Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. Februar 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/764 19. Wahlperiode 15.02.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Hess und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/561 – Anwendung der elektronischen Fußfessel bei islamistischen Gefährdern und schweren Straftaten V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Juli 2017 hatte der Deutsche Bundestag das sog. Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) beschlossen, das gemäß § 20z BKAG in Erweiterung von § 68b des Strafgesetzbuchs (StGB) Fußfesseln auf Anordnung des BKA auch für sog. islamistische Gefährder zulässt. Ursprünglich war das Tragen einer Fußfessel nur als sog. EAÜ – Elektronische Aufenthaltsüberwachung – durch richterliche Anordnung als Bewährungsauflage im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß § 68 StGB für Verurteilte eingeführt worden, wo sie sich nach Einschätzung der Fragesteller zunächst bewährt hatte. Die Ausweitung auch auf Gefährder und weitere Personenkreise, mithin auf als besonders gefährliche eingestufte Personen, wurde durchgesetzt. Dass die Fußfessel in diesen Fällen jedoch kein ausreichendes Sicherheitsinstrument ist, zeigt sich an folgenden Fällen exemplarisch: Am 11. Oktober 2017 konnte ein 35-jähriger Syrer, der als islamistischer Gefährder eingestuft wurde und gegen den die Bundesanwaltschaft wegen des Tatverdachtes der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung ermittelt, offenbar mit einer solchen Fußfessel versehen, ungehindert am Hamburger Flughafen ein Flugzeug besteigen und damit nach Griechenland fliegen. Laut Mitteilung des NDR vom 17. November 2017 war dies möglich, obwohl der 35-Jährige wie jeder andere Passagier kontrolliert wurde und hierbei auch die elektronische Fußfessel entdeckt worden ist. Da eine solche Fußfessel aber keine Gefahr für den Luftverkehr darstelle , so der NDR, konnte der Gefährder die Kontrolle ungehindert passieren und verschwand. Es erfolgte keine Grenzkontrolle wegen der Ausreise in ein weiteres EU-Land. In Griechenland wurde dann die Fußfessel aus „rechtlichen Gründen“ so der NDR sogar „abgeschaltet“. Nach den Vorkommnissen am Breitscheidplatz in Berlin und zahlreichen Anschlägen, in denen Menschen durch terroristische Akte islamistischer Terroristen zu Tode kamen, erscheint ein solcher Vorgang nicht nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Ermittlungen wegen einer in die Zuständigkeit des BKA fallenden schweren Straftat, er der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verdächtig war und wohl zumindest das BKA von seiner erheblichen Gefährlichkeit überzeugt war. „Er musste nur seine Ausweispapiere zeigen und durfte dann ins Flugzeug nach Athen steigen. Da der Mann von einem EU-Land in ein anderes EU-Land reisen wollte, durfte er auch nicht grenzpolizeilich kontrolliert Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/764 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode werden“, heißt es jetzt von der Bundespolizei. „Deswegen fand keine Überprüfung des Mannes in den Fahndungssystemen der Polizei statt“ (NDR vom 17. November 2017, www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Gefaehrder-fliegt-trotz-Fussfessel -ins-Ausland,gefaehrder208.html). Auch sonst wirft schon die bisherige richterliche Anordnung von Fußfesseln Fragen auf: Ebenfalls in Hamburg wurde im November 2017 bekannt, dass ein 47 Jahre alter Mann, der bereits zweimal wegen Vergewaltigung – zuletzt einer Zwölfjährigen – verurteilt worden ist, wieder mit einer Fußfessel entlassen wurde. Nach seiner ersten Entlassung mit einer Fußfessel im Jahre 2013 hatte er in 69 Fällen gegen die ihm gemachten Auflagen verstoßen, bevor er wieder in Haft kam (Hamburger Abendblatt vom 20. November 2017, www.abendblatt. de/article212595197/Straftaeter-mit-Fussfessel-Verstoesse-werden-kaumsanktioniert .html). Die Polizei kann bei Verstößen gegen Aufenthaltsauflagen nach Einschätzung der Fragesteller lediglich Strafanzeige wegen Verstoßes gegen die Führungsaufsicht erstatten, aber nicht weiter – etwa durch Festnahme – einschreiten. Dies eröffnet Straftätern mit hoher krimineller Energie, nach Auffassung der Fragesteller , Tür und Tor zur Begehung weiterer Straftaten wie auch zum Verstoß gegen Auflagen. Insbesondere im Bereich der schweren Sexualdelikte, aber insbesondere auch bei terroristischen Delikten, sind diese Maßnahmen der Führungsaufsicht , nach Auffassung der Fragesteller, daher wohl völlig ungeeignet, wie an den vorgenannten Beispielen anschaulich belegbar ist. 1. Wie häufig wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Maßregel der Führungsaufsicht durch Anbringung einer Fußfessel angeordnet (bitte aufgeschlüsselt nach Anzahl und Bundesländern sowie jährliche Entwicklung seit 2011 und aktuellen Stand angeben)? Nach Kenntnis der Bundesregierung unterlagen zum Stichtag des 31. August 2017 insgesamt 93 Personen in vierzehn Bundesländern im Rahmen der Führungsaufsicht der elektronischen Aufenthaltsüberwachung aufgrund einer Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuches (StGB – Angaben von Hessen zu der dort ansässigen Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder – GÜL). Die entsprechende Statistik wird seit dem Jahr 2012 erhoben. Die Fallzahlen verteilten sich für die Jahre von 2012 bis 2017 zu den in der nachfolgenden Tabelle genannten Stichtagen wie folgt auf die einzelnen Bundesländer: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/764 Bundesland 31.12.12 31.12.13 30.04.14 24.03.15 31.03.16 31.08.17 Baden-Württemberg 0 3 3 4 6 10 Bayern 17 26 29 25 28 28 Berlin 0 5 4 4 0 1 Brandenburg 0 0 0 0 0 1 Bremen 0 0 0 0 0 0 Hamburg 1 1 1 2 2 2 Hessen 1 7 6 9 9 11 Mecklenburg-Vorpommern 5 6 6 9 10 12 Niedersachsen 0 2 2 2 3 5 Nordrhein-Westfalen 3 7 7 7 7 6 Rheinland-Pfalz 1 1 1 1 1 1 Saarland 0 1 1 1 1 1 Sachsen 0 1 1 3 3 10 Sachsen-Anhalt 0 1 0 1 0 1 Schleswig-Holstein 3 1 1 0 1 0 Thüringen 3 5 6 5 2 4 Gesamt 34 67 68 73 73 93 2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung in den genannten Fällen die Anzahl der Verstöße gegen Auflagen (bitte aufgeschlüsselt nach Deliktstyp , Vergehen, Verbrechen, Dauer der Verurteilung und nach Bundesländern angeben)? Die GÜL erhebt jährlich die Anzahl der sogenannten Ereignismeldungen. Diese können auf einen Weisungsverstoß hinweisen, aber z. B. auch auf eine nur technisch bedingte Beeinträchtigung der Datenerhebung. Die jüngste der Bundesregierung vorliegende Erhebung bezieht sich auf das Jahr 2016, in dem es 2 230 derartige Meldungen gab. Daten zur Aufschlüsselung der Weisungsverstöße nach Art des Delikts, das der Anordnung der Maßregel zu Grunde liegt, liegen der Bundesregierung nicht vor. 3. In wie vielen Fällen wurde das Tragen einer Fußfessel nach § 20z BKAG i. V. m. § 68b StGB vom BKA angeordnet (bitte aufgeschlüsselt nach Verdachtsfällen und Bundesländern bis Dezember 2017 angeben)? Die Anordnung des Tragens einer Fußfessel nach § 20z BKAG i. V. § 68b StGB kann durch das Bundeskriminalamt nicht erfolgen, da die §§ 20z, 20y BKAG nicht auf § 68b StGB (strafrechtliche Weisungen für Verurteilte) verweisen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/764 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 4. Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um auszuschließen, dass insbesondere islamistische Gefährder sich durch Ausreise aus Deutschland der elektronischen Aufenthaltsüberwachung entziehen können? Eine Untersagung eines bestimmten Aufenthaltsortes bzw. eine Verpflichtung sich nur an bestimmten Orten aufzuhalten kann nach § 20y Absatz 1 BKAG im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden. Bei Verstößen gegen die sich aus den §§ 20y und 20z BKAG in Verbindung mit § 4a BKAG ergebenden Verpflichtungen kann im Rahmen der Strafvorschrift des § 39 BKAG reagiert werden. Es besteht ferner die Möglichkeit, die Überwachungsmaßnahme der EAÜ mit flankierenden polizeitaktischen Maßnahmen zu ergänzen. Darüber hinaus richten sich etwaige ausreiseverhindernde Maßnahmen nach den staatsangehörigkeitsspezifischen Regelungen im Passgesetz, Personalausweisgesetz , Aufenthaltsgesetz und dem Freizügigkeitsgesetz/EU. Für die Ausführung dieser Gesetze sind in Deutschland grundsätzlich die Länder und damit Landesbehörden zuständig. Die für die polizeiliche Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs zuständigen Behörden können bei Vorliegen /Bekanntwerden entsprechender gefahrenbegründender Informationen nach Maßgabe der oben genannten gesetzlichen Grundlagen und den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ebenfalls die Ausreise untersagen. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass an den Schengen-Binnengrenzen – vorbehaltlich einer vorübergehenden Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen nach Maßgabe des Schengener Grenzkodexes – keine Grenzkontrollen zulässig sind. 5. Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage wird das aus „rechtlichen Gründen “ erfolgte Abschalten der Fußfesseln in einem weiteren „Schengenland“, hier Griechenland, begründet? Die o. g. Maßnahme wurde durch das Land Bayern unter Anwendung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes durchgeführt und fällt somit nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333