Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit vom 26. Februar 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/8071 19. Wahlperiode 28.02.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Judith Skudelny, Frank Sitta, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/7686 – Nachhaltigkeit von Tragetaschen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der öffentlichen Debatte stehen Plastiktüten symbolisch für die Umweltverschmutzung mit Kunststoffgegenständen. Bei vielen ist das Thema verknüpft mit Plastikmüllstrudeln in den Ozeanen. Der Verbraucher, der sich ökologisch und verantwortungsbewusst verhalten möchte, greift seit Mitte 2016 durch die freiwillige Selbstverpflichtung vieler Supermärkte zur Papiertüte. Für 15 Cent erkauft sich der Bürger ein Ökobewusstsein . So erhält man zum Beispiel im Rewe Supermarkt Papiertüten mit dem Aufdruck „Hallo Umwelt!“. Doch verringert der Verbraucher durch seine Entscheidung an der Supermarktkasse die Umweltverschmutzung nicht. Für die Produktion von Papiertüten ist der Materialaufwand höher als bei Kunststofftragetaschen (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/plastiktueten-deutschland- 1.4005705). Das liegt zum Beispiel daran, dass die Papiertüte, um die gleiche Reißfestigkeit zu gewährleisten, dicker ist als die Kunststofftüte. Es ist erwiesen , dass Papiertüten mehrfach verwendet werden müssen, um ökobilanziell gleichwertig mit der einmaligen Nutzung einer Kunststofftüte zu sein (www. sueddeutsche.de/wirtschaft/recycling-die-groessten-muell-mythen-des-alltags- 1.3490012). Auch beim Transport der Papiertüten ist der CO2-Ausstoß durch das höhere Gewicht größer. In der globalen Betrachtung muss darauf geachtet werden, welchem Verwertungsweg die Tragetasche nach ihrem Verwendungsweg zugeführt wird. In manchen Entwicklungsländern macht z. B. das Verbot von Plastiktüten derzeit Sinn, da das Müllsammelsystem nicht geschlossen ist. Die Papiertüten, die in z. B. Ruanda häufig in der Umwelt landen, zersetzen sich, die Kunststofftüten tun dies nicht. Dagegen ist in Deutschland eine funktionierende Abfallwirtschaft etabliert, die eine Sammlung und Aufbereitung des Abfalls beinhaltet. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8071 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie oft muss eine Papiertüte nach Kenntnis der Bundesregierung gegenüber einer Plastiktüte in Deutschland verwendet werden, um ökobilanziell „besser “ bewertet zu werden? Papiertragetaschen als auch leichte Kunststofftragetaschen stellen typische Einwegprodukte dar. Ihre ökobilanzielle Bewertung hängt von unterschiedlichen variablen Randbedingungen wie z. B. Häufigkeit der Benutzung, Herkunft der eingesetzten Rohstoffe, Wandstärke, Rezyklatgehalt oder Taschenvolumen ab. Entsprechend liegt ein umfassender ökobilanzieller Vergleich, welcher zur Beantwortung der Frage erforderlich wäre, nicht vor. Erkenntnissen des IFEU-Instituts1 kann jedoch entnommen werden, dass die Produktion von Einweg-Papiertragetaschen mit Blick auf die Bilanzgrößen Klimarelevanz und kumulierter Energieaufwand tendenziell ökologische Vorteile gegenüber leichten Kunststofftragetaschen aufweist. Die Produktion leichter Kunststofftragetaschen hingegen weist im Vergleich zu Papiertragetaschen in der Tendenz ökologische Vorteile mit Blick auf die aquatische Eutrophierung sowie der Versauerung auf. 2. Wie oft muss ein Baumwollbeutel nach Kenntnis der Bundesregierung genutzt werden, damit er ökobilanziell nachhaltiger bewertet wird als eine Papier - oder Plastiktüte? Ein umfassender ökobilanzieller Vergleich von Baumwolltragetaschen mit anderen Arten von Tragetaschen liegt nicht vor (vgl. Antwort zu Frage 1). Jedoch kann auf der Grundlage der bereits in der Antwort zu Frage 1 in Bezug genommenen Überlegungen festgestellt werden, dass die Produktion von Baumwolle z. B. aufgrund des hohen Wasserverbrauchs mit einem nennenswerten „ökologischen Rucksack“ einhergeht. Untersuchungen des IFEU-Instituts1 ergaben, dass je nach ökologischer Bilanzgröße eine Baumwolltasche zwischen rund 10 und mehr als 100 Nutzenzyklen benötigt, um ökologisch günstiger zu sein als lediglich einmal genutzte Papiertragetaschen bzw. leichte Kunststofftragetaschen. 3. Wie hoch ist der Materialeinsatz zur Herstellung einer Papiertüte nach Kenntnis der Bundesregierung verglichen mit einer Plastiktüte? 4. Wie hoch ist der Materialeinsatz zur Herstellung eines Baumwollbeutels verglichen mit einer Plastiktüte? Aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe werden die Fragen 3 und 4 zusammen beantwortet . Der Materialeinsatz einer Tragetasche hängt u. a. von deren Materialart, der Wandstärke, der Dichte des eingesetzten Werkstoffs oder von deren Größe ab. Entsprechend lässt sich der Materialeinsatz von Tragetaschen nicht pauschal bestimmen . Das IFEU-Institut gibt folgende Orientierungswerte für den Materialeinsatz für Tragetaschen mit einer Tragfähigkeit von 10 kg an: Baumwolle ca. 130 g Kunststoff (LDPE) ca. 30 g Papier ca. 30 g 1 Detzel, Andreas: Überlegungen zur Ökobilanzierung von Tragetaschen. Vortrag am 24. Februar 2014 im Bundespresseamt, Berlin. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/8071 5. Wie häufig werden Papiertüten durchschnittlich in Deutschland nach Informationen der Bundesregierung wiederverwendet, und auf welche Datengrundlage bezieht sich die Bundesregierung dabei? Hierzu liegen der Bundesregierung keine konkreten Erkenntnisse vor. 6. Wie viele Plastiktüten wurden nach Informationen der Bundesregierung Anfang des Jahres 2015 verkauft oder kostenlos abgegeben, und wie hat sich die Anzahl an Plastiktüten 2017 und 2018 entwickelt (bitte Anzahl pro Jahr angeben)? Der Pro-Kopf-Verbrauch an leichten Kunststofftragetaschen (Wandstärken zwischen 15 und 50 µm) lag in Deutschland im Jahr 2015 und somit vor Inkrafttreten der einschlägigen Europäischen Richtlinie2 noch bei 68 Stück. Im Jahr 2017 wurden hingegen nur noch etwa 25 leichte Kunststofftragetaschen pro Kopf und Jahr verbraucht, was bereits deutlich unter dem langfristigen Verbrauchsziel der Europäischen Richtlinie von 40 Stück spätestens ab dem Jahr 2026 liegt. Der deutliche Rückgang wurde durch die Umsetzung einer freiwilligen Vereinbarung des Bundesumweltministeriums mit dem Handel erreicht. Bei Kunststofftragetaschen mit Wandstärken über 50 µm, welches i. d. R. Mehrwegtragetaschen sind, ging im gleichen Zeitraum der Verbrauch von ca. 10 auf ca. 4 Stück pro Kopf und Jahr zurück. Der Pro-Kopf-Verbrauch besonders leichter Kunststofftragetaschen mit Wandstärken unter 15 µm, welche vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden können, blieb von 2016 (36 Stück) bis 2017 (39 Stück) in etwa konstant.3 Für das Jahr 2018 liegen noch keine Daten vor. 7. Wie viele Papiertüten wurden nach Informationen der Bundesregierung Anfang des Jahres 2016 verkauft oder kostenlos abgegeben, und wie hat sich die Anzahl an Papiertüten 2017 und 2018 entwickelt (bitte Anzahl pro Jahr angeben)? Dazu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Papiertragetaschen liegen nicht im Anwendungsbereich der einschlägigen europäischen Richtlinie. Eine Datenerhebung hierzu wird nicht durchgeführt. 8. Wie oft wurde eine Papiertüte nach Informationen der Bundesregierung vor 2016 durchschnittlich wiederverwendet, und wie hat sich die Wiederverwendung der Papiertüte in den Jahren 2017 und 2018 entwickelt? Dazu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. 9. Gibt es eine verlässliche Bewertung von Baumwoll-, Papier- und Plastiktragetaschen in Form von vorgegebenen Ökobilanzen oder Leitfäden durch die Bundesregierung? Nein. 2 Richtlinie (EU) 2015/720 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG betreffend die Verringerung des Verbrauchs von leichten Kunststofftragetaschen 3 Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM): Verbrauch von Tragetaschen in Deutschland 2017. Mainz, 2018. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8071 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Welche Art von Tragetasche wird von der Bundesregierung im Rahmen des Fünf-Punkte-Plans „Nein zur Wegwerfgesellschaft“ am umweltfreundlichsten bewertet? Im Rahmen des 5-Punkte-Plans des Bundesumweltministeriums für weniger Plastik und mehr Recycling wird eine ganze Reihe von Maßnahmen adressiert, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette zur Vermeidung von Kunststoffabfällen , zur Stärkung des Recyclings und des Rezyklateinsatzes in der Produktion sowie zur Reduktion des Eintrags von Kunststoffen in die Umwelt, insbesondere in die Ozeane beitragen. Eine ökologische Bewertung von Tragetaschen wird darin jedoch nicht vorgenommen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333