Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 6. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7606 19. Wahlperiode 11.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/7245 – Erkenntnisse zu Rechtsextremismus in Polizeibehörden V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die unter dem Stichwort „NSU 2.0“ bekannt gewordenen Vorkommnisse bei der Frankfurter Polizei (vgl. www.hessenschau.de, Sechster Beamter im Frankfurter Polizei-Skandal suspendiert, 19. Dezember 2018), in deren Rahmen mindestens sechs Beamtinnen und Beamte unter Verdacht stehen, rechtsextremistisch zu sein, und sich volksverhetzend in Chatverläufen geäußert zu haben, sowie die erneute Verwendung nicht allgemein bekannter Daten in einem weiteren Drohbrief (www.sueddeutsche.de, Rechte bedrohen erneut Frankfurter Anwältin , 14. Januar 2019) und ein weiterer Verdachtsfall in Hessen (www.sueddeutsche .de, Neuer Fall von rechten Umtrieben bei der hessischen Polizei, 10. Januar 2019) werfen die Frage auf, ob nach Kenntnis der Bundesregierung auch andere Polizeidienststellen der Länder oder des Bundes und/oder der Zoll von entsprechenden Vorgängen betroffen sind. Bekannt wurde der Fall in Frankfurt am Main, nachdem Ermittlungen zu einem Drohschreiben, welches an eine Anwältin von Nebenklägern im NSU-Prozess versendet worden war, zu einer Verdächtigen in den eigenen Reihen der Frankfurter Polizei geführt hatte (vgl. WELT.DE, Polizisten sollen mit Ermordung von Zweijähriger gedroht haben, 15. Dezember 2018; FAZ.NET, Polizisten wegen rechtsextremer Inhalte im Visier , 10. Dezember 2018). Meldungen zu rechten Netzwerken in deutschen Sicherheitsbehörden haben sich in den letzten Monaten gehäuft (vgl. taz, 21. Dezember 2018 „Hannibals Verein“), so dass sich Fragen nach dem Problembewusstsein und der Strategie der Bundesregierung bei diesem zentralen Thema der inneren Sicherheit stellen. 1. Wurden gegen Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls seit 2016 mit Bezug zu rechtsextremen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen Straf- und/oder Disziplinarverfahren eingeleitet (gegebenenfalls bitte soweit möglich nach Eingang, Ereignisort und Ergebnis aufschlüsseln)? Bei der Bundespolizei wurden im Jahr 2016 drei Disziplinarverfahren, im Jahr 2017 zwei Disziplinarverfahren und 2018 drei Disziplinarverfahren wegen des Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7606 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Verdachts eines Bezuges zu rechtsextremen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen eingeleitet. Fünf der Disziplinarverfahren sind mit der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beendet worden. Die drei übrigen Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Beim Bundeskriminalamt (BKA) wurden keine Verfahren mit Bezug zu rechtsextremen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen Straf- und/oder Disziplinarverfahren eingeleitet. In der Zollverwaltung wurde im Jahr 2017 ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachts eines Bezuges zu rechtsextremen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen eingeleitet. Das Disziplinarverfahren ist noch nicht abgeschlossen . a) Wie viele dieser Verfahren wurden nach Hinweisen oder Beschwerden aus den Reihen der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes oder des Zolls eingeleitet? b) Wie viele dieser Verfahren wurden nach Hinweisen oder Beschwerden aus der Bevölkerung über Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes oder des Zolls an die Behörden eingeleitet? Die Fragen 1a und 1b werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Bei der Bundespolizei wurden von den vorgenannten Disziplinarverfahren sechs aufgrund interner Hinweise und zwei aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung eingeleitet. Bei der Zollverwaltung wurde das Disziplinarverfahren aufgrund einer Veröffentlichung eines Chat-Protokolls im Internet eingeleitet. 2. Sind der Bundesregierung aus den letzten drei Jahren Übermittlungsmitteilungen an den Dienstherren zu strafrechtlichen Verfahren gegen Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls mit Bezug zu rechtsextremen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen bekannt (gegebenenfalls bitte jeweils nach Straftatbeständen und Jahren aufschlüsseln)? Der Bundesregierung sind keine derartigen Fälle bekannt. 3. Wie hat sich die bei der Servicestelle des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat geführte Jahresstatistik über die Anzahl der abgeschlossenen Disziplinarverfahren seit 2015 entwickelt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5492, Seite 4 unten und Seite 5 oben)? Die Disziplinarstatistik beruht auf der Übermittlung von Zahlen der obersten Bundesbehörden und ihrer Geschäftsbereiche. Sie hat sich seit dem Jahr 2015 wie folgt entwickelt: 2015 2016 2017 Dienstpflichtverletzungen 781 671 727 Abgeschlossene Verfahren 615 526 586 Eingestellte Verfahren 272 236 254 Disziplinarmaßnahmen 343 290 332 Für das Jahr 2018 liegt bislang noch keine Disziplinarstatistik vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7606 4. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Beschäftigte der Bundespolizei , des Bundeskriminalamts oder des Zolls die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Organisation vorgeworfen wurde (gegebenenfalls bitte soweit möglich nach Eingang, Ereignisort und Ergebnis aufschlüsseln)? Im Bereich der Bundespolizei gibt es zwei Betroffene, denen die Nähe zu einer rechtsextremen Organisation vorgeworfen wird. In beiden Verfahren aus dem Jahr 2012 wurde in der Folge auf Entfernung aus dem Dienst erkannt. Die Betroffenen haben Rechtsmittel eingelegt. Im BKA und beim Zoll sind derartige Fälle nicht bekannt. 5. Sind der Bundesregierung aus den letzten drei Jahren weitere Fälle bekannt, in denen Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls seit 2016 im Verdacht standen, Verbindungen zu rechtsextremen Strukturen zu haben oder rechtsextreme Überzeugungen zu teilen, und inwiefern handelt es sich dabei um Fälle, in denen kein Straf- und/oder Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist (gegebenenfalls bitte soweit möglich nach Eingang, Ereignisort und Ergebnis aufschlüsseln)? In der Zollverwaltung ist im Jahr 2018 ein Fall bekannt geworden, in welchem eine Beamtin im Verdacht stand, sich in der Zeit vor ihrer Einstellung in die Zollverwaltung im Jahr 2017 in sozialen Netzwerken wiederholt in grob herabsetzender Weise über Ausländer und Minderheiten geäußert zu haben. Im Ergebnis einer diesbezüglichen Untersuchung der zuständigen Dienstbehörde der Beamtin konnten keine weiteren Anhaltspunkte auf eine rechtsextreme Gesinnung bzw. durch Disziplinar- und/oder Strafverfahren zu ahndendes Fehlverhalten der Beamtin festgestellt werden. Im Bereich des BKA und der Bundespolizei sind derartige Fälle nicht bekannt. 6. Wie bewertet die Bundesregierung auch mit Blick auf die mutmaßliche Chat- Kommunikation im Fall von Martina H. und Carsten M. (www.sueddeutsche .de, a. a. O.) die Möglichkeit, dass rechte Netzwerke oft Zugänge zur Polizei und darüber auch zu polizeilichen Daten haben könnten? Das BKA hat keine Erkenntnisse, dass rechte Netzwerke Zugang zum BKA und der hier geführten Dateien haben. Im Bereich der Bundespolizei sind derartige Fälle nicht bekannt. Unberechtigte Abfragen aus polizeilichen Informationssystemen werden auf der Grundlage des geltenden Rechts geahndet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7606 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerung des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow (Passauer Neue Presse, 19. Dezember 2018, „Heimliche Radikalisierung auch in Reihen der Polizei“), der zur Frage der Anfälligkeit der Polizei für rechtsextremistische Tendenzen gesagt hat, dass „zu prüfen wäre“, „ob man bei der Wertevermittlung in der Ausund Fortbildung noch etwas verbessern könne“, da es dort „womöglich“ noch mehr zu tun gebe? 8. Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerung des Kriminologen Rafael Behr (SPIEGEL ONLINE, 18. Dezember 2018, Extremismus in der Polizei) zur problematischen Wirkung von Chatgruppen unter Polizistinnen und Polizisten , die die Radikalisierung von Beamtinnen und Beamten bei Vorhandensein extremer Orientierungen noch befeuern würden? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung, zu einzelnen Presseäußerungen Stellung zu nehmen. 9. Werden innerhalb der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls Chatgruppen für dienstliche Zwecke genutzt, und falls ja, a) auf wessen Veranlassung, in welchem organisatorischem Rahmen und zu welchen konkreten Zwecken, b) werden diese Chatgruppen moderiert, und falls ja, durch wen, und c) welcher Anbieter wird hierfür verwendet, und wer wählt diesen aus? Die Fragen 9 bis 9c werden gemeinsam beantwortet. Chatgruppen für dienstliche Zwecke sind im BKA und in der Zollverwaltung nicht bekannt. Die Bundespolizei erprobt derzeit eine Kommunikationssoftware für dienstliche Smartphones, die funktional vergleichbar mit den Chatfunktionen von bekannten, öffentlich verfügbaren Messengern wie z. B. WhatsApp ist. Die Software bietet die Möglichkeit der direkten Kommunikation zwischen zwei Anwendern, aber auch die Kommunikation innerhalb von selbst angelegten Gruppen. Es ist vorgesehen , den Messenger zukünftig auf allen dienstlichen Smartphones sowie als Webanwendung auf den Arbeitsplatzcomputern zur Verfügung zu stellen, um die bisherigen dienstlichen Kommunikationsmöglichkeiten (z. B. Digitalfunk) zu ergänzen . Dabei findet keine Moderation statt. Das System wird selbständig im eigenen IT- Netzwerk betrieben. Ein externer Betreiber oder Anbieter ist nicht eingebunden. 10. Gibt es Vorgaben zur Zulässigkeit und zum Umgang mit Chatprogrammen auf dienstlich zur Verfügung gestellten mobilen Endgeräten? Beim BKA ist die Nutzung dienstlich zur Verfügung gestellter IT Geräte in einer Dienstvereinbarung geregelt. Ebenso ist die IT-Sicherheitspolicy maßgeblich. Dementsprechend sind zur Verfügung gestellte dienstliche Geräte zu nutzen. Das BKA ist nur in einigen wenigen Arbeitsbereichen mit mobilen Endgeräten ausgestattet auf denen Chatprogramme ausgeführt werden könnten. Die Nutzung dieser Geräte ist nur zu dienstlichen Zwecken zulässig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7606 Bei der Bundespolizei werden Nutzungsbestimmungen im Umgang mit mobilen Endgeräten sowie dienstlicher Programme (Apps) in einer Dienstanweisung berücksichtigt . Die in der Zollverwaltung zur Verfügung gestellten mobilen Endgeräte sind nach Auskunft einiger Hauptzollämter nicht in der Lage, Chatprogramme auszuführen. Die Rahmenbedingungen der IT-Kommunikation, insbesondere in Bezug auf die Nutzung des E-Mail-Dienstes, des Intranets, des Internets (inkl. soziale Medien) und der IT-Kollaboration werden in der Bundesfinanzverwaltung durch das „eHandbuch – Band 9“ bundeseinheitlich geregelt. Danach sind nach Ziffer 3.3.3. u. a. die private Nutzung von Instant-Messenger-Diensten unter Eingabe von persönlichen Kennwörtern sowie die private Nutzung sozialer Medien nicht gestattet . Die Nutzung sozialer Medien für dienstliche Zwecke ist nur unter engen Voraussetzungen , z. B. für besonders beauftragte Stellen (in der Regel Öffentlichkeitsarbeit , Organisation, Ermittlungstätigkeit) zulässig. 11. Hat die Bundesregierung sich ggf. nach den Vorkommnissen von Frankfurt einen Überblick über Vorkommnisse im Kontext Extremismus bei den Polizeibehörden der Länder verschaffen können, und wenn ja, mit welchem Ergebnis ? Zu den benannten Vorkommnissen führt die Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Ermittlungsverfahren . Die Bundesregierung äußert sich nicht zu Sachverhalten in der Zuständigkeit der Länder. 12. Plant die Bundesregierung, sich zukünftig einen vertieften Überblick über Disziplinar- und Strafverfahren im Kontext mit Extremismus bei Polizeibehörden der Länder zu verschaffen? Nach Artikel 33 des Grundgesetzes i. V. m. § 17 Absatz 1 des Bundesdisziplinargesetzes obliegt die Feststellung der Eignung bei Beamten und Ruhestandsbeamten des Bundes bzw. bei Soldaten dem Dienstvorgesetzten oder der obersten Dienstbehörde. Dagegen obliegt der Bundesregierung keine Disziplinarbefugnis über Beamte der Länder, die diese eigenständig auf der Grundlage deren beamtenrechtlicher Regelungen – beispielsweise eigener Disziplinargesetze – ausüben . Wegen ihres strengen höchstpersönlichen Charakters unterliegen Disziplinarverfahren außerdem einem besonderen Schutzbedürfnis, weshalb eine vertiefte Auswertung der einzelnen Disziplinarverfahren im Sinne der Fragestellung durch nicht verfahrensbeteiligte Behörden grundsätzlich ausscheidet. Dessen ungeachtet erfolgt eine anonymisierte statistische Erhebung über die auf Bundesebene geführten Disziplinarverfahren, die der Bundesregierung Aufschluss über einzelne Deliktbereiche und den Ausgang der geführten Disziplinarverfahren gibt (vgl. Antwort zu Frage 3). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7606 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Wird sich die Bundesregierung auf Ebene der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder dafür einsetzen, eine Bund-Länder- Statistik zu Disziplinarverfahren bei den Polizeibehörden mit Extremismus- Bezug einzuführen, und a) wenn nein, warum nicht, und b) wenn ja, inwiefern schließt das auch die Erarbeitung einheitlicher Erfassungskriterien und eines entsprechenden Meldewesens sein? Auf die Antwort zu Frage 12 wird verwiesen. 14. Wie geht die Bundesregierung mit der Möglichkeit um, dass bisher fehlende Erkenntnisse in diesem Bereich auch die Folge einer unzureichenden Erfassungspraxis sein können? Der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bisher fehlende Erkenntnisse auch die Folge einer unzureichenden Erfassungspraxis sein könnten , da die jeweiligen Behörden nach der Anordnung über die Mitteilung in Strafsachen (MiStra) nach den dort getroffenen Regelungen informiert werden. 15. Wurden im GETZ (Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum ) und im GTAZ (Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum) bereits Fälle aufgerufen, bei denen Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen von Sicherheitsbehörden im Fokus der Beobachtung standen, und wenn ja, wie oft (bitte ggf. tabellarische Aufführung der Fälle seit Bestand von GTAZ und GETZ vorlegen)? Seit dem 24. Januar 2017 wurden im GETZ-R und im GTAZ keine Fälle erörtert, bei denen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden im Fokus der Beobachtung standen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen sind Fälle, die älter als zwei Jahre sind, nicht mehr bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333