Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 19. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/7971 19. Wahlperiode 21.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Kerstin Andreae, Lisa Badum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/7393 – Zum Stand der Erfassung des Wertes der Natur in gesellschaftlichen Berichtssystemen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Artensterben hat mittlerweile dramatische Auswirkungen angenommen. Täglich sterben über 100 Pflanzen oder Tierarten unwiederbringlich aus. Ohne eine intakte Natur gefährden wir unsere Lebensgrundlage. Saubere Luft, fruchtbare Böden, Nahrungsmittel und Trinkwasser brauchen funktionierende Ökosysteme . Die Folgen von geschädigten Ökosystemen haben auch volkswirtschaftliche Kosten. Daher gibt es Bestrebungen, den Wert der Natur und ihre Dienstleistungen für das Wohlbefinden der Menschen sichtbar zu machen und zu zeigen, wie sehr wir Menschen von einer intakten Natur abhängig sind. Bodenfruchtbarkeit, saubere Luft und trinkbares Wasser sind unverzichtbar für unsere Lebensgrundlagen und tragen maßgeblich zu unserem Wohlstand bei. Den Wert und die Rolle, die diese Naturfunktionen für uns Menschen, die Gesellschaft als auch unserer Wirtschaft beitragen, wird nirgend sichtbar gemacht. Damit werden auch die Verluste, die entstehen, wenn Natur zerstört wird, nicht beachtet. Vor diesem Hintergrund mehrten sich international Initiativen, die Leistungen von Ökosystemen und die damit verbundene biologische Vielfalt für Mensch und Gesellschaft angemessen zu erfassen und Ökosysteme und Ökonomie als ein Gesamtsystem zu verstehen, etwa im Rahmen des Überkommens über die biologische Vielfalt (CBD), der internationalen TEEB-Initiative (The Economics of Ecosystems and Biodiversity) oder auch der von der Weltbank unterstützten WAVES-Initiative („Wealth Acoounting and Evaluation of Ecosystem Services“). Auch die EU-Biodiversitätsstrategie 2020 hat die Verbesserung der Kenntnisse über Ökosysteme und Ökosystemleistungen zum Ziel. Im Jahr 2011 verpflichteten sich die Mitgliedstaaten darin – mit Unterstützung der Europäischen Kommission –, bis 2014 den Zustand der Ökosysteme und Ökosystemleistungen in ihrem nationalen Hoheitsgebiet zu kartieren, zu bewerten und bis 2020 die Ergebnisse zu Ökosystemen und deren Leistungen in die Rechnungslegungs - und Berichterstattungssysteme auf EU- und nationaler Ebene zu integrieren . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7971 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Diese neueren Ansätze, Diskurslinien und Erfahrungen auf internationaler Ebene und in einigen anderen Ländern würden in den offiziellen deutschen Berichterstattungssystemen nicht aufgegriffen, weder im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung noch in den bislang vorliegenden Systemen der Volkswirtschaftlichen und Umweltökonomischen Gesamtrechnungen. Mit dieser Kleinen Anfrage soll daher der Frage nachgegangen werden, welche Bilanzierungs- und Berichtspflichten zur Erfassung von Naturkapital und Ökosystemdienstleistungen Deutschland im Rahmen internationaler Abkommen, Initiativen und Institutionen eingegangen ist und wie diese erfüllt werden. Denn die Integration dieser Werte in die Volkswirtschaftlichen und insbesondere die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen könnte dazu beitragen, Politik und Wirtschaft bei Entscheidungen über entsprechende Maßnahmen und über Finanzierungsmechanismen für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen zu unterstützen. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Zu den Kernbedingungen des Wohlstands gehört auch die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen inklusive ihrer Anpassungsfähigkeit und Ökosystemleistungen . Aber seit vielen Jahren nimmt die biologische Vielfalt weltweit und in Deutschland ab; wir überschreiten die planetaren Belastungsgrenzen in diesem Bereich und setzen uns so einem hohen Risiko nicht tolerierbarer ökologischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Folgen aus. Denn die Natur, die in erster Linie aus ökologischen und ethischen Gründen zu erhalten ist, liefert dem Menschen auch Leistungen, von denen unsere Nahrung, unser Wohlergehen und die wirtschafte Entwicklung abhängen. Nur wenn dieses Naturkapital geschützt und erhalten wird, kann es die Bedürfnisse heutiger und künftiger Generationen sichern und wichtige Ökosystemleistungen für die Menschen dauerhaft erbringen. Hierzu zählen z. B.: Beitrag zum Klimaschutz von Ökosystemen, insbesondere von Wald und Böden einschließlich Renaturierung von Mooren, Beitrag zur Senkung der Folgekosten des Klimawandels (Minderung von Hochwasser-schäden z. B. durch intakte Auen, Abpufferung von Wetterextremereignissen , u. a.), Beitrag zur Wasserreinhaltung und zum Trinkwasserschutz durch Verringerung der Umweltbelastungen durch abnehmende Stickstoffüberschüsse, Verminderung der Bodenerosion, Erhaltung von Bestäubungsleistungen und Kontrolle von Schadorganismen, Land- und forstwirtschaftliche Produktion für Nahrungs- und Futtermittel sowie nachwachsende Rohstoffe (Ersatz für fossile Rohstoffe), Erholungsfunktion, regionale Wertschöpfung und Förderung des Tourismus durch attraktive Naturräume (z. B. Nationalparke). Die Europäische Kommission schätzt den volkswirtschaftlichen Nutzen für das EU-weite Natura 2000-Netz auf rund 200 bis 300 Mrd. Euro pro Jahr. Allerdings sind die positiven wirtschaftlichen Effekte der Ökosystemleistungen nicht immer monetarisierbar bzw. es gibt bisher nicht zu allen Leistungen entsprechende Studien . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/7971 Die Werte von Biodiversität, Ökosystemen und deren Leistungen sollen zukünftig besser erfasst, bewertet und auch in die volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungssysteme integriert werden, um neben dem Human- und Sachkapital auch die Natur als produktiven Faktor einzubeziehen, ihre Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft umfassender zu erkennen und langfristig besser sichern zu können . Hierzu wurden auf europäischer und internationaler Ebene politische Ziele beschlossen als Teil der EU-Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 (Ziel 2, Maßnahme 5), des Strategischen Plans zur Umsetzung des Überkommens über die biologische Vielfalt (Ziel 2) sowie der globalen Entwicklungsziele für das Jahr 2030 (Ziel 15.9 der Sustainable Development Goals). Damit sind jedoch noch keine rechtlich bindenden Berichtspflichten verbunden. Der Ausschuss für das Europäische Statistische System (AESS) hat am 7. Februar 2019 befürwortet, dass eines der vordringlich zu entwickelnden Zukunftsthemen bei der Fortschreibung der Europäischen Strategie für Umweltökonomische Gesamtrechnungen das Thema Ecosystem Accounting sein soll, da hier seitens der Politik eine hohe Priorität gesehen wird. Diese Entscheidung wurde auch von Deutschland unterstützt. Auch im Rahmen des Weltbiodiversitätsrats IPBES wird derzeit ein Bericht (Assessment ) zu den vielfältigen Werten der biologischen Vielfalt erarbeitet, der voraussichtlich im Jahr 2021 erscheinen wird. Ein entscheidender Impuls für all diese internationalen Beschlüsse und Prozesse war die im Jahr 2007 von Deutschland und der Europäischen Kommission initiierte globale TEEB-Studie („The Economics of Ecosystems and Biodiversity“) zur Verdeutlichung des Wertes der Natur. Auf der Grundlage des Kyoto-Protokolls berichtet die Bundesregierung zu den Treibhausgasemissionen Deutschlands. Hierzu gehört auch die Berichterstattung zum Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft, die jährlich zu den Emissionen aber auch den Festlegungen in diesem Sektor berichtet . Die Bundesregierung wird die nationalen Berechnungen im Bereich Naturkapital fortentwickeln. Angesichts der methodisch anspruchsvollen und komplexen Aufgabe sowie der aktuell noch unzureichenden Datenbasis wird eine vollständige Umsetzung der hierzu international verabschiedeten Ziele bis Jahr 2020 nicht möglich sein. Wichtig ist die verstärkte Förderung wissenschaftlicher und praktischer Arbeiten zur Erfassung von Ökosystemleistungen und externen Umweltkosten , hierbei sind die Bedürfnisse der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen zu berücksichtigen. 1. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits ergriffen bzw. beabsichtigt sie einzuleiten, um Ökosystemdienstleistungen und Naturkapital in Deutschland besser zu erfassen (bitte begründen)? 2. Welche Entwicklungen zur Einbeziehung von ökonomischen Werten von Ökosystemleistungen in Bilanzierungs- und Berichterstattungssysteme auf nationaler Ebene haben seit der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage aus dem Jahr 2014 (Bundestagsdrucksache 18/2731), in der ausgesagt wurde, dass es keine Einbeziehung gibt, erfolgt? Die Fragen 1 und 2 werden gemeinsam beantwortet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7971 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Derzeit existieren noch keine international abgestimmten Rahmenwerke zur einheitlichen Berücksichtigung von Ökosystemleistungen in den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (UGR). Daher werden in den vom Statistischen Bundesamt betreuten UGR derzeit lediglich die Materialströme in und aus der Umwelt erfasst. Das seit der Revision im Jahr 2014 europaweit verbindliche Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen beinhaltet auch Naturvermögen als Teil der nichtproduzierten Vermögensgüter, sofern es die Definition für wirtschaftliche Vermögensgüter erfüllt (sogenannte „natürliche Ressourcen“). Zu diesen natürlichen Ressourcen gehören neben Grund und Boden auch Bodenschätze , freie Tier- und Pflanzenbestände und Wasserreserven. Nicht dazu gehören diejenigen Bestandteile des Naturvermögens, an denen keine Eigentumsrechte bestehen, wie die offenen Meere oder die Luft. In den deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) werden seit der Revision im Jahr 2014 Angaben für Grund und Boden nachgewiesen, da für die übrigen natürlichen Ressourcen keine belastbaren Daten vorliegen. Zur besseren Erfassung von Ökosystemleistungen in Deutschland wurden bzw. werden einige Forschungsvorhaben beim Bundesamt für Naturschutz (BfN), finanziert aus Mitteln des Bundesweltministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), durchgeführt. Hierzu gehören z. B. Untersuchungen über die Bedeutung bestimmter Ökosysteme und deren Leistungen: naturnahe Auen für die Minderung von Hochwasserschäden und den Abbau von Schadstoffen und Gewässerbelastungen Grünland für die Grundwasserqualität und den Klimaschutz naturnahe Wälder bezüglich Klimaschutz und Klimaanpassung Moore als Kohlenstoffsenken (Klimaschutz) kulturelle Ökosystemleistungen: bundesweite Erfassung der Erholungseignung der Landschaft und des Bedarfs nach Erholung, Bedeutung städtischer Grünflächen für Erholung, Gesundheit und Wohlbefinden. In den meisten Vorhaben wurde versucht, die Ökosystemleistungen auch monetär zu bewerten, wobei dies nicht im Zentrum der Untersuchungen steht. Hinzu kommen BfN-Studien mit dem Ziel, nicht nur einzelne Ökosystemleistungen zu erfassen, sondern soweit wie möglich ein umfassenderes Bild der Werte von Ökosystemen für Wirtschaft und Gesellschaft wiederzugeben. Hierzu zählt die Studie „Naturkapital Deutschland-TEEB DE“, in deren Rahmen das vorhandene Wissen aus Fallstudien zum Wert von Ökosystemleistungen zusammengetragen und in verständlicher Form aufbereitet wurde (siehe auch Antwort zu Frage 8). Zur systematischen flächendeckenden Erfassung und Kartierung des Zustands und der Leistungen von Ökosystemen in Deutschland, wie es die EU- Biodiversitätsstrategie vorsieht, wird zudem ein nationales System von physischen Indikatoren erarbeitet; ein erster Indikatorenbericht wird voraussichtlich Ende 2019 veröffentlicht. Auch im Rahmen der Forschungsinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zum Erhalt der Artenvielfalt wird die Forschung zur Wertschätzung und Sicherung von Naturkapital in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vorangetrieben und damit an die nationale TEEB-Studie angeknüpft. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/7971 Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat im Dezember 2018 die Ergebnisse einer umfassenden Bodenzustandserhebung in der Landwirtschaft vorgelegt. Die dritte Bodenzustandserhebung im Wald wird derzeit vorbereitet. Kohlenstofferhebungen im Waldbestand werden gemäß den internationalen Berichtspflichten durchgeführt (zuletzt die Kohlenstofferhebung 2017). Im Geschäftsbereich des BMEL hat das Thünen-Institut u. a. Studien zur ökonomischen Bewertung von Waldökosystemleistungen bzw. zur Bewertung von öffentlichen Gütern des Waldes und zum Erholungswert des Waldes erarbeitet. Mit Blick auf die in der Vorbemerkung beschriebenen Zielsetzungen auf europäischer und internationaler Ebene, bis zum Jahr 2020 Schritte zu unternehmen, um die Werte von Ökosystemen und deren Leistungen auch in die volkswirtschaftlichen Rechnungssysteme bzw. die UGR zu integrieren, wird seit dem Jahr 2017 ein Forschungsprojekt des Bundesamtes für Naturschutz unter Einbeziehung des Statistischen Bundesamtes sowie weiterer Fachbehörden und Experten durchgeführt . Diese Arbeit basiert auf den oben genannten Arbeiten zu nationalen Indikatoren für Ökosystemleistungen und erfolgt in Anlehnung an das von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen beschlossene System zu sogenannten experimentellen Ökosystem-Bilanzen („System of Environmental-Economic Accounting – Experimental Ecosystem Accounting“; SEEA-EEA). Es bedarf jedoch noch erheblicher Anstrengungen, um die Ergebnisse von laufenden und künftigen Forschungsprojekten des BMU und des BMBF sowie die Arbeiten von weiteren relevanten Akteuren (insbesondere zur Datenzulieferung) am Ende auch in die umweltökonomischen Gesamtrechnungssysteme beim Statistischen Bundesamt, die auf dem VN-System SEEA basieren, einzubinden und das System mit der nötigen Langfristperspektive systematisch fortzuentwickeln. Auf EU-Ebene wird die Umsetzung der entsprechenden Anforderung in der EU- Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 durch eine informelle Arbeitsgruppe bei der Europäischen Kommission „Mapping and Assessment of Ecosystems and their Services“ (MAES) koordiniert, in der alle Länder der EU einschließlich Deutschland (Bundesamt für Naturschutz) vertreten sind. Deutsche Behördenvertreter wirken auch aktiv an der Weiterentwicklung der entsprechenden Systeme auf internationaler Ebene mit (siehe Antwort zu Frage 14). 3. Welche Informationen, Daten und Zahlen liegen der Bundesregierung vor, wie stark der Verlust von Artenvielfalt und Biodiversität die Wirtschaftskraft in Deutschland gebremst hat? Die volkswirtschaftlichen Folgen, die im Zuge des Verlustes von biologischer Vielfalt und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Ökosystemleistungen auftreten, sind sogenannte negative externe Kosten. Sie sind von der Allgemeinheit zu tragen und mindern nicht nur das Naturkapital, sondern auch die Wohlfahrt . Eine anerkannte Zahl als Summe für diese externen Kosten in Deutschland gibt es jedoch noch nicht. Diese externen Kosten sind kein Bestandteil der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Aber es gibt, wie bereits beschrieben, Studien zu einigen Themenbereichen sowie erste Konzepte zur Ergänzung dieser externen Kosten. Da das BIP keine Folgekosten durch Umweltschäden erfasst, ist es nicht in der Lage, eine Verringerung des Naturkapitals abzubilden. Mit dem Nationalen Wohlfahrtsindex (NWI) entwickelte das Umweltbundesamt eine Ergänzung zum BIP, der insbesondere auch diese Kosten berücksichtigt. Ausgehend von den Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7971 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Konsumausgaben enthält der NWI monetär bewertete wohlfahrtsrelevante Zuund Abschläge: wohlfahrtssteigernde Komponenten wie privater Konsum und Bildungsausgaben werden addiert, wohlfahrtsmindernde Kategorien wie Umweltverschmutzung oder Gesundheitsschäden subtrahiert. Allerdings werden beim NWI bisher, vor allem aufgrund fehlender Daten, Verluste bei Biodiversität und Ökosystemleistungen nur begrenzt erfasst. Zudem ist das Konzept mit den Anforderungen von Gesamtrechnungssystemen nicht kongruent. Seit dem Jahr 2017 veröffentlicht das Umweltbundesamt den NWI in den „Daten zur Umwelt“. Zu den externen Kosten aufgrund der Nitratbelastung und des Insektenrückgangs wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 5 verwiesen. Darüber hinaus werden beispielhaft die Ergebnisse weiterer Fallstudien, die im Rahmen des Projekts „Naturkapital Deutschland“ zusammengetragen wurden, aufgeführt (www.bmu.de/ WS4332): Der Verlust natürlicher Auen ist mitverantwortlich für die Schäden durch Hochwasserkatastrophen, die in Deutschland in den letzten Jahrzehnten dramatisch hoch waren. Im Jahr 2002 verursachte das Hochwasser im Elbe- und Donaueinzugsgebiet einen wirtschaftlichen Schaden in Höhe von rund 11 Mrd. Euro. Beim Hochwasser im Jahr 2013 beliefen sich die Schäden auf knapp 7 Mrd. Euro. Die Verluste an Anlagevermögen durch diese beiden Hochwasser wurden als Katastrophenschäden in der Vermögensrechnung der VGR berücksichtigt . Durch den Klimawandel können Starkregenereignisse und Überflutungen weiter zunehmen. Gleichzeitig sind zwei Drittel der ehemaligen Überschwemmungsgebiete an deutschen Flüssen durch Deichbau und Gewässerausbau verloren gegangen, 4 Prozent der Auen sind bebaut. Damit fehlen Flächen für den Wasserrückhalt. In der Vergangenheit wurden 95 Prozent der ehemaligen Moore bzw. Moorböden (1,8 Mio. ha) überwiegend für land-, teilweise aber auch für forstwirtschaftliche Zwecke sowie für den Torfabbau entwässert. Entwässerte Moorböden tragen heute mit einer Freisetzung von ca. 41 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr zu 40 Prozent der gesamten Klimagas-Emissionen aus der deutschen Landwirtschaft bzw. zu ca. 4,4 Prozent der jährlichen deutschen Brutto-Gesamtemissionen bei, wobei diese Böden nur rund 5 Prozent der Fläche Deutschlands bzw. 8 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche ausmachen . Die gesellschaftlichen Schadenskosten dieser CO2-Emissionen betragen rund 8 Mrd. Euro pro Jahr Die Kosten pro Jahr, gerechnet mit dem Wert der Sensitivitätsanalyse von 640 Euro (2016), betrugen im Jahr 2018 ca. 27,3 Mrd. Euro (Berechnung mit dem aktuellen Schadenskostensatz vom Umweltbundesamt ; siehe „Methodenkonvention 3.0 zur Ermittlung der Umweltkosten “, November 2018). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/7971 Durch die in der Vergangenheit erfolgte Umwandlung von Dauergrünland in Acker sind wichtige Ökosystemleistungen verloren gegangen: Speicherung von Kohlenstoff als Beitrag zum Klimaschutz, Minderung von Nitrateinträgen in das Grundwasser, Erhaltung der biologischen Vielfalt und Erosionsschutz. Die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten werden auf 440 bis 3 000 Euro pro Hektar und Jahr geschätzt. 4. Welche Informationen, Daten und Zahlen liegen der Bundesregierung vor, welchen ökonomischen Schaden bzw. welche ökonomischen Kosten die Überdüngung und Nitratbelastung verursachen? Nach dem European Nitrogen Assessment aus dem Jahr 2011 führt der Einsatz von Düngemitteln in der Europäischen Union (EU-27) zu gesellschaftlichen Kosten durch gesundheitliche Schäden, Klimaschäden und Schäden an Ökosystemen (u. a. Binnengewässer, Meere und andere empfindliche Ökosysteme) von jährlich 20 bis 150 Mrd. Euro. Dem steht ein zusätzlicher Nettoertrag in der Landwirtschaft (Mehrertrag abzüglich Kosten) in Höhe von 20 bis 80 Mrd. Euro gegenüber . Eine spezielle Schätzung für Deutschland liegt im Rahmen des Assessments nicht vor. In einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2017 wurde geschätzt, dass die Aufwendungen der Wasserversorger zur Einhaltung niedriger Nitratwerte zwischen 580 und 767 Mio. Euro pro Jahr liegen. Eine umfassendere Analyse zu den Schäden durch die Emission von Stickstoff ist in Arbeit. 5. Liegen der Bundesregierung Daten vor, die das Ausmaß des Insektenrückgangs auf die Wirtschaftskraft bemessen? In Deutschland sind ca. 13 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion von Bestäubung durch Insekten abhängig. Das entspricht einem Wert von ca. 1,1 Mrd. Euro. Es liegen weiterhin Studien vor, die die Mindererträge verschiedener Kulturpflanzen bei einem Ausbleiben der Bestäubung experimentell belegen. Bei Raps und Ackerbohne sind dies beispielsweise knapp 30 Prozent bzw. 35 Prozent . Die größten Verluste treten mit 55 Prozent bis ca. 85 Prozent bei Obstkulturen auf. Dass die Zahl der Insekten und damit auch der Bestäuber in den letzten Jahrzehnten erheblich abgenommen hat, belegen verschiedene Studien. Eine Studie an Standorten in deutschen Schutzgebieten erbrachte einen dortigen Rückgang flugaktiver Insekten von bis zu 75 Prozent in den letzten 27 Jahren, gemessen in der Biomasse der Insekten. Die bundesweiten Roten Listen weisen für 44 Prozent der darin bislang erfassten knapp 7 500 Insektenarten einen rückläufigen langfristigen Trend aus. Eine flächendeckende Abschätzung, welchen Einfluss dieser Rückgang auf die Erträge der Landwirtschaft hat, liegt nicht vor. 6. In welcher Weise stellt die Bundesregierung sicher, dass insbesondere das Statistische Bundesamt entsprechende Daten erfasst und diese bereitstellt? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7971 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits ergriffen bzw. beabsichtigt sie einzuleiten, um Ökosystemdienstleistungen und Naturkapital in die Volkswirtschaftliche und in die Umweltökonomische Gesamtrechnung zu integrieren (bitte begründen)? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Arbeiten der internationalen TEEB-Initiative (The Economics of Ecosystems and Biodiversity ), welche Bilanzierungs- und Berichtspflichten zur Erfassung von Naturkapital und Ökosystemdienstleistungen ist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang eingegangen, und wie ist der Stand der Umsetzung? Die internationale Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB), die auf maßgebliche Initiative des Bundesumweltministeriums unter dem Dach der Vereinten Nationen von 2007 bis 2009 durchgeführt wurde, hatte zum Ziel, den enormen Wert der Natur für die Menschen und die vielfältigen von der Natur meist kostenlos bereit gestellten Ökosystemleistungen zu verdeutlichen . Hieraus erwuchsen zwar keine formellen Bilanzierungs- und Berichtspflichten , aber es gab in der Folge in vielen Staaten nationale Studien und Umsetzungsprozesse sowie Beschlüsse zu politischen Zielsetzungen auf EU- und globaler Ebene (siehe Vorbemerkung). Der gesamte TEEB-Prozess war und ist insofern von strategischer Bedeutung für die Biodiversitätspolitik. In der im letzten Jahr abgeschlossenen deutschen Nachfolgestudie „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ wurden speziell für Deutschland die Leistungen der Natur für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und das menschliche Wohlbefinden verdeutlicht und, sofern dies sinnvoll ist, auch mit ökonomischen Werten quantifiziert. Hierfür wurden unter Leitung von Prof. Bernd Hansjürgens, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ, Leipzig), unter aktiver Beteiligung vieler Wissenschaftlern und Behördenvertreter die Ergebnisse von Fallstudien zum volkswirtschaftlichen Nutzen von Ökosystemleistungen (bzw. zu den gesamtwirtschaftlichen Kosten durch deren Beeinträchtigung) zusammengetragen . Hierzu zählen unter anderem die Beiträge von Auen, Mooren, Wäldern und Grünland sowie Natur in der Stadt zu Klimaschutz, Hochwasserschutz, Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, Bestäubung durch Insekten, saubere Luft, verbesserte Lebensqualität und Erholung. Zudem kann eine vielfältige und attraktive Natur gerade auch in ländlichen, wirtschaftlich schwachen Räumen den Tourismus und die regionale Wertschöpfung fördern, wie Untersuchungen zum Beispiel zu Nationalparken in Deutschland gezeigt haben. Es wurde gezeigt, dass es viele Synergien zwischen Naturschutz und anderen wichtigen Umwelt- und Gesellschaftsthemen gibt und dass sich Investitionen für die Erhaltung bzw. Verbesserung unseres Naturkapitals auch aus gesamtökonomischer Sicht lohnen können. Zudem haben die Autoren von „Naturkapital Deutschland“ Konzepte und Wege vorgeschlagen, um diese Naturleistungen besser in private und öffentliche Entscheidungsprozesse einzubeziehen, damit langfristig die natürlichen Lebensgrundlagen und die biologische Vielfalt erhalten werden. Im Zentrum von „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ standen vier thematische Berichte (Internetseite : www.bmu.de/WS43322): Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/7971 Naturkapital und Klimapolitik – Synergien und Konflikte (2014) Ökosystemleistungen in ländlichen Räumen (2016) Ökosystemleistungen in der Stadt (2016) Synthese der vorangegangenen Berichte sowie Ausblick (2018). Über einen Beirat und eine Projektbegleitende Arbeitsgruppe wurden die relevanten gesellschaftlichen Interessengruppen eingebunden. Letztlich diente das Projekt auch zur Flankierung der Umsetzung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Naturschutzstrategien und -zielen, insbesondere der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Und durch „Naturkapital Deutschland“ wurde untermauert, dass es für unsere Zukunftsfähigkeit wichtig ist, eine breite und langfristig ausgerichtete Perspektive einzunehmen mit dem Ziel, die volkswirtschaftlichen Kosten von Umweltbeeinträchtigungen zu reduzieren und die Transformation hin zu nachhaltigem Wirtschaften voranzubringen. In einem Folgeprojekt soll eine zielgruppenbezogene Verbreitung der Ergebnisse von „Naturkapital Deutschland“ mit dem Ziel der verstärkten Berücksichtigung in relevanten Politikbereichen erfolgen. Die globale Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ (TEEB) und das nationale Projekt „Naturkapital Deutschland- TEEB Deutschland“ sind auch wesentliche Grundlagen für die BMBF-Forschung zur Wertschätzung und Sicherung von Naturkapital. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 verwiesen. 9. Wurde nach Einschätzung der Bundesregierung das Bewusstsein für die vielfältigen Leistungen und Werte der Natur in Deutschland gesteigert? Durch das Millenium Ecosystem Assessment (MEA) aus dem Jahr 2005, den TEEB-Prozess und die politischen Zielsetzungen zur Erfassung des Wertes der Natur mit den daraus resultierenden zahlreichen Aktivitäten und Diskussionen auf allen Ebenen (siehe Antwort zu Frage 8) wurde unter anderem das Ziel verfolgt , das Bewusstsein für den enormen gesamtwirtschaftlichen Wert der Natur zu stärken. Mittlerweile sind Naturkapital und Ökosystemleistungen zentrale Begriffe nicht nur in der Umwelt- und Naturschutzpolitik, sondern auch in anderen Politikbereichen geworden. Die Arbeiten in der Wissenschaft zu diesem Thema haben exponentiell zugenommen. In der Privatwirtschaft gewinnt das Naturkapitalthema ebenfalls an Bedeutung, insbesondere Ansätze für eine betriebliche Naturkapitalbewertung (Natural Capital Accounting). In Deutschland hat dazu maßgeblich die nationale TEEB-Studie beigetragen. Diese zielte explizit auf eine stärkere Berücksichtigung der Werte der Natur in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen. Darüber hinaus gibt es mittlerweile zahlreiche Expertennetzwerke, Veranstaltungsreihen und Dialogforen zum Thema Ökosystemleistungen; in Förderprogramme wurde es als Schwerpunktthema aufgenommen (z. B. im Bundesprogramm Biologische Vielfalt). Auch die Berücksichtigung von Ökosystemleistungen in bestehenden politischen Instrumenten (wie Landschaftsplanung oder Umweltverträglichkeitsprüfung) wird verstärkt diskutiert. Für eine breitere Implementierung und für die Berücksichtigung in konkreten Entscheidungs- und Planungsprozessen vor Ort bedarf es jedoch weiterer praxisbezogener methodischer Hilfestellung zur Erfassung und Bewertung der Naturleistungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7971 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Für die Politik und die Fachwelt kann insgesamt von einer großen Resonanz gesprochen werden. Zur Frage, wie stark dieses Thema auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen ist, liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Im Rahmen der alle zwei Jahre vom Bundesamt für Naturschutz herausgegebenen Naturbewusstseinsstudie werden Daten zu Wissen, Einstellungen und Verhaltensbereitschaft der Bevölkerung bezüglich biologischer Vielfalt erhoben. Hierbei erfolgt bisher keine spezifische Abfrage zum Bewusstsein in der Bevölkerung bzgl. der Naturleistungen (Ökosystemleistungen). Durch die Öffentlichkeitsarbeit des BMEL zum Wald (z. B. Verteilung von über drei Millionen Exemplaren der Waldfibel) wird das Ziel verfolgt, das Bewusstsein für die vielfältigen Leistungen und Werte des Waldes in Deutschland zu steigern . 10. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang insbesondere aus den Beschlüssen der 10. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD), die in Ziel Nummer 2 vorgeben, dass bis 2020 auch Biodiversitätsindikatoren und -bewertungen in geeigneter Weise in nationale Accounting- und Berichtssysteme einbezogen würden, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um diese fristgerecht umzusetzen (bitte begründen)? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 sowie die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang aus der von der CBD 2014 herausgegebenen Anleitung, um das Ziel einer Integration von Werten der Biodiversität in nationale Berichts- und Bilanzierungssysteme anzuleiten, und in welcher Weise wird diese Anleitung seitens der Bundesregierung genutzt (bitte begründen)? Die im Jahr 2014 von der CBD herausgegebene Veröffentlichung: „Ecosystem Natural Capital Accounts: A Quick Start Package“ versteht sich als eine Operationalisierung des SEEA-EEA (siehe Antwort zu Frage 13). Dieses stellt bisher noch keinen international abgestimmten, direkt umsetzbaren Standard dar, sondern enthält lediglich Prinzipen und erste Empfehlungen zur Umsetzung einzelner Aspekte des Ecosystem Accounting. Ein Vorteil des Quick Start Packages liegt u. a. darin, dass man mit ihm relativ einfach erste Einschätzungen über die Entwicklung der Potenziale der Natur erhalten kann, indem vorwiegend geographisch basierte Indikatoren auf Basis von Daten mit relativ geringer räumlicher Auflösung gebildet werden. Der Nachteil kann insbesondere darin gesehen werden, dass die verwendeten komplexen Indikatoren nicht unbedingt die gesellschaftlich drängenden politischen Fragestellungen bezüglich Gefährdung und Erhaltung von Leistungen der Natur adressieren. Die Bundesregierung zieht es deshalb vor, sich bezüglich der Integration von Ökosystemleistungen in die Umweltgesamtrechnung direkt am SEEA-EEA (siehe Antwort auf Fragen 13 und 14) sowie an den entsprechenden Aktivitäten im europäischen Verbund zu orientieren und in diesem Rahmen Schwerpunkte zu setzen, die den besonderen ökologischen Bedingungen und Herausforderungen an die Erhaltung der Natur in Deutschland gerecht werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/7971 12. Wie bewertet die Bundesregierung die internationale Initiative zur Wohlstandsbilanzierung und Bewertung von Ökosystemdienstleistungen („Wealth Accounting and Evaluation of Eco-system Services – WAVES“), welche Bilanzierungs - und Berichtspflichten zur Erfassung von Naturkapital und Ökosystemdienstleistungen ist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang eingegangen, und wie ist der Stand der Umsetzung (bitte begründen)? Bei WAVES handelt es sich um eine im Jahr 2010 von der Weltbank gestartete Initiative, die auch von der Bundesregierung (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ) unterstützt wird. Die WAVES- Initiative leistet einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung von umweltökonomischen Gesamtrechnungen und zur Bewertung von Ökosystemdienstleistungen in ihren Partnerländern, indem sie diese bei Aufbau und Institutionalisierung nationaler Informationssysteme unterstützt. Die Initiative fördert damit die Naturkapitalberechnung in Entwicklungs- und Schwellenländern (gegenwärtige oder ehemalige Partnerländer: Botswana, Kolumbien, Costa Rica, Guatemala, Indonesien , Madagaskar, Philippinen, Ruanda, Uganda, Sambia). Im Rahmen der WAVES-Initiative gibt es keine Bilanzierungs- oder Berichtspflichten. 13. Wie bewertet die Bundesregierung das System of Environmental-Economic Accounting – Experimental Ecosystem Accounts (SEEA-EEA) der Vereinten Nationen, welche Bilanzierungs- und Berichtspflichten zur Erfassung von Naturkapital und Ökosystemdienstleistungen ist die Bundesregierung in diesem Zusammenhang eingegangen, und wie ist der Stand der Umsetzung (bitte begründen)? Die bei den Vereinten Nationen im Aufbau befindliche experimentelle Ökosystemgesamtrechnung als Teil des umweltökonomischen Gesamtrechnungssystems („System of Environmental-Economic Accounting – Experimental Ecosystem Accounting“ SEEA-EEA) hat zum Ziel, die Leistungen der Natur für Wirtschaft und Gesellschaft integrativ zu erfassen. Bisher werden in den UGR neben der Rohstoffentnahme lediglich einige Leistungen wie die Aufnahme von Schadstoffen oder die Produktion von Rohholz, landwirtschaftlichen Produkten und von Rohwasser für die Trinkwassernutzung einzeln erfasst, ohne dass die gegenseitigen Beeinflussungen und Abhängigkeiten deutlich werden. Mit einem Ecosystem Accounting sollen dagegen alle wesentlichen Leistungen der Ökosysteme berücksichtigt werden. Dadurch werden auch Zielkonflikte zwischen den verschiedenen Leistungen deutlich. Das Leistungsspektrum umfasst nicht nur private Güter, sondern auch öffentliche Güter, wie etwa den Beitrag der Ökosysteme zur Erhaltung besonderer Teile der biologischen Vielfalt oder für die Erholung in der freien Landschaft als Teil der so genannten kulturellen Ökosystemleistungen. Es soll zudem das Naturkapital als Potenzial für zukünftige Leistungen erfasst werden. Damit würde ein Ecosystem Accounting die Möglichkeit bieten, den Beitrag der biologischen Vielfalt bzw. der Ökosysteme für Wirtschaft und Wohlfahrt aus kurz- und langfristiger Sicht im System der volkswirtschaftlichen Rechnungen widerzuspiegeln. Im Jahr 2013 wurde ein erster Leitfaden zum SEEA-EEA veröffentlicht , dessen Überarbeitung nun läuft. Der Ansatz der VN ist vielversprechend, muss aber methodisch-konzeptionell noch weiterentwickelt werden und ist bisher, wie der Name bereits sagt, experimentell . Insofern leiten sich daraus noch keine Bilanzierungs- und Berichtspflichten ab. Die Aktivitäten Deutschlands zur Aufstellung von Ecosystem Accounts orientieren sich so eng wie möglich an dem VN-Leitfaden zum SEEA-EEA. Gleiches gilt für die entsprechenden Aktivitäten auf EU-Ebene, die von EUROSTAT, Europäischer Umweltagentur und der Europäischen Kommission getragen werden . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7971 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Wie beteiligt sich die Bundesregierung am derzeit laufenden Überarbeitungsprozess des SEEA-EEA (bitte begründen)? Das Statistische Bundesamt ist in die Diskussionen zur Erstellung der internationalen Rahmenwerke (SEEA-EEA und zugehörige technische Dokumente) durch die Teilnahme in den zugehörigen Gremien der Vereinten Nationen eng eingebunden : VN – Committee of Experts on Environmental-Economic Accounting (CEEA) und „London Group for Environmental Economic Accounting“, eingesetzt durch die Statistik-Kommission der Vereinten Nationen (UNSTAT). Auf VN-Ebene finden derzeit auch Diskussionen zur Einbeziehung von ökologischen Leistungen in das Bruttoinlandsprodukt statt, an denen das Statistische Bundesamt ebenfalls beteiligt ist. Das BfN nimmt ebenfalls regelmäßig an Sitzungen der London Group teil, insbesondere im Bereich Ecosystem Acounting, sowie gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt beim „Forum of Experts on SEEA Experimental Ecosystem Accounting“ der United Nations Statistics Division (UNSD). In Kooperation mit UNSD und UN Environment hat das Bundesamt für Naturschutz im April 2018 in Bonn eine internationale Konferenz zum Thema „Integration of ecosystems and ecosystem services into the Environmental-Economic Accounting“ organisiert . Die Ergebnisse dieser Konferenz tragen zu den Diskussionen des laufenden Überarbeitungsprozesses des SEEA-EEA bei. 15. Welche Bilanzierungs- und Berichtspflichten zur Erfassung von Naturkapital und Ökosystemdienstleistungen ist die Bundesregierung im Zusammenhang mit der EU-Biodiversitätsstrategie 2020 eingegangen, und wie ist der Stand der Umsetzung (bitte begründen)? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 sowie die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 16. Wie ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Umsetzungsstand in Deutschland hinsichtlich des Ziels, bis 2020 die Ergebnisse zu Ökosystemen und deren Leistungen in die Rechnungslegungs- und Berichterstattungssysteme auf EU- und nationaler Ebene zu integrieren, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. plant sie zu ergreifen, um dieses Ziel fristgerecht zu erfüllen (bitte begründen)? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 sowie die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 17. Welche finanziellen Mittel und personellen Ressourcen werden gegenwärtig von der Bundesregierung für eine bessere Erfassung des Wertes der Natur und ihrer Dienstleistungen und für deren Einbeziehung in gesellschaftliche Berichtssysteme zur Verfügung gestellt, und welche Veränderungen sind hierbei seitens der Bundesregierung geplant (bitte begründen)? Das Statistische Bundesamt ist durch seine Mitarbeit im „Committee of Experts on Environmental-Economic Accounting“ (CEEA), der „London Group for Environmental Economic Accounting“ und dem „Forum of Experts in SEEA Experimental Ecosystem Accounting“ eng in die Entwicklung der internationalen Rahmenwerke in eingebunden (siehe Antwort zur Frage 14). Diese Rahmenwerke sind Voraussetzung für eine spätere Abbildung von Umweltsystemleistungen in den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen. Derzeit werden für dieses Thema keine nennenswerten Ressourcen im Statistischen Bundesamt eingesetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/7971 In den Jahren 2011 bis 2018 wurden vom BMU für Forschungsvorhaben zu diesem Themenbereich einschließlich „Naturkapital Deutschland-TEEB DE“ insgesamt ca. 2,8 Mio. Euro ausgegeben. Für die Zeit bis zum Jahr 2021 sind weitere 640 000 Euro im Haushalt des BMU eingeplant, zusätzliche Vorhaben sind in Planung. Zur Betreuung dieser Vorhaben steht im Bundesamt für Naturschutz (BfN) derzeit insgesamt ein Äquivalent von knapp einer Stelle zur Verfügung. Für die Zukunft wird geprüft, den nötigen fachlichen Input des BfN bzgl. Ökosystemen und Ökosystemleistungen für deren vollständige, systematische Erfassung und Bewertung zur Integration in die Umweltgesamtrechnungen weiter auszubauen . Im BMU selbst steht für die Betreuung dieses Themenbereichs derzeit eine Drittelstelle im höheren Dienst zur Verfügung. Das Umweltbundesamt stellt zudem Kapazitäten für die Erstellung der „Methodenkonvention zur Ermittlung von Umweltkosten“ zur Verfügung. 18. Sieht die Bundesregierung es als erforderlich an, dass mehrere Institutionen (z. B. das Statistische Bundesamt – DESTATIS –, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – BMU – bzw. das Bundesamt für Naturschutz – BfN –, das Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF –, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft – BMEL) bei der Aufgabe, Ökosystemdienstleistungen in die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen zu integrieren, in vergleichbarer Weise wie beim Fortschrittsbericht zur Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zusammenarbeiten (bitte begründen)? 19. Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen bzw. plant die Bundesregierung , um eine solche Zusammenarbeit zu initiieren (bitte begründen )? Die Fragen 18 und 19 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesministerien und nachgeordneten Fachbehörden arbeiten beim Erhalt der biologischen Vielfalt grundsätzlich eng zusammen. Bereits bei Naturkapital Deutschland sowie anderen Forschungsvorhaben zur Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen und die Integration in die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen sind unterschiedliche Behörden einbezogen worden, u. a. die betroffenen Bundesressorts (BMBF, BMWi, BMEL, BMVI), das Statistische Bundesamt, das Umweltbundesamt, das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, die Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe, die Bundesanstalt für Gewässerkunde, verschiedene Thünen-Institute sowie Landesbehörden . Hinzu kommen diverse Forschungsinstitute sowie ein breiter Kreis weiterer Verbände sowie Expertinnen und Experten. Mit der BMBF-Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (siehe Antwort zu Frage 1) wird eine Dialogplattform initiiert, in der Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Forschung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft regelmäßig zusammentreffen und eng zusammenarbeiten, um gemeinsam die Forschungsbedarfe und -ergebnisse zum Erhalt der Artenvielfalt sowie deren Umsetzung zu diskutieren . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/7971 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Gerade für eine effiziente und fachlich solide regelmäßige Erfassung und Bewertung von Ökosystemleistungen einschließlich Integration in die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen ist eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen den relevanten Behörden unerlässlich. Konkrete Entscheidungen zur formellen Struktur dieser Kooperation werden erst später getroffen, wenn ausreichende Erfahrungen aus den laufenden und geplanten Pilotvorhaben vorliegen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333