Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 12. März 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/8304 19. Wahlperiode 13.03.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martin Hess, Dr. Bernd Baumann, Dr. Gottfried Curio, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/8008 – Behördeninformationsaustausch im Hinblick auf Gefährder V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Anfang Dezember 2018, mitten in der Weihnachtssaison, eröffnete der Attentäter C. das Feuer in der Straßburger Innenstadt. Dabei starben fünf Menschen und es gab mehrere Schwerverletzte (www.t-online.de/nachrichten/ausland/id_ 84988350/strassburg-attentaeter-cherif-chekatt-schwor-dem-is-die-treue.html). Der Attentäter hatte eine lange kriminelle Historie vorzuweisen: Mit 13 Jahren wurde C. das erste Mal verurteilt, so der französische Innenminister Castaner. „Welt.de“ berichtete mit Bezug auf den französischen Innenminister, dass C. bereits 2008 wegen mehrerer Einbruchsdiebstähle zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe in Frankreich verurteilt wurde. Im Jahr 2013 verurteilte ihn dann ein schweizerisches Gericht in Basel wegen weiterer Einbruchsdiebstähle zu einer erneuten Haftstrafe von anderthalb Jahren. Beide Strafen wurden teilweise verbüßt . Im Oktober 2016 wurde C. dann vom Amtsgericht Singen wegen schweren Diebstahls zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Von Januar bis Oktober 2016 saß er anschließend in Konstanz im Gefängnis und bis Ende Februar 2017 dann in Freiburg. Eine Abschiebung nach Frankreich erfolgte 2017. „Welt.de“ zu Folge gelangten die französischen Behörden zur Annahme, dass sich C. während seiner Haftzeit im Ausland radikalisiert habe. Nach Angaben des ermittelnden Pariser Antiterror-Staatsanwalts, Rémi Heitz, wurde C. in der Sicherheitsakte „Fiche S“ geführt, einer Liste von Personen, die als radikalisiert gelten. Außerdem sei C. in der Sicherheitsakte FSPRT gelistet – hier geht es um die Überwachung von Menschen, denen die Behörden Taten bis hin zum Terroranschlag zutrauen (www.welt.de/politik/ausland/article185512220/Attentatin -Strassburg-Cherif-Chekatt-von-der-Polizei-getoetet.html). In dem Bericht von „Welt.de“ hieß es ferner unter Bezugnahme auf eine französische Quelle, dass C. dort seit Januar 2016 geführt worden wäre. C. sei auch vom Inlandsgeheimdienst DGSI seit seiner Freilassung aus der Haft im Jahr 2015 überwacht worden (www.welt.de/politik/ausland/article185512220/Attentat-in-Strassburg- Cherif-Chekatt-von-der-Polizei-getoetet.html; s. auch www.stern.de/politik/ausland/ ch%C3%A9rif-c---der-verdaechtige-von-strassburg-war-schon-lange-auffaellig- 8491628.html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8304 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie viele islamistische Gefährder sind derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in Deutschland insgesamt erfasst, und in welcher Größenordnung halten sich diese in den jeweiligen Bundesländern auf (Stichtag 14. Januar 2018; bitte nach Bundesland und Gruppierung aufschlüsseln)? Nach Kenntnis der Bundesregierung sind mit Stand vom 31. Januar 2019 bundesweit 753 Personen als Gefährder eingestuft. Eine Auskunft über die Verteilung auf die einzelnen Bundesländer kann die Bundesregierung nicht erteilen. Eine Weitergabe der Daten liegt in der Hoheit des jeweiligen Bundeslandes. 2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die mögliche Radikalisierung bzw. Islamisierung von Personen in deutschen Justizvollzugsanstalten und deren Formen wie beispielswiese durch Kontakte zu Mithäftlingen, Predigern und Medienzugängen? Der deutsche Strafvollzug nimmt die Gefährdung durch extremistische Inhaftierte sehr ernst und hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um eine Radikalisierung im Strafvollzug zu verhindern bzw. einer bereits erfolgten Radikalisierung mit Maßnahmen zur Deradikalisierung zu begegnen. Sowohl für das Strafvollzugsrecht als auch für die Durchführung des Strafvollzugs sind nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes die Länder zuständig. Zu konkreten Einzelpersonen sowie einzelnen Radikalisierungsverläufen kann die Bundesregierung daher keine Auskunft geben. 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob spezielle Sicherheitsbeauftragte zur Entdeckung und Prävention von Radikalisierungen in den Justizvollzugsanstalten der Länder eingesetzt werden? Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, sind für die Durchführung des Strafvollzugs nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes die Länder zuständig. Die Länder entwickeln dabei eigenständige Konzepte zur Entdeckung und Prävention von Radikalisierung in den Justizvollzugsanstalten. So werden in den Justizvollzugsanstalten zahlreiche Präventions- und Deradikalisierungsprogramme durchgeführt. Diese werden als Gruppentraining oder als Einzelberatung und -begleitung angeboten. Die Länder beziehen bei dieser Arbeit verschiedene private Träger ein. Neben solchen Präventions- und Deradikalisierungsprogrammen bilden die Länder die Mitarbeiter des Justizvollzugs darin aus, extremistische Haltungen zu erkennen und angemessen zu reagieren. Insoweit stellen der Generalbundesanwalt und das Bundeskriminalamt dem Justizvollzug ein gemeinsam herausgegebenes Merkblatt mit Indikatoren zum Erkennen islamistisch -terroristischer Zusammenhänge zur Verfügung. Die Bediensteten der Justizvollzugsanstalten sollen durch eine zielorientierte Sensibilisierung Verbindungen Inhaftierter zu islamistisch-terroristischen Kreisen frühzeitig erkennen, um beispielsweise etwaige Rekrutierungsversuche im Kreis der Insassen unterbinden zu können. 4. Unterstützt die Bundesregierung die Bundesländer mit Maßnahmen zur Deradikalisierung bzw. Prävention vor Radikalisierung in deutschen Justizvollzugsanstalten (bitte nach Programm, Art, Höhe und Titelnummer im Bundeshaushalt aufschlüsseln)? Der Bund fördert im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ (Kapitel /Titel 1702 684 04) seit 2017 im Programmbereich „Prävention und Deradikalisierung in Strafvollzug und Bewährungshilfe" Modellprojekte mit dem Ziel, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/8304 vorrangig pädagogische Strategien der Radikalisierungsprävention und der Begleitung von Distanzierungsprozessen in den Themenfeldern des demokratiefeindlichen und gewaltbereiten Islamismus, Rechtsextremismus und linken Extremismus zu entwickeln und zu erproben. Die Modellprojekte arbeiten in enger Verzahnung mit existierenden Angeboten in den jeweiligen Bundesländern und einer engen Abstimmung mit den jeweiligen Landesjustizministerien. Sie richten sich mit ihren Maßnahmen schwerpunktmäßig an junge männliche Inhaftierte im Jugendvollzug bzw. Jugendarrest, die als besonders gefährdet für extremistische Ansprachen (Sekundärprävention) oder als bereits radikalisiert (Tertiärprävention ) betrachtet werden. In jedem der 16 Bundesländer wird ein Modellprojekt gefördert. Die Gesamtförderung für die Modellprojekte betrug im Haushaltsjahr 2017 2 139 981,84 Euro und im Haushaltsjahr 2018 4 575 302,27 Euro. Für das Haushaltsjahr 2019 ist eine valide Angabe von angewandten Bundesmitteln erst nach Abschluss des Haushaltsjahres möglich. Darüber hinaus organisiert das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit dem Strafvollzug der Länder, die dem gegenseitigen Erfahrungsaustausch dienen. Am 20. September 2018 fand im BMJV ein Workshop zu dem Thema „Umgang mit vor der Haftentlassung stehenden islamistischen Gefährdern“ statt. In den vergangenen Jahren fanden im BMJV Veranstaltungen zu den Themen „Umgang mit Salafismus im Strafvollzug“ und „Islamische Seelsorge im Strafvollzug“ statt. 5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine Radikalisierung oder weitere Radikalisierung von C. in deutschen Gefängnissen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine Radikalisierung des C. vor beziehungsweise während seiner Inhaftierung in Deutschland vor. 6. War der Straßburger Attentäter C. nach Kenntnis der Bundesregierung in der französischen Datei „Fiche S“ erfasst, als er in Deutschland wegen Straftaten festgenommen wurde? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, zu welchem Zeitpunkt eine Erfassung des C. in der genannten Datei erfolgte. 7. Zu welchem Zeitpunkt und auf welchem Weg wurde diese Information nach Kenntnis der Bundesregierung an die deutschen Sicherheitsbehörden übermittelt ? Nach Kenntnis der Bundesregierung erhielt das Bundeskriminalamt am Abend des 11. Dezember 2018 im Zuge des polizeilichen Informationsaustausches Kenntnis, dass C. den französischen Behörden als islamistisch radikalisierte Person („Fiche S“) bekannt ist. 8. Wurde C.s Eigenschaft als Gefährder nach Kenntnis der Bundesregierung in Erwägung gezogen, bevor seine Ausweisung wegen schweren Diebstahls trotz seiner EU-Bürgerschaft beschlossen wurde? Wenn ja, wie lässt sich die Erwägung nachvollziehen? Nach Kenntnis der Bundesregierung war C. in Deutschland zu keinem Zeitpunkt als Gefährder eingestuft. Eine Einstufung als Gefährder ist eine polizeiliche Maßnahme in Deutschland, nicht in Frankreich. Erkenntnisse der französischen Be- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8304 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode hörden, wonach C. als islamistisch radikalisierte Person bekannt sei, wurden dem Bundeskriminalamt erst nach dem Anschlag übermittelt. Es wird auf die Antwort zu den Fragen 5 und 7 verwiesen. 9. Wie viele der in Deutschland aufhaltigen Gefährder sind nach Kenntnis der Bundesregierung auch in einem anderen Staat aufgrund der von ihnen ausgehenden Gefahr in einer Liste der Sicherheitsbehörden erfasst (bitte nach Staaten und Kategorien aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Es wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. 10. Wie, und wann werden die Einstufungen ausländischer Sicherheitsbehörden bezüglich einreisender Ausländer aus Drittstaaten, von denen eine islamistische Gefahr ausgeht, nach Kenntnis der Bundesregierung von anderen EU- Mitgliedstaaten an die deutschen Sicherheitsbehörden übermittelt? Die Übermittlung von Erkenntnissen zu staatsschutzrelevantem Personenpotential von anderen EU-Mitgliedstaaten an Deutschland erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung auf Grundlage der dortigen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen und liegt in alleiniger Zuständigkeit des jeweiligen Staates. Der Informationsaustausch findet in entsprechend relevanten Einzelfällen bilateral über die etablierten Kommunikationswege statt. In Fällen mit Fahndungsansätzen steht überdies das Schengener Informationssystem (SIS II) zur Verfügung. 11. Welche Verbesserungen des Systems der EU-Mitgliedstaaten zur Übermittlung oder zum Austausch über Gefährdereinstufungen sind nach Kenntnis der Bundesregierung geplant oder derzeit im Gange? „Gefährder“ ist ein Begriff aus der deutschen Polizeifachsprache, zu dem es keine EU-einheitliche Definition gibt. Ende 2016 haben sich die EU-Staaten auf Richtkriterien zur Eingabe von Informationen im Zusammenhang mit dem Phänomen der sog. „ausländischen (terroristischen) Kämpfer bzw. „Foreign (Terrorist) Fighters “ in das SIS II und die Europol-Datenbanken verständigt. 12. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zu den Möglichkeiten der Erfassung von Ausländern aus Drittstaaten, die in EU-Mitgliedstaaten einreisen und anschließend innerhalb der EU-Mitgliedstaaten weiterreisen? a) Gibt es eine Meldepflicht bei solchen Reisebewegungen für Ausländer? b) Wenn ja, wie wird deren Einhaltung kontrolliert? Die Fragen 12 und 12b werden zusammenhängend beantwortet. Die Erfassungsmöglichkeiten bzw. Meldepflichten für Reisebewegungen von Ausländern aus Drittstaaten in andere EU-Mitgliedstaaten richten sich nach den dortigen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen und Zuständigkeiten. Bei den Einreisen von Drittstaatsangehörigen finden bei der Visaerteilung und den Außengrenzkontrollen bei Einreise in die EU umfangreiche Sicherheitsabfragen statt. Für den EU-weiten Informationsaustausch stehen überdies die Ausschreibungsmöglichkeiten des SIS II zur Verfügung. Künftig werden durch das europäische Ein- und Ausreisesystem die Sicherheitsabfragen mithilfe der Erfassung biometrischer Daten verbessert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333