Deutscher Bundestag Drucksache 19/7781 19. Wahlperiode 14.02.2019 der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Höhn, Christine Buchholz, Dr. Alexander S. Neu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7412 – Kosten für die Sanierung des Segelschulschiffes Gorch Fock Vorbemerkung der Fragesteller Das Segelschulschiff Gorch Fock wurde zuletzt im Jahr 2010 einer Grundsanierung unterzogen. Dennoch ist das Segelschulschiff seit Ende 2015 wegen umfangreicher Instandsetzungsarbeiten nicht einsatzfähig. Die ursprünglichen Kosten haben sich von knapp 10 Mio. Euro auf zuletzt bekannte 135 Mio. Euro katapultiert. Mittlerweile hat die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen, die Instandsetzung der Gorch Fock gestoppt, bis bestehende Korruptionsvorwürfe gegen einen Mitarbeiter des Marinearsenals aufgeklärt sind. Ein Prüfbericht des Bundesrechnungshofs aus dem Januar 2019 kommt zu dem Ergebnis, dass das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) mitverantwortlich sein soll für die Kostenexplosion bei der Instandsetzung der Gorch Fock. Ein Bericht des Havariebeauftragten aus dem Jahr 2011, der den schlechten Zustand des Segelschulschiffs bemängelt, sei ignoriert worden. Ebenso seien der Bundesministerin der Verteidigung falsche Zahlen für die Kosten der Instandsetzung vorgelegt worden. Die Zukunft der Gorch Fock ist derzeit unklar. Aufgrund der dargestellten Situation ergeben sich für die Fragestellerinnen und Fragesteller folgende Fragen. 1. Welche Gesamtkosten und Mehrkosten (verglichen mit dem ursprünglichen Angebot) sind für die Instandhaltung der Gorch Fock seit 2010 angefallen? Im Hinblick auf die Mitteilung des Bundesrechnungshofs an das Bundesministerium der Verteidigung über die Prüfung der Instandsetzung des Segelschulschiffes Gorch Fock vom 3. Januar 2019 sind die diesbezüglichen Untersuchungen im Bundesministerium der Verteidigung sowie in seinem nachgeordneten Bereich noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grund ist zum jetzigen Zeitpunkt eine Beantwortung dieser Frage nicht möglich. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 12. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Antwort Drucksache 19/7781 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Aus welchen Gründen wurde die Gorch Fock im Dezember 2015 in die Werft gebracht? Das Ziel der Depotinstandsetzung 2015 lautete „Wiederherstellen der materiellen Einsatzfähigkeit“. Dieses umfasst Reparaturen, Wartungen und die Realisierung von durchführungsbereiten Produktänderungen (Verbesserung von Wehrmaterial). 3. Welche Arbeiten sollten nach der ursprünglichen Planung, die für die Generalüberholung einer Sprecherin der Marine zufolge sieben Monate vorgesehen hatte, verrichtet werden, und welche Schäden lagen dem zu Grunde? Alle zum Ausschreibungszeitpunkt bekannten Schäden waren Teil der Leistungsbeschreibung, die dem Wettbewerb zugrunde lag. Hierin waren u. a. folgende Instandsetzungen enthalten: – Instandsetzen Takelage, – Grundinstandsetzung Getriebe, – Grundinstandsetzung von drei E-Diesel-Motoren, – Grundinstandsetzung von zwei Kaltwassersätzen, – Instandsetzen Klima- und Lüftungsanlage, – Instandsetzen Außenhautbeplattung in dem damals bekannten Umfang, – Instandsetzen Schornstein. Des Weiteren wurden Dienstleistungen (Hilfeleistungen bei sicherheitstechnischen Prüfungen, der Liegeplatz, die Einhausung usw.) und die Durchführung von Produktänderungen beauftragt. 4. Wie hoch werden die Kosten für die aktuelle Sanierung der Gorch Fock in der Elsflether Werft beziffert? Das Gesamtbudget beläuft sich für die aktuelle Sanierung der Gorch Fock auf 135 Mio. Euro. 5. Wie hoch sind die bereits verausgabten Mittel für die aktuelle Instandsetzung der Gorch Fock? Im Vorhaben sind mit Stichtag 2. Januar 2019 Haushaltsmittel in Höhe von rund 69 Mio. Euro für Instandsetzungsleistungen verausgabt worden. 6. Bei welchem Betrag liegt die Kostenobergrenze, die mit der Elsflether Werft vereinbart wurde? Die Kostenobergrenze, die mit der Elsflether Werft AG vereinbart wurde, liegt bei brutto 128 Mio. Euro. 7. Sieht die Elsflether Werft sich nach Kenntnis der Bundesregierung in der Lage, eine vollständige Instandsetzung der Gorch Fock in diesem Kostenrahmen durchzuführen? Nach Ablösung des Vorstands der Elsflether Werft AG liegen hierzu noch keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 2. –2– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gibt es das Bemühen der Werft, die Kostenobergrenze nachzuverhandeln, und wäre die Bundesregierung dazu bereit? Auf die Antwort auf die Frage 7 wird verwiesen. 9. Warum wurde der Auftrag der Elsflether Werft erteilt, obwohl das Schiff anschließend in Bremerhaven in ein Schwimmdock gebracht wurde (Bredo)? Der Elsflether Werft AG wurde der Zuschlag im Rahmen eines Vergabeverfahrens erteilt. 10. Wie viele Werften in Deutschland und in der Europäischen Union sind nach Einschätzung der Bundesregierung in der Lage, Segelboote wie die Gorch Fock zu sanieren? Alle fünf Werften, die sich für die Instandsetzung der Gorch Fock im Vergabeverfahren beworben haben, sind in der Lage, Segelschiffe wie die Gorch Fock instand zu setzen. Darüber hinaus haben sich keine Werften aus der Europäischen Union beworben. Wie viele Werften im europäischen Ausland dazu in der Lage wären, ist nicht bekannt. 11. Wie viele Angebote wurden eingeholt für die aktuelle Sanierung der Gorch Fock? Im Rahmen der Ausschreibung der planmäßigen Instandsetzungsleistungen der Gorch Fock im Jahr 2015 forderten fünf Bewerber die Ausschreibungsunterlagen an. Zum Angebotsschlusstermin lagen fünf Angebote vor, die alle gewertet wurden. 12. Welche Stelle hat die Entscheidung getroffen, die Elsflether Werft mit der aktuellen Sanierung zu beauftragen? Das Marinearsenal hat als zuständige Vergabestelle nach Auswertung des Wettbewerbsverfahrens durch die Zuschlagskommission die Instandsetzung der Gorch Fock an den Gewinner dieses Verfahrens, die Elsflether Werft, vergeben. 13. Aus welchen Gründen hat die Elsflether Werft den Auftrag erhalten, wenn die Instandsetzungen, die zwischen 2010 und 2013 von der besagten Werft vorgenommen wurden, rund 250 Prozent teurer waren als im ursprünglichen Angebot veranschlagt? Die Elsflether Werft AG gab bei allen Ausschreibungen jeweils das wirtschaftlichste Angebot ab. 14. Welche Fehler wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bei der aktuellen Sanierung in der Elsflether Werft gemacht? 15. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass der ursprüngliche Kostenrahmen für die Instandsetzung nach heutigen Zahlen um das über Zehnfache höher liegt als ursprünglich geplant? 16. Warum ist damals keine vollständige Untersuchung der Gorch Fock und des technischen Zustands verabredet worden, bevor der Auftrag zur Generalüberholung erteilt wurde? Drucksache 19/7781 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 8. –3– Drucksache 19/7781 –4– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wie erklärt sich der Unterschied von 75 Mio. Euro, wie zwischenzeitlich im BMVg anvisiert, zu 135 Mio. Euro, die im März 2018 kommuniziert worden sind für die Instandsetzung? 18. Hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass die ursprünglich veranschlagte Summe für die Instandsetzung bewusst auf eine Summe knapp unter 10 Mio. Euro taxiert wurde? 19. Aus welchem Grund wurden bis Ende 2017 Instandsetzungsarbeiten im Wert von 45 Mio. Euro durchgeführt und weitere Arbeiten im Wert von 28 Mio. Euro beauftragt, obwohl das gesamte Ausmaß der notwendigen Arbeiten noch nicht klar war, also eine kaufmännische Abwägung „Reparatur oder Neubau“ so nicht möglich war? 20. Wieso sind die umfangreichen Arbeiten, die jetzt zusätzlich durchgeführt werden müssen und so Gesamtkosten von geschätzt 135 Mio. Euro verursachen, nicht ausgeschrieben worden? Die Fragen 14 bis 20 werden gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen. 21. Hat die Bundesregierung Hinweise darauf, dass zwischen Beschäftigten der Elsflether Werft und Beschäftigten der Marine persönliche Beziehungen existieren, die bei der Entscheidung für die Elsflether Werft eine Rolle gespielt haben könnten? Aufgrund aktueller staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen können hierzu keine Aussagen getroffen werden. 22. Wie viele NATO-Staaten verfügen über ein oder mehrere Segelschulschiffe in der Größenordnung der Gorch Fock? Neben Deutschland verfügen noch acht weitere NATO-Staaten über grundsätzlich vergleichbare Segelschulschiffe, die allerdings nur teilweise den Streitkräften der Staaten zugeordnet sind. Diese Staaten sind Italien (Marine – AMERIGO VESPUCCI), Portugal (Marine – SAGRES), USA (U. S. Coast Guard – EAGLE), Rumänien (Marine – MIRCEA), Spanien (Marine – JUAN SEBASTIAN DE ELCANO), Polen (Handelsmarine – DAR MLODZIEZY), Dänemark (Handelsmarine – DANMARK) sowie Norwegen (ziviler Betreiber bzw. Stiftung – Staatsraad LEMKUHL und CHRISTIAN RADICH). Keines dieser Segelschulschiffe verfügt über einen zur Gorch Fock vergleichbaren Sicherheitsstandard, insbesondere für das Arbeiten in der Takelage. 23. Welche Aspekte der „seemännischen Basisausbildung“ sind ohne ein Segelschulschiff nicht ausreichend zu vermitteln, und wie könnten diese Fähigkeiten alternativ vermittelt werden? Die aus den baulichen Besonderheiten eines Segelschulschiffes resultierenden Spezifika des Lebens- und Arbeitsumfeldes – wie die beengte Unterbringung auf einer bewegten Plattform, das individuelle und gemeinsame Arbeiten auf einem freien Deck, die Arbeit mit Segeln und Tauen und insbesondere die Arbeit in der Takelage – bilden in ihrer Gesamtheit ein Alleinstellungsmerkmal und das Kernelement der seemännischen Basisausbildung auf einem Segelschulschiff (der Gorch Fock). Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 17. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode –5– Die Ausbildung auf einem Segelschulschiff vermittelt diese Grundlagen in einer Art und Weise, wie sie auf modernen Schiffen nicht vermittelt werden kann – unabhängig von den Innovationszyklen technologischer Entwicklung. Dies gilt umso mehr im Zeitalter der Digitalisierung und Technikgläubigkeit. Die See verzeiht kein leichtfertiges Vertrauen in den vermeintlichen Schutz moderner Technik. Die Ausbildung auf einem Segelschulschiff bereitet die Offizieranwärterinnen und Offizieranwärter als die angehenden Führungskräfte der Marine wie keine andere Alternative vergleichbar vor, ihrer unteilbare Verantwortung für Mensch und Material auf sich allein gestellt, ob im Gefecht oder im Grundbetrieb auf Hoher See, unter extremen Belastungen und Umweltbedingungen auch in Grenzsituationen gerecht werden zu können. Hier finden Theorie und Simulation natürliche Grenzen. Alle bisherigen, aufgrund der Nichtverfügbarkeit der Gorch Fock, etablierten Alternativen erreichen die oben aufgeführten Ausbildungsziele nur sehr eingeschränkt und wenn überhaupt, dann nur für einen Teil einer Offiziercrew. 24. Sind die Leistungen für die Tender Werra und Elbe, die 2017 und 2018 bei der Elsflether Werft repariert oder überholt wurden, ausgeschrieben worden? 25. Konnte sich die Elsflether Werft in beiden Fällen aufgrund des niedrigsten Preises durchsetzen? Ja. Die Elsflether Werft AG konnte sich in beiden Fällen durchsetzen, weil sie bei diesen Ausschreibungen jeweils das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte. 26. Wurde am Ende bei beiden Werftliegezeiten mehr repariert bzw. instandgesetzt, als ursprünglich ausgeschrieben bzw. in Auftrag gegeben wurde? Im Zuge der Durchführung der Arbeiten wurde zusätzlicher Instandsetzungsbedarf erkannt. 27. War am Vergabeprozess der gleiche Mitarbeiter des Marinearsenals beteiligt wie der, gegen den die Staatsanwaltschaft Osnabrück derzeit ermittelt? Auf die Antwort zu Frage 21 wird verwiesen. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Dabei steht die Vermittlung seemännischer, nautischer und meteorologischer Kenntnisse und Fertigkeiten unter den besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen auf Hoher See im Vordergrund. Das Erfahren und Abschätzen der Einflüsse der See wie Wellengang, Wetter, Kälte und Nässe auf die Arbeitsfähigkeit einer Besatzung sind dabei unverzichtbare Bestandteile. Diese vermitteln den jungen Offizieranwärterinnen und Offizieranwärtern, die regelmäßig über keinerlei oder nur wenig Seefahrtserfahrung verfügen, einen ersten und ungefilterten Eindruck von den besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen auf Hoher See und ihrer eigenen Rolle als Teil einer Schiffsbesatzung (Team). Je individueller, technisierter und anspruchsvoller junge Menschen in die Marine kommen, desto wichtiger ist das Schaffen einer maritimen Grundbefähigung als gemeinsamen Abholpunkt. Drucksache 19/7781 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333