Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 16. Februar 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/806 19. Wahlperiode 20.02.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Martin Erwin Renner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/617 – Salafismus und Antisemitismus an deutschen Schulen 1. Ist der Bundesregierung die im Auftrag des American Jewish Committee Berlin erstellte Dokumentation „Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen: Erfahrungsberichte aus dem Berliner Schulalltag“ bekannt (https://ajcberlin.org/de/media/berichte/salafismus-und-antisemitismusberliner -schulen-erfahrungsberichte-aus-dem-schulalltag)? 2. Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung die zum Teil erschreckenden Erfahrungsberichte der Dokumentation, nach denen von Unterwanderung, Mobbing, Einschüchterung, Verhaltenskontrolle und Druck radikalislamischer Minderheiten auf Mitschüler ebenso die Rede ist wie von grassierendem Antisemitismus, der offenen Ablehnung bestimmter Unterrichtsinhalte, der „Überprüfung“ des Schulstoffs durch Koranlehrer oder Moscheen und vom Auftreten sogenannter Moralwächter (von Imamen salafistischer Moscheen geschulter Schüler) sowie der generellen Höherstellung von Glaubensinhalten über die von den Schulen zu vermittelnden Werte wie „insbesondere Geschlechtergleichheit, Toleranz für Minderheiten, säkularer Rechtsstaat und demokratische Werteordnung“ (https://ajcberlin.org/de/media/ berichte/salafismus-und-antisemitismus-berliner-schulen-erfahrungsberichteaus -dem-schulalltag)? Die Fragen 1 und 2 werden zusammen beantwortet. Die Dokumentation des American Jewish Committee: ‚Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen‘ ist der Bundesregierung bekannt. Die Bundesregierung nimmt zu Studien und Dokumentationen, die von Dritten und nicht in ihrem Auftrag erstellt wurden, nicht Stellung. 3. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über das Vordringen und den wachsenden Einfluss von salafistischem bzw. radikalislamischem extremistischem , intolerantem und antisemitischem Gedankengut an deutschen Schulen insgesamt vor? Die Bundesregierung sieht Intoleranz, Ausgrenzungen und Vorurteile, wie sie sich u. a. auch in antisemitischen Stereotypen äußern, als gesamtgesellschaftliche Erscheinungen, die sich auch in Schulen widerspiegeln. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/806 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode In dem Bericht des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus, der im April 2017 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, wird Schule als Ort antisemitischer Vorfälle genannt. Zahlen, die einen Überblick über Anzahl, Art und Hintergrund der Vorfälle geben könnten, werden aufgrund fehlender Studien in diesem Bereich nicht vorgelegt. Verwiesen wird stattdessen darauf, dass Antisemitismus in der Gesellschaft insgesamt wächst. Daher empfiehlt der Unabhängige Expertenkreis Antisemitismus ein regelmäßiges bundesweites Monitoring antisemitischer Vorfälle, wie es bereits von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) für Berlin durchgeführt wird, ebenso wie repräsentative Bevölkerungsbefragungen und qualitative Studien zu antisemitischen Einstellungen unter Berücksichtigung besonderer Bevölkerungsgruppen. Nach den kontinuierlichen Feststellungen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder handelt es sich beim Salafismus um ein vom Potential her ständig wachsendes und hinsichtlich seiner Zusammensetzung stetig verjüngendes Phänomen . Die solcherart offenbaren Risiken haben die Bundesregierung bereits vor geraumer Zeit veranlasst, das repressive und präventive Instrumentarium systematisch auszuweiten und noch stärker zielgruppengerecht zu fokussieren. Im Präventionsbereich ist dabei insbesondere das Nationale Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus zu nennen (siehe Antwort zu den Fragen 8 und 9). Die absehbaren langfristigen gesellschaftlichen Gefahren, die diesem Phänomen immanent sind, erfordern eine nachhaltige Verstetigung repressiver und präventiver Maßnahmen im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes. Die Fortentwicklung der Maßnahmen in diesen Phänomenbereichen ist nach Auffassung der Bundesregierung stets auch an dem Stand der wissenschaftlichen Forschung auszurichten. Die Bundesregierung orientiert sich dabei auch an den Erkenntnissen des Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus. 4. Erkennt die Bundesregierung die Notwendigkeit breiterer wissenschaftlicher Erhebungen zu diesem nach Ansicht der Fragesteller Besorgnis erregenden Anwachsen antidemokratischer, das Wertesystem des Grundgesetzes grundsätzlich ablehnender Vorstellungen und deren zunehmendes Vordringen in den öffentlichen Raum Deutschlands? 5. Wenn ja, welche konkreten Studien sind von der Bundesregierung dazu in Auftrag gegeben worden bzw. sollen noch in ihrem Auftrag erstellt werden? Die Fragen 4 und 5 werden zusammen beantwortet. Wissenschaftliche Erhebungen und Erkenntnisse als eine Grundlage, antidemokratischen Vorstellungen entgegenzuwirken, sind grundsätzlich erforderlich. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Die Bundesregierung hat selbst keine Studien oder Untersuchungen zu der Situation in Schulen bezüglich Salafismus und Antisemitismus in Auftrag gegeben. Darüber hinaus ist der Ausbau der Forschung zu islamistischen Extremismus insgesamt ein wesentlicher Bestandteil des Nationalen Präventionsprogramms gegen islamistischen Extremismus. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/806 6. Sieht die Bundesregierung dieses Vordringen einer zunehmend aggressiv auftretenden radikalislamisch geprägter Jugendkultur als ein ausschließlich länderspezifisches Thema an, oder ist sie bereit, dies als ein bundesweit akutes gesellschaftliches Problem anzuerkennen und mit entsprechenden bundesweiten Initiativen darauf zu reagieren? 7. Wenn ja, mit welchen Initiativen? Die Fragen 6 und 7 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung sieht im Rahmen der föderalen Aufgabenteilung in erster Linie die Zuständigkeit der Länder und Kommunen entsprechende Aufklärungsund Präventionsaufgaben. Die Bundesregierung hat die Problemlagen des zunehmenden Einflusses islamistischer Einstellungen und Haltungen u. a. auf Jugendkulturen aus ihrer Verantwortung für die gesamtstaatliche innere Sicherheit heraus allerdings von Beginn an auch zu ihrem eigenen Thema gemacht. Die Bundesregierung unterstützt die Länder, denen nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes das Handeln im Einzelfall obliegt, darin, spezifische Präventionsprogramme in wachsender Zahl aufzulegen und mit Maßnahmen des Bundes zu koordinieren. Die Bundesregierung hat in der jüngeren Vergangenheit bereits mit Bundesprogrammen , Maßnahmen und Initiativen auf aktuelle Entwicklungen reagiert und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure intensiviert. So fördert die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) Maßnahmen der politischen Bildung mit dem Ziel, Vorurteilsstrukturen wie Antisemitismus zu begegnen und islamistischen Extremismus sowie Radikalisierungstendenzen unter jungen Menschen so früh wie möglich entgegenzuwirken. Zu den vielfältigen Initiativen und Formaten der BpB wird auf die Antwort zu den Fragen 8 und 9 verwiesen . Im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden Projekte von Vereinen und Initiativen unterstützt , die sich der Förderung von Demokratie und Vielfalt widmen und dabei unter anderem Phänomene wie Antisemitismus und islamistischer Extremismus bearbeiten. Im Rahmen von „Demokratie leben!“ werden sowohl im Bereich der Förderung nachhaltiger Strukturen, als auch im Bereich der Weiterentwicklung der präventiv -pädagogischen Fachpraxis zahlreiche Maßnahmen und Modellprojekte gefördert , die sich zentral mit Antisemitismus in allen seinen Ausprägungen befassen und dabei sowohl rassistischen Antisemitismus, Verschwörungstheorien als auch sekundären Antisemitismus (z. B. Holocaustleugnung, Täter-Opfer-Umkehr etc.) und israelbezogenen Antisemitismus in den Blick nehmen. Wichtige nichtstaatliche Organisationen, die eine Förderung ihrer Strukturentwicklung zum bundeszentralen Träger mit dem Themenschwerpunkt Prävention von Antisemitismus erhalten, sind das Anne Frank Zentrum, die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland nimmt zudem das Empowerment der jüdischen Community im Hinblick auf Antisemitismus- Erfahrungen in den Blick. Darüber hinaus werden 19 Modellprojekte unterschiedlicher Träger im gesamten Bundesgebiet gefördert, die innovative methodische und pädagogische Ansätze und Arbeitsformen entwickeln und erproben. In den Modellprojekten, die einen Schulbezug aufweisen, werden etwa Module entwickelt und erprobt, die sowohl Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/806 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode in den Regelunterricht als auch in die alltägliche Arbeit mit Jugendlichen integriert werden können. Darüber hinaus erfolgt auch die Fortbildung, Beratung und Begleitung von pädagogischen Fachkräften zu israelbezogenem Antisemitismus, wie er auch in islamistischen Milieus vorzufinden ist. Eine Übersicht aller Modellprojekte zum Themenfeld findet sich auf der Webseite des Bundesprogramms . Im Weiteren werden die „Aktionswochen gegen Antisemitismus“, die jährlich stattfindende „Blickwinkel-Tagung“ sowie verschiedene Einzelmaßnahmen u. a. im Rahmen der lokalen „Partnerschaften für Demokratie“ gefördert, die aktuelle Formen des Antisemitismus aus einer Präventionsperspektive aufgreifen. Auch die RIAS wird aus Mitteln des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ unterstützt . Weiterhin wird auf die Antwort zu den Fragen 8 und 9 verwiesen, insbesondere bzgl. des Nationalen Präventionsprogramms gegen islamistischen Extremismus. 8. Teilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Einschätzung der Dokumentation im Auftrag des American Jewish Committee, wie „… wichtig es ist, dem islamischen Extremismus vorzubeugen, indem man Jugendliche früh genug erreicht, bevor sie sich radikalen Ideen zuwenden“? 9. Wenn ja, mit welchen Strategien, Ressourcen und Mitteln will die Bundesregierung verhindern, dass sich islamische Jugendliche immer weiter von den Werten unserer Gesellschaft entfernen? Die Fragen 8 und 9 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung sieht seit langem einen wichtigen Ansatz darin, im Rahmen der universellen Prävention undemokratischen, ausgrenzenden Radikalisierungstendenzen bei Jugendlichen so früh wie möglich zu begegnen, um eine ideologische Verfestigung zu verhindern. Auch antisemitischen Vorurteilen und übernommenen Stereotypen ist frühzeitig verstärkt präventiv entgegenzuwirken. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren die Präventionsarbeit in diesem Zusammenhang deutlich verstärkt: Im Jahr 2016 wurden mit der „Strategie der Bundesregierung zur Extremismusprävention und Demokratieförderung“ die verschiedenen Handlungsfelder strategisch vernetzt. Das im Jahr 2017 verabschiedete Nationale Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus knüpft an die Präventionsmaßnahmen der Bundesregierung und der bestehenden Bundesprogramme an und verstärkt sie. Hierfür wurden für das Jahr 2018 zusätzliche 100 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Als wichtiger „Ort der Prävention“ wird der „Ansatzpunkt Bildung und ihre Einrichtungen“ in dem Nationalen Präventionsprogramm ausdrücklich genannt, um durch außerunterrichtliche Prävention der Radikalisierung „auf dem Schulhof“ entgegen zu wirken. Verstärkt werden wird in diesem Zusammenhang auch die Evaluation der Extremismusprävention, um bewährte Ansätze in die Breite zu tragen. Die neue Bundesregierung wird über die konkrete Umsetzung des Nationalen Präventionsprogramms entscheiden . Die Bearbeitung des Antisemitismus auch in seinen aktuellen Formen erfolgt bereits in den bestehenden Bundesprogrammen zur Demokratieförderung und Extremismusprävention . Diese werden laufend evaluiert und aktuellen gesellschaftspolitischen Herausforderungen wird bei der Weiterentwicklung der Bundesprogramme Rechnung getragen. Auch die Beratungsstelle Radikalisierung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge steht u. a. dem sozialen Umfeld von sich radikalisierenden Jugendlichen als Ansprechpartner zur Verfügung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/806 Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) verfolgt in ihrer Arbeit dauerhaft zentrale Ansätze in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus. Das Thema Antisemitismus stellt ein dauerhaftes, zentrales Querschnittsthema in der Arbeit der BpB dar, das mit unterschiedlichen zielgruppenspezifischen Formaten und Angeboten arbeitet. Antisemitismus ist regelmäßig Gegenstand von Publikationen sowie von Workshops auf Fachtagungen der BpB. Außerdem wird parallel zur argumentativen Auseinandersetzung mit antisemitischen Positionen und zur Rückbeziehung auf den Holocaust der Ansatz verfolgt, die integrativen Aspekte der Geschichte der Juden in Deutschland und Europa hervorzuheben. Die BpB hat immer wieder Angebote in ihrem Programm, die das Spektrum jüdischen Lebens in Deutschland und Europa darstellen. Ein zentrales Anliegen der BpB ist es, zivilgesellschaftliche Kräfte zu unterstützen , die sich gegen Extremismus und Antisemitismus einsetzen. Entsprechend fördert sie Maßnahmen zur Stärkung örtlicher und regionaler zivilgesellschaftlicher Strukturen sowie spezifische Maßnahmen freier Träger der politischen Bildung zum Thema Antisemitismus. Zum Themenfeld des islamistischen Extremismus wurden von der BpB u. a. Modellprojekte initiiert mit dem Ziel, beginnende Radikalisierung zu unterbrechen und Hilfestellungen für alle am Verfahren Beteiligten zu geben. Schulische Akteure und Multiplikatoren sollen u. a. im Hinblick auf den gewaltbereiten Neosalafismus gestärkt und sensibilisiert werden. Dies geschieht u. a. durch Unterrichtsmaterialien , Zeitschriften, Videoreihen im Internet sowie multimediale Online -Dossiers. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333