Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 18. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7966 19. Wahlperiode 20.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Amira Mohamed Ali, Dr. André Hahn, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7517 – Stromsperren und Maßnahmen zu deren Vermeidung V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2017 wurden 4,8 Millionen Haushalten aufgrund von Zahlungsrückständen beim Energieversorgungsunternehmen mit einer Stromsperre gedroht (vgl. S. 268 des Monitoringberichts der Bundesnetzagentur 2018, www.bundesnetz agentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/ Publikationen/Berichte/2017/Monitoringbericht_2017.pdf?__blob=publication File&v=3). In 361 000 Fällen wurde die Versorgung tatsächlich unterbrochen (S. 267 ebenda; Summe aus Ziffern in 266 278 + 93 927 in der unteren Grafik). Laut Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) kann die Energieversorgerin bzw. der Energieversorger bereits ab einem Zahlungsrückstand von 100 Euro die Versorgungsunterbrechung androhen und nach erfolgloser Mahnung durchführen lassen. Für das Ab- und Anstellen durch das Stromversorgungsunternehmen mussten betroffene Haushalte im Jahr 2017 im Durchschnitt 97 Euro bezahlen (ebenda, S. 266), was zu weiterem Kostendruck führte. Eine Stromsperre bedeutet einen massiven Einschnitt in die Lebensqualität der betroffenen Menschen. Es gibt keine sozialen Kontakte über Telefon und Internet mehr, keine Informationen über Radio und Fernsehen. Insbesondere in den Wintermonaten verkürzt sich durch den frühen Einbruch der Dunkelheit die nutzbare Tagesdauer. Nahezu alle Haushalte wärmen ihr Wasser mit strombetriebenen Durchlauferhitzern oder mit ebenfalls auf Stromzündung angewiesene Gasboiler . Auch eine Gasheizung braucht Strom um zu funktionieren, genau wie Herd, Ofen und Kühlschrank. Gerichte stellten bereits fest, dass eine Wohnung ohne Strom unbewohnbar ist, dennoch ist es gesetzlich zulässig, eine Stromsperre durchzusetzen (vgl. Monitoringbericht der Bundesnetzagentur 2018, www. bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemeines/Bundesnetzagentur/ Publikationen/Berichte/2018/Monitoringbericht_Energie2018.pdf;jsessionid=E2594 A3F0B618C1B7676515437D9A419?__blob=publicationFile&v=3 ). Die Fraktion DIE LINKE. hat im November 2018 einen Antrag in den Deutschen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7966 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bundestag eingebracht, der unter anderem ein gesetzliches Verbot von Stromsperren vorsieht (vgl. Bundestagsdrucksache 19/6058). Dieser Antrag wurde in der Bundestagssitzung am 29. November 2018 mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD, FDP und AfD abgelehnt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthielten sich der Stimme. 1. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen der wachsenden Armutsgefährdungsquote in Deutschland und der steigenden Anzahl der Stromsperren (Zuwachs um 22 000 von 2016 bis 2017; vgl. Monitoringbericht der Bundesnetzagentur/des Bundeskartellamts 2018, S. 268; bitte begründen )? Die Armutsrisikoquote ist eine statistische Maßgröße für die Einkommensverteilung . Sie liefert keine Information über individuelle Bedürftigkeit. Entsprechend kann die Entwicklung der Zahl der Stromsperren nicht kausal aus der Höhe der Armutsrisikoquote abgeleitet werden. Im Übrigen belegen die von der Bundesnetzagentur erhobenen Angaben der Verteilernetzbetreiber mittelfristig gesehen nicht, dass es eine entsprechend steigende Anzahl von Versorgungsunterbrechungen wegen Nichtzahlung gibt. Die Zahl der Unterbrechungen im Jahr 2017 liegt danach leicht unter der Zahl des Jahres 2014. 2. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit eines gesetzlichen Verbots von Stromsperren allgemein in der Bundesrepublik Deutschland, oder temporär begrenzt auf die Wintermonate, wie es zum Beispiel in Frankreich praktiziert wird? Die Bundesregierung verfolgt einen umfassenden Ansatz zur Armutsbekämpfung , der sich nicht auf einzelne Bedarfselemente konzentriert. In Deutschland garantieren die zeitlich unbefristeten Leistungen der Mindestsicherungssysteme nach dem Zweiten und Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB II und SGB XII) ganzjährig das soziokulturelle Existenzminimum, in dem auch der Energiebedarf berücksichtigt wird. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bereits heute Versorgungsunterbrechungen aufgrund von Zahlungsrückständen des Kunden grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen möglich sind. Auf die Voraussetzungen des § 19 Absatz 2 der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) wird verwiesen. § 19 Absatz 2 Satz 2 StromGVV sieht im Übrigen auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. In diesem Rahmen können besondere Umstände, auch unabhängig von der Jahreszeit, Berücksichtigung finden. 3. Wie viele Personen waren nach Schätzung der Bundesregierung in den 361 000 abgesperrten Haushalten (vgl. S. 267 des Monitoringberichts der Bundesnetzagentur 2018) von einer Stromsperre betroffen (bitte nach Geschlecht und Familienstand unter besonderer Berücksichtigung von Alleinerziehenden aufschlüsseln)? Eine Erhebung solcher Daten erfolgt über das Monitoring der Bundesnetzagentur nicht. Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Durchgeführte Stromsperren 312.059 321.539 344.798 351.802 331.272 330.254 343.865 Anteil an der Gesamtanzahl Haushaltskunden 0,70% 0,70% 0,75% 0,75% 0,70% 0,69% 0,73% Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7966 4. Wen ordnet die Bundesregierung der Gruppe der „besonders schutzbedürftigen Energiekunden“ (RL 2009/72/EG) zu? Den Regelungen des Artikels 3 der Richtlinie 2009/72/EG wird in Deutschland durch ein Zusammenspiel energiewirtschaftsrechtlicher und sozialrechtlicher Bestimmungen Rechnung getragen. Das Konzept der Grund- und Ersatzversorgung in den §§ 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) stellt sicher, dass im Grundsatz jeder Haushaltskunde mit Strom zu Allgemeinen Bedingungen und Preisen beliefert werden kann. Durch die Systeme zur Sicherung des Existenzminimums nach dem SGB II und dem SGB XII ist eine auskömmliche Versorgung mit Energie sichergestellt. Die Einordnung des Begriffs erfolgt in Deutschland über diese Regelungen. 5. Plant die Bundesregierung, den Einzelposten für Energie im Regelsatz von Leistungsbeziehenden nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II oder SGB XII) jährlich an die steigenden Strompreise anzupassen ? Wenn nein, warum nicht? Die Höhe der Regelbedarfe ergibt sich aus den einzelnen als regelbedarfsrelevant anerkannten Verbrauchsausgaben. Dazu zählen auch die Ausgaben für Haushaltsenergie , allerdings ohne Ausgaben für Warmwasseraufbereitung und Heizung, die gesondert gewährt werden. Die Höhe der einzelnen regelbedarfsrelevanten Ausgabepositionen sagt aber nichts darüber aus, wie viel die Leistungsberechtigten individuell für welche Verwendungszwecke ausgeben „sollen“ oder „können “. In der Summe stellen diese Einzelpositionen einen Pauschalbetrag dar, aus dem die Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII alle von ihnen für den Lebensunterhalt individuell für erforderlich gehaltene Aufwendungen zu finanzieren haben, sofern beide Gesetze für konkrete Bedarfslagen keine gesonderten Bedarfe vorsehen. Deshalb sind die Regelbedarfe auch als Pauschalbetrag im Sinne eines Gesamtbetrags fortzuschreiben, um deren Kaufkraft zu erhalten. Dies erfolgt für Jahre, für die keine gesetzliche Neuermittlung der Regelbedarfe vorzunehmen ist, durch die jährliche Fortschreibungsverordnung nach § 28a SGB XII zum 1. Januar eines Jahres (siehe z. B. für das Jahr 2019 den Entwurf der Regelbedarfsstufen- Fortschreibungsverordnung 2019, Bundesratsdrucksache 471/18). Die Fortschreibung erfolgt mittels eines Mischindex (Veränderungsrate der Preisentwicklung aller regelbedarfsrelevanten Güter und Dienstleistungen mit einem Anteil von 70 Prozent und Veränderungsrate der Nettolöhne und -gehälter mit einem Anteil von 30 Prozent). Die Preisentwicklung wird vom Statistischen Bundesamt mittels eines speziellen regelbedarfsrelevanten Warenkorbes ermittelt und berücksichtigt dabei die Entwicklung der Strompreise im regelbedarfsrelevanten Umfang. Demnach wird die Strompreisentwicklung – seit der Neuermittlung der Regelbedarfe auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 – mit einem Anteil von 8,5 Prozent bei der für die Veränderungsrate maßgeblichen Preisentwicklung berücksichtigt . Der Anteil der Strompreisentwicklung bei der Ermittlung des allgemeinen Verbraucherpreisindex machte dagegen nur 2,6 Prozent aus (siehe auch Entwurf des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes, Bundesratsdrucksache 18/9984, Seite 81 f.). Damit werden die dem Regelbedarf zugrundeliegenden regelbedarfsrelevanten Ausgaben für Strom bereits jetzt implizit jährlich mit der Strompreisentwicklung fortgeschrieben. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7966 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die geltenden Regelungen zur Ermittlung und Fortschreibung der Regelbedarfe wurde mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 (1 BvL 10/12, Rn. 73 und 142) als verfassungskonform bestätigt. 6. Was unternimmt die Bundesregierung angesichts der 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten (https://de.wikipedia.org/wiki/Analphabetismus), nicht Deutsch sprechenden Menschen und Menschen mit Behinderungen in Deutschland für einen besseren Schutz und eine verständlichere Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern, die alle Verbraucherinnen und Verbraucher gleichermaßen erreichen und vor Stromsperren schützen? Soweit es um Maßnahmen zur Verhinderung von Versorgungsunterbrechungen wegen Nichtzahlung der Stromrechnung geht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf alle Verbraucherinnen und Verbraucher eine solche Versorgungsunterbrechung nach § 19 Absatz 2 StromGVV generell nur unter engen Voraussetzungen möglich ist und zunächst voraussetzt, dass Stromrechnungen in entsprechender Höhe nicht beglichen wurden. Darüber hinaus ist anzumerken, dass – wie im Zusammenhang mit der Antwort zu Frage 4 – entsprechende Herausforderungen sich nicht allein in Bezug auf die Androhung von Versorgungsunterbrechungen stellen. Die Bundesregierung setzt sich für eine verständliche und zielgruppenspezifische Verbraucheraufklärung ein. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat im Jahr 2018 ein Rechtsgutachten erstellen lassen zum Thema „Angemessene Vorkehrungen als Diskriminierungsdimension im Recht: Menschenrechtliche Forderungen an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)“. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Angemessene Vorkehrungen ein Grundbegriff des allgemeinen Gleichbehandlungsrechts sind und dieser in das AGG aufgenommen werden sollte, so dass jedem nach § 1 AGG geschützten Menschen ein Rechtsanspruch auf angemessene Vorkehrungen zusteht. Dieser Vorschlag entspricht dem im Koalitionsvertrag genannten Auftrag zu prüfen, „wie Private, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen, angemessene Vorkehrungen umsetzen können“. 7. Wie lässt sich die große Anzahl der Entfernung von Zählern mit Vorauszahlungsfunktion bzw. Chipkarte vor dem Hintergrund der zunehmenden Stromsperren erklären (4 000 Installationen, 3 000 Deinstallationen im Jahr 2017 laut Monitoringbericht der Bundesnetzagentur bzw. des Bundeskartellamts 2018, S. 269)? Ein Zusammenhang zwischen den genannten Versorgungsunterbrechungen sowie den Ein- und Ausbauten der Zähler mit Vorauszahlungsfunktion/Chipkarte ist nicht erkennbar. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Im Übrigen ist der Messstellenbetrieb für Bargeld- und Chipkartenzähler teurer als der einer ansonsten üblichen Messeinrichtung. Wird ein solcher Zähler eingebaut , erhöhen sich insofern die Grundkosten für den Strombezug. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7966 8. Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen seitens der Energieversorgungsunternehmen gegen Mahn- und Absperrfristen verstoßen wurde? Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, damit Fristen eingehalten werden? Erkenntnisse über solche Verstöße liegen der Bundesnetzagentur nicht vor. Missbrauchsverfahren dazu waren bisher nicht indiziert. Sofern gegen solche Fristen verstoßen wird, kann dem im Übrigen bereits nach geltendem Recht durch behördliches Handeln der Energieregulierungsbehörden des Bundes und der Länder sowie zivilrechtlich begegnet werden. 9. Bis zu welchem konkreten Datum sollen die Energieversorgungsunternehmen nach Planungen der Bundesregierung verpflichtet werden, säumigen Kundinnen und Kunden eine Versorgung auf Basis von Vorauszahlungen anzubieten, wenn die Kundin oder der Kunde Ratenzahlungen auf Altschulden leistet oder eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat (wie im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vorgesehen, Rn. 6336 ff., S. 134)? Die Bundesregierung prüft gegenwärtig, welche Änderungen u. a. in der Stromgrundversorgungsverordnung diesbezüglich erforderlich sind, um auch der Vereinbarung im Koalitionsvertrag Rechnung zu tragen. Darüber hinaus evaluiert die Bundesregierung laufend, ob Änderungen des bestehender rechtlichen Rahmens angezeigt sind. 10. Plant die Bundesregierung angesichts der gestiegenen Anzahl von Stromsperren die Anpassung der Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) dahingehend, dass erst ab einem höheren Zahlungsrückstand als derzeit 100 Euro der Strom abgestellt werden darf? Wenn ja, ab welchem Betrag sollte nach Auffassung der Bundesregierung eine Stromsperre möglich sein? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung prüft gegenwärtig den derzeit für Stromsperren im Rahmen der Grundversorgung geltenden Sperrschwellenwert (100 Euro) auf Angemessenheit und Aktualität. Generell ist darauf hinzuweisen, dass bereits nach geltendem Recht nicht allein auf die genannte Höhe eines Zahlungsrückstandes abzustellen ist. Zum einen ist stets auch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich . Zum anderen bleiben nach § 19 Absatz 2 Satz 4 StromGVV bei der Berechnung der Höhe des Betrages diejenigen nicht titulierten Forderungen außer Betracht , die der Kunde form- und fristgerecht sowie schlüssig begründet beanstandet hat. Ferner bleiben nach § 19 Absatz 2 Satz 5 StromGVV diejenigen Rückstände außer Betracht, die wegen einer Vereinbarung zwischen Versorger und Kunde noch nicht fällig sind oder die aus einer streitigen und noch nicht rechtskräftig entschiedenen Preiserhöhung des Grundversorgers resultieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7966 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Betrachtet die Bundesregierung die Gebühren, welche säumige Haushalte für eine Stromversorgungsunterbrechung (durchschnittlich 47 Euro im Jahr 2017) und für eine Versorgungswiederherstellung (durchschnittlich 50 Euro im Jahr 2017) an den Netzbetreiber zahlen müssen, für gerechtfertigt (vgl. www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Allgemei-nes/ Bundesnetzagentur/Publikationen/Berichte/2018/Monitoringbericht_Energie 2018.pdf?__blob=publicationFile&v=3, S. 266)? Solche „Gebühren“ für die Unterbrechung und für die Wiederherstellung einer Versorgung müssen den tatsächlichen bzw. zu erwartenden Kosten entsprechen. Nach § 19 Absatz 4 StromGVV können die Kosten für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnet werden; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein. Die Pauschale darf die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen. Auf Verlangen der Kundin bzw. des Kunden ist die Berechnungsgrundlage nachzuweisen. Der Nachweis geringerer Kosten ist der Kundin bzw. dem Kunden zu gestatten. Um eine Sperrung bzw. Entsperrung vorzunehmen, muss eine Technikerin bzw. ein Techniker des Netzbetreibers zu der jeweiligen Entnahmestelle fahren, Zugang zu dem Zähler bekommen und die Sperrung bzw. Entsperrung technisch einrichten. Je nach Sperrung bzw. Entsperrung kann es insbesondere entfernungsbedingte Unterschiede der anfallenden Kosten des Netzbetreibers geben. Die genannten durchschnittlichen Kosten erscheinen im Hinblick auf den Aufwand nicht unplausibel. 12. Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, dass die durchschnittlichen Kosten für die Versorgungsunterbrechung und -wiederherstellung durch die Netzbetreiberin bzw. den Netzbetreiber zusammen nahezu die Höhe erreichen , ab der der Strom abgestellt werden darf? Der zeitliche und technische Aufwand eines Netzbetreibers ist für seine anfallenden Kosten entscheidend. Für die Höhe der ausstehenden Kosten als Voraussetzung der Sperrung ist hingegen das Interesse des Lieferanten auf Bezahlung seiner Leistung maßgeblich. Eine Verknüpfung dieser Positionen ist gesetzlich nicht vorgesehen. 13. Hat die Bundesregierung sich bereits mit Sozialtarifen als Möglichkeit zur Senkung der Anzahl von Stromsperren auseinandergesetzt? Wenn ja, welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über die Ausgestaltung von Sozialtarifen in Belgien und Frankreich vor? Wenn nein, warum nicht? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat zu dem angesprochenen Themenkomplex das Gutachten „Analyse der Unterbrechungen der Stromversorgung nach § 19 Absatz 2 StromGVV“ (www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/ A/analyse-der-unterbrechungen-der-stromversorgung-nach-19-abs-2-stromGVV. html) in Auftrag gegeben. Darin untersuchten die Gutachter die Ursachen von Stromsperren bei privaten Haushalten und Ansätze, um das Auftreten von Stromsperren zu senken. Dabei wurde auch das Instrument der Sozialtarife betrachtet. Aus Sicht der Gutachter ist dieses Instrument in vielen Fällen mit hohem administrativen Aufwand sowie einer mangelnden Zielgenauigkeit verbunden, d. h. erhebliche Entlastungen wohlhabender Haushalte seien nicht auszuschließen. Erfahrungen aus Frankreich zeigten danach relativ hohe Kosten sowie eine zugleich geringe Effektivität darin, den Kreis der Betroffenen zu verringern. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7966 Ausweislich der Studie bieten das Energie- und Sozialrecht bereits heute einen ausreichenden Rahmen, um soziale Härten bei Versorgungsunterbrechungen zu vermeiden. Darüber hinaus werden auch bestehende Förderprogramme und Beratungsangebote für Verbraucherinnen und Verbraucher als sinnvolle Maßnahmen bewertet, um Versorgungsunterbrechungen vorzubeugen. 14. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit der bundesweiten Einführung eines für Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfänger freiwilligen Datenabgleichs zwischen dem Sozialamt und der Energiegrundversorgerin bzw. dem Energiegrundversorger, der zum Beispiel in der Stadt Saarbrücken praktiziert wird („Saarbrücker Vier-Punkte-Modell“) und seit 2013 schon 3 100 Stromsperren vermeiden konnte (vgl. www.saarbrueckerzeitung .de/saarland/saarland/tausende-stromsperren-vermieden_aid-7620943)? Die Bundesregierung kann die konkrete Durchführung und die Auswirkungen des in der Fragestellung genannten freiwilligen Datenabgleichs zwischen dem Sozialamt als Träger nach dem SGB XII und einem Energiegrundversorgungsunternehmen nicht bewerten. Die hierfür erforderlichen Informationen über das konkrete Verfahren liegen nicht in dem hierfür notwendigen Maße vor. Allerdings bestätigen die dargelegten Ergebnisse die Einschätzung der Bundesregierung, dass Stromsperren vermeidbar sind, wenn bereits vor beziehungsweise beim ersten Zahlungsverzug gehandelt und dadurch dem Entstehen von Stromschulden frühzeitig entgegengewirkt wird. Bei einer bundesweiten Implementierung sind im Übrigen die datenschutzrechtlichen Aspekte zu berücksichtigen. Der Grundversorger hat zunächst keine Kenntnis darüber, ob seine Kundin bzw. sein Kunde Sozialleistungsempfängerin bzw. Sozialleistungsempfänger ist oder nicht. In dem angesprochenen Modell ist eine entsprechende Einwilligungserklärung der Sozialleistungsempfängerin bzw. des Sozialleistungsempfängers nach hiesiger Kenntnis Voraussetzung für die Kontaktaufnahme. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Stromsperren nicht allein oder auch nicht nur vorwiegend Leistungsberechtige nach dem SGB XII betreffen. Schließlich ist anzumerken, dass die Bundesnetzagentur neben den tatsächlich durchgeführten Unterbrechungen auch die Zahl der Androhungen erhebt. In der Grundversorgung münden danach 6,8 Prozent der Androhungen in einer tatsächlichen Unterbrechung. Ein auf alle Androhungen angewendetes Modell würde also zu über 90 Prozent Fälle betreffen, die sich bereits jetzt ohne Durchführung einer Unterbrechung erledigen. 15. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die durchschnittliche Dauer der Stromsperren in Deutschland in den vergangenen fünf Jahren entwickelt? Wenn keine Zahlen vorliegen, warum werden diese nicht erhoben? Die Bundesnetzagentur beabsichtigt, künftig im Rahmen ihres Monitoring auch die Dauer der Unterbrechungen zu erheben. Die aktuellen Erhebungsbögen beinhalten diese Abfrage, sodass der Monitoringbericht 2019 voraussichtlich Informationen dazu enthalten kann. Weitere Informationen zu den Abfragen im Jahr 2019 finden sich unter www.bundesnetzagentur.de/monitoring2019. Bis einschließlich 2018 liegen noch keine entsprechenden Zahlen aus dem Monitoring der Bundesnetzagentur vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7966 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit zur gesetzlichen Verpflichtung der Energieversorger in Deutschland zum Anbieten von Sozialtarifen wie in Frankreich oder Belgien zum Zweck der Vermeidung von Stromsperren? Es wird auf die Antwort zu Frage 13 verwiesen. Im Übrigen ist es Ziel der Bundesregierung, bezahlbare Energiepreise für alle Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen. Die Energiekosten können zudem auch durch einen Lieferantenwechsel, energiesparendes Verhalten und Energieeffizienzmaßnahmen positiv beeinflusst werden. 17. Wie viele Unternehmen haben in den vergangenen fünf Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung eine Begrenzung der EEG-Umlage beantragt (bitte nach Jahr, Anzahl der Anträge und Genehmigungen aufschlüsseln)? In den fünf letzten abgeschlossenen Antragsverfahren wurden Anträge von durchschnittlich rund 2 300 Unternehmen und Schienenbahnen für rund 3 300 Abnahmestellen gestellt. Die untenstehende Tabelle gibt die Begrenzungen der begünstigten Unternehmen und Abnahmestellen für die jeweiligen Jahre, für die die Begrenzung ausgesprochen wurde (Begrenzungsjahre), wieder. Begrenzungsjahr 2014 2015 2016 2017 2018 Anträge insgesamt 2.390 2.462 2.305 2.276 2.299 Beantragte Abnahmestellen 3.488 3.410 3.147 3.078 3.139 Begünstigte Anträge 2.147 2.250 2.177 2.115 2.113 Begünstigte Abnahmestellen 2.851 2.962 2.887 2.791 2.840 18. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Anteil der stromintensiven Unternehmen (vgl. Erneuerbare-Energien-Gesetz 2017, Anlage 4) am gesamten Stromverbrauch in Deutschland, und zu welchem Anteil sind diese Unternehmen an der Finanzierung der Energiewende über die EEG-Umlage beteiligt (wenn keine Zahlen vorliegen, bitte schätzen)? Aus dem Antragsjahr 2017 haben 2 113 Unternehmen und Schienenbahnen und 2 840 Abnahmestellen eine Begrenzung der EEG-Umlage für 2018 erhalten. Der Stromverbrauch dieser begünstigten Unternehmen betrug im zugehörigen Nachweiszeitraum 2016 ca. 113 TWh. Dies entspricht einem Anteil von rund 21 Prozent am Nettostromverbrauch von 527 TWh für 2016. Das Jahr 2016 stellt den neuesten verfügbaren Nachweiszeitraum beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle dar. Unter der Annahme konstanter Stromverbräuche der begünstigten Unternehmen und Schienenbahnen ergibt sich ein geschätzter Betrag von 609 Mio. Euro, den diese durch die Zahlung der begrenzten EEG-Umlage in 2018 entrichtet haben. Dies entspricht einem Anteil von rund 2,6 Prozent am prognostizierten EEG-Umlagebetrag für 2018 von ca. 23,8 Mrd. Euro. Allerdings ist ein Vergleich der Anteile der stromkostenintensiven Unternehmen am Stromverbrauch zum Anteil an der Finanzierung der Energiewende problematisch . Der angegebene Stromverbrauch der begünstigten Unternehmen beinhaltet nur begünstigte Abnahmestellen und nur EEG-umlagepflichtige Stromverbräuche . Bei vielen Unternehmen gibt es aber darüber hinaus weitere Abnahmestellen , die nicht begünstigt sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333