Deutscher Bundestag Drucksache 19/7783 19. Wahlperiode der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Luksic, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/7394 – Verstaatlichung von Toll Collect und Einführung der PKW-Maut Vorbemerkung der Fragesteller Die Bundesregierung bereitet seit Ende 2016 das Vergabeverfahren zum Weiterbetrieb der LKW-Maut nach 2018 vor. Gleichzeitig versucht sie seit Juni 2015, die PKW-Maut in Deutschland auf den Weg zu bringen. Dies und die Ende des Jahres 2018 abgeschlossene Vergabe an das Firmenkonsortium aus Kapsch und CTS Eventim wurden seitdem mehrfach verschoben, auch weil die Europäische Kommission Bedenken hatte. Diese Bedenken endeten im Oktober 2017 in Rechtsstreitigkeiten mit der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande über deren Europarechtskonformität. Seit 2013 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) 48 Mio. Euro für Beratungsleistungen für die LKW- und die PKW-Maut aus Steuergeldern verbraucht. Die Bundesregierung hat nun mit ihrer Aufhebung des Vergabeverfahrens für Toll Collect im Januar 2019 entgegen vorheriger Pläne entschieden, den LKW-Mautbetrieb zu verstaatlichen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer spricht in diesem Kontext von Synergien, die sich aus dem Eigenbetrieb der LKW-Maut für den geplanten Betrieb der PKW-Maut bis Oktober 2020 ergeben sollen. Das Bundesverkehrsministerium hat dafür eine theoretische Neuberechnung der vorläufigen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung „LKW-Maut 2018+“ bei der Beratungsgesellschaft KPMG in Auftrag gegeben und nun aufgrund des vorliegenden 30-seitigen Gutachtens den Eigenbetrieb der LKW-Maut durch den Bund beschlossen. Laut Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer konnten nur so Synergien zwischen den beiden Mautsystemen zugunsten der PKW-Maut realisiert werden. 1. Ist es richtig, dass im Vergabeverfahren zum Aufbau und Betrieb des PKWMautsystems die letzten Bieter im Verfahren, der österreichische Mautsystem-Anbieter Kapsch TrafficCom AG sowie das Ticketunternehmen CTS Eventim, im November 2018 ein finales Angebot abgegeben haben? 2. Hat dieses Angebot Ende November über dem Haushaltsrahmen von 2,08 Mrd. Euro gelegen? Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 12. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Antwort 14.02.2019 Drucksache 19/7783 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gab es in der Folge weitere Verhandlungen zwischen den Unternehmen und dem Bund mit dem Ziel, die Kosten für das o. g. Konsortium zu senken, indem „Synergien“ mit Toll Collect geschaffen werden? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Aufgrund der Vertraulichkeit des Vergabeverfahrens kann gemäß § 5 Absatz 2 Satz 2 VgV auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens zu den Fragen nicht Stellung genommen werden. Im Bundeshaushalt 2018 waren im Kapitel 12 01 Titelgruppe 03 Titel 532 34 für die Jahre 2020 bis 2032 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von insgesamt 2 080 000 000 Euro für die Ausgaben für den Einzug der Infrastrukturabgabe vorgesehen. Die beiden im Jahr 2018 geschlossenen Verträge zur Kontrolle und Erhebung der Infrastrukturabgabe liegen in diesem haushaltsrechtlichen Rahmen. 4. Wo sieht das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Synergieeffekte zwischen LKW- und PKW-Maut, und wie hoch beziffert es die jeweils möglichen Einsparungen? Es wird auf die theoretische Neuberechnung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung verwiesen, die auf der Internetseite des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur veröffentlicht ist (www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/ StV/theoretische-Neuberechnung-vWU.pdf). 5. Inwiefern haben die Kapsch TrafficCom Aktiengesellschaft und CTS Eventim seit Ende November 2018 ihr Angebot für Aufbau und Betrieb der Infrastrukturabgabe verändert? Aufgrund der Vertraulichkeit des Vergabeverfahrens kann gemäß § 5 Absatz 2 Satz 2 VgV auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens zu der Frage nicht Stellung genommen werden. 6. Inwiefern plant die Bundesregierung, dass Toll Collect seine Kontrollbrücken sowie seine Ticketautomaten an Tankstellen und Grenzübergängen dem Betreiber der PKW-Maut zur Verfügung stellt? Der Vertrag über die Planung, Entwicklung, Errichtung, den Betrieb und die Unterhaltung des automatischen ISA-Kontrollerrichtungssystems sieht die Möglichkeit einer Mitnutzung der Kontrollbrücken der Toll Collect GmbH vor. Der Vertrag über die Entwicklung, den Aufbau und den Betrieb eines Systems für die Erhebung der Infrastrukturabgabe sieht die Möglichkeit der Mitnutzung des physischen Zahlstellennetzes der Toll Collect GmbH vor. 7. Soll der PKW-Maut-Betreiber nach Plänen der Bundesregierung für die Nutzung der Kontrollbrücken und Ticketautomaten eine anteilige Nutzungsgebühr entrichten, und wenn ja, in welcher Höhe? 8. Soll Toll Collect von dem oben genannten Konsortium das Risiko übernehmen, wenn diese Geräte ausfallen? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zu Vertragsinhalten, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen berühren, ist eine Auskunft aus rechtlichen Gründen keine Auskunft möglich. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 3. –2– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Hat das Bundesverkehrsministerium bei den Ausschreibungen für die LKWMaut und Infrastrukturabgabe den Zugang zu den Kontrollbrücken von Toll Collect und die Nutzung der zugehörigen Daten- und Stromleitungen für den Infrastrukturabgabenbetreiber berücksichtigt, und wenn nein, war dies ein Grund für die Entscheidung, die LKW-Maut im Eigenbetrieb zu führen? Die Vergabeunterlagen in den Vergabeverfahren zur Lkw-Maut und zur Infrastrukturabgabe sahen die Mitnutzung der Kontrollbrücken der Lkw-Maut für die Kontrolle der Infrastrukturabgabe vor, jedoch nicht die Mitnutzung der Datenund Stromleitungen der Kontrollbrücken. 10. Welche Befürchtungen hat das BMVI bezüglich des „Dreiecksverhältnisses“ (BMVI, Toll Collect und Betreiber PKW-Maut) in Bezug auf die Daten- und Stromleitungen der Mautbrücken, und wieso hat das BMVI keine klaren vertraglichen Strukturen in die Ausschreibungen für LKW- und PKW-Maut angelegt, um Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu gewährleisten? Ein vertragliches Dreiecksverhältnis zwischen dem Bund, der Toll Collect GmbH in privater Eigentümerschaft und dem Betreiber der Kontrolltechnik der Infrastrukturabgabe in Bezug auf die Daten- und Stromleitungen wäre angesichts der Relevanz der Stromversorgung für das Funktionieren der jeweiligen technischen Kontrollsysteme sowie der betroffenen sensiblen Daten streitanfällig. Es hätte ein hohes Risiko für Streitigkeiten u. a. über die Verantwortlichkeit und Haftung im Fall von Störungen bestanden. 11. Ist durch eine neue Aufgabenteilung das Geschäftsrisiko der Kapsch TrafficCom AG und CTS Eventim aus Sicht der Bundesregierung gesunken? Die Bundesregierung nimmt keine Einschätzung des Geschäftsrisikos der Kapsch TrafficCom AG und CTS Eventim vor. 12. Würden Sanktionen vertraglich festgelegt, falls die PKW-Maut nicht bis zum anvisierten Datum Oktober 2020 realisiert ist, und wenn ja, wie sehen diese Sanktionen aus? Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. 13. Was waren für die Bundesregierung die entscheidenden Faktoren für die Vergabe des PKW-Mautsystems an das Konsortium der Firmen Kapsch TrafficCom und CTS Eventim? Aufgrund der Vertraulichkeit des Vergabeverfahrens kann gemäß § 5 Absatz 2 Satz 2 VgV auch nach Abschluss des Vergabeverfahrens zu den Fragen nicht Stellung genommen werden. 14. Inwieweit ist der Zeitplan für die Inbetriebnahme der PKW-Maut vom Eigenbetrieb der LKW-Maut durch den Bund abhängig? Zeitplan für die Inbetriebnahme der Infrastrukturabgabe ist vom Eigenbetrieb der LKW-Maut durch den Bund unabhängig. Drucksache 19/7783 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 9. –3– Drucksache 19/7783 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wie rechtfertigt die Bundesregierung die bereits angelaufene Einrichtung des PKW-Mautsystems angesichts drohender Entschädigungszahlungen an die Betreiberfirma, sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Mitte dieses Jahres den Klagen Österreichs und der Niederlande stattgeben und die deutsche PKW-Maut als europarechtswidrig einstufen? Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat Deutschland in Sachen Infrastrukturabgabe Recht gegeben und klar die deutsche Rechtsauffassung bestätigt. Die Bundesregierung geht daher davon aus, dass der EuGH die Rechtmäßigkeit der Infrastrukturabgabe bestätigen wird. 16. Kann die Bundesregierung dann, und insbesondere in Anbetracht der Wegekosten-Richtlinie 1992/62/EG, ausschließen, dass es in den nächsten Jahren zu einer streckenbezogenen PKW-Maut in Deutschland kommen wird, sollte der EuGH die aktuell geplante Infrastrukturabgabe für nicht europarechtskonform halten? Das BMVI ist der Auffassung, dass die EU-Mitgliedstaaten weiterhin die Freiheit haben müssen zu entscheiden, ob sie zeitbezogene oder streckenbezogene Mautsysteme betreiben. Das BMVI lehnt Modelle wie die zwingende streckenbezogene Pkw-Maut ab. 17. Warum hat es die Bundesregierung versäumt, in der Ausschreibung für die LKW-Maut 2018 die Nutzung der Kontrollbrücken durch den Betreiber der geplanten Infrastrukturabgabe festzuschreiben? Es wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 18. Wie rechtfertigt die Bundesregierung angesichts ihres Rückzugs aus dem Vergabeverfahren die bis dahin hohen Kosten für Beraterverträge für LKWund PKW-Maut? Es wird auf die Ausschussdrucksache 19(15)168 des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages verwiesen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 15. –4–