Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 12. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7818 19. Wahlperiode 15.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/6814 – Ergänzende Informationen zur Asylstatistik für das dritte Quartal 2018 – Schwerpunktfragen zu Widerrufsprüfungen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Während im Jahr 2016 noch vergleichsweise wenige Asyl-Widerrufsverfahren eingeleitet wurden (3 170), gab es 2017 bereits über 77 000 entsprechende Verfahren (vgl. zu den Angaben für 2017 Bundestagsdrucksache 19/1217). Im ersten Halbjahr 2018 (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache 19/3839) wurden dann bereits über 100 000 solcher Prüfungen eingeleitet, bei den gut 43 000 Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wurden die erteilten Schutzstatus zu 99,3 Prozent bestätigt. Nach Angaben des BAMF stehen in den Jahren 2018 und 2019 fast eine halbe Million Überprüfungen zur Entscheidung an, bis 2020 sind es insgesamt sogar fast 775 000 Fälle (vgl. Ausschussdrucksache 19(4)159 C). Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes (Bundestagsdrucksache 19/4456) wurde eine Pflicht zur Mitwirkung in Widerrufsverfahren für anerkannte Flüchtlinge geschaffen, insbesondere die daraus resultierenden erneuten mündlichen Befragungen der Schutzberechtigten werden zu einem erheblichen zusätzlichen Bearbeitungsaufwand im BAMF führen. Bei international Schutzberechtigten – nicht bei subsidiär Schutzberechtigten – hat die Widerrufsprüfung spätestens drei Jahre nach einer Anerkennung zu erfolgen (so genannte Regelüberprüfung, vgl. § 73 Absatz 2a und § 73b des Asylgesetzes – AsylG), im Übrigen geschieht dies im Einzelfall bei Wegfall der Umstände , die zur Schutzgewährung geführt haben, wenn eine Rückkehr zumutbar ist. Bei unrichtigen Angaben oder Täuschungen im Einzelfall kommt eine Rücknahme nach § 73 Absatz 2 AsylG in Betracht (kein Widerruf). Für die Betroffenen , nicht selten traumatisierte Flüchtlinge, können Widerrufsprüfungen und die damit verbundene Unsicherheit sehr belastend sein. Wird der Widerruf gerichtlich bestätigt, haben Betroffene aufgrund ihres langjährigen Aufenthalts unter Umständen Aufenthaltsrechte nach dem allgemeinen Aufenthaltsgesetz – das ist ein Grund dafür, warum viele formell abgelehnte Asylsuchende weiterhin rechtmäßig in Deutschland leben. Aktuell gibt es Planungen der Koalition, die Frist zur Regel-Überprüfung gewährter Schutzstatus von drei auf bis zu fünf Jahre zu verlängern, um insbesondere Entscheidungen der Jahre 2015 und 2016 genauer überprüfen zu können (dpa vom 11. Dezember 2018). Das aber würde die Phase Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7818 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode der Unsicherheit für schutzbedürftige Flüchtlinge nach Auffassung der Fragestellenden weiter erhöhen. Eine Regel-Überprüfung ohne konkreten Anlass gab es zum Stand des Jahres 2006 in der EU nur in Deutschland (vgl. Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages von 2007, WD 3 – 482/06 und 102/07), auf mehrfache Anfrage (zuletzt Bundestagsdrucksache 19/3839, Antwort zu Frage 21) konnte die Bundesregierung kein weiteres EU-Land nennen, das eine vergleichbare Regelung eingeführt hätte. Infolge der Aufarbeitung des Falls „Franco A.“ gibt es so genannte vorgezogene Widerrufsprüfungen. Seit August 2017 werden auf diese Weise insbesondere Entscheidungen überprüft, die im schriftlichen Verfahren ergangen sind (Syrien , Irak, Eritrea) sowie Fälle mit fehlenden Identitätsdokumenten (zusätzlich: Afghanistan; vgl. Bundestagsdrucksache 18/13536, Antwort zu Frage 2). Zum Stand: 23. Juli 2018 waren 85 846 dieser Verfahren noch in Bearbeitung, bei 11 187 bereits abgeschlossenen Überprüfungen erfolgte in 1,2 Prozent ein Widerruf , jedoch keine Rücknahme wegen falscher Angaben zur Herkunft oder Identität (vgl. Bundestagsdrucksache 19/3839, Antwort zu den Fragen 2 ff.). Die Anzahl der im BAMF mit Widerrufsprüfungen befassten Beschäftigten ist kontinuierlich angestiegen, Ende Juli 2018 waren es bereits 268 Beschäftigte, die sich ausschließlich mit dieser Aufgabe befassen (ebd.). Es ist nicht zulässig, einen Flüchtlingsstatus mit der Begründung zu widerrufen, nur noch einen subsidiären Schutzstatus erteilen zu wollen, denn der Widerruf ist nur bei einem Wegfall der Umstände, die zur Schutzgewährung geführt haben , gerechtfertigt und nicht etwa infolge einer gewandelten Entscheidungspraxis des BAMF (Antwort von Staatssekretärin Dr. Emily Haber vom 5. Oktober 2017 auf eine Nachfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke). Die im Zuge der vorgezogenen Prüfungen einmal bestätigten Flüchtlingsstatus werden nicht noch einmal anlasslos überprüft (Bundestagsdrucksache 19/357, Antwort zu Frage 8). 1. Wie viele Widerrufsverfahren wurden im dritten Quartal 2018 bzw. im bisherigen Jahr 2018 (bitte, auch im Folgenden, getrennt angeben) eingeleitet (bitte Gesamtzahlen angeben und nach den verschiedenen Formen der Anerkennung und den 15 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren), und wie viele Entscheidungen in Widerrufsverfahren mit welchem Ergebnis gab es in diesen Zeiträumen (bitte Gesamtzahlen angeben und nach den verschiedenen Formen der Anerkennung und den 15 wichtigsten Herkunftsländern differenzieren)? Die Angaben können den folgenden Tabellen entnommen werden: 3. Quartal 2018 Eingeleitete Widerrufs-/ Rücknahmeprüfverfahren Entscheidungen insgesamt Widerruf/ Rücknahme Art. 16a GG Widerruf/ Rücknahme Flüchtlingseigenschaft Widerruf/ Rücknahme Subsidiärer Schutz/ Abschiebungsverbot Widerruf/ Rücknahme Abschiebungsverbot Kein Widerruf/ Keine Rücknahme Herkunftsländer gesamt 71.188 18.847 15 130 20 62 18.620 darunter: Syrien, Arabische Republik 50.667 11.205 1 68 3 15 11.118 Eritrea 6.347 887 - 3 - - 884 Irak 3.832 2.710 1 29 1 5 2.674 Afghanistan 2.618 1.755 - 4 2 18 1.731 Ungeklärt 2.113 392 - 3 3 1 385 Iran, Islamische Republik 1.221 307 2 3 - - 302 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7818 3. Quartal 2018 Eingeleitete Widerrufs-/ Rücknahmeprüfverfahren Entscheidungen insgesamt Widerruf/ Rücknahme Art. 16a GG Widerruf/ Rücknahme Flüchtlingseigenschaft Widerruf/ Rücknahme Subsidiärer Schutz/ Abschiebungsverbot Widerruf/ Rücknahme Abschiebungsverbot Kein Widerruf/ Keine Rücknahme Staatenlos 918 176 - 1 - - 175 Somalia 808 419 - 2 1 1 415 Pakistan 304 159 - - - - 159 Russ. Föderation 298 71 - 3 2 1 65 Türkei 245 158 5 4 2 1 146 Ägypten 191 49 - 1 - 1 47 Nigeria 173 59 - - - 4 55 Äthiopien 137 61 - - 1 1 59 Kosovo 116 27 1 - - 2 24 2018 eingeleitete Widerrufs-/ Rücknahmeprüfverfahren Entscheidungen insgesamt Widerruf/ Rücknahme Art. 16a GG Widerruf/ Rücknahme Flüchtlingseigenschaft Widerruf/ Rücknahme Subsidiärer Schutz/ Abschiebungsverbot Widerruf/ Rücknahme Abschiebungsverbot Kein Widerruf/ Keine Rücknahme Herkunftsländer gesamt 192.664 85.052 42 535 184 221 84.070 darunter: Syrien, Arabische Republik 127.998 53.541 5 248 70 29 53.189 Eritrea 14.833 3.621 1 13 5 - 3.602 Irak 13.898 11.590 1 153 33 14 11.389 Afghanistan 10.196 4.867 - 16 13 81 4.757 Ungeklärt 7.571 3.145 1 15 8 2 3.119 Iran, Islamische Republik 3.788 1.789 2 11 1 2 1.773 Staatenlos 3.126 1.149 - 3 2 - 1.144 Somalia 2.319 1.171 - 7 8 3 1.153 Pakistan 1.329 700 - 7 - 1 692 Russ. Föderation 1.000 441 2 15 3 13 408 Türkei 743 463 7 13 14 5 424 Ägypten 551 238 - 2 1 1 234 Nigeria 477 197 1 2 - 7 187 Kosovo 395 138 5 1 - 8 124 Äthiopien 368 190 - 1 1 1 187 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7818 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Wie ist der aktuelle Stand der im Zusammenhang des Falls „Franco A.“ angeordneten vorgezogenen Widerrufsprüfungen, wie viel Personal im BAMF ist dabei mit welchen Aufgaben befasst (bitte so konkret und differenziert wie möglich antworten), wie viele mündliche Anhörungen hat es bislang gegeben , wie viele Personen wurden angeschrieben, wie viele Rückmeldungen der Ausländerbehörden gab es, wie viele Personen wurden zu einer Anhörung einbestellt bzw. sind angehört worden usw. (soweit möglich bitte nach Herkunftsländern differenzieren), und welche entsprechenden Planungen zum Personaleinsatz bzw. zu künftigen Aktivitäten gibt es (bitte so konkret wie möglich darlegen)? Im Rahmen der vorgezogenen Regelüberprüfung befinden sich mit Stand 11. Januar 2019 74 912 Verfahren in Bearbeitung. Hiervon ist in 8 787 Verfahren eine Rückmeldung der Ausländerbehörde ausstehend. Die betreffenden Verfahren werden fortlaufend geprüft. Personen, deren Anträge im schriftlichen Verfahren entschieden wurden, werden regelmäßig zu einer persönlichen Anhörung geladen. Bis zum 11. Januar 2019 wurden insgesamt 27 519 Personen geladen. Insgesamt sind 13 087 Personen der Ladung nachgekommen. Damit kamen durchschnittlich 48 Prozent der geladenen Personen der Aufforderung zu einer persönlichen Anhörung nach. Hinsichtlich des Personaleinsatzes wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. Die Mitarbeitenden werden fortlaufend geschult. Hierbei wird insbesondere den aktuellen Gesetzesänderungen hinsichtlich bestehender Mitwirkungspflichten Rechnung getragen. 3. Welche Ergebnisse und Erkenntnisse haben diese vorgezogenen Überprüfungen inzwischen erbracht (bitte so konkret wie möglich darstellen), wie viele Widerrufe bzw. Rücknahmen (bitte differenzieren) wurden im Zuge der Überprüfung bislang ausgesprochen (bitte nach den wichtigsten Herkunftsstaaten differenziert angeben), und was lässt sich zu den Gründen hierfür sagen (bitte ausführen), wie viele Sicherheitsbefragungen oder Identitätsklärungen haben mit welchem Ergebnis stattgefunden (bitte so genau wie möglich darstellen)? Im Rahmen der vorgezogenen Regelüberprüfung konnten mit Stand 11. Januar 2019 bisher 23.830 Verfahren abgeschlossen werden. In 241 dieser abgeschlossenen Verfahren kam es zu 88 Rücknahmen und 153 Widerrufen. Die Gründe für die Einleitung von Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren ergeben sich aus § 73 des Asylgesetzes (AsylG) und werden statistisch nicht erfasst. Auch Identitätsklärungen und Befragungen werden nicht gesondert für die genannten Widerrufs-/ Rücknahmeverfahren erfasst. 4. Wie bewertet die Bundesregierung den Befund, dass nach 11 187 abgeschlossenen vorgezogenen Widerrufsprüfungen in keinem einzigen Fall ein Grund zur Rücknahme des gewährten Schutzstatus wegen falscher Angaben oder Täuschungen zur Herkunft oder Identität vorlag (vgl. Antwort zu Frage 6 auf Bundestagsdrucksache 19/3839), was nach Einschätzung der Fragestellenden die Vermutung entkräftet, in schriftlichen Anerkennungsverfahren oder bei fehlenden Identitätsnachweisen hätte es eine größere Zahl von unentdeckten Täuschungsversuchen gegeben, die eine aufwändige Überprüfung all dieser Fälle erforderlich machen würde (bitte darlegen)? Wie in der Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3839 vom 16. August 2018 dargelegt, hat die Überprüfung der o. g. 11 187 Verfahren zwar zu keinen Rücknahmen, aber zu Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7818 zwölf Widerrufen geführt. Die Bundesregierung hält die Überprüfung der Entscheidungen für sinnvoll, um der öffentlichen Diskussion über die Richtigkeit der seit dem Jahr 2014 ergangenen Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sachlich begegnen zu können. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3839 verwiesen. 5. Wie begründet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der sehr geringen Widerrufs- und Rücknahmezahlen (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) die Notwendigkeit des Festhaltens an der gesetzlichen Regelung zur Regelüberprüfung ohne konkreten Anlass, obwohl dies nach Auffassung der Fragestellenden ganz erhebliche Kapazitäten im BAMF bindet, die besser für andere Aufgaben genutzt werden sollten (Qualitätsverbesserungen, schnellere Verfahren bei hohen Standards, Weiterbildungen usw.)? 6. Warum hält die Bundesregierung anlasslose Regelüberprüfungen nach einer bestimmten Zeitdauer für erforderlich und angesichts des erheblichen Aufwandes auch für verhältnismäßig, obwohl ein Widerruf vor allem bei einer grundlegend geänderten Lage im Herkunftsland in Betracht kommt (die Prüfverfahren könnten also anlassbezogen in Bezug auf bestimmte Herkunftsländer eingeleitet werden, wenn es entsprechende grundlegende Änderungen gibt) und es für eine Rücknahme in der Regel konkreter Anhaltspunkte für entsprechende Täuschungshandlungen bedarf (so dass auch in diesen Fällen anlassbezogen entsprechende Verfahren eingeleitet werden könnten)? Die Fragen 5 und 6 werden gemeinsam beantwortet. Die in den Fragen zum Ausdruck kommende Wertung, nur bei bereits vorliegenden Erkenntnissen für Widerruf oder Rücknahme sei ein hinreichender Anlass für eine Prüfung gegeben, wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 5 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3839 verwiesen. 7. Auf welcher Rechtsgrundlage werden Regelüberprüfungen auch bei subsidiären Schutzstatus und Abschiebungshindernissen vorgenommen, obwohl es solche Regelüberprüfungen nach der geltenden Rechtslage nur bei Asylberechtigungen und Flüchtlingsanerkennungen geben darf (vgl. Vorbemerkung der Fragesteller, bitte nachvollziehbar begründen), und warum werden subsidiäre Schutzstatus überhaupt in die vorgezogene Regelüberprüfung mit einbezogen, obwohl in allen Fällen der Erteilung eines subsidiären Schutzstatus eine mündliche Anhörung der Schutzsuchenden erfolgt ist, weil ein schriftliches Anerkennungsverfahren nach der Rechtslage nur in Betracht kommt, wenn ein Status nach der Genfer Flüchtlingskonvention erteilt oder eine Asylberechtigung ausgesprochen werden soll (bitte nachvollziehbar begründen )? In § 73b AsylG (subsidiärer Schutz) und § 73c AsylG (Abschiebungsverbote) sind die Voraussetzungen geregelt, bei deren Vorliegen die entsprechenden Feststellungen zu widerrufen oder zurückzunehmen sind. Die Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen kann vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtung jederzeit erfolgen. Darüber hinaus ist die Bundesregierung der Auffassung, dass eine Überprüfung auch jener Entscheidungen sinnvoll ist, um der öffentlichen Diskussion über die Qualität der seit dem Jahr 2014 ergangenen Entscheidungen des BAMF sachlich begegnen zu können. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7818 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Wie sind die ersten Erfahrungen des BAMF mit der gesetzlichen Neuregelung zur Mitwirkungspflicht im Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren, was wurde konkret zur Umsetzung der Neuregelung in welchem Umfang veranlasst , wie viel Personal soll in diesem Zusammenhang für welche Aufgaben eingesetzt werden (bitte Angaben zum gegenwärtigen Stand und zur Planung machen), und welche internen Regelungen gibt es insbesondere dazu, in welchen Fallgruppen oder Konstellationen Personen mit einem Schutzstatus auf ihre Mitwirkungspflicht hingewiesen werden bzw. zu einer mündlichen Befragung im BAMF geladen werden sollen? Welche genaueren Vorgaben für solche Gespräche im Rahmen von Widerrufs - und Rücknahmeverfahren gibt es oder sind geplant, und von welcher ungefähren Fallzahl (in absoluten und relativen Zahlen) wird diesbezüglich im BAMF zur Planung ausgegangen (bitte so genau wie möglich darlegen)? Da die gesetzliche Neuregelung zur Mitwirkungspflicht erst am 12. Dezember 2018 in Kraft getreten ist, können Aussagen über erste Erfahrungen mit der Mitwirkungspflicht für den Berichtszeitraum nicht getroffen werden. Eine Ladung zur Befragung liegt im Ermessen des Entscheiders. Inhalte der Befragung sind in erster Linie die Klärung von Identität und Herkunft sowie die Überprüfung, ob die Gründe, die zur Ausreise aus dem Herkunftsland geführt haben, noch vorliegen sowie die Ermittlung und Überprüfung sonstiger Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen könnten. 9. Wird im BAMF künftig getrennt statistisch erfasst werden, in wie vielen Fällen ein Widerruf bzw. eine Rücknahme erfolgt und gegebenenfalls auch, aus welchen Gründen dies geschieht (bislang gibt es nur Angaben zur Zahl der Widerrufe und Rücknahmen insgesamt), und wenn nein, wieso nicht, obwohl zum Beispiel auch der Sachverständige Prof. Dr. Daniel Thym bei einer öffentlichen Anhörung am 5. November 2018 erklärt hat, dass ihm aufgefallen sei, dass die Bundesregierung hierzu keine statistischen Angaben machen könne, obwohl das eine „unheimlich spannende Information“ wäre (Wortprotokoll der 26. Sitzung des Ausschusses für Inneres und Heimat, Seite 24)? Die Geschäftsstatistik kann die Fälle des Widerrufs bzw. die Rücknahme statistisch ausweisen. Die Gründe der Entscheidung sind dagegen nicht Bestandteil der Geschäftsstatistik. Für derartige statistische Auswertungen müsste das System MARiS zuvor angepasst werden, was mit einem erheblichen Ressourcenaufwand verbunden wäre. 10. Wie ist der aktuelle Stand der Überprüfung von Identitätsdokumenten in Zusammenarbeit mit den Ausländerbehörden (vgl. Bundestagsdrucksache 19/3839, Antwort zu Frage 8)? a) In wie vielen der rund 54 000 Verfahren wurden dem BAMF inzwischen über die Ausländerbehörden Dokumente vorgelegt? Bisher sind im BAMF 37 717 Dokumente eingegangen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7818 b) Wie viele dieser Dokumente wurden inzwischen mit welchem Ergebnis überprüft (bitte so differenziert wie möglich darlegen und etwa nach Herkunftsstaaten und Schutzstatus differenzieren), wie viele Dokumente wurden mit welchem Ergebnis einer tiefergehenden Analyse unterzogen? Eingang Ausgang Endbestand Fälschungen Gesamtmenge der eingegangenen Dokumente 37.717 37.714 3 Dokumente, die nicht einer erneuten Prüfung unterzogen wurden: 6.285 6.263 22 Anzahl der Dokumente der einzelnen Prüfebenen: 1. Ebene (Vorprüfung AS/AZ) 31.716 31.525 191 2. Ebene (Prüfzentren) 1.440 1.436 4 3. Ebene (Sachverständige) 813 757 56 245 Von den 37 717 eingegangen Dokumenten wurden 6.284 Dokumente nicht erneut geprüft. Dies sind Dokumente, die nachweisbar bereits durch das BAMF oder durch Bundes- oder Landespolizei überprüft worden sind. 31 525 Dokumente wurden in den Außenstellen/Ankunftszentren einer Vorprüfung unterzogen. Nach dem mehrstufigen Prüfverfahren wurden 1 440 Dokumente mit Fälschungsverdacht in die 2. Ebene (Prüfzentren) und wiederum hiervon 813 Dokumente mit erhöhtem Fälschungsverdacht in die 3. Ebene (Urkundensachverständige ) übersandt. 245 Dokumente wurden durch Sachverständige beanstandet. Damit liegt die Fälschungsquote in diesem Sonderverfahren bei 0,78 Prozent. Die Fälschungsquote aller Dokumentenprüfungen beim BAMF liegt, über das gesamte Jahr 2018 betrachtet , bei 1,9 Prozent. Eine statistisch differenzierte Auswertung über Herkunftsländer und Schutzstatus ist technisch nicht möglich. c) In wie vielen dieser überprüften Fälle wurde ein Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren mit welchem Ergebnis eingeleitet (bitte so differenziert wie möglich darlegen und etwa nach Herkunftsstaaten und Schutzstatus differenzieren), und was kann dazu ausgeführt werden, zu welchem ungefähren Anteil gefälschte Dokumente dazu verwandt wurden, eine falsche Identität bzw. Herkunft vorzutäuschen (bitte zumindest Einschätzungen fachkundiger Bundesbediensteter hierzu nennen, auch wenn keine entsprechende Statistik vorliegt)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8c der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3839 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7818 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode d) In welchem ungefähren Umfang ergaben sich durch nachträglich entdeckte gefälschte Dokumente ernsthafte Hinweise auf sicherheitspolitische Gefährdungen (bitte ausführen und zumindest Einschätzungen fachkundiger Bundesbediensteter hierzu nennen, auch wenn keine entsprechende Statistik vorliegt)? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8d der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3839 wird verwiesen. 11. Welche aktuellen Angaben kann die Bundesregierung zur nachträglichen erkennungsdienstlichen Behandlung (ED-Behandlung) von Geflüchteten machen , bei denen eine Entscheidung zunächst ohne ED-Behandlung erfolgt war (bitte ausführen), und in welchem Umfang haben diese nachträglichen ED-Behandlungen zu welchen Korrekturen oder neuen Erkenntnissen geführt (bitte zumindest fachkundige Einschätzungen wiedergeben, soweit keine Statistik vorliegen sollte)? Das Fehlen einer ED-Behandlung kann etwa darin begründet sein, dass das Alter der Antragsteller zum Zeitpunkt der Aktenanlage unter 14 Jahren lag, jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidung das 14. Lebensjahr vollendet wurde. Auch kann eine ED-Behandlung physisch nicht möglich gewesen sein oder es können Datenübertragungsfehler oder Fehleingaben vorgelegen haben. Eine nachträgliche ED-Behandlung wurde bei den betreffenden Verfahren angestoßen und mehrheitlich bereits abgeschlossen. Nach Erkenntnissen des BAMF ist in rd. 25 Prozent der Verfahren eine ED-Behandlung dauerhaft nicht möglich (insb. Versterben, physisch unmöglich, unbekannt verzogen, Einbürgerung, Ausreise/Rückkehr ins Ausland). 12. Für welche Herkunftsländer wurde im BAMF seit der Antwort zu Frage 11 auf Bundestagsdrucksache 19/3839 festgestellt, dass sich die dortige Lage nachhaltig und dauerhaft verbessert hat und deshalb in entsprechenden Fällen eine individuelle Widerrufsprüfung vorzunehmen ist (bitte nach Ländern und Datum auflisten), und wie lautet die jeweilige inhaltliche Begründung für diese Bewertung? Im Juli 2018 wurde eine Sachlagenänderung im Sinne der Fragestellung hinsichtlich des Herkunftslandes Irak, nur in Bezug auf die Region Kurdistan-Irak, festgestellt . Die vormals im Rahmen der Rückkehrprognose angenommene Gefahr einer Ausdehnung des Islamischen Staates auch auf die Region Kurdistan-Irak mit den entsprechenden Folgen, die Grundlage für die Entscheidungspraxis des BAMF war, kann auf Grund der aktuellen Entwicklung dauerhaft ausgeschlossen werden. Insoweit bezieht sich das BAMF auf Berichte der Vereinten Nationen, wonach der IS militärisch geschlagen ist und somit keine großangelegten militärischen Operationen gegen kurdische Gebiete erfolgreich durchführen kann, um dort Gebiete zu kontrollieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/7818 13. Hält die Bundesregierung die Fachkenntnis im BAMF angesichts der Tatsache , dass es dort keine Kenntnisse darüber geben soll (wie die Antworten der Bundesregierung nahelegen; vgl. zuletzt Bundestagsdrucksache 19/3839, Antwort zu Frage 21), in welchen anderen EU-Mitgliedstaaten (außer Österreich ) es wie in Deutschland eine gesetzliche Vorgabe zu verpflichtenden anlasslosen Widerrufsprüfungen innerhalb einer bestimmten Zeitdauer gibt (bitte ausführen), für angemessen, und wieso hat nach ihren eigenen Angaben auch die Bundesregierung keine entsprechenden Kenntnisse (vgl. ebd.), obwohl es auf EU-Ebene im Rahmen der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems unter anderem zu diesem Punkt entsprechende Beratungen und Verhandlungen unter Beteiligung der Bundesregierung in EU- Gremien gab bzw. gibt, wie ist der aktuelle Verhandlungsstand auf EU- Ebene zu dieser Frage, und welche Position vertritt die Bundesregierung hierzu, welche Gegenstimmen gab bzw. gibt es (bitte ausführen)? Detailkenntnisse über einzelne Regelungen der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme sind weder für die Tätigkeit des BAMF noch für die Positionierung der Bundesregierung im Rahmen der GEAS-Reform unmittelbar relevant. In dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie zur Änderung der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (Qualifikations- VO Entwurf, 11316/16) hatte die europäische Kommission ursprünglich Regelungen zur verpflichtenden Regelüberprüfung der Schutzstatus vorgesehen. Als Ergebnis der Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament sind diese Regelungen nunmehr nicht mehr Bestandteil des Entwurfs. 14. Wie viel Personal ist aktuell im BAMF an welcher Stelle mit der Aufgabe von Widerrufs- und Rücknahmeprüfungen befasst, und wie sind diesbezügliche Planungen für die Zukunft (bitte so differenziert wie möglich darstellen )? Im BAMF sind zum Abfragestichtag 20. September 2018 insgesamt 418,8 VZÄ (Vollzeitäquivalente) mit der Aufgabe von Widerrufs- und Rücknahmeprüfungen befasst. Hiervon sind 76,1 VZÄ in der Zentrale und 342,7 VZÄ in regionalen Dienststellen tätig. 15. Wie viel Personal ist aktuell im BAMF an welcher Stelle mit welchen Aufgaben der Qualitätssicherung befasst, und wie sind diesbezügliche Planungen für die Zukunft (bitte so differenziert wie möglich darstellen)? Im BAMF nehmen zum Abfragestichtag 20. September 2018 197, 9 VZÄ Aufgaben der Qualitätssicherung wahr. Hiervon sind 23,6 VZÄ in der Zentrale und 174,3 VZÄ in regionalen Dienststellen tätig. 16. Wie viel Personal ist aktuell in der Prozessvertretung des BAMF im Asylbereich eingesetzt, und wie sind entsprechende Planungen für die Zukunft (bitte ausführen)? Im BAMF nehmen zum Abfragestichtag 20. September 2018 insgesamt 402 VZÄ Aufgaben der Prozessvertretung wahr. Hiervon sind 28, 9 VZÄ in der Zentrale und 373,1 VZÄ in regionalen Dienststellen tätig. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333