungsvollzugs , um das Problem zu lösen? 19. Beabsichtigt die Bundesregierung, eine bundeseinheitliche Übergangsregelung zur Sicherstellung der Krankenversorgung der Hinterbliebenen in den ersten Wochen nach dem Tod des Verfolgten zu schaffen, etwa in Form einer Nachversicherungszeit von mindestens sechs Wochen analog der Regelung für die Krankenversorgung von Versorgungsempfängern nach dem BVG)? Die Fragen 18 und 19 werden gemeinsam beantwortet. Die Problematik wurde vom Zentralrat Deutscher Sinti und Roma (Zentralrat) an das BMF herangetragen. Der Zentralrat wurde eingeladen, konkrete Einzelfälle zu benennen und mit dem BMF in einen Dialog zur Lösung konkret auftretender Probleme einzutreten. Bisher wurden Fälle noch nicht vorgetragen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7545 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 20. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung, eine Verbesserung beim Beihilfeanspruch nach § 41a BEG zu schaffen bzw. die Hürde, dass hier eine Verminderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70 Prozent vorliegen muss, auf allenfalls 50 Prozent abzusenken? Welche Maßnahmen oder Überlegungen will die Bundesregierung im Zusammenhang mit einer Verbesserung des Zugangs zu WDF-Leistungen für Sinti und Roma anstrengen, um der besonderen Problematik der sog. Antragsgleichstellung von Anträgen auf polnische Altersrente als Anträge „zu Lebzeiten“ zu begegnen, auf welche die Vereinigung der Roma in Polen und die jüdischen Glaubensgemeinden in Polen in ihrem Brief vom 9. November 2018 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hingewiesen haben (bitte begründen)? Das BEG wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes vom 14. September 1965 (BEG-Schlussgesetz) inhaltlich abgeschlossen . Materielle Änderungen sind nicht mehr vorgesehen. Aussagen zu dem zitierten Brief der Vereinigung der Roma in Polen und der Jüdischen Glaubensgemeinden in Polen vom 9. November 2018 können nicht getroffen werden. Er liegt dem BMF nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333