Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 01. März 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/8196 19. Wahlperiode 06.03.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katharina Willkomm, Stephan Thomae, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/7807 – Vertragstreue Deutschlands in der Europäischen Union V o r b e m e r k u n g d e r F r a g s t e l l e r Seit dem 31. Oktober 2018 müsste Verbraucherinnen und Verbrauchern eine objektive und kostenfrei nutzbare Website zur Verfügung stehen, auf der sie vor Eröffnung eines Girokontos die Kosten verschiedener Modelle vergleichen können . Dies folgt aus dem Zahlungskontengesetz in Verbindung mit der Zahlungskontenrichtlinie 2014/92/EU. Dass es auch heute diese Vergleichswebsite noch nicht gibt, ist nach Auffassung der Fragesteller nicht nur ein verbraucherschutzpolitisches Versäumnis dieser Bundesregierung. Zugleich verstößt die Bundesrepublik Deutschland damit seit fast drei Monaten gegen europäisches Recht (vgl. www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/ bankkunden-irren-weiter-durch-den-gebuehren-dschungel-15994988.html). Dabei handelt es sich bei weitem nicht um einen Einzelfall. Die Europäische Kommission listet in ihrer Datenbank derzeit 80 laufende Verfahren gegen Deutschland wegen Vertragsverletzung auf (Stand 21. Januar 2019, http://ec. europa.eu/atwork/applying-eu-law/infringements-proceedings/infringement_ decisions/?typeOfSearch=true&active_only=1&noncom=0&r_dossier=&decision_ date_from=&decision_date_to=&EM=DE&title=&submit=Search&lang_code=de). Der Binnenmarktanzeiger der EU-Kommission hat für 2017 festgestellt, dass Deutschland zu einer nur drei Mitgliedstaaten zählenden Gruppe gehöre, deren Konformitätsdefizit mindestens das Doppelte des in der Binnenmarktakte genannten Zielwerts betragen habe. Vier Jahre zuvor habe Deutschland dieses Ziel nur um 0,1 Prozent verfehlt (http://ec.europa.eu/internal_market/scoreboard/_ docs/2018/member-states/2018-germany_de.pdf). Vor dem Hintergrund unserer eigenen Vorstellungen von Vertragstreue, Deutschlands Ansprüchen gegenüber den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und mit Blick auf das politische Ziel, die europäische Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen noch weiter zu vertiefen, ist es aus Sicht der Fragesteller sinnvoll, das eigene Tun kritisch zu beleuchten und dies auch gegenüber der Bevölkerung in Deutschland transparent zu machen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8196 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Bei wie vielen und welchen Richtlinien der Europäischen Union ist die Umsetzung in deutsches Recht derzeit verfristet (bitte jeweils mit Datum der Geltung der Umsetzungspflicht angeben)? Richtlinien, hinsichtlich derer keine vollständige Umsetzung notifiziert wurde, verteilten sich zum Stichtag 18. Februar 2019 wie folgt: RL-Nr. Umsetzungsfrist Bezeichnung Ressort 2014/52 16.05.17 Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten BMU 2015/2193 17.12.17 Richtlinie (EU) 2015/2193 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 zur Begrenzung der Emissionen bestimmter Schadstoffe aus mittelgroßen Feuerungsanlagen in die Luft BMU 2016/680 06.05.18 Richtlinie 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung , Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates BMI 2016/943 09.06.18 Richtlinie 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse ) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung BMJV 2018/217 03.07.18 Richtlinie (EU) 2018/217 der Kommission vom 31. Januar 2018 zur Änderung der Richtlinie 2008/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Beförderung gefährlicher Güter im Binnenland durch Anpassung des Anhangs I Abschnitt I.1 an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt BMVI 2013/32 20.07.18 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes BMI 2017/853 14.09.18 Richtlinie (EU) 2017/853 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2017 zur Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen BMI 2016/2102 23.09.18 Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen BMAS Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/8196 2016/1629 07.10.18 Richtlinie (EU) 2016/1629 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. September 2016 zur Festlegung technischer Vorschriften für Binnenschiffe, zur Änderung der Richtlinie 2009/100/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/87/EG BMVI 2018/970 07.10.18 Delegierte Richtlinie (EU) 2018/970 der Kommission vom 18. April 2018 zur Änderung der Anhänge II, III und V der Richtlinie (EU) 2016/1629 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung technischer Vorschriften für Binnenschiffe BMVI 2016/2370 25.12.18 Richtlinie (EU) 2016/2370 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 zur Änderung der Richtlinie 2012/34/EU bezüglich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste und der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur BMVI 2016/2341 13.01.19 Richtlinie (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) BMF 2. Bei wie vielen und welchen Verordnungen ist derzeit weiterer Anpassungsbedarf im deutschen Recht erforderlich? Die Zahl der Verordnungen, bei denen weiterer Anpassungsbedarf im deutschen Recht besteht, wird von der Bundesregierung nicht erfasst, da die Notwendigkeit eines Monitorings für die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltenden EU-Verordnungen nicht besteht. Eine Übersicht dieser Verordnungen kann daher nicht vorgelegt werden. Auf die Antwort zu Frage 3 wird allerdings verwiesen. 3. In welchen Fällen betrifft das Richtlinien oder Verordnungen zum Verbraucherschutz ? Richtlinien zum Verbraucherschutz sind derzeit nicht betroffen. Die Verordnung (EU) 2017/2394 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2017 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 („CPC-Verordnung“) ist bereits in Kraft, gilt aber erst ab 17. Januar 2020. Eine ergänzende Gesetzgebung zur Anpassung im nationalen Recht ist erforderlich. Das entsprechende Gesetz ist in Vorbereitung und soll fristgerecht in Kraft treten. 4. In welchen Fällen betrifft das Richtlinien oder Verordnungen zu Bürgerrechten ? Richtlinien oder Verordnungen zu Bürgerrechten im Sinne von Kapitel V der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind aktuell nicht betroffen. 5. Wie verteilen sich die Fälle der Umsetzungsfristversäumnisse auf die Geschäftsbereiche der Bundesministerien? Auf die Antwort zu Frage 1 wird hingewiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8196 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Wie verteilen sich die Fälle der laufenden Vertragsverletzungsverfahren auf die Geschäftsbereiche der Bundesministerien? Die laufenden Vertragsverletzungsverfahren verteilten sich zum Stichtag 31. Dezember 2018 wie folgt: Ressort Verfahrenszahl BMVI 22 BMU 16 BMF 11 BMI 11 BMWi 6 BMEL 5 BMJV 4 BMAS 3 BMG 2 Gesamt 80 7. Wie hat sich die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren seit dem 22. November 2005 („Kabinett Merkel I“) bis heute pro Jahr entwickelt? Die Gesamtzahl der Verfahren schwankt zwischen 2005 und 2018 deutlich und ergibt sich im Einzelnen (jeweils zum Stichtag 31. Dezember) aus der nachfolgenden Übersicht: 2005 130 2006 118 2007 113 2008 107 2009 90 2010 79 2011 76 2012 61 2013 63 2014 68 2015 88 2016 91 2017 74 2018 80 Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/8196 8. Wie bewertet die Bundesregierung diese Entwicklung? Der Bundesregierung ist es wichtig, dass Deutschland seine unionsrechtlichen Pflichten vollständig erfüllt. Die Aussagekraft der Zahl der laufenden Vertragsverletzungsverfahren ist als Indikator für Unionsrechtstreue jedoch begrenzt, da die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission nicht gleichbedeutend mit einer tatsächlichen Rechtsverletzung ist. Diese Entscheidung obliegt dem Europäischen Gerichtshof. Die Bundesregierung ist gleichwohl bestrebt, mit der Europäischen Kommission in einem konstruktiven Dialog Kompromisslinien zu finden, die für beide Seiten tragbar sind und so eine Befassung des Europäischen Gerichtshofes zu vermeiden und auf die besonders streitigen Fälle zu beschränken. 9. Hat die Bundesregierung als Reaktion auf diese Entwicklung Maßnahmen ergriffen, und wenn ja, welche? Wenn nicht, warum nicht? 10. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren zu reduzieren? 11. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um die Anzahl und Dauer der Fristumsetzungen zu verkürzen? Die Fragen 9 bis 11 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat ein Monitoring zu Vertragsverletzungsverfahren eingerichtet . Das zentrale Monitoring erfolgt durch die Europaabteilung (Europarechtsreferat ) im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Sämtliche Korrespondenz in Vertragsverletzungsverfahren von und an die Europäische Kommission erfolgt über diese zentrale Stelle. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bietet zu den einzelnen Verfahren unbeschadet der jeweiligen Ressortverantwortung Rechts- und Verfahrensberatung an. Darüber hinaus befassen sich die Europaabteilungsleiterinnen bzw. -abteilungsleiter aller Ressorts regelmäßig mit besonders problematischen Fällen. Dies gilt auch für das Monitoring der Richtlinienumsetzung, da mit Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung von Richtlinien ein hohes Risiko finanzieller Sanktionen einhergeht. Das IT-gestützte Monitoring der Richtlinienumsetzung beginnt mit der Veröffentlichung der jeweiligen Richtlinie mit dem Ziel der vollständigen und rechtzeitigen Richtlinienumsetzung. Bundestag und Bundesrat werden frühzeitig über die Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung informiert und erhalten den Umsetzungsplan des federführenden Ressorts. An weiteren Maßnahmen zur Intensivierung der Monitoringverfahren wird fortwährend gearbeitet. 12. Welche Gründe gibt es für das im Binnenmarktanzeiger der Europäischen Kommission für Deutschland festgestellte Konformitätsdefizit von 1 Prozent im Jahr 2017? Häufige Ursache für derartige Verfahren bzw. Konformitätsdefizitfeststellungen ist ein unterschiedliches Verständnis einzelner Richtlinienbestimmungen zwischen der Europäischen Kommission und Deutschland. Dies ist aber nicht gleichbedeutend damit, dass auch tatsächlich ein Rechtsverstoß vorliegt. Ein solcher ist ggf. erst im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens (und dort letztlich nur durch den Europäischen Gerichtshof) zu klären. Insoweit wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8196 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Strebt die Bundesregierung – eventuell mit der Absicht, die Kohärenz bestehenden nationalen Rechts zu erhalten – an, das Konformitätsdefizit künftig auszuweiten? Deutschland ist zur Einhaltung des Unionsrechts verpflichtet. Die korrekte und fristgemäße Umsetzung der Richtlinien ist unumgänglich. Die Sicherstellung der Kohärenz mit nationalem Recht muss daher schon bei der Verhandlung der Richtlinien bestmöglich sichergestellt werden. 14. Was unternimmt die Bundesregierung zur Reduktion des Konformitätsdefizits ? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 9 bis 11 verwiesen. Das Monitoring bezieht sich auf alle Vertragsverletzungsverfahren, also auch auf die wegen nicht konformer Richtlinienumsetzung. 15. Evaluiert die Bundesregierung geltendes deutsches Recht auf der Basis des Binnenmarktanzeigers? Nein. 16. Welche Stelle oder Stellen in der Bundesregierung ist bzw. sind für diese Evaluierung zuständig? Es wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen. 17. In welchem Umfang zieht die Bundesregierung bei der Erstellung von Entwürfen für Gesetzesnovellen den Binnenmarktanzeiger in ihre Überlegungen mit ein? Die Bundesregierung hat das Ziel, alle Richtlinien fristgerecht in nationales Recht umzusetzen. Zudem ist die Bundesregierung dem Ziel des Europäischen Rates verpflichtet, das Umsetzungsdefizit bei binnenmarktrelevanten Richtlinien auf unter 1 Prozent zu begrenzen. Die Bundesregierung ist daher bestrebt, Gesetzesnovellen so rechtzeitig einzuleiten, dass die Richtlinienumsetzung vollständig und fristgemäß erfolgen kann. 18. Macht die Bundesregierung das grundsätzlich und regelmäßig nach einem festen Mechanismus? Auf die Antwort zu Frage 17 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333