Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 15. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7879 19. Wahlperiode 19.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Omid Nouripour, Kai Gehring, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/7143 – Politische Situation und Menschenrechte im Iran V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Schon seit rund einem Jahr zeugen immer wieder aufflammende Proteste in allen Teilen des Iran vom Unmut der Menschen über die politische und wirtschaftliche Lage. Sie werden von sehr unterschiedlichen Gruppierungen ausgerichtet und haben ein großes Spektrum von Anliegen: die Korruption, die Sonderrolle der Revolutionsgarden und ihres Unternehmenskonglomerats, die wachsende Ungleichheit, die massive Einschränkung von Freiheits- und Menschenrechten, die verheerende ökologische Lage und die Ausgaben für die Unterstützung proiranischer Gruppen im Ausland, u. a. in Syrien. Dabei wird teilweise auch direkt das System der Islamischen Republik infrage gestellt. Die Regierung reagiert regelmäßig mit Verhaftungen gegen die Protestierenden und ihre Organisationen. So berichtet beispielsweise Human Rights Watch im November 2018 von einer Verhaftungswelle gegen Gewerkschaftler (www. hrw.org/news/2018/11/22/iran-mounting-crackdown-teachers-labor-activists); auch Streikende (www.bourseandbazaar.com/news-1/2018/11/19/four-arrestedin -iran-sugar-protests) sind betroffen. Doch nicht nur Gewerkschaften und die Protestierenden sind Zielscheibe staatlicher Repressionen. So wurden mehrere Naturschützerinnen und Naturschützer verhaftet und des „Verderbens auf Erden“ angeklagt – ein Tatbestand, der mit dem Tode bestraft werden kann. Auch die prominente Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh wurde erneut verhaftet, neben ihr auch weitere Anwälte und Anwältinnen und Menschenrechtsverteidiger und Menschenrechtsverteidigerinnen , die öffentlich Proteste gegen den Zwang zum Tragen des Hijab im Iran unterstützten (www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID= 23947&LangID=E). Der Iran gehört weiterhin zu den Staaten mit der höchsten Rate an Todesstrafen. Sie wird bereits für mindere Straftaten wie den Drogenhandel angewandt und mittlerweile auch von neu geschaffenen Sondergerichten verhängt, die kein faires Verfahren gewährleisten (https://iranhumanrights.org/ 2018/11/irans-corruption-courts-handing-out-death-sentences-while-tramplingon -rights-to-a-fair-trial/). Weiterhin werden bestimmte religiöse Gruppen wie die Baha’i oder Sufis besonders brutal verfolgt und mitunter zum Tode verurteilt (www.amnesty.org/en/latest/news/2018/06/iran-sufi-bus-driver-executed/). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7879 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Auch Frauen sind immer noch massiver Diskriminierung ausgesetzt und werden über Kleider- und Verhaltensvorschriften in ihren Rechten beschränkt. Dissidentinnen sind in Gefängnissen neben Folter auch sexualisierter Gewalt ausgesetzt (www.vfnothilfe.de/uber-uns/). Die aktuellen Proteste begannen schon vor der endgültigen Entscheidung des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump im Mai 2018, den Verpflichtungen der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran (Joint Comprehensive Plan of Action, JCPOA) nicht länger nachzukommen. Schon die Ankündigung des US-Ausstiegs aus dem JCPOA sorgte in der iranischen Wirtschaft für große Verunsicherung. Der Wert des iranischen Rial fiel in wenigen Wochen um rund die Hälfte und hat seinen Fall seither fortgesetzt. Das führte zu einem starken Anstieg der Preise, was bestehende soziale Ungleichheiten noch einmal verschärfte . Die von den USA unilateral wieder eingesetzten Sanktionen drohen auch die Versorgung mit medizinischen und humanitären Gütern zu erschweren, da sie die Abwicklung von Zahlungen erheblich erschweren. Ihren aggressiven außenpolitischen Kurs, beispielsweise in Syrien, im Libanon, im Irak und im Jemen hält die iranische Staatsführung dabei aufrecht und spricht unvermindert weiter Vernichtungsdrohungen gegen Israel aus. Die Reaktion der Bundesregierung auf die innenpolitisch angespannte Lage im Iran ist nach Ansicht der Fragestellenrinnen und Fragesteller bislang ausgesprochen verhalten. Der Bundesaußenminister Heiko Maas warnte im August 2018 angesichts der Proteste vor „Chaos“ im Land und gab seiner Befürchtung Ausdruck , nach einem möglichen Ende der Islamischen Republik könnten „radikale und fundamentalistische Kräfte Auftrieb“ erhalten (www.spiegel.de/politik/ ausland/us-sanktionen-heiko-maas-warnt-vor-chaos-in-iran-a-1222133.html). Während die Fragestellerinnen und Fragesteller die Bemühungen der Bundesregierung unterstützen, das Atomabkommen mit dem Iran trotz der US-Sanktionen aufrechtzuerhalten, sprechen sie sich deutlich für eine klarere Haltung im Umgang mit Repression und Menschenrechtsverletzungen im Land aus. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Fragesteller, dass die verschiedenen Demonstrationen in Iran von sehr unterschiedlichen Gruppierungen ausgerichtet werden, ein breites Spektrum von Anliegen haben und vor allem anlassbezogen auftreten. Aus diesem Grund sieht die Bundesregierung bei der weiteren Beantwortung der Kleinen Anfrage davon ab, Proteste bei der Beantwortung gleichzusetzen und zu pauschalisieren und fokussiert, soweit nicht explizit anders genannt , vor allem auf die Proteste zum Jahreswechsel 2017/2018. 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Umfang der Proteste im Iran seit Ende 2017? Zum Jahreswechsel 2017/2018 kam es in mehreren Städten Irans und im ländlichen Raum zunächst zu den größten Protesten seit Niederschlagung der sogenannten Grünen Bewegung im Jahr 2009. Diese Proteste ebbten zu Beginn des Jahres 2018 rasch ab. Seither kommt es immer wieder – allerdings unkoordiniert – zu kleineren Protesten und Unmutsbekundungen im ganzen Land. Die Proteste haben dabei jeweils sehr unterschiedliche Zielsetzungen und Anliegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7879 2. Wie schätzt die Bundesregierung die politische Motivation der Proteste im Iran ein? Die Proteste zum Jahreswechsel waren primär wirtschaftlich motiviert angesichts hoher Arbeits- und Perspektivlosigkeit, Inflation, steigender Preise für Grundnahrungsmittel . Gleichwohl spielte auch eine allgemeine Unzufriedenheit über die politische Situation mit hinein, was sich beispielsweise in Kritik an Revolutionsführer Khamenei äußerte. 3. Welche Rolle spielen nach Einschätzung der Bundesregierung die ökologischen Probleme, vor allem die Wasserversorgung, im Iran für die Proteste? Bei den Protesten Ende 2017/2018 spielten ökologische Fragen nach Kenntnis der Bundesregierung nur eine nachgeordnete Rolle. Es kommt allerdings in einzelnen Provinzen besonders in landwirtschaftlich geprägten Gebieten vermehrt zu Protesten wegen unzulänglicher Wasserversorgung und Dürre, die die Existenzgrundlage für Teile der dortigen Bevölkerung bedrohen. 4. Inwiefern hat die iranische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung Schritte zur Verbesserung der Situation der Wasserversorgung getan, und inwiefern arbeitet die Bundesregierung dabei mit Partnern im Iran zusammen ? Die Wasserproblematik wird in Iran relativ offen diskutiert. Auch werden verstärkt Projektvorschläge gemacht, allerdings fehlt es bislang an einem Gesamtkonzept der iranischen Regierung. Die Bundesregierung engagiert sich bei ihrer Zusammenarbeit mit dem Iran besonders im Bereich Wasser. Beispielsweise besteht seit dem Jahr 2000 eine geförderte Forschungskooperation zu nachhaltigem Wassermanagement. Darüber hinaus wird sich die Bundesregierung in Iran künftig auch im Bereich Weiterbildung engagieren. Zudem wurde 2016 im Rahmen der Gemeinsamen Wirtschaftskommission eine eigene bilaterale Arbeitsgruppe zu Wasserfragen unter gemeinsamer Federführung des iranischen Energieministeriums und des Bundesministeriums für Umwelt (BMU) verabredet. Unter ihrer Ägide wurden seither etwa Workshops zum Flussgebiets- und Grundwassermanagement und eine Studie zur Anpassung an den Klimawandel in einem iranischen Flussgebiet durchgeführt. Angesichts der Bedeutung des Themas Wasser im Iran sollen gemeinsame Aktivitäten in diesem Bereich verstärkt werden. 5. Wie beurteilt die Bundesregierung die Rolle der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Iran für die Proteste? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 6. Inwiefern sind der Verfall des Rial und die Inflation im Land nach Einschätzung der Bundesregierung auf hausgemachte ökonomische Probleme zurückzuführen , und inwiefern auf die Auswirkungen der US-Sanktionen gegen das Land? Sowohl der Währungsverfall wie auch die Inflation sind problematisch für die iranische Volkswirtschaft. Die Sanktionen, insbesondere ihre psychologische Wirkung, dürften nach Einschätzung der Bundesregierung den Währungsverfall beeinflussen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7879 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Inwiefern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung regionale Schwerpunkte bei den Protesten? Proteste fanden und finden vereinzelt im ganzen Land statt, Schwerpunkte sind nicht auszumachen. 8. Inwiefern hat die Bundesregierung Kenntnis über ausländische Unterstützung für die Proteste in den kurdisch und arabisch geprägten Regionen des Iran? Der Bundesregierung liegen zu dieser Frage keine Erkenntnisse vor. 9. Wie viele Verhaftungen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Protesten im Iran? Der iranische Innenminister Rahmani Fazli gibt die Zahl der Verhafteten bei den Unruhen zum Jahreswechsel 2017/2018 mit 5 000 an. 10. Wie viele Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit den Protesten verurteilt? Von den etwa 5 000 Inhaftierten wurde der Großteil vergleichsweise zügig wieder freigelassen. Eine kleinere Gruppe von etwa 150 Personen, primär Studierende , wurde erstinstanzlich verurteilt; auf Druck der Universitäten kamen viele von ihnen jedoch ebenfalls wieder frei. In anderen Fällen kam es zu Freilassungen nach Gerichtsentscheidungen in der zweiten Instanz. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im September 2018 zwölf der Demonstranten zu Haftstrafen zwischen sechs und 15 Jahren verurteilt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass noch weitere Personen im Zusammenhang mit den Protesten zum Jahreswechsel 2017/2018 inhaftiert sind. 11. In welchem Umfang wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Personen, die im Zusammenhang mit den Protesten verhaftet wurden, im Gefängnis gefoltert? Zwei Inhaftierte sind unmittelbar nach den Unruhen zum Jahreswechsel im Gefängnis unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen. Der Bundesregierung liegen über diese und andere Fälle von Foltervorwürfen keine eigenen Erkenntnisse vor. 12. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Lage der verhafteten Protestierenden in der Zuckerfabrik in Haft Tapeh vor (https:// iranhumanrights.org/2018/12/detained-protester-reportedly-tortured-as-iraniansugar -mill-workers-demand-unpaid-wages/), und wie schätzt sie die politische Lage von Arbeitervertretern im Iran insgesamt ein? In der Zuckerfabrik Haft Tapeh gibt es seit Monaten Proteste wegen ausbleibender Gehaltszahlungen. Medienberichten zufolge wurde der Gewerkschafter Esmail Bakhshi nach seiner Festnahme aufgrund der Proteste in Haft Tapeh gefoltert . Er und die Bürgerrechtlerin Sepideh Qolian sind nach wie vor in Haft; die anderen verhafteten Mitstreiter wurden freigelassen. Grundsätzlich ist die Situation von Arbeitnehmervertretern in Iran schwierig. Freie Gewerkschaften existieren nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7879 13. Inwiefern beurteilt die Bundesregierung das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Protestierenden als unverhältnismäßig? Nach Einschätzung der Bundesregierung reagierten die iranischen Behörden mit einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften und unter Einsatz von Gewalt auf die Proteste zum Jahreswechsel. Das Vorgehen entsprach in keiner Weise rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Bundesregierung trat in ihren Stellungnahmen zu den Ereignissen auch gegenüber der iranischen Regierung mit Nachdruck für das Grundrecht der iranischen Bevölkerung auf friedlichen Protest ein. 14. Worauf führt die Bundesregierung die ausweislich der Asylgeschäftsstatistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in der zweiten Jahreshälfte 2018 steigenden Zahlen iranischer Asylbewerberinnen und Asylbewerber zurück? Nach Einschätzung der Bundesregierung bedingen vor allem die sich zunehmend verschlechternde Wirtschaftslage und die weiterhin kritische Menschenrechtslage die Migrationsbestrebungen iranischer Staatsangehöriger. 15. Inwiefern spielt die Oppositionsgruppe der Volksmudschahedin nach Kenntnis der Bundesregierung eine Rolle bei den Protesten? Die Volksmudschahedin begleiten das Protestgeschehen in Iran vom Exil aus medial intensiv, verfügen aber in Iran nicht über etablierte Organisationsstrukturen. Über eine direkte Beteiligung an den Protesten innerhalb Irans liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 16. Inwiefern sind nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Iran inhaftiert? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind derzeit vier deutsche Staatsangehörige in Iran inhaftiert. 17. Inwiefern wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nach dem Anschlag in Ahvaz bereits Menschen verhaftet? Seit dem Anschlag in Ahvaz kommt es immer wieder zu Verhaftungen, insbesondere in der Provinz Khuzestan. 18. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Hinrichtungen im Iran entwickelt? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist die Zahl der Hinrichtungen in Iran aufgrund einer Gesetzesänderung für Drogendelikte 2018 mit 223 Hinrichtungen (2016: 477; 2017: 429) deutlich gesunken. 19. Inwiefern ist die Hinrichtung von zur Tatzeit Minderjährigen im Iran nach Kenntnis der Bundesregierung nach wie vor gängige Praxis? Nach Kenntnis der Bundesregierung wird die Todesstrafe in Iran auch auf zur Tatzeit Minderjährige (2018 mindestens vier Fälle) angewandt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7879 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 20. Auf welche Weise hat sich die Bundesregierung für die Freilassung der inhaftierten Naturschützerinnen und Naturschützer eingesetzt, inwiefern beobachtet sie deren Prozess, und welche Rückschlüsse zieht sie aus dem Vorgehen gegen die Forscher für die Wissenschaftskooperation mit dem Iran? Die deutsche Botschaft in Teheran hat in zahlreichen Gesprächen die vollständige Aufklärung des Todes des unter ungeklärten Umständen in iranischer Haft verstorbenen Leiters der „Persian Wildlife Heritage Foundation“, Kavous Seyed- Emami, und der Verhaftungen von Mitgliedern dieser Umweltschutzorganisation gefordert und dabei die besorgniserregende Lage von Umweltschützern in Iran in aller Deutlichkeit angesprochen. Auch in der traditionell von Kanada eingebrachten Iran-Resolution zu Menschenrechten in der 73. Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) im September 2018 – Deutschland war wiederholt Miteinbringer und einer der herausgehobenen Befürworter – wird die Situation der Umweltschützer thematisiert. Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin für die in Iran inhaftierten Umweltschützer einsetzen. Die Bundesregierung misst der Wissenschaftsfreiheit und der Sicherheit von Forschenden einen hohen Stellenwert bei und will durch Wissenschaftskooperationen auf eine Verbesserung der Wissenschaftsfreiheit hinwirken. Außerdem bietet die Bundesregierung über die Philipp Schwartz-Initiative der Alexander von Humboldt-Stiftung gefährdeten Forschenden die Möglichkeit, in Deutschland ein Stipendium zu erhalten. 21. Wie versucht die Bundesregierung im Zuge der deutsch-iranischen Bildungsbeziehungen darauf hinzuwirken, dass auch politisch engagierte junge Menschen im Iran nicht von höherer Bildung ausgeschlossen werden? Die Stipendienprogramme der Bundesregierung stehen allen offen, die fachlich dafür qualifiziert sind. 22. Inwiefern hat sich die Bundesregierung für die inhaftierte Anwältin Nasrin Sotoudeh, ihres Ehemannes Reza Khandan sowie dem sich im Hungerstreik befindenden Farhad Meysami eingesetzt? Die Bundesregierung hat sich mehrfach in bilateralen Gesprächen für die Freilassung von Nasrin Sotoudeh eingesetzt. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung im Auswärtigen Amt, Dr. Bärbel Kofler, forderte die iranische Regierung am 13. Juni 2018 presseöffentlich auf, Nasrin Sotoudeh aus der Haft zu entlassen: www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/kofler-nashrin-sotudeh/ 2106772. 23. Wie schätzt die Bundesregierung die Verhaftungswelle gegen Menschenrechtsanwältinnen und Menschenrechtsanwälte im Iran ein (www.iranhuman rights.org/2018/12/crackdown-on-defense-lawyers-in-iran-amirsalar-davoudinot -heard-from-since-arrest/)? Die Bundesregierung sieht die Verhaftungen mehrerer iranischer Anwälte, die sich insbesondere für Menschenrechtsverteidiger einsetzen, mit großer Sorge. Dies hat die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung im Auswärtigen Amt, Dr. Bärbel Kofler vom 4. September 2018 in einer Pressemitteilung deutlich zum Ausdruck gebracht: www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/kofler-iranmenschenrechte /2132456. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7879 24. Warum konnte der iranische Präsident Hassan Rouhani nach Einschätzung der Bundesregierung bislang noch nicht die Freilassung der unter Hausarrest stehenden ehemaligen Präsidenschaftskandidaten Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi sowie von dessen Ehefrau Zahra Rahnaward erreichen, und inwiefern thematisiert die Bundesregierung diese Fälle in ihren Gesprächen mit der iranischen Regierung? Die Bundesregierung hat zum ersten Teil der Frage keine Erkenntnisse. Die Menschenrechtslage wie auch Einzelfälle werden in unterschiedlichen Formaten von der Bundesregierung in Gesprächen mit der iranischen Regierung thematisiert. 25. Wie schätzt die Bundesregierung die Lage der verfolgten religiösen Gruppen im Iran ein, besonders der Baha’i und Sufis? Nach Einschätzung der Bundesregierung ist die Lage ethnischer und religiöser Minderheiten in Iran schwierig. Vor allem missionierende christliche Gruppierungen , Konvertiten und persisch-sprachige christliche Gemeinden sowie die Gemeinschaft der Baha’i und Sufis sind Verfolgung und staatlicher Repression ausgesetzt . Die Baha’i (ca. 300 000 Gläubige) stellen derzeit eine der am stärksten in ihren Rechten eingeschränkte Minderheit in Iran dar. Sie werden verfolgt und sind wirtschaftlicher , politischer und gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Derzeit sind nach Angaben der International Bahai Community 67 Baha’i in Iran aus Glaubensgründen inhaftiert. Nach Einschätzung der Bundesregierung sind die Angehörigen verschiedener Sufi-Gruppierungen seit 2006 Opfer von gezielter Propaganda. Die Sufis, dabei vor allem Anhänger des Gonabadi-Ordens, die jede Form des politischen Islam ablehnen, werden dabei als „Teufelsanbeter“ und wegen ihrer Unterstützung für den Reformer und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Mehdi Karroubi als „Soldaten der Intrige“ darstellt. Wegen ihrer regimekritischen Haltung sowie ihres Einsatzes für soziale Belange und Menschenrechte werden sie immer wieder verfolgt und verhaftet. 26. Wie schätzt die Bundesregierung die Lage der Frauen im Iran ein, und auf welche Weise und welchen Ebenen setzt sich die Bundesregierung für eine Verbesserung der Situation von Frauen im Iran ein? Nach Einschätzung der Bundesregierung sind iranische Frauen in rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht vielfältigen Diskriminierungen unterworfen. Diese Diskriminierungen werden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Während Präsident Ruhani sich in regelmäßigen Abständen etwa für eine stärkere Einbeziehung von Frauen in den Arbeitsmarkt ausspricht, betonen konservative Vertreter die traditionelle Rolle der Frau in der islamischen Familie und plädieren mit Verweis auf die sinkende Geburtenrate für gesetzliche Rahmenbedingungen , die Frauen zuallererst die Mutterrolle zuweist. Inoffiziellen Angaben zufolge beträgt der Anteil der Frauen an der erwerbstätigen Bevölkerung 14,9 Prozent. Auch im zweiten Kabinett Ruhani gibt es keine Ministerin, lediglich zwei Vizepräsidentinnen (von insgesamt elf Vizepräsidenten). Im 2016 neu gewählten Parlament sind nur 18 von 290 Abgeordneten Frauen, eine Verdoppelung zur vorherigen Legislaturperiode. Im „Global Gender Gap Report“ 2017 des World Economic Forum belegt Iran mit Platz 140 (von 144) einen der untersten Plätze. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7879 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutschland ist Unterstützer und Miteinbringer der von Kanada in der 73. Generalversammlung der Vereinten Nationen eingebrachten Iran-Resolution, in der auch die Situation der Frauen zur Sprache gebracht wird. 27. Inwiefern gibt es nach Erkenntnis der Bundesregierung im Iran glaubhafte Bestrebungen zur Aufklärung der Massenmorde in iranischen Gefängnissen im Jahr 1988 (vgl. www.amnesty.org/download/Documents/MDE1394212018 ENGLISH.PDF), und inwiefern erwägt die Bundesregierung, wie im Bericht von Amnesty International gefordert, Gremien der Vereinten Nationen mit dem Sachverhalt zu befassen? Bestrebungen der iranischen Regierung, die der Hinrichtungen in iranischen Gefängnissen im Jahr 1988 aufzuklären, sind für die Bundesregierung derzeit nicht erkennbar. Die Bundesregierung hat Iran in der 37. Sitzung des VN-Menschenrechtsrats am 12. März 2018 in einer nationalen Einlassung dazu aufgerufen, die Ereignisse des Jahres 1988 aufzuarbeiten. Die Bundesregierung eruiert zudem gemeinsam mit Partnern Maßnahmen in den Vereinten Nationen, die zur Verbesserung der Menschenrechtslage im Iran beziehungsweise zur Aufarbeitung früherer Menschenrechtsverletzungen beitragen können. 28. Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Handlungsmöglichkeiten der UN-Menschenrechtsinstitutionen im Iran entwickelt, nachdem der damaligen Sonderberichterstatterin 2017 die Einreise verweigert wurde? In ihrem Bericht (A/HRC/37/68: www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Regular Sessions/Session37/Documents/A_HRC_37_68.docx), erschienen am 5. März 2018, lobte die damalige VN-Sonderberichterstatterin zur Menschenrechtslage in der Islamischen Republik Iran, Asma Jahangir grundsätzlich die kontinuierliche Zusammenarbeit der iranischen Regierung mit ihr. Sie vermerkte ferner positiv, dass die Regierung einen freiwilligen Zwischenbericht zur Universellen Staatenüberprüfung („Universal Periodic Review“/UPR) eingereicht habe und eng mit dem VN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen zusammengearbeitet habe. Ihrem Ersuchen, nach Iran reisen zu dürfen, sei jedoch nicht stattgegeben worden. Auch der Bitte des neuen, seit Juli 2018 amtierenden VN-Sonderberichterstatters zur Menschenrechtslage in der Islamischen Republik Iran, Javaid Rehman, um eine Einladung nach Iranwurde nach Kenntnis der Bundesregierung bisher nicht entsprochen. 29. Wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Stand der Bemühungen um einen neuen Menschenrechtsdialog der EU mit dem Iran (vgl. www.hrw.org/ de/world-report/2018/country-chapters/313674), welche Zielsetzungen verfolgt die EU dabei, und inwiefern gibt es Bedingungen für dessen Aufnahme ? Einen formellen Menschenrechtsdialog der EU mit Iran gibt es derzeit nicht. Am Rande des regelmäßig stattfindenden „High Level Dialogue“ zwischen der EU und Iran werden aber auch Menschenrechtsthemen angesprochen, zuletzt am 26. November 2018. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/7879 30. Inwiefern verfolgt die Bundesregierung parallel dazu eigene Ansätze für einen Menschenrechtsdialog mit dem Iran? Menschenrechtsfragen werden regelmäßig in den politischen Gesprächen von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung mit der iranischen Regierung kritisch angesprochen. Planungen für einen bilateralen Menschenrechtsdialog mit Iran bestehen derzeit nicht. 31. Inwiefern ist die Verteidigung der Menschenrechte Teil der derzeitigen Gespräche mit dem Iran zur Bewahrung des JCPOA? Die Bundesregierung verteidigt die Menschenrechte konsequent sowohl in ihren bilateralen Beziehungen als auch im multilateralen und europäischen Kontext (vgl. RSF Ziffer 11 vom 4. Februar 2019). Auch auf hochrangiger Ebene wird der Schutz der Menschenrechte in Iran von der Bundesregierung stets thematisiert. 32. Setzt sich die Bundesregierung im UN-Menschenrechtsrat dafür ein, dass der Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage im Iran, Javaid Rehman, unbeschränkten Zugang in den Iran erhält? Die Bundesregierung wie auch die Europäische Union haben Iran im Menschenrechtsrat und bei weiteren Gelegenheiten wiederholt zur Zusammenarbeit mit dem VN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage in der Islamischen Republik Iran aufgefordert. 33. Auf welches Szenario spielt Bundesaußenminister Heiko Maas an, wenn er im in der Vorbemerkung der Fragesteller angeführten Artikel angesichts der laufenden Proteste im Iran vor „Chaos“ im Land warnt? 34. Worauf spielt Bundesaußenminister Heiko Maas an, wenn er im in der Vorbemerkung der Fragesteller angeführten Artikel vor „radikalen und fundamentalistischen Kräften“ im Iran warnt? 35. Inwiefern betrachtet die Bundesregierung das gegenwärtige iranische Regime als einen regionalen Stabilitätsfaktor? Die Fragen 33, 34 und 35 stehen in inhaltlichem Zusammenhang und werden zusammen beantwortet Aus Sicht der Bundesregierung sind Stabilität und ein friedliches Miteinander im Nahen und Mittleren Osten nicht ohne das Mitwirken Irans als einer der größten und bevölkerungsreichsten Staaten in der Region zu erreichen. Es ist zentral diejenigen im Land zu stärken, die für Öffnung, Wandel und Dialog eintreten. Der Dialog mit Iran bleibt schwierig, ist aber für die Lösung der Sicherheits- und Stabilitätsfragen der Region unverzichtbar. 36. Wie bewertet die Bundesregierung die wiederholten Vernichtungsdrohungen gegen Israel durch verschiedene Vertreter der iranischen Regierung, und welche Rolle spielen diese für die deutsch-iranischen Beziehungen? Die Bundesregierung wendet sich entschlossen gegen die inakzeptable anti-israelische Rhetorik der iranischen Führung und gegen jegliche Infragestellung des Existenzrechts Israels sowie gegen Äußerungen oder Veranstaltungen, die den Holocaust leugnen oder relativieren. Diese Haltung ist ein bestimmendes Element der deutsch-iranischen Beziehungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7879 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 37. Inwiefern sieht die Bundesregierung durch die Folgen der Sanktionen die Versorgung der Menschen im Iran mit medizinischen Gütern bedroht, und auf welche Weise versucht sie, dieser Gefahr entgegenzuwirken? Die Wiedereinsetzung der US-Sanktionen schränkt die Versorgung mit Medizintechnik und entsprechendem Verbrauchsmaterial sowie mit medizinischen Hilfsmitteln erheblich ein. Der Zugang zu Rohstoffen zur Herstellung von Medikamenten ist (verstärkt durch den Verfall des iranischen Rial) für Iran erheblich erschwert, so dass Engpässe entstehen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass humanitäre Güter weiter nach Iran exportiert werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333