Deutscher Bundestag Drucksache 19/7927 19. Wahlperiode 20.02.2019 der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Niema Movassat, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7415 – Cannabiskonsum und Fahrerlaubnis Vorbemerkung der Fragesteller Jährlich wird zehntausenden Führerscheininhaberinnen und Führerscheininhabern die Fahrerlaubnis entzogen. Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss sind der häufigste Grund für den Entzug der Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisentziehung kann als eine verwaltungsrechtliche Maßnahme durch die Fahrerlaubnisbehörde (§ 3 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG) oder als eine strafrechtliche Maßregel (§ 69 des Strafgesetzbuchs – StGB) erfolgen. Um die Fahrerlaubnis wieder zu erlangen, ist eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) notwendig. Im Jahr 2017 mussten sich über 23 000 Personen anlässlich von Betäubungsmitteln und 39 000 anlässlich von Alkoholauffälligkeit einer MPU unterziehen (www.bast.de/BASt_2017/DE/Presse/Mitteilungen/2018/ presse-08-2018.html). Disziplinübergreifend wird kritisiert, dass der Umgang mit Alkohol und Cannabis im Straßenverkehr mit zweierlei Maß erfolgt. Denn anders als bei Alkohol können bei Cannabis einmalige Verstöße und der Nachweis minimaler Restbestände des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) ausreichen, um die Fahrerlaubnis entzogen zu bekommen (www.welt.de/motor/ article154089121/Wenn-nicht-nur-der-Reifen-breit-ist.html). Problematisch erscheint den Fragestellern, dass THC im Blut noch nachweisbar ist, wenn der Rauschzustand längst abgeklungen und keine Leistungsbeeinträchtigungen mehr feststellbar sind. Dennoch haben Personen mit einer sehr niedrigen THC-Konzentration dieselben Konsequenzen zu befürchten, wie Personen mit einer hohen Wirkstoffkonzentration. Dabei sollten Personen, die zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr trennen, weder bestraft noch gleich behandelt werden wie Personen, die das Trennungsgebot nicht befolgen. Besonders fragwürdig ist nach Ansicht der Fragesteller, dass es bei Cannabiskonsumentinnen und Cannabiskonsumenten auch ohne jeden Verkehrsbezug zu einem Entzug der Fahrerlaubnis kommen kann. Denn nach Fahrerlaubnisverordnung (FeV) Anlage 4 Nr. 9.2.1 ist die regelmäßige Einnahme von Cannabis eignungsausschließend für das Führen eines Kraftfahrzeugs, da die oder der Betroffene grundsätzlich als charakterlich ungeeignet angesehen wird, ein Fahrzeug zu führen. Lediglich die bestimmungsgemäße Einnahme von medizinischem Cannabis führt seit Inkrafttreten des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes 2017 dazu, dass trotz nachgewiesener THC-Konzentration keine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Absatz 2 StVG vorliegt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 18. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Antwort Drucksache 19/7927 –2– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Bundesanstalt für Straßenwesen stellt beispielsweise schon 2006 in einer Studie fest, „dass von den zu erwartenden Leistungsdefiziten bei niedrigen THC-Werten zumindest keine größeren Ausfallserscheinungen zu erwarten sind als bei Alkoholisierungsgraden von unter 0,50 ‰“ (https://bast.opus.hbz-nrw. de/opus45-bast/frontdoor/deliver/index/docId/165/file/M182.pdf, S. 169). Zudem empfiehlt die Grenzwertkommission – eine fachübergreifende Arbeitsgruppe, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur berät –, erst ab einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml Blutserum von einer Nichttrennung des Cannabiskonsums und der Teilnahme im Straßenverkehr im Sinne von Nr. 9.2.2 Anlage 4 FeV und damit keiner Fahreignung mehr auszugehen (www.bads.de/media/213543/blutalkohol_2015.pdf, S. 322/323). Schließlich kann der bisherige Grenzwert auch noch Tage nach dem letzten Cannabiskonsum überschritten werden (siehe z. B. Skopp/Pötsch 2008: Cannabinoid Concentrations in Spot Serum Samples 24 – 48 Hours After Discontinuation of Cannabis Smoking. IN: Journal of Analytical Toxicology. Vol. 32). Dabei treten wenige Stunden nach inhalativem Cannabiskonsum in der Regel keine verkehrsrelevanten Beeinträchtigungen mehr auf (Tönnes u. a. 2008: Comparison of Cannabinoid Pharmacokinetic Properties in Occasional and Heavy Users Smoking a Marijuana or Placebo Joint IN: Journal of Analytical Toxicology. Vol. 32). Auch auf dem 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag wurde empfohlen, von einem fehlenden Trennungsvermögen erst ab einem Grenzwert von 3,0 ng/ml Blutserum auszugehen (www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de/ images/empfehlungen_pdf/empfehlungen_56_vgt.pdf). Zudem gibt es bereits in anderen EU-Ländern höhere Grenzwerte für die THC-Konzentration (www. bast.de/Druid/EN/deliverales-list/downloads/Deliverable_1_4_2.pdf?__blob= publicationFile&v=1). 1. Bei wie vielen Unfällen mit Personenschaden im Straßenverkehr war in den Jahren 2007, 2012 und 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung der Einfluss von Drogen nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) eine der Unfallursachen (bitte Gesamtanzahl und Prozentsatz von allen Unfällen mit Personenschaden und aufgeschlüsselt nach Art der Verkehrsbeteiligung angeben)? Gemäß dem Unfallursachenverzeichnis für die polizeiliche Unfallaufnahme wird bei den Unfallursachen zur Verkehrstüchtigkeit zwischen „Alkoholeinfluss“ und „Einfluss anderer berauschender Mittel (z. B. Drogen, Rauschgift)“ differenziert. Die folgende Auswertung wurde demnach über die Unfallursache „Einfluss anderer berauschender Mittel“ erstellt. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Mittlerweile gibt es eine breite Debatte, inwiefern der aktuelle Grenzwert der THC-Konzentration etwas über verkehrsrelevante Beeinträchtigungen aussagt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Drucksache 19/7927 –3– Insgesamt 2012 U(P) U(P) dar.: Einfluss anderer berauschender Mittel Anzahl Insgesamt Insgesamt in % 2017 U(P) dar.: Einfluss anderer berauschender Mittel Anzahl Insgesamt in % dar.: Einfluss anderer berauschender Mittel Anzahl in % 335.845 1.336 0,4% 299.637 1.373 0,5% 302.656 1.893 0,6% 10.564 16.433 229.554 2.253 16.683 2.322 3.932 3.536 225 36.514 10.780 3.049 92 47 931 1 28 1 4 9 0 166 56 1 0,9% 0,3% 0,4% 0,0% 0,2% 0,0% 0,1% 0,3% 0,0% 0,5% 0,5% 0,0% 8.488 13.662 206.103 2.275 14.163 1.979 3.383 3.194 265 33.711 9.140 3.274 85 47 980 0 35 2 3 7 0 180 33 1 1,0% 0,3% 0,5% 0,0% 0,2% 0,1% 0,1% 0,2% 0,0% 0,5% 0,4% 0,0% 6.991 15.442 206.413 2.623 12.657 1.856 3.897 3.019 252 37.427 8.858 3.221 132 75 1.329 1 61 3 3 8 0 245 33 3 1,9% 0,5% 0,6% 0,0% 0,5% 0,2% 0,1% 0,3% 0,0% 0,7% 0,4% 0,1% Verkehrsbeteiligung des Hauptverursachers: Kraftrad mit Versicherungskennzeichen Kraftrad mit amtlichem Kennzeichen Pkw Bus Lkw ohne Anhänger Lkw mit Anhänger Sattelfahrzeug Zugmaschine und Sonderfahrzeug Schienenfahrzeug Fahrrad Fußgänger sonst. und unbek. Verkehrsteilnehmer BASt-U2n-5/2019 Quelle: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) 2. Bei wie vielen dieser Unfälle war in den Jahren 2007, 2012 und 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung Cannabiseinfluss eine der Unfallursachen (bitte Gesamtanzahl und Prozentsatz von allen Unfällen mit Personenschaden und aufgeschlüsselt nach Art der Verkehrsbeteiligung angeben)? 3. Wie viele der Unfallbeteiligten unter Cannabiseinfluss hatten dabei nach Kenntnis der Bundesregierung einen THC-Wert im Blutserum von unter bzw. über 3 ng/ml? Die Fragen 2 und 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. In der Straßenverkehrsunfallanzeige, die Grundlage der Straßenverkehrsunfallstatistik ist, wird nur aufgenommen, ob ein Unfallbeteiligter unter dem „Einfluss anderer berauschender Mittel“ gestanden hat. Es wird nicht nach der Drogenart unterschieden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 4. Wie viele Personen wurden bei diesen Unfällen unter Drogeneinfluss in den Jahren 2007, 2012 und 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung getötet, und wie viele dieser Unfälle sind dabei auf Cannabiskonsum zurückzuführen? Im Jahr 2007 wurden 44 Personen bei einem Unfall, bei dem der Hauptverursacher unter dem Einfluss von „anderen berauschenden Mitteln“ stand, getötet. Im Jahr 2012 wurden 31 und im Jahr 2017 37 Getötete registriert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. 5. Hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Inkrafttreten des Cannabis-als-Medizin-Gesetzes die Anzahl der polizeilich registrierten Fahrten unter Cannabiseinfluss erhöht (falls ja, bitte Zahlen auflisten)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Jahr 2007 Drucksache 19/7927 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bei wie vielen Unfällen mit Personenschaden im Straßenverkehr war in den Jahren 2007, 2012 und 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung Alkoholeinfluss eine der Unfallursachen (bitte Gesamtanzahl und Prozentsatz von allen Unfällen mit Personenschaden und aufgeschlüsselt nach Art der Verkehrsbeteiligung angeben)? Jahr 2007 2012 2017 Unfälle mit Personenschaden Unfälle mit Personenschaden Unfälle mit Personenschaden Insgesamt darunter: unter Alkoholeinfluss Anzahl Insgesamt darunter: unter Alkoholeinfluss Insgesamt in % Anzahl 335.845 19.384 5,8% 299.637 10.564 16.433 229.554 2.253 16.683 2.322 3.932 3.536 225 36.514 10.780 3.049 1.329 12,6% 728 4,4% 11.384 5,0% 6 0,3% 401 2,4% 19 0,8% 46 1,2% 85 2,4% 2 0,9% 4.301 11,8% 1.046 9,7% 37 1,2% 8.488 13.662 206.103 2.275 14.163 1.979 3.383 3.194 265 33.711 9.140 3.274 Insgesamt in % 14.305 darunter: unter Alkoholeinfluss Anzahl 4,8% 302.656 839 9,9% 456 3,3% 8.563 4,2% 0 0,0% 318 2,2% 22 1,1% 33 1,0% 65 2,0% 0 0,0% 3.392 10,1% 589 6,4% 28 0,9% 6.991 15.442 206.413 2.623 12.657 1.856 3.897 3.019 252 37.427 8.858 3.221 in % 12.655 4,2% Verkehrsbeteiligung des Hauptverursachers: Kraftrad mit Versicherungskennzeichen Kraftrad mit amtlichem Kennzeichen Pkw Bus Lkw ohne Anhänger Lkw mit Anhänger Sattelfahrzeug Zugmaschine und Sonderfahrzeug Schienenfahrzeug Fahrrad Fußgänger sonst. und unbek. Verkehrsteilnehmer 730 10,4% 387 2,5% 7.425 3,6% 3 0,1% 307 2,4% 20 1,1% 38 1,0% 67 2,2% 0 0,0% 3.259 8,7% 405 4,6% 14 0,4% Quelle: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) 7. Wie viel Prozent der Unfallbeteiligten, die unter Alkoholeinfluss standen, hatten in den Jahren 2007, 2012 und 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung einen Blutalkoholwert von mindestens 0,5 Promille und wieviel Prozent einen Wert von mindestens 1,1 Promille (bitte differenziert nach Art der Verkehrsbeteiligung angeben)? Jahr 2007 2012 2017 U(P) unter Alkoholeinfluss U(P) unter Alkoholeinfluss U(P) unter Alkoholeinfluss darunter: mit BAK von ... Insgesamt Insgesamt 0,5 Promille und mehr 1,1 Promille und mehr Anzahl in % Anzahl 19.384 17.607 91% 14.178 92% 89% 90% 83% 90% 89% 89% 85% 50% 95% 91% 84% 76% 67% 69% 17% 69% 68% 70% 72% 50% 84% 80% 62% darunter: mit BAK von ... darunter: mit BAK von ... Insgesamt Insgesamt 0,5 Promille und mehr 0,5 Promille und mehr 1,1 Promille und mehr in % Anzahl in % Anzahl in % Anzahl 73% 19.384 17.607 91% 14.178 73% 12.655 11.803 95% 94% 92% 94% 82% 91% 89% 96% 89% 82% 82% 69% 72% 75% 64% 73% 65% 86% 78% 54% in % 93% 1,1 Promille und mehr Anzahl in % 9.599 76% Verkehrsbeteiligung des Hauptverursachers: Kraftrad mit Versicherungskennzeichen Kraftrad mit amtlichem Kennzeichen Pkw Bus Lkw ohne Anhänger Lkw mit Anhänger Sattelfahrzeug Zugmaschine und Sonderfahrzeug Schienenfahrzeug Fahrrad Fußgänger sonst. und unbek. Verkehrsteilnehmer 1.329 728 11.384 6 401 19 46 85 2 4.301 1.046 37 1.219 649 10.190 5 362 17 41 72 1 4.070 950 31 Quelle: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) 1.007 488 7.811 1 277 13 32 61 1 3.627 837 23 839 456 8.563 0 318 22 33 65 0 3.392 589 28 801 429 7.894 0 298 18 30 58 0 3.265 524 23 688 316 6.152 0 238 14 24 42 0 2.919 457 15 730 387 7.425 3 307 20 38 67 0 3.259 405 14 691 95% 345 89% 6.816 92% 3 100% 275 90% 15 75% 30 79% 57 85% 0 3.167 97% 391 97% 13 93% 578 266 5.315 1 203 8 27 43 0 2.801 346 11 79% 69% 72% 33% 66% 40% 71% 64% 86% 85% 79% Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 6. –4– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wie viele Personen wurden bei diesen Unfällen unter Alkoholeinfluss in den Jahren 2007, 2012 und 2017 nach Kenntnis der Bundesregierung getötet? Im Jahr 2007 wurden 473 Personen bei Unfällen getötet, die von einem alkoholisierten Verkehrsteilnehmer verursacht wurden. Im Jahr 2012 wurden 304 und im Jahr 2017 196 Getötete registriert. 9. Wie vielen Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den Jahren 2007, 2012 und 2017 die Fahrerlaubnis aufgrund erstmaliger Alkoholauffälligkeit, wiederholter Alkoholauffälligkeit oder Cannabisauffälligkeit entzogen (bitte differenziert nach den jeweiligen Substanzen aufführen)? Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Die Unterscheidung von Gründen nach Alkohol und Drogen bei gerichtlichen Entscheidungen ist nur für die Jahre 2012, 2016 und 2017 möglich. Die Auswertung der Anzahl der Entziehungen, die auf Entscheidungen von Fahrerlaubnisbehörden zurückgehen, unterscheidet nicht zwischen Alkohol oder Drogen als Grund für die Maßnahme. 10. Wie viele der Fahrerlaubnisentziehungen wegen Cannabisauffälligkeit erfolgten nach Kenntnis der Bundesregierung aufgrund eines Verstoßes gegen § 315c oder § 316 StGB, aufgrund eines Verstoß gegen § 24a Absatz 2 StVG oder aufgrund einer Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörde bezüglich eines Ermittlungs- und Strafverfahrens nach dem BtMG? Hierzu liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. 11. Ab welchen Grenzwerten der Blutalkoholkonzentration (BAK) bzw. der THC-Konzentration erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils bei Alkohol und bei Cannabis der Entzug der Fahrerlaubnis? Für Alkohol besteht nach Rechtsprechung ein Grenzwert von 1,1 Promille BAK, ab dem absolute Fahruntüchtigkeit angenommen wird. Bei Alkoholeinfluss unterhalb dieses Wertes sowie bei Einfluss anderer psychoaktiver Substanzen müssen weitere Beweisanzeichen die Fahruntüchtigkeit belegen. Die Fahrerlaubnis wird auf Grundlage eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens entzogen (§§ 11, 13 und 14 der Fahrerlaubnis-Verordnung), oder wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist (§ 46 FeV). Drucksache 19/7927 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 8. –5– Drucksache 19/7927 –6– Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Inwiefern kann nach Ansicht der Bundesregierung bei diesen Grenzwerten jeweils von einer vergleichbaren Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit ausgegangen werden? Es besteht keine Vergleichbarkeit der Grenzwerte im Strafrecht (für Alkohol) und Verwaltungsrecht (für THC). 13. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, welche Mengen eine erwachsene Person je nach Geschlecht, Gewicht und Konsumzeitraum nach wissenschaftlichen Erkenntnissen konsumiert haben muss, um diese Grenzwerte jeweils zu überschreiten? Wenn ja, wie viel? Für Alkohol wird allgemein die Formel nach Widmark für eine Abschätzung der Blutalkoholkonzentration zugrunde gelegt: A = c • p • r bzw. c = A / (p • r) c: Konzentration im Blut in ‰; p: Körpergewicht in kg; r: Verteilungsfaktor (Männer: r = 0,7; Frauen: r = 0,6). Der Blutalkoholgehalt in Promille und die für eine Erreichung des Grenzwertes erforderliche Menge an Alkohol ist folglich individuell unterschiedlich. Für Cannabis ist eine solche Abschätzung aus Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen bislang nicht zuverlässig möglich. Gründe sind u. a. eine interindividuell stark verschiedene Bioverfügbarkeit sowie Anreicherungsphänomene. 14. Hat die Bundesregierung Kenntnis über Unterschiede beim Abbauverhalten von THC im Vergleich zu Alkohol? Wenn ja, inwiefern? Alkohol wird im Körper bei alkoholgewöhnten Erwachsenen weitgehend zeitlich konstant (im Mittel um 0,15 Promille pro Stunde) abgebaut. THC wird hingegen aufgrund einer komplexeren Verstoffwechselung multiexponentiell im Körper verteilt und abgebaut. 15. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Feststellung der Bundesanstalt für Straßenwesen in ihrem Bericht aus dem Jahr 2006, dass bei niedriger THC-Konzentration keine größeren Ausfallserscheinungen zu erwarten seien als bei einer BAK bis 0,5 Promille? Es ist bekannt, dass auch bei Cannabis eine Dosis-Wirkungsbeziehung vorhanden ist. Diese ist bei Cannabis im Gegensatz zum Alkohol ungleich komplexer und so unvorhersehbar, dass es in Deutschland bisher keinen wissenschaftlichen Konsens für eine Bewertung alleine auf der Basis von Blutkonzentrationen, beispielsweise in der Art eines Gefahrengrenzwertes, gibt. Die Grenzwertkommission befasst sich mit diesen Fragen, um sicherzustellen, dass bei der Festlegung von Grenzwerten im Ordnungswidrigkeitenbereich stets der aktuelle wissenschaftliche Kenntnisstand berücksichtigt wird. Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage auf Bundestagdrucksache 18/11701 verwiesen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Wie ist es nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar, dass bei Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss eine Ordnungswidrigkeit erst bei einer BAK von 0,5 Promille vorliegt (§ 24a Absatz 1 StVG), hingegen derjenige schon ordnungswidrig handelt, der beim Führen eines Kraftfahrzeugs maximal die THC-Konzentration von 1,0 ng/ml im Blutserum aufweist (§ 24a Absatz 2 StVG) – dass es also bei der Wirkstoffkonzentration einen Toleranzgrenzwert bei Alkohol aber nicht bei Cannabis gibt? Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz besteht nicht. 17. Wird die Bundesregierung den Empfehlungen der Grenzwertkommission und des 56. Deutschen Verkehrsgerichtstags folgen und den THC-Grenzwert auf 3,0 ng/ml Blutserum anheben? Es ist zunächst die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im derzeit laufenden Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei gelegentlichem Cannabiskonsum abzuwarten. 18. Hält die Bundesregierung an der Einschätzung fest, dass Menschen trotz des Nachweises von Cannabiskonsum (durch THC im Blutserum) fahrtüchtig sein können (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/11701)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine neuen Erkenntnisse vor. 19. Wie begründet die Bundesregierung die unterschiedliche Fahreignungsbetrachtung bei medizinisch indiziertem Cannabiskonsum und dem aus Genussgründen? Die unterschiedliche Bewertung der Fahreignung bei therapeutischem und „Genusskonsum“ gilt für THC und andere BtM-Substanzen, wie z. B. Opiate, gleichermaßen. Die Einnahme des Medikaments kann die Fahrtüchtigkeit und Fahreignung eines Patienten herstellen, der zuvor (z. B. aufgrund einer Spastik oder bei Schmerzen) nicht in der Lage war, ein Fahrzeug sicher zu führen. Der Konsumzweck ist nicht Berauschung, sondern Linderung der Symptomatik. Weiterhin erfolgt die Dosierung und Überwachung im Rahmen einer ärztlichen Therapie. Auch für Patienten gilt zudem, dass sie nur fahrtüchtig ein Fahrzeug führen dürfen. 20. Plant die Bundesregierung eine getrennte Erfassung von Unfällen nach Konsum von illegal konsumierten Betäubungsmitteln und von legal eingenommenen Betäubungsmitteln und anderen Arzneimitteln in der Unfallstatistik, um die Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Arzneimittel und Drogen besser einschätzen zu können (bitte begründen)? Nein. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage auf Bundestagdrucksache 18/11701 verwiesen. 21. Nein. Wäre nach Ansicht der Bundesregierung eine Nulltoleranzgrenze bei Alkohol verkehrssicherheitsfördernder als die aktuelle Regelung? Drucksache 19/7927 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 16. –7– Drucksache 19/7927 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ist es nach Ansicht der Bundesregierung verkehrssicherheitsfördernd, wenn Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, die zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme trennen, gleich behandelt werden, wie Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, die das Trennungsgebot nicht befolgen? Nein. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Version ersetzt. 22. –8–