Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 14. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7816 19. Wahlperiode 15.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Cornelia Möhring, Gökay Akbulut, Doris Achelwilm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7134 – Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul- Konvention) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit dem 1. Februar 2018 ist in Deutschland das rechtlich bindende „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ in Kraft. Mit dem auch als Istanbul-Konvention bekannten völkerrechtlichen Vertrag sollen verbindliche Rechtsnormen gegen Gewalt gegen Frauen und gegen häusliche Gewalt geschaffen werden (www. bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl 217s1026.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl217s1026.pdf %27%5D__1532419788062). Das Übereinkommen wurde von den Vertragsstaaten in dem Bewusstsein getroffen , dass Frauen und Mädchen „häufig schweren Formen von Gewalt wie häuslicher Gewalt, sexueller Belästigung, Vergewaltigung, Zwangsverheiratung , im Namen der sogenannten ,Ehre‘ begangener Verbrechen und Genitalverstümmelung ausgesetzt sind“, und dass diese Gewalt einer der „entscheidenden sozialen Mechanismen ist, durch den Frauen in eine untergeordnete Position gegenüber Männern gezwungen werden“ (vgl. https://rm.coe.int/1680462535, S. 2). In Deutschland ist Gewalt an Frauen ein großes Problem und ein wesentlicher Faktor bei der Verhinderung der Gleichstellung der Geschlechter. Besorgniserregend ist, dass nach den neuesten Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik die Gewalt an Frauen in Deutschland zunimmt, zumindest im Bereich der häuslichen Gewalt (www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/ Lagebilder/Partnerschaftsgewalt/partnerschaftsgewalt_node.html). So wurden der Statistik nach 138 893 Personen erfasst, die Opfer von Partnerschaftsgewalt wurden, davon waren 113 965 weiblich. „Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu fast 100 Prozent weiblich, bei Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es fast 90 Prozent. Bei vorsätzlicher , einfacher Körperverletzung sowie bei Mord und Totschlag in Paarbeziehungen sind 81 Prozent der Opfer Frauen“ (www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/ gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt/haeuslichegewalt /80642?view=DEFAULT). Aktuelle Zahlen zum Dunkelfeld, zu digitaler Gewalt oder auch zu Tötungsdelikten außerhalb von Beziehungen legt die Bundesregierung nicht vor. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention ist Deutschland allerdings verpflichtet, umfassende Daten zu Gewalt an Frauen zu erheben. Zudem erfordert die Umsetzung der Konvention von der Bundesregierung nicht nur zahlreiche Verbesserungen für den Schutz und die Unterstützung von Menschen , die von Gewalt betroffen sind, sondern auch das Schaffen einer umfassenden Struktur für die Umsetzung der Konvention. Dazu gehören die Einrichtung von Koordinierungs- und Monitoringstellen, das Erstellen von Aktionsplänen , die Evaluierung von Maßnahmen und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft . Obwohl die Konvention seit fast einem Jahr in Kraft ist, sind noch keine diesbezüglichen Maßnahmen der Bundesregierung bekannt bzw. wurde noch kein Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention veröffentlicht. Mit den folgenden Fragen möchten die Fragesteller den derzeitigen Stand der Umsetzung der Istanbul-Konvention erfahren. 1. Fallen nach Ansicht der Bundesregierung neben heterosexuellen, lesbischen oder bisexuellen Frauen und Mädchen, deren Geschlechtsidentität mit dem weiblichen biologischen Geschlecht übereinstimmt, sowie Transfrauen und Transmädchen auch intersexuelle Menschen in den Anwendungsbereich der Konvention (vgl. Artikel 3)? Artikel 2 der Konvention stellt klar, dass das Übereinkommen auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt gegen Frauen anzuwenden ist; Frauen im Sinne der Konvention sind auch Mädchen (Artikel 3 Buchstabe f). Darüber hinaus werden die Vertragsparteien dazu ermutigt, dieses Übereinkommen auf alle Personen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, auch unabhängig von deren Geschlecht, anzuwenden. In Artikel 3 Buchstabe e ist festgelegt, dass „Opfer“ im Sinne der Konvention eine natürliche Person bezeichnet; folglich sind grundsätzlich auch intergeschlechtliche Personen vom Anwendungsbereich der Konvention umfasst. Durch die Verwendung des Wortes „ermutigt“ in Artikel 2 Absatz 2 wird klargestellt , dass das Übereinkommen den Mitgliedstaaten in den Bereichen von Kapitel III („Prävention“) und Kapitel IV („Schutz und Unterstützung“) großen Spielraum in der Durchführung von Maßnahmen für alle Opfer von häuslicher Gewalt einräumt. Die Verpflichtungen aus den Kapiteln V („Materielles Recht“), VI („Ermittlungen, Strafverfolgung, Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen“) und VII („Migration und Asyl“) sind hingegen grundsätzlich geschlechtsneutral formuliert und somit geschlechtsneutral durchzuführen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich mit der Ratifikation der Konvention, die erforderlichen „Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz des Rechts jeder Person , insbesondere von Frauen, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich frei von Gewalt zu leben“, zu ergreifen. Die Durchführung des Übereinkommens ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des biologischen oder sozialen Geschlechts, der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität sicherzustellen . Dabei gelten besondere Maßnahmen zur Verhütung von ge- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7816 schlechtsspezifischer Gewalt und zum Schutz von Frauen vor solcher Gewalt nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens (vgl. Artikel 4 Absätze 1, 3 und 4 der Konvention). 2. Welche Gesamtstrategie ist für die Umsetzung der Hauptregelungsbereiche der Istanbul-Konvention (Strukturentwicklung, Prävention, Schutz und Unterstützung , materielles Straf- und Zivilrecht, Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen , Asyl und Migration) geplant (vgl. Artikel 7)? 3. Für wann plant die Bundesregierung einen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention? a) Wann wird dieser veröffentlicht, und wie hoch sind die hierfür bereitgestellten finanziellen Mittel (vgl. Artikel 7 und 8)? b) Welche konkreten Ziele wird der Aktionsplan umfassen? c) Mit welchen konkreten Maßnahmen und Formaten wird die Zivilgesellschaft in die Erstellung des Aktionsplans einbezogen? 4. Gibt es für das im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD genannte Aktionsprogramm zur Prävention und Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder einen Aktionsplan? a) Wenn ja, wann wird dieser veröffentlicht werden, und wie hoch sind die hierfür zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel (vgl. Artikel 7)? b) Wenn ja, wie wurde die Zivilgesellschaft hier miteinbezogen (vgl. Artikel 9)? Die Fragen 2 bis 4 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Deutschland erfüllt bereits die Anforderungen der Istanbul-Konvention. Nach nationalem Recht darf Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag erst dann ratifizieren , wenn dieser vollständig umgesetzt ist. Mit dem Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutschland am 1. Februar 2018 ist es dauerhafte Aufgabe aller staatlichen Ebenen – Bund, Länder und Kommunen –, auch in Zukunft die Verpflichtungen der Istanbul-Konvention weiter umzusetzen. Der Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode sieht dazu in Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) die Erarbeitung eines Aktionsprogramms der Bundesregierung als umfassende Gesamtstrategie zur Prävention und Unterstützung für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder und zur Verbesserung der Hilfestrukturen vor. Wichtige Bausteine dieses Aktionsprogramms sind der von Frau Bundesministerin Dr. Giffey ins Leben gerufene Runde Tisch von Bund, Ländern und Kommunen „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ und ein 2019 beginnendes Bundesförderprogramm . Am Runden Tisch, der am 18. September 2018 seine Arbeit aufgenommen hat, arbeiten Bund, Länder und Kommunen in gemeinsamer Verantwortung, aber jeweils in ihrer Zuständigkeit gemeinsam daran, wie sie den bedarfsgerechten Ausbau , die finanzielle Absicherung und die Weiterentwicklung der Hilfeinfrastruktur für gewaltbetroffene Frauen mit ihren Kindern voranbringen können. Zum Runden Tisch beziehungsweise den diesen begleitenden Fachworkshops werden je nach thematischer Schwerpunktsetzung auch Expert/innen aus den Vernet- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode zungsstellen des Hilfesystems auf Bundesebene und Nichtregierungsorganisationen sowie Expert/innen aus Wissenschaft und Praxis eingeladen, ihre Perspektiven einzubringen. Mit dem Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ will der Bund im Rahmen seiner Förderkompetenzen die Erprobung von Konzepten zur Schließung der bekannten Lücken im Hilfesystem unterstützen. Dazu gehören die Verbesserung des Zugangs zum Unterstützungssystem und der Versorgung für bislang unzureichend erreichte Zielgruppen, wie beispielsweise Frauen mit Behinderungen , sowie innovative Praxismodelle der Unterstützung bei Gewaltbetroffenheit . Ziel ist es, zu einem bedarfsgerechten Ausbau der Angebote der Frauenhäuser sowie der entsprechenden ambulanten Fachberatungsstellen beizutragen . Das Bundesförderprogramm ist fester Tagesordnungspunkt des Runden Tisches. Der Haushalt des BMFSFJ für 2019 sieht 6,1 Mio. Euro für das Bundesförderprogramm vor. Es ist beabsichtigt, das Bundesförderprogramm über mehrere Jahre fortzuführen. Aktuell werden hierfür die notwendigen Grundlagen und Förderrichtlinien geschaffen. Im Jahr 2019 werden erste innovative und modellhafte Projekte sowie Begleitmaßnahmen durchgeführt werden, die für das gesamte Hilfe- und Beratungssystem relevant sind. Ab dem Jahr 2020 können die zur Verfügung stehenden Gelder entsprechend der dann geltenden Förderrichtlinien in Anspruch genommen werden, wobei ab 2020 neben nicht-investiven Maßnahmen auch die Förderung investiver Maßnahmen möglich sein soll. In Federführung des BMFSFJ wird außerdem ein Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vorbereitet , der die aktuellen und geplanten Maßnahmen der gesamten Bundesregierung im Sinne einer Gesamtstrategie auf Bundesebene bündelt. Es ist geplant, die Zivilgesellschaft bzw. die maßgeblichen Nichtregierungsorganisationen auf Bundesebene bei der Konzeption dieses Aktionsplans, beispielsweise in Form einer Anhörung, einzubeziehen. Der nähere Zeitplan sowie weitere Einzelheiten zu den Formaten der Beteiligung stehen noch nicht fest. Die vielfältigen Maßnahmen des Bundes, die unmittelbar oder mittelbar der Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen dienen, sind grundsätzlich in den jeweiligen Einzelplänen der Fachressorts verankert. Dies wird auch für die Maßnahmen gelten, die in den geplanten Aktionsplan aufgenommen werden sollen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7816 5. Wie ist der derzeitige Stand bezüglich der Einrichtung einer Koordinierungsstelle der Istanbul-Konvention (vgl. Artikel 9 bis 11)? a) Wo wird diese angesiedelt sein? b) Welche Personalressourcen plant die Bundesregierung hierfür ein? 6. Plant die Bundesregierung die Einrichtung einer speziellen Monitoringstelle, ähnlich wie bei anderen UN-Konventionen, z. B. UN-Behindertenrechtskonvention oder UN-Kinderrechtskonvention (vgl. Artikel 10)? a) Wenn ja, wo wird diese angesiedelt sein? b) Wenn ja, in welcher Höhe werden dafür finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt? Die Fragen 5 und 6 werden aufgrund des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet . Die Aufgabe, Monitoring- und Koordinierungsstrukturen zur Umsetzung der Istanbul -Konvention aufzubauen bzw. bestehende Strukturen weiterzuentwickeln, trifft Bund und Länder gleichermaßen. Die in Artikel 10 genannten Aufgaben der Koordinierungsstelle auf Bundesebene werden zurzeit durch die zuständigen Bundesressorts gemeinsam wahrgenommen . Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben nutzen die Bundesressorts unter anderem verschiedene Bund-Länder-Arbeitsgruppen bzw. Arbeitsgruppen von Bund, Ländern und Nichtregierungsorganisationen wie zum Beispiel die Bund-Länder- Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt, die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU) und die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung “. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu Artikel 10 und 11 in der Denkschrift zu dem o. g. Übereinkommen, Bundestagsdrucksache 18/12037, S. 53 ff. verwiesen. BMFSFJ wird gemeinsam mit den anderen zuständigen Ressorts prüfen, ob und durch welche strukturellen Maßnahmen sich die Koordinierung, die Beobachtung und Bewertung der Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im Sinne von Artikel 7 bis 11 der Istanbul- Konvention auf Bundesebene noch weiter verbessern lassen. Auch erhalten Länder, Nichtregierungsorganisationen , Fachverbände und Zivilgesellschaft Gelegenheit, ihre Anregungen in den Prozess einzubringen. So ist die bundesweite Umsetzung der Istanbul- Konvention aktuell auch ein Schwerpunktthema der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt. 7. Durch welche konkreten Maßnahmen wird gewährleistet, dass im Haushalt ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um eine langfristige und nachhaltige Umsetzung der Istanbul-Konvention sowie eine flächendeckende Finanzierung eines spezialisierten Hilfesystems zu garantieren (vgl. Artikel 7, 8, 22 und 23)? Die Bereitstellung und Finanzierung eines spezialisierten Hilfesystems liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Länder und Kommunen, die für diese Aufgabe bereits in erheblichem Umfang Mittel bereitstellen. Auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 wird im Übrigen verwiesen. Darüber hinaus sollen im Rahmen der jeweiligen Ressortzuständigkeit weiterhin kontinuierlich Vorhaben im Themenfeld Gewalt gegen Frauen durchgeführt werden . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die vom BMFSFJ geförderten Koordinierungsstellen Frauenhauskoordinierung (FHK) und der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) sind wichtige Vernetzungsorgane sowohl für die Frauenhäuser als auch für die ambulanten Frauenberatungsstellen in Deutschland, die sich mit den Themen häusliche und sexuelle Gewalt gegen Frauen beschäftigen. In der Förderperiode 2019 – 2021 stellt die Begleitung der Istanbul-Konvention durch diese Vernetzungsstellen einen wichtigen Handlungsschwerpunkt dar. 8. Welche Studien plant die Bundesregierung im Bereich der Forschung zu Gewalt gegen Frauen, von wem sollen sie durchgeführt werden, und plant die Bundesregierung die Einrichtung eines unabhängigen Forschungsinstituts zur Erforschung von Gewalt gegen Frauen (vgl. Artikel 11)? Wegen der Umsetzung von Artikel 11 der Konvention wird auf die Erläuterungen zu Artikel 11 in der Denkschrift zu dem o. g. Übereinkommen, Bundestagsdrucksache 18/12037, S. 54 ff. verwiesen. Im Zusammenhang mit dem Bundesförderprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ sollen auch Maßnahmen im Bereich der Forschung zu Gewalt gegen Frauen berücksichtigt werden. Auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 wird verwiesen . Soweit sich die Frage auf die Planung der Einrichtung eines Forschungsinstituts bezieht, wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 6 verwiesen. 9. Mit welchen konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention, die Zivilgesellschaft miteinzubeziehen (vgl. Artikel 9)? Auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 6 wird verwiesen. Des Weiteren ermöglicht die seit dem Jahr 2000 bestehende Bund-Länder-Arbeitsgruppe Häusliche Gewalt (B-L-AG HG) eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Nichtregierungsorganisationen. Die Arbeitsgruppe begleitet derzeit intensiv die kontinuierliche Umsetzung der Istanbul- Konvention und das voraussichtlich ab Februar 2020 anstehende Monitoringverfahren gegenüber der Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO). Zum Themenfeld Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften wurden gemeinsam mit der „Bundesinitiative zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften “ Mindeststandards entwickelt (siehe Antwort zu Frage 11). Im Rahmen der Initiative arbeiten mehr als 30 Organisationen zusammen. BMFSFJ wird die Zusammenarbeit mit diesen Organisationen weiter fortsetzten. 10. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um sicherzustellen , dass Fälle von sexualisierter und/oder häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen, insbesondere gegen Frauen mit Behinderung und geflüchtete Frauen, bei der Polizei und Justiz von speziell geschulten Expertinnen und Experten bearbeitet werden (vgl. Artikel 15 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 3)? Die Zuständigkeit sowohl für die Schulung des Personals bei Polizei und Justiz als auch für die Organisationstruktur der dortigen Arbeitseinheiten liegt bei den Ländern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7816 Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte erhalten grundsätzlich in ihrer Aus- und Fortbildung die notwendigen, an den Grund- und Menschenrechten sowie dem Polizeirecht und der Strafprozessordnung (StPO) orientierten rechtlichen, fachtheoretischen und verhaltensorientierten Grundlagen und Instrumente für ihr polizeiliches Handeln. Der Fortbildung wird auch im Bereich der Justiz ein hoher Stellenwert eingeräumt . Die Deutsche Richterakademie ist eine vom Bund und Ländern gemeinsam getragene Fortbildungseinrichtung zur überregionalen Fortbildung der Richterinnen und Richter aller Zweige der Gerichtsbarkeiten sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Das Fortbildungsprogramm umfasst jährlich ca. 150 mehrtägige Seminare. Dabei sind die Themen der Prävention und des Schutzes von Opfern häuslicher Gewalt, der Vernetzung und Zusammenarbeit von Strafverfolgungsbehörden mit den befassten öffentlichen Stellen und Verbänden sowie Tagungen zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen ebenso fest im jährlichen Fortbildungsprogramm verankert, wie das Thema der Rechte der Opfer in der Strafrechtspflege. Darüber hinaus bieten die Länder, die für die Schulung des hier allein interessierenden Justizpersonals im Landesdienst zuständig sind, Fortbildungsveranstaltungen für die Angehörigen ihres Geschäftsbereichs in eigener Zuständigkeit an. Die rege Teilnahme belegt das große Interesse und Engagement der Justizpraktiker und Justizpraktikerinnen. 11. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um zu erreichen , dass alle Opfer von Gewalt vor weiteren Gewalttaten geschützt werden , ohne Personengruppen, wie z. B. geflüchtete Frauen, Frauen mit ungesichertem Aufenthaltsstatus, Frauen mit Behinderungen etc. auszuschließen (vgl. Artikel 18 Absatz 1) (bitte eine detaillierte Auflistung und Kategorisierung der Maßnahmen angeben)? Die Verpflichtungen zum Schutz aller Opfer von Gewalt werden in Deutschland durch zahlreiche gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen auf Bundes-, Landes und kommunaler Ebene umgesetzt. In Bezug auf die dazu bereits seitens der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen wird auf die Ausführungen in der Denkschrift zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt auf Bundestagsdrucksache 18/12037, dort insbesondere zu Artikel 18, S. 63 ff.) verwiesen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 verwiesen. Darüber hinaus hat das BMFSFJ im Jahr 2018 das präventiv ausgerichtete Projekt „Aktiv gegen weibliche Genitalverstümmelung in Flüchtlingseinrichtungen“ gefördert , das sich vor allem an Flüchtlingsfrauen und -mädchen richtete. U. a. wurden diese über gesundheitliche und rechtliche Aspekte von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) aufgeklärt. BMFSFJ und UNICEF haben gemeinsam mit anderen Partnern die „Bundesinitiative zum Schutz von geflüchteten Menschen in Flüchtlingsunterkünften“ initiiert . Die Initiative hat in einem partizipativen Prozess 2016 Mindeststandards zum Gewaltschutz in Flüchtlingsunterkünften als Leitlinien vorgelegt. Diese wurden 2017 und 2018 überarbeitet und um die Annexe zu LSBTI* Geflüchteten, geflüchtete Menschen mit Behinderungen und geflüchtete Menschen mit Traumafolgestörungen ergänzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bis Ende 2018 wurden in ca. 100 Flüchtlingsunterkünften Gewaltschutzkoordinierungsstellen gefördert. Ihre Aufgabe war es, einrichtungsbezogene Schutzkonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Im Zuge der Umsetzung dieser Mindeststandards in die Praxis wurden von UNICEF Trainingsmaterialien, Praxistools und Praxisleitfäden zu verschiedenen Themen erarbeitet und veröffentlicht. Die gemachten Erfahrungen und entwickelten Materialien werden 2019 den Trägern von Einrichtungen zur Verfügung gestellt - dies soll durch eine Servicestelle, durch Multiplikator/innen für Gewaltschutz der Wohlfahrtsverbände, die Entwicklung eines Monitoring Tools und durch Fachveranstaltungen geschehen (www.gewaltschutz-gu.de). 12. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um insbesondere Gewalt gegen ältere Frauen zu bekämpfen, und wie gewährleistet sie, dass gewaltbetroffene ältere Frauen in das bestehende Hilfesystem integriert werden (vgl. Artikel 18 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 3)? Ältere Frauen haben die Möglichkeit, in den verschiedenen Einrichtungen zum Schutz von Opfern von Gewalt die gleichen Angebote wahrzunehmen wie Frauen und Mädchen in jüngerem Alter. Die vom BMFSFJ geförderten Koordinierungsstellen Frauenhauskoordinierung (FHK) und der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) sind wichtige Vernetzungsorgane sowohl für die Frauenhäuser als auch für die ambulanten Frauenberatungsstellen in Deutschland. Deren Mitglieder führen kontinuierlich Maßnahmen für von Gewalt betroffene Frauen aller Altersgruppen und deren Kinder durch. Ein Handlungsschwerpunkt der laufenden Förderperiode ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Hilfen für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder; besonderes Augenmerk gilt hierbei auch möglichen Ausschlüssen im Hilfesystem. Mit dem Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ gibt es unter der kostenlosen Telefonnummer 08000 – 116 016 Unterstützung und Hilfe bei allen Formen von Gewalt gegen Frauen und für Frauen aller Altersgruppen. Neben den betroffenen Frauen können sich auch Angehörige, Freunde und Menschen aus dem sozialen Umfeld sowie Fachkräfte an das Hilfetelefon wenden. Das kostenfreie, anonyme und barrierefreie Angebot steht in 18 Sprachen rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr zur Verfügung. Zur Umsetzung der Erkenntnisse aus der Studie „Kriminalität und Gewalt im Leben alter Menschen“ hat das BMFSFJ in Kooperation mit der Deutschen Hochschule der Polizei im Rahmen des Aktionsprogramms „Sicher leben im Alter“ zwischen 2010 und 2012 in Hamburg zielgruppenspezifische Maßnahmen erfolgreich erprobt. Multiplikatorinnen für die spezifischen Problemlagen der Zielgruppe der älteren Frauen wurden sensibilisiert, Einrichtungen und Strukturen wurden vernetzt, die örtliche Presse hat berichtet. Das hat dazu geführt, dass ältere Frauen die dort vorgehaltenen Angebote der Frauenhäuser vermehrt in Anspruch genommen haben. Der Hamburger Senat hat – anknüpfend an die Erfahrungen im Aktionsprogramm des Bundes – sein Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Menschenhandel und Gewalt in der Pflege Strategien und Maßnahmen formuliert, um die Anzahl der von Partnergewalt betroffenen älteren Frauen, die Hilfe und Unterstützung in Anspruch nehmen, zu erhöhen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/7816 13. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Maßnahmen, mit denen wohnungs- und obdachlose Frauen vor Gewalt geschützt werden, und wie gewährleistet sie, dass gewaltbetroffene wohnungs- und obdachlose Frauen in das bestehende Hilfesystem integriert werden? Welche konkreten Maßnahmen plant sie u. a. in der Versorgungsstruktur (vgl. Artikel 18 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 3)? Die Hilfsangebote der Fachberatungsstellen, Frauenhäuser und weiterer Schutzund Beratungseinrichtungen stehen in der Regel auch wohnungs- und obdachlosen Frauen offen, die von Gewalt betroffen sind. Ihr Anspruch auf Sozialleistungen richtet sich dabei nach den allgemeinen Vorschriften. Das heißt, die betroffenen Frauen können auch während eines Frauenhausaufenthalts Leistungen für die Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beanspruchen , wenn die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Im Bereich der sozialen Sicherung besteht nach dem SGB XII für betroffene Frauen die Möglichkeit, weitergehende Hilfen der Beratung, Betreuung und Unterstützung zu erlangen. Anspruch auf die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß §§ 67 bis 69 SGB XII hat jede Person, die in besonders schwierige Lebensverhältnisse geraten ist und diese aus eigener Kraft nicht überwinden kann, also insbesondere auch von Gewalt betroffene Frauen, wohnungs- bzw. obdachlose Frauen. Art und Umfang der Maßnahmen richten sich nach dem Ziel, die Hilfesuchenden zur Selbsthilfe zu befähigen, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu sichern. Die Hilfe umfasst alle notwendigen Maßnahmen , um die besonderen Schwierigkeiten zu beseitigen, die einer Integration in die Gesellschaft entgegenstehen. Die Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten sind gegenüber anderen Hilfen des SGB XII nachrangig. Der Umfang der notwendigen Hilfen im Sinne der §§ 67 ff. SGB XII hängt immer vom konkreten Einzelfall ab und liegt im Ermessen des Sozialhilfeträgers. 14. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um Frauen ohne Papiere mit und ohne Fluchthintergrund vor Gewalt zu schützen (vgl. Artikel 18 in Verbindung mit Artikel 60)? Auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 und 11 wird verwiesen. 15. Welche gesundheitliche Versorgungslücke erkennt die Bundesregierung speziell bei Frauen, die von Gewalt betroffen sind, und welche Maßnahmen unternimmt sie, um die Versorgung durch das bestehende Gesundheitssystem zu verbessern (vgl. Artikel 20)? Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben gemäß § 27 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf Krankenbehandlung , soweit diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankenbeschwerden zu lindern. Dies gilt auch für die medizinische Versorgung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind und schließt die medizinisch notwendige ambulante oder stationäre ärztliche Behandlung , Psychotherapie, notwendige Heil- und Hilfsmittelversorgung oder Leistungen der medizinischen Rehabilitation ein. Frauen, die aufgrund von Gewalt Opfer einer Straftat geworden sind, haben ggf. auch Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Die Regelungen des OEG werden derzeit im Rahmen einer groß angelegten Reform des Sozialen Entschädigungsrechts überarbeitet und an aktuelle Herausforderungen angepasst. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bereits in der Koalitionsvereinbarung haben sich die Regierungsparteien darauf verständigt, dass die Regelungen des Sozialen Entschädigungsrechts besser an den Bedarfen der Opfer von Gewalttaten ausgerichtet werden sollen. Hierzu wird psychische Gewalt in den Gewaltbegriff einbezogen und neue Leistungen der Sofort - bzw. Akuthilfen (u. a. Traumaambulanzen) werden schnell, niedrigschwellig und unbürokratisch zugänglich gemacht. Diese Maßnahmen können auch zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Frauen, die von Gewalt betroffen sind, beitragen. 16. Wie beabsichtigt die Bundesregierung sicherzustellen, dass spezialisierte Hilfsdienste flächendeckend bereitgestellt und angemessen finanziert werden , und dass gewährleistet ist, dass diese auch bei digitalen Gewalttaten professionell beraten können (vgl. Artikel 22)? Auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 und 7 wird verwiesen. Das BMFSFJ fördert seit 2017 das Projekt „Aktiv gegen digitale Gewalt“ des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff). Das Projekt fokussiert sich mit seinen Maßnahmen auf die Qualifizierung des Frauenunterstützungssystems und auf den Schutz von Frauen und Mädchen als Betroffene. Für die Qualifizierung des Frauenunterstützungssystems sind vielfältige Maßnahmen vorgesehen: Beispielsweise Fortbildungen für Beraterinnen und andere Fachkräfte, Veröffentlichungen von Informationen für Beraterinnen zu den Themen Herausforderungen in der Beratung bei Cyberstalking und Eigenschutz vor digitalen Angriffen für Fachberatungsstellen. Informationen finden sich auf der Homepage des Projektes unter: www.aktiv-gegendigitale -gewalt.de/de/. 17. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung – in Anbetracht der Tatsache , dass Deutschland mit einer Platzquote von rund 1 : 12 000 die Empfehlungen des Europarats hinsichtlich der Bereitstellung von leicht zugänglichen Schutzunterkünften weit verfehlt –, um sicherzustellen, dass für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder ausreichend Plätze in Frauenhäusern zur Verfügung stehen (vgl. Artikel 23)? Auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 und 7 wird verwiesen. 18. Welchen weiteren Handlungsbedarf erkennt die Bundesregierung angesichts des Ausmaßes von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen, ein flächendeckendes Hilfs- und Unterstützungssystem für die Betroffenen zu schaffen, sei es in Einrichtungen oder im familiären Umfeld, und was plant sie konkret, um diesen Handlungsbedarf zu decken (vgl. Artikel 22 und Artikel 23 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 4) (bitte detailliert auflisten)? Auf die Antwort zu den Fragen 2 bis 4 und 7 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/7816 19. Durch welche konkreten Maßnahmen stellt die Bundesregierung sicher, dass alle erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen getroffen werden, damit die Rechte und Bedürfnisse von Kindern, die in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Formen von Gewalt miterlebt haben , gebührend berücksichtigt werden (vgl. Artikel 26)? a) Wie definiert die Bundesregierung die Rechte und Bedürfnisse von Kindern , die Zeuginnen und Zeugen (Mitbetroffene, Selbstbetroffene) von häuslicher Gewalt sind? b) Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese Bedürfnisse und Rechte von Kindern rechtssicher umzusetzen? Kinder, die von häuslicher Gewalt selbst betroffen oder als Zeuginnen und Zeugen mitbetroffen sind, können als Opfer in einem Strafverfahren zahlreiche Bedürfnisse haben, welche individuell voneinander abweichen können. Nach Erwägungsgrund 62 der Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI zählen zu den zentralen Bedürfnissen von Opfern im Strafverfahren u. a. das Bedürfnis nach Information, Hilfe, Unterstützung und Schutz. Diese Bedürfnisse haben in der Regel auch kindliche Opfer von häuslicher Gewalt. In Bezug auf die dazu in Deutschland getroffenen Maßnahmen wird auf die Ausführungen in der Denkschrift der Bundesregierung zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Bundestagsdrucksache 18/12037, dort insbesondere zu Artikel 18 (S. 63 ff.), Artikel 19 (S. 65), Artikel 20 (S. 65 ff.), Artikel 22 (S. 67 ff.), Artikel 23 (S. 69 f.), Artikel 25 (S. 71 f.), Artikel 26 (S. 72) und Artikel 56 (S. 93 f.) verwiesen. Zudem sollen folgende Maßnahmen dazu beitragen, die Umsetzung der Rechte und Bedürfnisse auf Information, Hilfe, Unterstützung und Schutz zu befördern und sicherzustellen: Für einen verbesserten Zugang für von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend Betroffenen zu spezialisierter Fachberatung wurde 2018 die Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend (BKSF) errichtet. Spezialisierte Fachberatungsstellen unterstützen und beraten Betroffene, Angehörige und Institutionen. Die BKSF setzt sich für eine bedarfsgerechte und langfristige Finanzierung der Fachberatungsstellen und für die Schließung von Versorgungslücken ein. Eine nicht bedarfsgerechte Versorgung besteht derzeit vor allem im ländlichen Raum und für vulnerable Gruppen, etwa Menschen mit Behinderungen oder Migrationshintergrund. Die BKSF bündelt als politische Vertretung die Belange der spezialisierten Fachberatungsstellen , unterstützt diese vor Ort beim Auf- und Ausbau und treibt die Entwicklung gemeinsamer Qualitätsstandards voran. Zudem wird bis Ende 2021 modellhaft erprobt, wie es gelingen kann, spezialisierte Fachberatung in ländlichen Regionen erreichbarer zu machen und die entsprechenden Bedarfe zu decken. Dazu sollen in acht großen ländlichen Modellregionen gute Bedingungen und Umsetzungsmöglichkeiten erprobt werden (Bundesmodellprojekt FLR- Fachberatung ländliche Regionen). Die bundesweiten Initiativen „Trau Dich!“ und „Schule gegen sexuelle Gewalt“ nehmen Schule als bedeutenden Ort für den Schutz vor sexueller Gewalt in den Blick. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode In der Präventionsinitiative „Trau Dich!“ des BMFSFJ und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) werden Kinder zwischen acht und zwölf Jahren über einzelne Kooperationen mit den Bundesländern altersgerecht über ihr Recht auf Schutz vor sexueller Gewalt aufgeklärt und gestärkt. Seit Beginn der Initiative wurde „Trau Dich!“ mit neun Bundesländern umgesetzt (Baden-Württemberg , Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland -Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein). Neben neuen Kooperationen mit Bundesländern soll es auch in weiteren Ländern eine Weiterführung mit einem Theater vor Ort geben. Die Theateraufführungen erreichten bis Ende 2018 rund 55 800 Kinder. Durch Elternabende und Fortbildungen werden 2 600 Lehrkräfte und weiteres schulisches Personal sowie rund 5 200 Eltern erreicht. Die teilnehmenden Schulen werden mit regionalen Hilfs- und Beratungsangeboten vernetzt. Die Initiative wird bis 2022 fortgeführt. Die bundesweite Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) unterstützt gemeinsam mit allen Ländern Schulen dabei, Konzepte zum Schutz vor sexueller Gewalt zu entwickeln. Auf einem Fachportal erhalten Schulleitungen und Schulpersonal dazu praxisnahe Anleitung und bundeslandspezifische Informationen (www.schule-gegen-sexuelle-gewalt.de). Alle 30 000 allgemeinbildenden Schulen bundesweit erhielten von Herbst 2016 bis 2018 eine Informationsmappe der Initiative und haben in öffentlichen Veranstaltungen darauf aufmerksam gemacht . Im Dezember 2018 hat die Bundesregierung das Konzept zur dauerhaften Stärkung der Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend beschlossen und damit das Amt einer bzw. eines Unabhängigen Beauftragten einschließlich der wertvollen Arbeit des dort angesiedelten Betroffenenrates dauerhaft eingerichtet. Zudem wurde die Laufzeit der beim Beauftragten angesiedelten Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs bis Ende 2023 verlängert. Die Kommission soll weiterhin über Ausmaß, Ursachen und Folgen von sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige aufklären, Betroffene anhören, Wege zur Anerkennung des Unrechts aufzeigen, Forschungsdefizite identifizieren und Empfehlungen zum Kinderschutz einschließlich der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im institutionellen Kontext unterbreiten. Auf die Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen mit Behinderungen vor sexualisierter Gewalt in Einrichtungen zielt das bundesweite Modellprojekt „BeSt – Beraten und Stärken“, das 2015 startete, ab. Bis Anfang 2018 nahmen 65 (teil-)stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe am Modellprojekt teil. Dort wurden Leitungskräfte und Mitarbeitende qualifiziert, Kinderschutzkonzepte (weiter-)entwickelt und Präventionstrainings für die dort lebenden Mädchen und Jungen durchgeführt. Seit vielen Jahren fördert BMFSFJ das bundesweit größte, kostenlose und anonyme Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“. Speziell ausgebildete ehrenamtliche Beraterinnen und Berater unterstützen die Anrufenden bei Alltagsproblemen und in schwierigen Lebenssituationen. Das „Hilfeportal Sexueller Missbrauch“ und das kostenfreie und anonyme „Hilfetelefon Sexueller Missbrauch“ des UBSKM informieren Betroffene aller Altersstufen, ihre Angehörigen sowie Personen aus ihrem sozialen Umfeld sowie Fachkräfte. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/7816 20. Durch welche konkreten Maßnahmen stellt die Bundesregierung sicher, dass Gewalt gegen Frauen bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht in Bezug auf Kinder ausreichend berücksichtigt werden (vgl. Artikel 31 Absatz 1)? 21. Durch welche konkreten Maßnahmen stellt die Bundesregierung sicher, dass Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, nicht erneut Opfer von Gewalt werden, wenn die Täter das Besuchs- und Sorgerecht für die Kinder wahrnehmen (vgl. Artikel 31 Absatz 2)? Die Fragen 20 und 21 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Deutsche Bundestag hat in dem am 1. Juni 2017 einstimmig angenommenen Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt festgestellt, dass das deutsche Recht den Anforderungen des Übereinkommens hinsichtlich des Sorge- und Umgangsrechts gerecht wird. In der Denkschrift (vgl. Bundestagsdrucksache 18/12037, S. 74) wurde wie folgt ausgeführt: „In § 1631 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist ausdrücklich geregelt , dass Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung haben und körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen unzulässig sind. Bei gerichtlichen Entscheidungen zum Sorge- und Umgangsrecht gilt das Kindeswohlprinzip, das heißt das Gericht trifft diejenige Entscheidung , die dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1697a BGB). In einem gerichtlichen Verfahren zur Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil hat das Gericht daher zu berücksichtigen, wenn es diesem – im Gegensatz zum anderen Elternteil – gelingt, das Kind ohne körperliche Strafen, sonstige Formen von Gewalt, seelische Verletzungen und entwürdigende Maßnahmen zu erziehen. Auch bei Umgangsentscheidungen hat das Familiengericht je nach den Umständen des Einzelfalles verschiedene Möglichkeiten, um dem Bedürfnis des Kindes nach Schutz vor Gewalttaten Rechnung zu tragen. Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln (§ 1684 Absatz 3 BGB). Dabei kann das Familiengericht das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls ist eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts auch für längere Zeit oder auf Dauer möglich (§ 1684 Absatz 4 BGB).“ Auf dieser Grundlage hat das Gericht je nach den Umständen des Einzelfalles verschiedene Möglichkeiten, um bei Umgangsentscheidungen dem Bedürfnis des Kindes und seiner Mutter nach Schutz vor weiteren Gewalttaten Rechnung zu tragen. Es kann z. B. das Holen und Bringen des Kindes so regeln, dass sich die Eltern nicht treffen und die neue Adresse der Mutter unbekannt bleibt, einen sog. begleiteten Umgang anordnen, bei dem eine neutrale dritte Person den Umgang zum Schutz des Kindes begleitet, den Umgang vorübergehend aussetzen, um dem Kind Zeit zur Verarbeitung der Gewalterlebnisse zu geben und/oder den Sachverhalt aufzuklären, oder den Umgang längerfristig oder auf Dauer einschränken oder ausschließen. In dringenden Fällen kann der Umgang aus Schutzgründen für das Kind bereits im Wege einer einstweiligen Anordnung ausgeschlossen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Hinzu kommt der Schutz nach den §§ 1666, 1666a BGB, welche im Verhältnis eines Kindes zu seinen sorgeberechtigten Eltern dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG) vorgehen (§ 3 Absatz 1 GewSchG). Das Gericht hat danach alle Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr für das Kind erforderlich sind. Falls nötig, kann z. B. einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden (§ 1666 Absatz 3 Nummer 3 BGB). Außerdem kann das Familiengericht auch von Amts wegen die für den Gewaltschutz typischen Aufenthalts- und Kontaktverbote anordnen (§ 1666 Absatz 3 Nummer 3 und 4 BGB). Der Schutz der von häuslicher Gewalt betroffenen Mutter ist auch bei Ausübung des Umgangs mit einem gemeinsamen Kind durch den Täter gewährleistet. Sie kann insbesondere Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragen. Seitens des zuständigen Familiengerichts sind die Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz sowie das Umgangsrecht so auszugestalten, dass sowohl das Schutzbedürfnis des Opfers als auch das Recht des Kindes auf Umgang mit dem anderen Elternteil (dem Täter) ebenso wie dessen Recht und Pflicht auf Ausübung des Umgangs gewahrt werden. Auf der Grundlage von § 1684 Absatz 3, 4 BGB kann das Umgangsverfahren so gestaltet werden, dass ein direkter Kontakt der Eltern vermieden wird, beispielsweise durch die Anordnung des bereits erwähnten begleiteten Umgangs oder einer Umgangspflegschaft. Eine zwischen den Eltern in einem Umgangsverfahren vereinbarte Umgangsregelung kann vom Familiengericht im Übrigen nur gebilligt werden, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht. Für Sorgeverfahren, Umgangsverfahren und Gewaltschutzverfahren ist funktionell das Familiengericht zuständig, häufig auch dasselbe örtlich zuständige Familiengericht , so dass Erkenntnisse, insbesondere Erkenntnisse aus einer die gleichen Personen betreffenden Gewaltschutzsache, in einem Sorgeverfahren oder Umgangsverfahren herangezogen und in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden können. In gleicher Weise kann dies in einer Gewaltschutzsache geschehen . Aus Gründen des Schutzes vor Nachstellungen und häuslicher Gewalt ist es – nicht nur in Gewaltschutzsachen – möglich, die Adresse eines Beteiligten im gerichtlichen Verfahren geheim zu halten. Voraussetzung hierfür ist, dass dem Gericht die Anschrift unter Darlegung des schutzwürdigen Interesses an der Geheimhaltung und Benennung einer zustellungsbevollmächtigten Person mitgeteilt wird. Zur Geheimhaltung des aktuellen Aufenthaltsorts der Gewaltbetroffenen ist dem Gegner eine Akteneinsicht nicht uneingeschränkt zu gewähren. Eine getrennte Anhörung der Beteiligten im gerichtlichen Termin ist möglich, um ein Aufeinandertreffen der Beteiligten zu vermeiden. In Gewaltschutzverfahren nach § 2 GewSchG betreffend die Zuweisung einer gemeinsam genutzten Wohnung soll das Gericht das Jugendamt hören, wenn Kinder im Haushalt leben. Dies erleichtert dem Gericht, den Belangen der betroffenen Kinder bei der Entscheidungsfindung Rechnung zu tragen. Zur Beurteilung der Frage, ob neben der gesetzgeberischen Umsetzung noch weitere Maßnahmen erforderlich sind, damit die vorhandenen Rechtsgrundlagen im Lichte der Konvention optimal angewandt werden, fördert die Bundesregierung die Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“, die in einem Teilbereich Fragen von Umgang im Kontext häuslicher Gewalt untersucht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/7816 Dabei wird auch erhoben, wie das Umgangsrecht in Fällen von häuslicher Gewalt gegen Frauen ausgestaltet ist und ob und gegebenenfalls welche Probleme aufgrund von Umgangsregelungen in Fällen von häuslicher Gewalt bestehen. Die Ergebnisse der Studie werden voraussichtlich im ersten Quartal dieses Jahres vorliegen . 22. Wie viele Ermittlungsverfahren zu sexualisierter und/oder häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen wurden in den Jahren 2014 bis 2018 nach Kenntnis der Bundesregierung aufgenommen, wie viele wurden eingestellt, und wie hoch ist jeweils der Anteil von aufgenommenen und eingestellten Ermittlungsverfahren , die Frauen und Mädchen mit Behinderungen betreffen (vgl. Artikel 49 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 3; bitte für die genannten Jahre einzeln aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor, da das Geschlecht der Opfer in den Statistiken der Strafrechtspflege nicht erfasst wird. 23. Inwiefern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung bei geschlechtsspezifischer Gewalt kurz- und längerfristige Schutzanordnungen in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen (Trennung von Täter und Opfer), wie soll dies in den Ankerzentren gewährleistet werden, und inwieweit ist die Bundesregierung hierzu mit welchen Bundesländern im Gespräch (vgl. Artikel 52 und 53)? Die Aufnahme und Unterbringung der Asylsuchenden fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer. Die Zuständigkeit umfasst die Gewährleistung der Sicherheit in den Unterkünften, was auch den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt beinhaltet. Den Ländern obliegt dabei die Einschätzung und Entscheidung darüber , welche Schutzmaßnahmen sie ergreifen. Die gesetzlichen Regelungen zum Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt gelten selbstverständlich auch in den AnkER-Einrichtungen. In allen Fällen knüpfen die AnkER-Einrichtungen an bestehende Strukturen, beispielsweise den Aufnahmeeinrichtungen in den Ländern, an und entwickeln diese weiter. Insofern gibt es für besondere vulnerable Gruppen weder Änderungen des rechtlichen noch des tatsächlichen Status in den Einrichtungen der Länder. 24. Welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um den internationalen Vorgaben zum Opfer- und Zeuginnenschutz und Zeugenschutz in Fällen geschlechtsbezogener Gewalt gerecht zu werden? An welchen Punkten, insbesondere im Rahmen der Strafprozessordnung, sieht die Bundesregierung hier Handlungsbedarf (vgl. Artikel 56)? Es wird auf die Ausführungen in der Denkschrift der Bundesregierung zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Bundestagsdrucksache 18/12037), dort insbesondere zu Artikel 56 (S. 89 ff.) verwiesen. Weiteren darüber hinausgehenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Bereich der Strafprozessordnung sieht die Bundesregierung derzeit nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 25. Steht nach Ansicht der Bundesregierung die Regelung, dass Opfer von Menschenhandel aus Drittländern oft nur eine begrenzte Aufenthaltsgenehmigung erhalten, wenn sie sich an Strafprozessen beteiligen, im Einklang mit der Istanbul-Konvention, und wenn nicht, welchen Handlungsbedarf sieht die Bundesregierung hier, und welche Veränderungen plant sie ggf. konkret (vgl. Artikel 59)? Artikel 59 Absatz 1 der Konvention verpflichtet die Vertragsparteien, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um zu gewährleisten , dass Opfer, die Migrantinnen oder Migranten sind, und deren Aufenthaltsstatus von dem ihres Ehegatten beziehungsweise ihrer Ehegattin oder Partner beziehungsweise Partnerin abhängt, bei einer möglichen Auflösung der Ehe oder Partnerschaft eine eigene Aufenthaltsgenehmigung von begrenzter Dauer erhalten. Diese Verpflichtung ist durch § 31 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenth G) erfüllt. Artikel 59 Absatz 2 der Konvention beinhaltet die Verpflichtung, durch gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen sicherzustellen, dass bei einem Opfer Ausweisungsverfahren ausgesetzt werden können, die im Zusammenhang mit einem abgeleiteten Aufenthaltsstatus eingeleitet wurden, um dem Opfer zu ermöglichen, einen eigenständigen Aufenthaltstitel zu beantragen. Nach § 31 Absatz 2 Satz 2 AufenthG ist dem Ehepartner oder der Ehepartnerin, der oder die Opfer häuslicher Gewalt ist, ein eigenständiger Aufenthaltstitel unabhängig von der ansonsten erforderlichen dreijährigen Mindestbestandszeit der Ehe zu erteilen. Dem Ehepartner droht nach deutschem Recht daher bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 31 Absatz 2 Satz 2 AufenthG keine Abschiebung. Nach Artikel 59 Absatz 3 AufenthG soll ein verlängerbarer Aufenthaltstitel für Gewaltopfer geschaffen werden, wenn ihr Aufenthalt aufgrund ihrer persönlichen Lage oder zur Mitwirkung in einem Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren erforderlich ist. Gewaltopfer sind bereits nach geltendem Aufenthaltsrecht nicht schutzlos gestellt. Das Aufenthaltsgesetz enthält verschiedene Tatbestände, die die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen ermöglichen und auch Opfern von Straftaten unabhängig von der Aussagebereitschaft im Strafverfahren zugutekommen können, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die persönliche Situation des Gewaltopfers ist im Rahmen der Prüfung, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen oder die Erteilung einer Duldung in Betracht kommt, zu berücksichtigen. Für Personen, bei denen Anhaltspunkte bestehen, dass sie Opfer von Menschenhandel sind, trifft das Aufenthaltsgesetz in Übereinstimmung mit der Europaratskonvention zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels sowie die einschlägigen Richtlinien der Europäischen Union daneben auch besondere Regelungen mit Blick auf deren mögliche Mitwirkung an einem Strafverfahren (§ 25 Absatz 4a und 4b, § 59 Absatz 7 AufenthG). Artikel 59 Absatz 4 AufenthG enthält die Verpflichtung sicherzustellen, dass Opfer einer Zwangsheirat, die zum Zwecke der Verheiratung in ein anderes Land gebracht wurden und dadurch ihren Aufenthaltsstaus verloren haben, diesen wiedererlangen können. Diese Verpflichtung ist durch das am 1. Juli 2011 in Kraft getretene Zwangsheiratsbekämpfungsgesetz erfüllt. Durch § 37 Absatz 2a Aufenth G haben Opfer von Zwangsheirat, die in einen anderen Staat gebracht wurden , ein verbessertes Wiederkehrrecht erhalten. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 17 – Drucksache 19/7816 Wenn sie aus Deutschland verschleppt wurden, um in ihrem Herkunftsland zwangsverheiratet zu werden, können sie seitdem bis zu zehn Jahre nach der Ausreise nach Deutschland zurückkehren und eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn sie aufgrund der Zwangsheirat an einer früheren Rückkehr gehindert waren. Dies gilt auch dann, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig sichern können. 26. Was sind die Gründe der Bundesregierung, an den Vorbehalten zu Artikel 59 Absatz 2 und 3 festzuhalten, oder plant sie, diese zurückzunehmen? Falls ja, wie ist hierzu die zeitliche Planung? Artikel 59 Absatz 2 der Konvention ist vollständig in nationales Recht umgesetzt. Der Nichtanwendungsvorbehalt zu Absatz 2 gemäß Artikel 78 Absatz 2 der Konvention begegnet Unsicherheiten in der Auslegung dieser Vorschriften und dient insofern der Klarstellung. Nach Artikel 59 Absatz 3 der Konvention sollen Gewaltopfer einen Aufenthaltstitel erhalten, wenn ihr Aufenthalt aufgrund ihrer persönlichen Lage oder zur Mitwirkung in einem Ermittlungs- beziehungsweise Strafverfahren erforderlich ist. Opfer von Straftaten erhalten nach § 60a Absatz 2 Satz 2 AufenthG eine Duldung , wenn ihre Anwesenheit zu Aussagezwecken in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren erforderlich ist. Die zweite Alternative des Artikel 59 Absatz 3, die Schaffung eines Aufenthaltstitels, weil „der Aufenthalt aufgrund der persönlichen Lage des Opfers erforderlich ist“, ist hingegen nicht hinreichend konkret, um allein hieran die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu knüpfen. 27. Wie setzt die Bundesregierung die von der Istanbul-Konvention vorgesehenen präventiven Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt um, um geflüchtete Frauen zu schützen (vgl. Artikel 60)? Sowohl die gesetzlichen Vorgaben im Asylgesetz (AsylG) als auch die internen Steuerungsinstrumente des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berücksichtigen frauenspezifische Fluchtgründe. Die deutsche Regelung zur geschlechtsspezifischen Verfolgung in § 3b Absatz 1 Nummer 4 AsylG sieht vor, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch vorliegen kann, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft. Das BAMF praktiziert eine Reihe von Maßnahmen zum besonderen Schutz von Frauen in einer Fluchtsituation. Die internen Dienstanweisungen des BAMF enthalten spezielle verfahrensbezogene und rechtliche Regelungen und verfahrensbezogene Vorgaben zum Umgang mit Opfern von geschlechtsspezifischer Gewalt . Beispiele hierfür sind Anweisungen zum Einsatz von speziell geschulten Entscheiderinnen, weiblichen Dolmetschern, Hinweise zur Anhörung oder zur rechtlichen Bewertung geschlechtsspezifischer Menschenrechtsverletzungen. Das BAMF setzt für besonders schutzbedürftige Personengruppen – wie die Opfer von geschlechtsspezifischen Menschenrechtsverletzungen – flächendeckend speziell geschulte Entscheiderinnen ein, um den besonderen Bedürfnissen dieser Asylantragstellerinnen Rechnung zu tragen. Je nach Bedarf der Asylantragstellerinnen kommen Sonderbeauftragte für unbegleitete Minderjährige, für geschlechtsspezifische Verfolgung, für Folteropfer und Traumatisierte oder für Opfer von Menschenhandel zum Einsatz. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7816 – 18 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Um den Schutz von geflüchteten Menschen zu einem integralen Bestandteil der vielseitigen Aufgaben von Flüchtlingsunterkünften zu machen, hat das BMFSFJ mit vielen Partnerorganisationen Mindeststandards als Leitlinien vorgelegt und in der Praxis modelhaft erprobt. Materialien zur konkreten Umsetzung der Standards wurden entwickelt und veröffentlicht (www.gewaltschutz-gu.de). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 28. Soll nach Kenntnis der Bundesregierung in Sammelunterkünften, wie den Ankerzentren oder anderen Landeserstaufnahmeeinrichtungen, eine unabhängige Beschwerdestelle eingerichtet werden, die für Beschwerdeverfahren in Fällen von geschlechtsspezifischer Gewalt zuständig sein soll (vgl. Artikel 60)? Die Bundesregierung plant derzeit nicht die Einrichtung von Beschwerdestellen. 29. Wie soll nach Kenntnis der Bundesregierung in den Ankerzentren die Durchführung geschlechtersensibler Verfahren sichergestellt werden, welche durch Artikel 60 Absatz 1 bis 3 der Istanbul-Konvention und in den §§ 3 und 4 des Asylgesetzes und in § 60 des Aufenthaltsgesetzes gefordert werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 27 verwiesen. 30. Wie viele Übersetzerinnen stehen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Verfügung (vgl. Artikel 60; bitte die absolute Zahl und das Verhältnis zur Zahl männlicher Übersetzer angeben)? Derzeit stehen dem BAMF insgesamt 4 395 aktive Sprachmittelnde zur Verfügung , hiervon sind 2 019 weibliche und 2 376 männliche Sprachmittelnde. 31. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt in Landeserstaufnahmeeinrichtungen und Ankerzentren, die aus der besonderen Situation und den verschärften Bedingungen dort resultieren (vgl. Artikel 60)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 32. Wie viele aller Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben , haben nach Kenntnis der Bundesregierung im Zeitraum 2013 bis 2018 geltend gemacht, Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden zu sein (bitte nach Herkunftsländern, Jahren, Alter, Geschlecht und soweit möglich Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Eine statistische Erfassung der Asylgründe erfolgt nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 19 – Drucksache 19/7816 33. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gründe dafür, dass die Formen der Gewalt gegen Menschen, die einen Asylantrag gestellt und geltend gemacht haben, Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden zu sein, nicht erfasst werden, und plant die Bundesregierung, hier eine genauere Erfassung einzuführen? Wenn nein, warum nicht? Die Erfassung des Aufenthaltsanlasses bei den Opferdelikten in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird gegenwärtig sukzessive in den einzelnen Bundesländern umgesetzt. Eine bundesweite Umsetzung ist für das Jahr 2020 vorgesehen . Mittels der Erfassung des Aufenthaltsanlasses bei den Opferdelikten wird es möglich , Daten zur geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, in der PKS auszuweisen. 34. In wie vielen Fällen machten Menschen, die in Deutschland einen Asylantrag stellten, geschlechtsspezifische Gewalt als Fluchtgrund geltend, und welche Entscheidung traf das BAMF in diesen Fällen (bitte nach Asylberechtigung , Flüchtlingseigenschaft, subsidiärem Schutz, nationalem Abschiebungsverbot , Ablehnung, Dublin-Verfahren aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 32 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333