Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 11. März 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/8237 19. Wahlperiode 12.03.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Axel Gehrke, Detlev Spangenberg, Paul Viktor Podolay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/7998 – Kinderschutz im Gesundheitswesen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Kinder und Jugendliche, die Opfer von Missbrauch oder Misshandlung werden, sollten nach Ansicht der Fragesteller schnelle und kompetente Hilfe in ganz Deutschland durch Kinderschutzambulanzen und Kompetenzzentren erhalten, wie sie bereits in NRW durch das Gesundheitsministerium (www.mags.nrw/ Kinderschutz) ab 2019 gefordert werden. Die Aufgabe des Kompetenzzentrums besteht darin, Ärzte beim Kinderschutz kompetent, sachgerecht und im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten zu unterstützen, rechtsmedizinische Beurteilungen von Verdachtsfällen zu erstellen, und in der Unterstützung bei der Beweissicherung und der Qualitätssicherung von Akteuren im Gesundheitswesen. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf den Schutz durch den Staat und die Gesellschaft, wenn sie Opfer von Straftaten wurden. Seit dem 1. Januar 2012 gelten die Regelungen des Bundeskinderschutzgesetzes, welche den Schutz von Kindern vor Gefährdungen für ihr Wohl verbessern sollen. In allen Ländern sind Vorsorgeuntersuchungen an Kindern bis zu 6 Jahren vorgeschrieben. Bayern und Baden-Württemberg haben die Kindervorsorgeuntersuchungen bis zum Schulbeginn für Eltern eingeführt. Seit 2012 wird die Statistik der Kinder- und Jugendhilfe zu den Gefährdungseinschätzungen nach § 8a Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) jährlich erhoben. Die Zahl der Verfahren, in welchen die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung sahen, steigt von Jahr zu Jahr erheblich an: 2012: 21 518, 2013: 21 440, 2014: 23 242, 2015: 25 580, 2016: 26 955, 2017: 27 445 (www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/Kinder Jugendhilfe/Gefaehrdungseinschaetzungen5225123177004.pdf?__blob=publication File). Die Polizeiliche Kriminalstatistik wies für die Jahre 2015 bis 2017 einen erheblichen Anstieg von Straftaten an Kindern und Jugendlichen aus (www. bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/ 2017/pks2017Jahrbuch2Opfer.pdf;jsessionid=844024C47CDCAF2BBEB3F5C482 A82FBB.live2292?__blob=publicationFile&v=3, Seite 3). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8237 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Warum wird nach Kenntnis der Bundesregierung die Arbeit der Kinderschutzambulanzen nur teilweise refinanziert und die Kosten nicht vollständig übernommen (www.mags.nrw/pressemitteilung/minister-laumann-kinderschutznordrhein -westfalen-staerken)? Soweit Ärztinnen und Ärzte in den Kinderschutzambulanzen medizinische Leistungen erbringen, um die Gesundheit von Kindern zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu verbessern, sieht das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die erforderlichen Strukturen und ihre Finanzierung vor. So umfasst die vertragsärztliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen auch die sozialpädiatrisch orientierte eingehende Beratung, Erörterung oder Abklärung, gegebenenfalls einschließlich Befunderhebungen bei Verdacht oder Hinweisen auf Vernachlässigung oder Misshandlung (vgl. Abschnitt 4.2.4 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen gemäß § 87 Absatz 2b SGB V). Soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten nicht sichergestellt ist, sind geeignete Krankenhausärztinnen oder Krankenhausärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen (wie z. B. Ambulanzen, Institute oder Abteilungen von Kliniken) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu ermächtigen (§ 116 SGB V). Die Selbstverwaltung soll für die in kinder- und jugendmedizinischen Fachabteilungen von Krankenhäusern erbrachten ambulanten Leistungen ergänzende fall- oder einrichtungsbezogene Pauschalen vereinbaren , um die Behandlung von Kindern und Jugendlichen angemessen zu vergüten (§ 120 Absatz 1a SGB V). Kommt eine Vereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande, setzt die Schiedsstelle nach § 18a Absatz 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auf Antrag einer Vertragspartei die Vergütung fest. 2. Inwieweit plant die Bundesregierung, bundesweit sogenannte Kompetenzzentren einzurichten, und welche Maßnahmen wurden ggf. diesbezüglich bereits eingeleitet? Die Durchführung von Maßnahmen der Weiter- und Fortbildung liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder. Aktuell erfolgt in Nordrhein-Westfalen die Einrichtung eines sogenannten Kompetenzzentrums „Kinderschutz im Gesundheitswesen“. Dieses Kompetenzzentrum soll nach Angaben des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen primär die Akteure im Gesundheitswesen vor Ort in Fragen der Diagnostik, Sicherung von Befunden, Handlungs- und Rechtssicherheit sowie Qualifizierung unterstützen und beraten. Es handelt sich dabei um eine Initiative eines Bundeslandes, die aus Sicht des Bundes sehr zu begrüßen ist. Beispiele für Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung der Akteure im Kinderschutz vor Ort sind insbesondere in der Antwort zu Frage 13 aufgeführt. In dem in Frage 2 angesprochenen Zusammenhang wird insbesondere auf folgende Aktivitäten des Bundes hingewiesen: Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterstützt die Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten in Fragen des Kinderschutzes insbesondere durch die Förderung der Entwicklung einer medizinischen Leitlinie der höchsten Qualitätsstufe (AWMF S3+ Leitlinie Kindesmisshandlung, -missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik), die sogenannte Kinderschutzleitlinie . Die Kinderschutzleitlinie ist am 5. Februar 2019 veröffentlicht worden. Darüber hinaus unterstützt das BMG im Rahmen eines Modellprojektes Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/8237 die Entwicklung webbasierter Weiterbildungsangebote für Akteure im Gesundheitswesen im Bereich des Kinderschutzes. Beide Vorhaben tragen zur Verbesserung der Qualifizierung von Verantwortlichen vor Ort bei. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) fördert seit 1. Oktober 2016 bis voraussichtlich Herbst 2021 das Projekt „Medizinische Kinderschutz-Hotline für ärztliches und heilberufliches Fachpersonal“ des Universitätsklinikums Ulm (Prof. Dr. med. Jörg Fegert). Mit dem Projekt wurde ein neues Angebot für die spezifischen Bedürfnisse von Medizinerinnen und Medizinern geschaffen und der wichtigen Funktion von Medizinerinnen und Mediziner für den Kinderschutz gezielt Rechnung getragen. Ziel des Angebotes ist es, in Verdachtsfällen von Misshandlung und Missbrauch schnelle und kompetente rechtliche Orientierung für Medizinerinnen und Mediziner zu bieten. Die Anruferinnen und Anrufer sollen Rechtssicherheit erhalten und das mögliche weitere Vorgehen im konkreten Fall pseudonymisiert besprechen können. Das Angebot soll dabei helfen, die unterschiedlichen Fachsprachen und Herangehensweisen von Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe zur Beförderung eines wirksameren Kinderschutzes zusammenzuführen. Verständigungsprobleme, die zu Lücken im Kinderschutz führen können, sollen so möglichst verringert werden. Die zentrale und kostenfreie Medizinische Kinderschutzhotline ist unter der Nummer 0800/19 210 00 an sieben Tagen in der Woche für 24 Stunden erreichbar . Die Beratungstätigkeit wird von Assistenzärztinnen und Assistenzärzten mit einschlägigem Hintergrundwissen in Kinderschutzbelangen geleistet. Um einen hohen fachlichen Standard zu gewährleisten, ist ein fachärztlicher Hintergrunddienst für die Hotline eingerichtet. Neben einer begleitenden Forschung zur Qualitätssicherung wird am Ende der Projektlaufzeit eine externe Evaluation des Projektes erfolgen. 3. Wie sah nach Kenntnis der Bundesregierung die Entwicklung bei Früherkennungsuntersuchungen als Instrument im Kinderschutz in den vergangenen fünf Jahren aus? Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche nach § 26 SGB V sind erfolgreiche und breit akzeptierte Instrumente, die dazu dienen, Krankheiten und Entwicklungsstörungen im Kindes- und Jugendalter frühzeitig zu erkennen, um diese zeitnah behandeln zu können, und Eltern über Möglichkeiten der Gesundheitsförderung ihrer Kinder zu beraten. Mit dem Präventionsgesetz vom 17. Juli 2015 (BGBl. I S. 1368) wurde eingeführt, dass Ärztinnen und Ärzte bei den Kindergesundheitsuntersuchungen besonders auf familiäre Belastungen und erhöhte Risiken der Kinder achten. Dabei sollen sie die Eltern darauf abgestimmt zu Möglichkeiten der Gesundheitsförderung beraten und auf weitergehende Unterstützungsangebote wie die Frühen Hilfen hinweisen. Bei erkennbaren Zeichen einer Kindesvernachlässigung oder -misshandlung hat die untersuchende Ärztin oder der untersuchende Arzt unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz die notwendigen Schritte einzuleiten. Über die Umsetzung der am 1. September 2016 in Kraft getretenen Neuregelung des Kinderuntersuchungsprogramms durch den Gemeinsamen Bundesausschuss liegen der Bundesregierung derzeit keine Informationen vor. Hinsichtlich der vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Evaluation wird auf die Antwort zu Frage 4 hingewiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8237 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Darüber hinaus haben sich fast alle Länder im Zuge der intensiven Kinderschutzdiskussion in den Jahren 2006 bis 2008 entschieden, das sehr gut etablierte Kinderuntersuchungsprogramm zu nutzen, um Familien in Risikosituationen zu identifizieren . Dazu haben sie verbindliche Einladungs- oder Meldeverfahren für die Gesundheitsuntersuchungen für Kinder (die sogenannten „U-Untersuchungen“) eingeführt. Es handelt sich dabei um landesrechtliche Regelungen. Dem Bund liegen keine zusammenfassenden Informationen über die Nutzung der Gesundheitsuntersuchungen für Kinder als Instrument des Kinderschutzes in den Bundesländern in den vergangenen fünf Jahren vor. Ein Bericht über erste Erfahrungen der Länder findet sich in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 2010 (Thaiss et al., Früherkennungsuntersuchungen als Instrument im Kinderschutz. Erste Erfahrungen der Länder bei der Implementation appellativer Verfahren, Bundesgesundheitsblatt 2010 (53), S. 1029 bis 2047). Die Verfasser kommen darin zum Ergebnis, dass durch das Einladungssystem „die Quote der Inanspruchnahme insgesamt , vor allem aber ab dem 4. Lebensjahr steigt; dies vor allem in schwierig zu erreichenden Familien mit sozialen Belastungen (junge/alleinerziehende Eltern , Migranten, bildungsferne oder sozial benachteiligte Familien). [...] Als alleiniges Instrument zur lückenlosen Identifizierung von Kindeswohlgefährdung sind verbindliche Einladungs- und Erinnerungssysteme dagegen nur äußerst bedingt geeignet.“ Auf diese Veröffentlichung verweist auch die in der Antwort zu Frage 2 aufgeführte neue „AWMF S3+ Leitlinie Kindesmisshandlung, -missbrauch , -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik“, die auf der Grundlage des derzeit wissenschaftlich verfügbaren Wissens auch einzelne Handlungsempfehlungen zu den Gesundheitsuntersuchungen für Kinder formuliert. 4. Welche bundesweiten Evaluationsberichte können nach Kenntnis der Bundesregierung den Stand der Umsetzung von Kindervorsorgeprogrammen dokumentieren ? Bezogen auf die Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche (sog. U- und J-Untersuchungen) ist Folgendes auszuführen: Die Inhalte der Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss in der Kinder-Richtlinie und in der Jugendgesundheitsuntersuchungsrichtlinie festgelegt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat bei der Neufassung der Kinderrichtlinie, die am 1. September 2016 in Kraft getreten ist, beschlossen , dass die in der Kinderrichtlinie unter Abschnitt B aufgeführten Untersuchungen anhand einer repräsentativen Stichprobe hinsichtlich Qualität und Zielerreichung evaluiert werden. Der Evaluationsbericht ist noch in der Erarbeitung . Die Umsetzung der landesrechtlichen Regelungen zu Einladungs- und Erinnerungssystemen zu den U-Untersuchungen fällt in die Zuständigkeit der Länder. Hierzu liegen dem Bund keine bundesweiten Evaluationsberichte vor. 5. Welche Daten liegen der Bundesregierung für die zurückliegenden fünf Jahre über die Inanspruchnahme ambulant-ärztlicher Leistungen im Kindesund Jugendalter, die mit einem Anfangsverdacht der Kindesmisshandlung, des Kindesmissbrauchs oder der Verwahrlosung stehen, vor? Die Bundesregierung verweist hierzu auf die vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe Teil I zu Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls nach § 8a Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII), die unter anderem differenzierte Angaben zu den die Gefährdung bekannt machenden Institutionen oder Personen sowie nach Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/8237 Art der Kindeswohlgefährdung enthält. Im Jahr 2017 wurden danach bundesweit von Hebammen, Ärztinnen und Ärzten, Kliniken, Gesundheitsämtern und ähnlichen Diensten insgesamt 3 404 Verfahren mit dem Ergebnis einer akuten oder latenten Kindeswohlgefährdung bekannt gemacht. 6. Welche Studien liegen der Bundesregierung vor, die den Erfolg dieser gesetzlichen Maßnahmen dokumentieren? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. 7. Welche Statistiken seit 2012, die nachweisen, dass die in § 4 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) genannten Berufsgruppen in den staatlichen Schutzauftrag zugunsten des Kindeswohls , welcher sich aus Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) ableitet , in vollumfänglichem Maße einbezogen werden, liegen der Bundesregierung vor? Seit dem Jahr 2012 wird eine jährliche bundesweite Erhebung zum Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a Absatz 1 SGB VIII durchgeführt. Erhebungsmerkmale dieser amtlichen Statistik sind gemäß § 99 Absatz 6 SGB VIII Kinder und Jugendliche, bei denen eine Gefährdungseinschätzung nach § 8a Absatz 1 SGB VIII vorgenommen worden ist, gegliedert unter anderem nach der die Gefährdungseinschätzung anregenden Institution oder Person. Im Erhebungsbogen werden die den Fall bekannt machenden Institutionen oder Personen 14 Kategorien zugeordnet. Einige dieser Kategorien lassen auch annäherungsweise Aussagen über die in § 4 Absatz 1 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) aufgeführten Berufsgruppen zu. Beispielsweise erfasst die Erhebung in einer Kategorie Angehörige der Berufsgruppe „Hebamme/Arzt/ Klinik/Gesundheitsamt/u. ä. Dienste“. Dies schließt die in § 4 Absatz 1 Nummer 1 KKG genannten Berufsgeheimnisträger und Berufsgeheimnisträgerinnen ein. Die Ergebnisse ermöglichen Aussagen dazu, welche und wie viele der Gefährdungseinschätzungen gemäß § 8a Absatz 1 SGB VIII auf Hinweise von Angehörigen dieser Berufsgruppe an das Jugendamt zurückgehen. 8. Inwieweit erachtet die Bundesregierung es aufgrund der aus Sicht der Fragesteller besorgniserregenden Kriminalstatistik zu Missbrauch, Misshandlung und Gefährdung von Kindern (www.bka.de/SharedDocs/Downloads/ DE/Publikationen/PolizeilicheKriminalstatistik/2017/pks2017Jahrbuch2Opfer. pdf;jsessionid=844024C47CDCAF2BBEB3F5C482A82FBB.live2292?__ blob=publicationFile&v=3, Seite 3) für dringend erforderlich, über die Offenbarungsbefugnis hinaus auch eine ärztliche Meldepflicht bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung bundesweit einzuführen? Im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG) wurde zum 1. Januar 2012 mit § 4 KKG eine Vorschrift geschaffen, die eine bundeseinheitliche Regelung zur Beratung und Weitergabe von Informationen durch Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger bei Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt enthält. Das KKG bietet Ärztinnen und Ärzten sowie anderen kind- und jugendnah tätigen Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträgern eine klare Regelung zum Vorgehen bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung, die einerseits die Vertrauensbeziehung zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientin bzw. Patient schützt, andererseits aber auch die Datenübermittlung an das Jugendamt rechtssicher ermöglicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8237 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode § 4 KKG sieht vor, dass Berufsgeheimnisträgerinnen bzw. Berufsgeheimnisträger – also auch Ärztinnen und Ärzte – bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung die Situation zunächst mit dem Kind oder Jugendlichen und den Eltern erörtern sollen, soweit ein solches Vorgehen den Schutz des Kindes oder der bzw. des Jugendlichen nicht infrage stellen würde. Zudem sollen sie auf die Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten hinwirken. Zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung haben die Berufsgeheimnisträgerinnen bzw. Berufsgeheimnisträger einen Anspruch auf Beratung durch eine Fachkraft des Trägers der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Konnte das Gespräch die Gefährdung nicht abwenden oder kommt ein solches nicht in Betracht, sind die Berufsgeheimnisträgerinnen bzw. Berufsgeheimnisträger nach § 4 Absatz 3 KKG befugt , das Jugendamt zu informieren, wenn sie dies für erforderlich halten, um die Gefährdung abzuwenden. Hierauf sind die Betroffenen vorab hinzuweisen, es sei denn, ein solches Vorgehen würde den wirksamen Schutz des Kindes oder der bzw. des Jugendlichen infrage stellen. Die Evaluation des Bundeskinderschutzgesetzes hat gezeigt, dass § 4 Absatz 3 KKG grundsätzlich gemäß seiner Zielsetzung wirksam ist, jedoch gesetzlicher Anpassungsbedarf im Hinblick auf eine bessere Verständlichkeit der Norm und im Hinblick auf eine Einbeziehung der Ärztinnen und Ärzte in die weitere Wahrnehmung des Schutzauftrags nach erfolgter Meldung an das Jugendamt besteht. Diesem gesetzlichen Anpassungsbedarf wurde im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG), das am 29. Juni 2017 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde, Rechnung getragen. Das KJSG wurde vom Bundesrat nicht abschließend beraten. 9. Welche Evaluationsberichte der Länder liegen der Bundesregierung vor, die einen Vergleich zwischen den Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg und den Ländern, welche die Eltern nur auffordern, an den Untersuchungen teilzunehmen, ermöglichen? Berichte einzelner Länder liegen beispielsweise im Rahmen der länderspezifischen Gesetze zum Kindeswohl, in denen die verbindlichen Einladungs- und Meldeverfahren zu den kinderärztlichen Früherkennungsuntersuchungen normiert sind, vor (z. B. Evaluation des Zentralen Einladungs- und Rückmeldewesens (ZER) in Brandenburg, Hessen und Niedersachsen). Inwieweit diese einen Vergleich der unterschiedlichen Ansätze zwischen den Ländern ermöglichen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden vergleichenden Evaluationsberichte der Länder zu dieser Fragestellung vor. 10. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung über Einladungsmodelle und Informationskampagnen hinaus, um die Teilnahmequote an sämtlichen Früherkennungsuntersuchungen signifikant zu steigern? Die Teilnahmequote an den Gesundheitsuntersuchungen für Kinder ist bereits heute insgesamt sehr hoch. Das Robert Koch-Institut, das die Inanspruchnahme der Kindergesundheitsuntersuchungen im Rahmen der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) untersucht, führt hierzu aus: „Nach den Daten der KiGGS Welle 2 nehmen inzwischen fast alle Kinder an den U-Untersuchungen teil. Bei der U1 und U2, die unmittelbar beziehungsweise einige Tage nach der Geburt stattfinden, beträgt die Teilnahmequote 99,7 Prozent beziehungsweise 99,6 Prozent. Im Verlauf der Untersuchungsreihe nimmt die Teilnahme nur geringfügig ab und beträgt auch bei der U8 und U9 noch 98,0 Pro- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/8237 zent beziehungsweise 98,1 Prozent. Einzig bei der im Jahr 2008 zusätzlich eingeführten U7a ist die Teilnahme mit 92,6 Prozent geringer. […] Mit Blick auf den SES1 bestehen signifikante Unterschiede zwischen der niedrigen im Vergleich zur mittleren und hohen Statusgruppe, die sich aber bei den meisten Untersuchungen im Bereich von ein bis zwei Prozentpunkten bewegen.“ (Claudia Schmidtke et al., Journal of Health Monitoring. 2018. Robert Koch-Institut, Berlin). Es ist Anliegen der Bundesregierung, weiterhin eine hohe Inanspruchnahme der Gesundheitsuntersuchungen für Kinder zu erreichen. Dabei können auch elektronische Speichermöglichkeiten des Kinderuntersuchungsheftes (sog. Gelbes Heft) hilfreich sein. Entsprechend den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag ist vorgesehen , im geplanten Digitalisierungsgesetz die Möglichkeit zu schaffen, das Untersuchungsheft elektronisch zur Verfügung zu stellen und in der elektronischen Patientenakte zu speichern. 11. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Zahl der vernachlässigten , körperlich und psychisch misshandelten und sexuell missbrauchten Kinder und Jugendlichen zu senken? Im Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode haben CDU, CSU und SPD vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln und dabei insbesondere den Kinderschutz und die Unterstützung von Familien zu verbessern. Dabei soll u. a. das Kinder- und Jugendhilferecht auf der Basis des KJSG weiterentwickelt werden. Im Mittelpunkt der Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe wird insbesondere auch ein besserer Kinderschutz, z. B. durch eine wirksamere Unterstützung der elterlichen Erziehungsverantwortung, eine engere Kooperation der für das gute Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen relevanten Akteure sowie die Stärkung präventiver sozialräumlicher Angebote stehen. Grundlage für diese Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe soll ein breiter Beteiligungsprozess mit Wissenschaft und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Behindertenhilfe und den Ländern und Kommunen sein. Das BMFSFJ hat diesen Prozess mit einer Auftaktkonferenz am 6. November 2018 in Berlin gestartet. Seitdem werden in einem formalisierten Arbeitsgruppenprozess Weiterentwicklungsbedarfe und -umsetzungsoptionen erarbeitet. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitung sollen zudem systematisch ausgewertete Erfahrungen von Beteiligten und Betroffenen mit der Kinder- und Jugendhilfe und der Familiengerichtsbarkeit in den Beteiligungsprozess mit einfließen . Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden mit Blick auf systemische und strukturelle Veränderungsbedarfe in das weitere Verfahren mit aufgenommen. Nach Abschluss des Dialog- und Beteiligungsprozesses zur Modernisierung des SGB VIII werden die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen einer Gesetzesinitiative aufgegriffen werden. Am 12. Dezember 2018 hat das Bundeskabinett das vom Bundesfamilienministerium vorgelegte „Konzept zur dauerhaften Stärkung der Strukturen für Schutz, Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend“ beschlossen. Kern ist die dauerhafte Einrichtung des Amtes einer/eines Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. An der Seite des/der Unabhängigen Beauftragten wird zudem auch weiterhin ein ehrenamtlich tätiger Betroffenenrat arbeiten, der dauerhaft eine strukturierte Beteiligung von 1 SES: Sozioökonomischer Status Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8237 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Betroffenen auf Bundesebene gewährleistet. Bundesfamilienministerin Giffey beruft hierzu 12 bis 18 Personen, die in der Kindheit oder Jugend sexualisierte Gewalt erfahren haben. 12. Welche Präventionsmaßnahmen wurden seit dem 1. Januar 2017 von der Bundesregierung zum Kinder- und Jugendschutz eingeleitet? Auf der Grundlage des BKiSchG (§ 3 Absatz 4 KKG) hat das BMFSFJ zum 1. Oktober 2017 die Bundesstiftung Frühe Hilfen errichtet. Sie unterstützt die Etablierung von Netzwerken Frühe Hilfen und die psychosoziale Unterstützung von Familien im Bereich Früher Hilfen im gesamten Bundesgebiet. Der Bund stellt für diese Aufgabe dauerhaft jährlich 51 Mio. Euro zur Verfügung. Wissenschaftlich begleitet wird die Bundesstiftung Frühe Hilfen vom Nationalen Zentrum Frühe Hilfen (NZFH). Weitere Informationen können der Internetseite www.fruehehilfen.de entnommen werden. Ein weiteres zentrales Vorhaben im Bereich Frühe Hilfen ist die Förderung von Maßnahmen gegen Schütteltrauma. In diesem Zusammenhang wurde der Film „Niemals schütteln! Wenn Babys nicht aufhören zu schreien“ übersetzt und liegt jetzt als DVD in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch, Türkisch , Arabisch und Farsi vor. Zudem wurde ein weiterer Informationsfilm „Wenn Babys schreien: Über das Trösten und Beruhigen“ produziert. Weitere Informationen können der Internetseite www.elternsein.info entnommen werden. Auch die Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist ein zentrales Anliegen der Bundesregierung. Daher wird die Präventionsinitiative „Trau Dich!“ bis 2022 fortgeführt. Weiterhin liegt dabei ein Schwerpunkt auf der Fort- und Weiterbildung von Lehr- und pädagogischen Fachkräften und der Weiterführung der Initiative durch Landestheater in einzelnen Ländern. Bremen ist derzeit das zehnte Land, das „Trau Dich!“ umgesetzt (nach Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein). Neben neuen Kooperationen mit Ländern soll es auch, wie erstmals mit Hessen ab Oktober 2017 vereinbart, in weiteren Ländern eine Weiterführung mit einem Theater vor Ort geben. Die Theateraufführungen erreichten bis Ende 2018 rund 55 800 Kinder. Durch Elternabende und Fortbildungen wurden knapp 2 600 Lehrkräfte und weiteres schulisches Personal sowie rund 5 100 Eltern erreicht. Im Jahr 2017 wurde auch das bundesweite Modellprojekt „BeSt – Beraten und Stärken“ verlängert. Ziel dieses Modellprojektes, welches nun 2020 abgeschlossen wird, ist die gezielte und nachhaltige Verbesserung des Schutzes von Mädchen und Jungen mit Behinderungen vor sexualisierter Gewalt in Institutionen. Bis Ende 2018 nahmen rund 80 (teil-)stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe am Modellprojekt teil. Dort wurden Leitungskräfte und Mitarbeitende qualifiziert , Kinderschutzkonzepte (weiter-)entwickelt und Präventionstrainings für die dort lebenden Mädchen und Jungen durchgeführt. Im Rahmen des Projekts wurde ein eigenes Programm zur Prävention sexualisierter Gewalt entwickelt, welches speziell auf die Bedürfnisse von Mädchen und Jungen mit Behinderungen ausgerichtet ist („Was tun gegen sexuellen Missbrauch? Ben & Stella wissen Bescheid“). Um Kindern und Jugendlichen den Weg für eine sichere und kompetente Nutzung digitaler Medien zu ebnen und ihnen ein gesundes Aufwachsen mit Medien zu ermöglichen, ist neben dem Schutz vor ungeeigneten Inhalten und Kontaktrisiken eine kontinuierliche Sensibilisierung aller Altersgruppen notwendig. Aus diesem Grund hat das BMFSFJ die Projekte „Gutes Aufwachsen mit Medien“ und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/8237 „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ initiiert. Die EU-Initiative Klicksafe, deren National Contact Point das BMFSFJ ist, stellt zudem umfassende und stets den aktuellen Nutzungsgegebenheiten und Risikophänomenen angepasste Materialien für Schulen und Fachkräfte zur Verfügung. Auf diese Weise wird ein wichtiger Beitrag dazu geleistet, Kinder und Jugendliche im Sinne der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen zur kompetenten Teilhabe an der digitalen Welt zu befähigen und sie gleichzeitig vor den Risiken, die diese birgt, zu schützen. Weiterhin werden Kindern und Jugendlichen zur Prävention und zum Schutz vor Übergriffen online die Online-Beratung der „Nummer gegen Kummer“ und die zentrale Anlaufstelle für Beleidigung, Belästigung und andere Kontaktrisiken, jugend.support, zur Verfügung gestellt. Die Initiativen des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs „Schule gegen sexuelle Gewalt“ und „Kein Raum für Missbrauch“ haben zum Ziel, dass alle Einrichtungen und Organisationen in Deutschland wie Schulen, Kindertagesstätten, Heime, Sportvereine, Kliniken, Kirchengemeinden ebenso wie Anbieter von Kinder- und Jugendreisen und Internetdiensten Konzepte für Schutz und Hilfe bei sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche einführen. Mit Schutzkonzepten sollen alle Räume, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, zu Orten werden, an denen sie wirksam vor sexueller Gewalt geschützt sind und Hilfe erhalten, wenn sie – auch anderswo – sexuellen Missbrauch erleiden. Die Initiativen richten sich an Leitungskräfte und alle, die in Einrichtungen und Organisationen tätig sind, und stellt eine Fülle von Informationsmaterialien bereit. Die Schulinitiative wird gemeinsam mit den Kultusbehörden der Länder in bislang 15 Ländern umgesetzt. Zudem ist die Sicherstellung des Schutzes der Kinder vor sexualisierter Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung gemäß § 2 Satz 1 Nummer 10 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (KiQuTG, BGBl. I S. 2696), das am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist, eines der förderfähigen Handlungsfelder. Darüber hinaus wurde am 5. Februar 2019 die mit Förderung des BMG entwickelte „AWMF S3+ Leitlinie Kindesmisshandlung, -missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik“, die sogenannte Kinderschutzleitlinie , veröffentlicht. Die Kinderschutzleitlinie wird ein wichtiges Instrument sein, um Fachkräften aus Medizin, Pädagogik und Jugendhilfe dabei zu helfen , bei Fällen von Kindeswohlgefährdung angemessen zu reagieren und zusammenzuarbeiten . Das diagnostische Vorgehen bei Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung wird in der Leitlinie strukturiert abgebildet. Gleichzeitig kommt der multiprofessionellen Zusammenarbeit zwischen den Versorgungsbereichen und dem bestmöglichen Zugang zu Hilfe- und Unterstützungsangeboten eine besondere Bedeutung zu. Die Handlungsempfehlungen der Leitlinie basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8237 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 13. Wie unterstützt die Bundesregierung in den Bereichen Medizin, Kinder- und Jugendhilfe, Justiz, Kitas, Schulen, Fachberatungsstellen und Polizei die für den Kinder- und Jugendschutz Verantwortlichen? 14. Inwieweit ist eine den gewachsenen Anforderungen angeglichene, ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung dieser Institutionen (siehe Frage 13) gewährleistet? Die Fragen 13 und 14 werden wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Zum Zwecke der wirksamen Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens für den Kindesschutz hat der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des bürgerlichen Rechts, der öffentlichen Fürsorge sowie des Strafund Prozessrechts Gebrauch gemacht und u. a. das BKiSchG und die Regelungen des SGB VIII erlassen. Die Ausführung dieser Bundesgesetze ist gem. Artikel 83 GG Angelegenheit der Länder, die auch die finanzielle Verantwortung für die Umsetzung tragen. Den Ländern verbleibt dabei ein Spielraum zur Ausgestaltung, z. B. bei der Schaffung von Behörden und der Regelung des Verwaltungsverfahren . Der Bund ist seit der Föderalismusreform nicht mehr berechtigt, den Kommunen unmittelbar Aufgaben zuzuweisen. Insbesondere im Bereich der Kinderund Jugendhilfe führen die Kommunen jedoch substantielle Aufgaben als örtliche Angelegenheiten im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung aus. Auch die Zuständigkeit für die Ausstattung und Finanzierung von Kindertageseinrichtungen liegt grundsätzlich bei Ländern und Kommunen. Im Rahmen des KiQuTG unterstützt der Bund die Länder jedoch bis 2022 mit rund 5,5 Mrd. Euro bei Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur Entlastung der Eltern bei den Gebühren. Die Maßnahmen zur qualitativen Weiterentwicklung können die Länder aus zehn unterschiedlichen Handlungsfeldern (§ 2 Satz 1 Nummer 1 – 10 KiQuTG) auswählen. Im Rahmen von Handlungsfeld 10 (§ 2 Satz 1 Nummer 10 KiQuTG) sind Maßnahmen zur Bewältigung inhaltlicher Herausforderungen in der Kindertagesbetreuung förderfähig. Darunter fallen auch Maßnahmen zur Sicherstellung des Schutzes der Kinder vor sexualisierter Gewalt, Misshandlung und Vernachlässigung, beispielsweise die Entwicklung , Anwendung und Überprüfung von Schutzkonzepten. Die Bundesregierung setzt sich darüber hinaus dafür ein, den Zugang von Betroffenen sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend zu spezialisierter Fachberatung zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde 2016 die Bundeskoordinierung spezialisierter Fachberatung gegen sexualisierte Gewalt in Kindheit und Jugend (BKSF) ins Leben gerufen. Die BKSF setzt sich für eine bedarfsgerechte und langfristige Finanzierung der Fachberatungsstellen und für die Schließung von Versorgungslücken ein. Im Rahmen eines vom BMFSFJ geförderten bundesweiten Modellprojekts soll bis Ende 2021 erprobt werden, wie es gelingen kann, spezialisierte Fachberatung in ländlichen Regionen erreichbarer zu machen und die entsprechenden Bedarfe zu decken. Dazu werden in acht großen ländlichen Modellregionen innovative Strategien für eine bessere Versorgung mit spezialisierter Fachberatung entwickelt. Die Förderung der dargestellten Projekte wird den aktuellen Anforderungen und ggf. veränderten Bedarfen angepasst. Hierzu finden bspw. regelmäßig Planungsgespräche mit den Projektträgern statt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert seit 2011 entsprechend der Empfehlungen des von der Bundesregierung eingerichteten Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ Forschung zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten“ (Bildungsforschung) und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/8237 zu „Verhaltensstörungen im Zusammenhang mit Gewalt, Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch in Kindheit und Jugend“ (Gesundheitsforschung). Für Forschungsvorhaben in beiden Bereichen wurden seither rund 67 Mio. Euro bereitgestellt. Erkenntnisse aus der Forschung gelangen über einen Transfer in die Praxis und tragen so zu Verbesserungen insbesondere in den Bereichen Medizin , Kitas, Schulen und Fachberatungsstellen bei. Das BMG unterstützt die Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten in Fragen des Kinderschutzes insbesondere durch die Förderung der Entwicklung der AWMF S3+ Leitlinie Kindesmisshandlung, -missbrauch, -vernachlässigung unter Einbindung der Jugendhilfe und Pädagogik, die sogenannte Kinderschutzleitlinie (siehe Antwort zu Frage 2). Darüber hinaus unterstützt das BMG im Rahmen eines Modellprojektes die Entwicklung webbasierter Weiterbildungsangebote für Akteure im Gesundheitswesen im Bereich des Kinderschutzes. Beide Vorhaben tragen zur Verbesserung der Qualifizierung von Verantwortlichen vor Ort bei. Bezüglich der Frage nach der finanziellen und personellen Ausstattung ist ausführen , dass es im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung hinreichende gesetzliche Grundlagen für eine angemessene Vergütung vertragsärztlicher Leistungen sowie die Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gibt. Dies gilt auch für die Vergütung der in kinder- und jugendmedizinischen Fachabteilungen von Krankenhäusern erbrachten ambulanten Leistungen. Mit dem am 31. Januar 2019 zwischen Bund und Ländern vereinbarten „Pakt für den Rechtsstaat“ unterstützt die Bundesregierung im Bereich der Justiz unter anderem auch die für den Kinder- und Jugendschutz Verantwortlichen. Dies erreicht sie zum einen durch einen Personalaufbau in der Justiz und zum anderen durch Maßnahmen der Qualitätssicherung in der Rechtspflege. So sieht der Pakt vor, dass die Länder im Rahmen ihrer Personalhoheit im Justizbereich im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2021 insgesamt netto 2 000 neue Stellen für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte (zuzüglich des dafür notwendigen Personals für den nicht-richterlichen und nicht-staatsanwaltlichen Bereich) schaffen und besetzen. Zudem sieht der Pakt vor, dass Bund und Länder gemeinsam die weitere Spezialisierung innerhalb der Justiz voranbringen und u. a. Konzepte zur Vermittlung psychologischer Kompetenz (vor allem im Umgang mit Kindern und Eltern im Rahmen familiengerichtlicher Verfahren ) entwickeln und verbessern. Die im Pakt vereinbarten Maßnahmen zum Personalaufbau zielen auf eine den gewachsenen Anforderungen angeglichene, ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung der Justiz. Soweit die Justiz in den Ländern betroffen ist, sind die Länder für die Beantwortung von Fragen bezüglich der finanziellen und personellen Ausstattung der Justiz zuständig. Zum Bereich der Polizei wird auf die Antwort zu Frage 16 verwiesen. 15. Welche gesetzlichen Regelungen plant die Bundesregierung, um die aus Sicht der Fragesteller zunehmende Gefahr sexueller Gewalt durch die digitalen Medien zu verhindern, und die IT-Wirtschaft gesetzlich zu verpflichten , den Kinder- und Jugendschutz im Netz zu verwirklichen? Die Bundesregierung plant, in dieser Legislaturperiode das Jugendschutzgesetz auf der Grundlage des Koalitionsvertrages und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission Medienkonvergenz zu novellieren. Erforderlich ist nach Maßgabe des von der JFMK im Mai 2018 verabschiedeten Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8237 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bund-Länder-Eckpunktepapiers „Kinder- und Jugendmedienschutz als Aufgabe der Jugendpolitik“ ein Perspektiv- und Paradigmenwechsel: Kinder- und Jugendmedienschutz muss auf Grundlage der aus der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen resultierenden Dimensionen Schutz, Befähigung und Teilhabe konsequent vom Kind bzw. vom Jugendlichen und von den Eltern aus gedacht werden und die Anbieter entsprechend in die Verantwortung nehmen. Ziel ist es, einen kohärenten und effektiv durchsetzbaren Rechtsrahmen zu schaffen, der Inhalte unabhängig vom Verbreitungsweg regelt, die Mediennutzungsrealität berücksichtigt , alle relevanten Gefährdungsdimensionen einschließlich der aus der Interaktion erwachsenden neuen, sogenannten Begleitrisiken berücksichtigt und den Kinder- und Jugendmedienschutz auch gegenüber nicht in Deutschland ansässigen Anbietern wirkungsvoll durchsetzt. 16. Wurden die Ermittlungsmöglichkeiten rechtlich und technisch den heute notwendigen Standards angepasst, und wenn nicht, was plant die Bundesregierung diesbezüglich zu unternehmen? In der Zentralstelle zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen im Bundeskriminalamt werden die Prozesse und Möglichkeiten permanent den Erfordernissen angepasst. Oberstes Ziel ist es dabei, eine lückenlose und zeitnahe Strafverfolgung von Tatverdächtigen des sexuellen Missbrauchs , aber auch des Besitzes und der Verbreitungshandlungen von Kinder- und Jugendpornografie zu ermöglichen. Als Zentralstelle der deutschen Kriminalpolizei nimmt das Bundeskriminalamt hier eine koordinierende Funktion wahr. Technische Prozesse werden daher stetig neu optimiert beziehungsweise implementiert , um der dauerhaften Zunahme z. B. von Hinweisen des US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) adäquat zu begegnen. Parallel dazu werden erforderlichenfalls Empfehlungen für die Weiterentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Deliktsbereich aus der täglichen Praxis heraus entwickelt. Der Gesetzgeber hat zuletzt durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3202) die Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden erweitert und der fortschreitenden technischen Entwicklung angepasst. Im Rahmen des Gesetzes wurden unter anderem die rechtlichen Voraussetzungen für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung sowie die Online-Durchsuchung geschaffen. Diese stellen wertvolle Ermittlungsinstrumente insbesondere zur Aufklärung von schweren Straftaten im Internet dar. 17. Wie beabsichtigt die Bundesregierung, in Zukunft eine fachlich fundierte Traumatherapie mit Kostendeckung durch die gesetzliche Krankenversicherung sicherzustellen? Schon heute werden in der ambulanten Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung verschiedene traumaspezifische, adjuvante Methoden innerhalb der anerkannten Psychotherapieverfahren der Psychotherapie-Richtlinie angewandt. Die traumaspezifische EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing ) bei Erwachsenen ist nach der Psychotherapie-Richtlinie als effektive psychotherapeutische Methode bei posttraumatischen Belastungsstörungen anerkannt . Demgegenüber hat der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie nach § 11 des Psychotherapeutengesetzes festgestellt, dass die EMDR-Methode für Kinder und Jugendliche als Methode bislang nicht als wissenschaftlich anerkannt gelten kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/8237 Um eine individuell bedarfsgerechte und zeitgerechtere psychotherapeutische Behandlung zu gewährleisten, wird mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Psychotherapeutenausbildung, der am 27. Februar 2019 durch das Kabinett beschlossen wurde, der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragt, in der Psychotherapie -Richtlinie das Nähere zur Ausgestaltung einer berufsgruppenübergreifenden , koordinierten und strukturierten Versorgung zu regeln. Eine solche strukturelle Weiterentwicklung der Versorgung hat das Ziel, dass insbesondere Patientinnen und Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen schnellstmöglich ihrem Bedarf entsprechend versorgt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333