Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 8. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7699 19. Wahlperiode 12.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7368 – Die Türkei als Besatzungsmacht in Syrien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bereits zweimal hat die Türkei im Norden Syriens interveniert. Im August 2016 ordnete Präsident Recep Tayyip Erdoğan die „Operation Schutzschild Euphrat“ und im Januar 2018 die „Operation Olivenzweig“, in deren Folge die türkische Armee und verbündete islamistische FSA-Kämpfer (FSA = Freie Syrische Armee ) die Stadt Afrin in Syrien Mitte März besetzten. Dabei wurden zehntausende Einwohner vertrieben, zudem kam es zu massiven Plünderungen durch die Rebellen. Seitdem herrscht in der Region angespannte Ruhe, doch gibt es immer wieder Anschläge und Berichte über Übergriffe auf die Bevölkerung (AFP vom 20. Dezember 2018). Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat in einer Ausarbeitung vom Dezember 2018 (WD 2 – 3000 – 183/18) eingeschätzt: „Bei Lichte betrachtet erfüllt die türkische Militärpräsenz in der nordsyrischen Region Afrin sowie in der Region um Asas, al-Bab und Dscharablus im Norden Syriens völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung.“ Die Bundesregierung hat bisher keine völkerrechtliche Einordnung vorgenommen und will auch weiterhin keine Grundlage für eine solche Bewertung haben, obwohl der Bundesminister des Auswärtigen Heiko Maas bereits im März gesagt hatte, dass die türkische Militäroperation „sicherlich nicht mehr im Einklang mit dem Völkerrecht wäre“, wenn türkische Truppen dauerhaft in Syrien bleiben würden (dpa vom 26. Dezember 2018). Nun soll auch östlich des Euphrats aktiv vor allem gegen die kurdische YPG- Miliz vorgegangen werden, die in der Region gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) kämpft. Die Offensive hätte türkische Soldaten in das militärische Einflussgebiet der USA geführt und einen zentralen Konflikt mit Washington verschärfen. Die YPG war bislang im Kampf gegen den IS ein enger Partner der US-Armee (dpa vom 13. Dezember 2018). Mit der Ankündigung von US- Präsident Donald Trump zum Abzug aller US-Soldaten aus Syrien ist der Weg frei für eine neue Offensive der Türkei (AFP vom 20. Dezember 2018). Zudem verliert nach Auffassung der Wissenschaftlichen Dienste (WD 2 – 3000 – 183/18) das Selbstverteidigungsargument „mit der territorialen Schwächung des ‚IS‘ in Syrien sowie mit zunehmendem zeitlichen Abstand zu jener – damals schon umstrittenen – Selbstverteidigungslage, auf die sich die Türkei im Januar Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7699 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2018 berufen hatte, zunehmend an rechtlicher Tragfähigkeit […]. Ob eine türkische Besetzung größerer kurdisch-syrischer Gebiete südlich der türkischen Grenze völkerrechtlich notwendig ist, um die Türkei vor – fortlaufenden – Angriffen durch kurdische Milizen bzw. den „IS“ zu schützen, lässt sich trotz des militärpolitischen Einschätzungsspielraums […] durchaus bezweifeln.“ Lastwagen mit Panzern und schweren Geschützen an Bord sollen bereits in der Grenzprovinz Kilis angekommen und zu türkischen Truppen auf syrischem Gebiet gebracht worden seien. Die türkischen Streitkräfte sollen außerdem die von ihr unterstützte FSA angewiesen haben, mit 14 000 Mann bereitzustehen. Die Türkei unterstützt die FSA (dpa vom 13. Dezember 2018). V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Nach sorgfältiger Abwägung ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, dass die Antworten auf die Fragen 9, 11, 13 und 15 aus Geheimhaltungsgründen nicht in dem für die Öffentlichkeit bestimmten Teil der Antwort der Bundesregierung erfolgen kann. Die Einstufung als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ ist in diesem konkreten Fall im Hinblick auf das Staatswohl erforderlich. Nach § 2 Absatz 2 Nummer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (VSA) sind Informationen , deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann, entsprechend einzustufen.* Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde Informationen zur Erkenntnislage der Nachrichtendienste des Bundes einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dies kann für die wirksame Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Daher werden die Informationen, entsprechend eingestuft, dem Deutschen Bundestag gesondert übermittelt. 1. Inwieweit wurden im Zuge der Operation „Schutzschild Euphrat“ der „Islamische Staat“ (IS) aus vermeintlich den von ihm kontrollierten Gebieten zurückgedrängt (Plenarprotokoll 19/67, Antwort auf die Mündliche Frage 10), vor dem Hintergrund, dass die Offensive der Türkei im August 2016 sich nicht primär gegen den IS richtete, sondern gegen die syrischen Kurden der YPG, nachdem die IS-Kämpfer ihre Stellungen in der Region vorher bereits verlassen hatten (www.focus.de/panorama/welt/panorama-erdogans-syrienplan -mit-diesen-6-luegen-will-er-die-welt-hinters-licht-fuehren_id_10154289. html)? Die Operation „Schutzschild Euphrat“ richtete sich seinerzeit gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ („IS“) und den türkischen Streitkräften gelang es, diesen aus dem Operationsraum zu verdrängen. * Das Auwärtige Amt hat Teile der Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7699 2. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass es sich bei der im Rahmen der Militäroffensive „Schutzschild Euphrat“ zwischen August 2016 und März 2017 durch türkische Truppen besetzten ca. 2 000 Quadratkilometer großen Gebietes im Norden Syriens, welches die Städte Dscharabulus, al-Bab und Asas umfasst und seitdem von der Türkei kontrolliert wird, um eine inzwischen dauerhafte Besetzung handelt ? 3. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass es sich bei der im Rahmen der Militäroffensive „Operation Olivenzweig “ zwischen Januar 2018 und März 2018 durch türkische Truppen besetzten Region Afrin im Norden Syriens und seitdem von der Türkei kontrolliert wird, um eine inzwischen dauerhafte Besetzung handelt? 4. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass die türkische Militärpräsenz in der Region Afrin sowie in der Region um Asas, al-Bab und Dscharablus im Norden Syriens völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung erfüllt? 5. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche ), dass die türkische Militärpräsenz im Norden Syriens allein wegen des Umstandes völkerrechtlich nicht von einem türkischen Protektorat gesprochen werden kann, weil diese türkische Militärpräsenz nicht auf gegenseitigem Einvernehmen mit der syrischen Regierung beruht, sondern eine Militäroffensive der Türkei voranging (WD 2 – 3000 – 183/18)? Die Fragen 2 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung verfügt zur Lage in den genannten Regionen nicht über ein vollständiges Bild. Entscheidend für die Bundesregierung ist, dass in den genannten Regionen die Zivilbevölkerung geschützt und humanitäres Völkerrecht eingehalten wird. 6. Welche aktuellen eigenen Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung über die Selbstverteidigungslage des Nato-Bündnispartners Türkei, bezogen auf Angriffe durch kurdische Milizen bzw. den „IS“ vom Territorium des Staates Syrien? 7. Welche aktuellen Kenntnisse aus anderen Quellen (auch nachrichtendienstlichen ) hat die Bundesregierung über die Selbstverteidigungslage des Nato- Bündnispartners Türkei, bezogen auf Angriffe durch kurdische Milizen bzw. den „IS“ vom Territorium des Staates Syrien? Die Fragen 6 und 7 werden gemeinsam beantwortet. Ein Vorgehen gegen „IS“ bleibt vom kollektiven Selbstverteidigungsrecht im Rahmen der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen , insbesondere Resolution 2249 (2015) vom 20. November 2015, umfasst. Kenntnisse zu konkreten möglichen Angriffskonstellationen liegen der Bundesregierung nicht vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7699 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Inwieweit ist aktuell nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlichen ) eine türkische Besetzung größerer syrischer Gebiete südlich der türkischen Grenze völkerrechtlich notwendig, um die Türkei vor – fortlaufenden – Angriffen durch kurdische Milizen bzw. den „IS“ zu schützen? Die Bundesregierung ermutigt die türkische Regierung, ihre berechtigten Sicherheitsinteressen primär auf politischem und nicht auf militärischem Weg durchzusetzen . Staatspräsident Recep Erdoğan sagte am 24. Januar 2019 öffentlich, die Türkei beabsichtige keine Besatzung in Syrien. 9. Welche Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung, welches technisches Gerät – Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Hubschrauber, Flugzeuge – das türkische Militär auf syrisches Gebiet gebracht hat (bitte möglichst nach Typ, Bezeichnung, Hersteller und Einsatzzweck auflisten)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 10. Welche Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung, mit welcher Truppenstärke (Bodentruppen, Luftstreitkräfte etc.) das türkische Militär derzeit in der Region Afrin sowie in der Region um Asas, al- Bab und Dscharablus im Norden Syriens im Einsatz ist? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung (auch nachrichtendienstliche), ob technisches Gerät wie Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Hubschrauber, Flugzeuge, das von Deutschland an die Türkei ausgeführt wurde, durch das türkische Militär in Syrien zum Einsatz gekommen ist bzw. kommt? Wenn ja, um welches technische Gerät handelt es sich? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 12. Welche Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) hat die Bundesregierung, welche zusätzliche Truppenstärke (Bodentruppen, Luftstreitkräfte etc.) das türkische Militär für den geplanten erneuten Angriff auf syrisches Territorium gebracht hat (dpa vom 13. Dezember 2018)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 13. Welche Gruppierungen der FSA bzw. der Syrischen Nationalen Armee bzw. sonstige islamistische Gruppierungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlichen) im durch türkische Truppen besetzten Norden Syriens, welches die Städte Dscharabulus, al-Bab und Asas umfasst und seitdem von der Türkei kontrolliert wird, mit Einvernehmen der Türkei aktiv (bitte Namen der Gruppierungen, Zahl ihrer Kämpfer und politische Orientierung nennen), und wie stuft sie diese Gruppierungen ein (gemäßigt, radikal, terroristisch o. Ä.)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7699 14. Welche Gruppierungen der FSA bzw. der Syrischen Nationalen Armee bzw. sonstige islamistische Gruppierungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlichen) in der durch türkische Truppen besetzten Region Afrin im Norden Syriens mit Einvernehmen der Türkei aktiv (bitte Namen der Gruppierungen, Zahl ihrer Kämpfer und politische Orientierung nennen), und wie stuft sie diese Gruppierungen ein (gemäßigt, radikal , terroristisch o. ä.)? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. 15. Welche Rolle spielt in der durch türkische Truppen besetzten Region Afrin sowie der Region um Asas, al-Bab und Dscharablus im Norden Syriens die Ende Mai 2018 aus den islamistischen Gruppierungen Faylaq al-Sham, Jaish al-Idlib und Jaish al-Nasr und weiteren Gruppen, die den Muslimbrüdern nahestehende Gruppe gegründete „Nationale Befreiungsfront“ (NLF), die sich im August 2018 unterstützt durch die Türkei mit der „Syrische Befreiungsfront “ vereinigt hat (https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/die-taktikder -tuerkei-in-idlib-8764)? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333