Deutscher Bundestag Drucksache 19/7711 19. Wahlperiode der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bernd Reuther, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/7352 – Auswirkungen der NRMM-Verordnung auf die Binnenschifffahrt Vorbemerkung der Fragesteller Am 14. September 2016 verabschiedete das Europäische Parlament und der Rat die sog. NRMM-Verordnung oder auch Non-Road-Mobile-Machinery-Verordnung (Verordnung (EU) 2016/1628 des Europäischen Parlaments und des Rates). Ziel der Verordnung ist die stetige Reduktion von Emissionen (Kohlendioxid – CO –, Kohlenwasserstoff – HC–, Stickoxide – NOx – und Feinstaub), sowie das Ersetzen der ältesten Motoren durch umweltfreundlichere für mobile NichtStraßenfahrzeuge (bspw. Binnenschiffmotoren). Die Verordnung definiert Grenzwerte für Emissionen von NRMM-Motoren für unterschiedliche Bereiche und Anwendungen. Ab dem 1. Januar 2019 gelten die weltweit strengsten Grenzwerte für Motoren unter 300 kW und ab dem 1. Januar 2020 oberhalb von 300 kW. Aufgrund der Langlebigkeit von Binnenschiffmotoren ist der Markt im Vergleich zu Motoren für Straßenfahrzeug klein. Auf dem europäischen Markt werden jedes Jahr lediglich 150 solcher Motoren verkauft. Das führt dazu, dass die traditionellen Hersteller nur bedingt innovativ sind. Forschung und Entwicklung finanziert sich durch die anschließenden, erwarteten Verkäufe des innovativen Produkts. In einem Markt mit geringen Absatzzahlen (Binnenschiffmotoren) haben Hersteller allerdings keinen Anreiz diesen Schritt zu gehen. In der Folge werden die traditionellen Motorenhersteller keine Produkte ab dem 1. Januar 2020 bereitstellen, die die Grenzwerte der NRMM-Verordnung einhalten. Sollten sie sich dennoch dazu entscheiden, ein solches Produkt auf den Markt zu bringen, wird es voraussichtlich ein Vielfaches eines heutigen Motors kosten. Ein mittelständischer Partikulier wird sich eine solche Investition nicht leisten können. Auf der diesjährigen Fachmesse für die Binnenschifffahrt in Kalkar haben LKW-Motorenhersteller für die Binnenschifffahrt umgebaute Motoren vorgestellt. Es ist vorstellbar, dass diese marinisierten LKW-Motoren die Grenzwerte der NRMM-Verordnung einhalten und in Binnenschiffen verbaut werden können. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 11. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Antwort 13.02.2019 Drucksache 19/7711 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wird es nach Kenntnis der Bundesregierung Motoren für Binnenschiffe über 300 kW auf dem deutschen bzw. europäischen Markt geben, nachdem die NRMM-Verordnung in Kraft getreten ist? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 117 der Abgeordneten Claudia Müller vom 20. Juni 2018 auf Bundestagsdrucksache 19/2922 verwiesen. 2. Wenn ja, sind der Bundesregierung die Kosten für einen solchen Motor bekannt? 3. Wenn nein, welche Motoren sollen zukünftig in Binnenschiffen eingebaut werden, damit die NRMM-Verordnung erfüllt wird (bitte Leistung der Motoren angeben)? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Wie unterscheiden sich nach Kenntnis der Bundesregierung LKW-Motoren von marinisierten LKW-Motoren? Bei der Marinisierung von LKW-Motoren werden die für den Straßenfahrzeugeinsatz konzipierten Motoren für den Betrieb auf einem Binnenschiff angepasst. Die Anpassung kann sich auf verschiedene Komponenten eines Motors beziehen. Gängige Änderungen betreffen u. a.: das Kühlsystem (z. B. Umbau von einem Luftwärmetauscher auf einen Seekastenkühler), die Sicherheitsvorrichtungen zum Schutz vor Verletzungen beim Einsatz der Motoren in einem von der Besatzung begehbaren Maschinenraum (z. B. doppelwandige Hochdruck-Brennstoffleitungen, Kühlung oder Isolation heißer Motorenteile), das Reduzieren von Schutzmechanismen des Motors (z. B. keine automatische Drehzahlreduzierung bzw. automatisches Abschalten des Motors, um die Manövrierfähigkeit des Schiffes zu gewährleisten), den Einbau eines Bypasses. Zu beachten sind die Vorschriften der Richtlinie (EU) 2016/1629 bzw. der Rheinschiffsuntersuchungsordnung. Beide verweisen auf den Europäischen Standard ES-TRIN. Hier sind insbesondere die Kapitel 8 und 9 von Bedeutung. 5. Welche Motorleistung haben Binnenschiffe (große Container- oder Fahrgastschiffe) nach Kenntnis der Bundesregierung auf dem Rhein in der Regel? Die Leistungen der Binnenschiffe auf dem Rhein variieren je nach Aufgabe und Fahrgebiet im Bereich weniger als 100 kW bis zu über 2000 kW bei großen Schiffen und Verbänden. Bezogen auf Schiffe ab Baujahr 1995 haben Gütermotorschiffe eine Leistung von ca. 0,45 bis 1 kW/t (gilt vergleichbar auch für Tankmotorschiffe), Kabinenschiffe eine Leistung von ca. 8 bis 10 kW/Fahrgast und Tagesausflugsschiffe eine Leistung von ca. 1,1 bis 1,5 kW/Fahrgast. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 1. –2– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode –3– 6. Wie viele marinisierte LKW-Motoren benötigt ein großes Container- oder Fahrgastschiff, um auf dem Rhein stromaufwärts zu fahren? Bei einem Einsatz von Lkw-Motoren auf Schiffen ist zwischen Neubau und Nachrüstung zu unterscheiden, weil der zur Verfügung stehende Platz bei Nachrüstungen oft sehr beschränkt ist. Zudem ist das Antriebskonzept zu berücksichtigen. Heute genügt in vielen Fällen eine Einmaschinenanlage, deren Leistung über 600 kW liegt. Dieselelektrische Antriebe, sind als Mehrmotorenanlagen ausgerüstet. Bei Fahrgastschiffen im Tagesausflugs- oder Kabinenverkehr sind Mehrmotorenanlagen im Neubau üblich. Der Leistungsbedarf in der Fahrgastschifffahrt ist mit Ausnahme der großen Kabinenschiffe deutlich geringer als in der Güterschifffahrt. In der Güterschifffahrt ist die erforderliche Laufleistung der Motoren ein Kriterium, das eher für den Einsatz von Motoren der Klassen IWA und IWP spricht. 7. Wie werden mögliche marinisierte LKW-Motoren für den Einbau in Binnenschiffen in Reihe geschaltet? Für den Einsatz von Mehrmotorenanlagen gibt es mehrere Lösungen. Gebräuchlich sind zwei Motoren, die auf eine Antriebswelle geschaltet werden oder ein Konzept, bei dem jeder Motor ein eigenes Propulsionsorgan antreibt. Bei einem dieselelektrischen Antrieb wird vom Dieselmotor ein Generator gespeist, der einen Elektromotor antreibt. Bei dieselelektrischen Antrieben mit mehreren Motoren ist die Funktionsweise analog der reinen Dieselmotorenanlage. Es werden komplexere dieselelektrische Antriebsanlagen eingesetzt, wobei mehrere Dieselmotoren Generatoren antreiben, die sowohl das Bordnetz als auch mehrere Elektromotoren bedarfsgerecht mit Strom versorgen, so dass das Fahrzeug verbrauchsoptimiert nur mit der Leistung angetrieben wird, die zum Vortrieb bzw. Manöver benötigt wird. 8. Welche maximale Laufzeit haben nach Kenntnis der Bundesregierung marinisierte LKW-Motoren (in Kilometern und Stunden)? Die Typgenehmigungsvorschriften für Lkw-Motoren verlangen den Nachweis einer Dauerhaltbarkeit einschließlich der emissionsmindernden Einrichtungen je Motorklasse von 160 000 km bis 700 000 km bzw. 5 bis 7 Jahren. Motoren der Klassen IWP oder IWA nach der Verordnung (EU) 2016/1628 müssen eine Dauerhaltbarkeit von 10 Jahren nachweisen. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 9. Für welche Binnenschiffe sind marinisierte LKW-Motoren nach Kenntnis der Bundesregierung geeignet? Aus technischer Sicht gibt es keine Einschränkungen. Voraussetzung für den Einsatz sind die jeweiligen Antriebskonzepte, der verfügbare Platz und der benötigte Leistungsbedarf. Für einige Einsatzzwecke könnten marinisierte Motoren eine zu geringe Leistung aufweisen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 4 bis 8 verwiesen. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Der Leistungsbedarf sinkt mit zunehmender Größe der Fahrzeuge. Bei den genannten Angaben handelt es sich um gemittelt und gerundete Werte, bei einer Leistung pro eine Tonne Tragfähigkeit bzw. Fahrgast. Drucksache 19/7711 Drucksache 19/7711 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Welche Schwierigkeiten können nach Kenntnis der Bundesregierung beim Einbau von marinisierten LKW-Motoren in einem Binnenschiff auftreten? Bisher wurden keine marinisierten Motoren, die originär für den Einsatz im LKW produziert wurden, im Rahmen der Schiffsuntersuchung vorgestellt. Es liegen daher keine praktischen Erfahrungswerte vor. 11. Welche Rechtsvorschriften müssen angepasst werden, damit ein marnisierter LKW-Motor in ein Binnenschiff eingebaut werden darf? Keine. Es gilt das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit des Einbaus von marinisierten Motoren (BAnz AT 20. Dezember 2018 B7). Ist dieses Verfahren erfolgreich durchlaufen, ist ein Einbau möglich. 12. Welche Typgenehmigungsbehörde wäre für den Einbau von marinisierten LKW-Motoren zuständig? Die für die Typgenehmigungen vom Kraftfahrt-Bundesamt benannten Technischen Dienste. 13. Erwägt die Bundesregierung darauf hinzuwirken, die Grenzwerte der NRMM-Verordnung auf europäischer Ebene anzupassen, sollte es keine geeigneten Motoren für Binnenschiffe ab dem 1. Januar 2020 geben? 14. Erwägt die Bundesregierung eine Fristverlängerung der NRMM-Verordnung auf europäischer Ebene, sollte es keine geeigneten Motoren für Binnenschiffe ab dem 1. Januar 2020 geben? 15. Wird die Flotte der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) eine Vorreiterrolle bei der Umsetzung der NRMM-Verordnung einnehmen? Nein. Nein. Grundsätzlich nimmt die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine Vorreiterrolle bei umweltfreundlichen Antriebssystemen von Wasserfahrzeugen ein. Verschiedene Neubauten mit LNGoder Hybridantriebssystemen sind derzeit beauftragt, ein Pilotprojekt für rein elektrisch betriebene Aufsichts- und Arbeitsschiffe befindet sich in der Entwicklung. 16. Wenn ja, wie wird das umgesetzt? Für alle Neubauten wird die Einhaltung der aktuellen gesetzlichen Grenzwerte gefordert, die technische Lösung obliegt dabei dem Auftragnehmer. Akzeptiert werden u. a. Übergangsmotoren nach der Verordnung (EU) 2016/1628 mit Abgasnachbehandlung. Derzeit werden zusätzlich spezielle Abgasnachbehandlungssysteme verbaut. Die Umrüstung der bestehenden Flotte müsste durch zusätzliche Abgasreinigungssysteme erfolgen. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 10. –4– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wann wird die gesamte WSV-Flotte die in der NRMM-Verordnung festgelegten Grenzwerte einhalten? Die WSV verfügt über ca. 500 motorisierte Wasserfahrzeuge im Binnenbereich. Im Rahmen der Flottenerneuerung werden nur umweltfreundliche normgerechte Antriebsysteme verwendet. Dies gilt ebenfalls für technische notwendige Neumotorisierungen bei der Bestandsflotte. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. 18. Was kostet die Umrüstung der WSV-Flotte mit Motoren, die mit den Grenzwerten der NRMM-Verordnung konform sind? Dies ist im Einzelfall abhängig von dem Wasserfahrzeug und dem individuellen Lösungsweg. Aktuell gibt es für die WSV-Wasserfahrzeuge nur die Möglichkeit der Abgasnachbehandlung. Drucksache 19/7711 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 17. –5– Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333