Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 11. März 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/8343 19. Wahlperiode 13.03.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/7999 – Antiziganistische Straftaten im Jahr 2018 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Trotz gestiegener Sensibilität in Behörden und Gesellschaft zeigen Bevölkerungsumfragen regelmäßig, dass es in Deutschland auch über 70 Jahre nach Ende der Naziherrschaft einen tief verwurzelten Antiziganismus gibt. Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2018 bestätigt dies. Zwischen 49 und 60 Prozent der Befragten äußern darin antiziganistische Einstellungen und Klischees, die eine massive, undifferenzierte Ablehnung der Angehörigen der Minderheit der Sinti und Roma zeigen. Sinti und Roma erfahren in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Diskriminierung und Benachteiligung. Auch in Medienberichten werden immer wieder antiziganistische Stereotype verwendet. Die Organisation Amaro Foro beklagt in ihrer Dokumentation auch antiziganistisch motivierte behördliche Schikanen (http://amaroforo.de/sites/default/files/files/AmaroForo_2017_Bericht_ Dokuprojekt.pdf). Zu sozialen, strukturellen und institutionellen Ausprägungen des Antiziganismus kommen Straf- und Gewalttaten hinzu, die sich dezidiert gegen Sinti und Roma bzw. Personen, die dafür gehalten werden, richten. Antiziganistische Straftaten werden in Deutschland erst seit Beginn des Jahres 2017 als solche erfasst. Im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen politisch motivierter Kriminalität haben die Länderbehörden im Jahr 2017 41 politisch motivierte Straftaten zum Themenfeld „Antiziganismus“ im Bereich „Hasskriminalität “ gemeldet (www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/ veroeffentlichungen/2018/pmk-2017-hasskriminalitaet.pdf?__blob=publication File&v=3). Da das Themenfeld „antiziganistisch“ neu im PMK-Katalog enthalten ist, stellt sich aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller die Frage der Erfassung und der Sensibilisierung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass sich die Formulierung antiziganistischer Stereotype heutzutage auch hinter sprachlichen Codierungen verbirgt („mobile ethnische Minderheit“, „Balkanflüchtlinge“, „Bulgaren“, „Rumänen“ usw.). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8343 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Zur Begriffsdefinition hat die Bundesregierung unterschiedliche Erläuterungen gemacht: In der Antwort zu Frage 22 auf Bundestagsdrucksache 18/13498 gab sie in Anlehnung an geläufige wissenschaftliche Diskussionen an, Antiziganismus bezeichne als Sammelbegriff Feindseligkeit, Abwertung und Stigmatisierung von Menschen als „Zigeuner“ sowie die daraus resultierende Diskriminierung und Ausgrenzung jener Personen. Auf der neueren Bundestagsdrucksache 19/301 schreibt sie in der Antwort zu Frage 10: „Straftaten werden als antiziganistisch erfasst, wenn sie sich gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma richten.“ Die Fragestellerinnen und Fragesteller halten auch mit Blick auf die polizeiliche Erfassung eine Klarstellung für hilfreich, ob diese Formulierung als abschließende Definition zu verstehen ist, da für die Einstufung nicht nur die Frage entscheidend sein sollte, ob die Opfer einer Tat „tatsächlich“ Sinti oder Roma sind, sondern ob die Täterinnen und Täter die betroffene Person als „Zigeuner “ abwerten wollen – ein Begriff, der in jedem Fall ein vom Täter genutztes Konstrukt darstellt. Grundsätzlich halten die Fragestellerinnen und Fragesteller eine Überprüfung des PMK-Definitionssystems für angezeigt. Sie beziehen sich dabei auf ein Gutachten zu „Möglichkeiten effektiver Strafverfolgung bei Hasskriminalität“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, in dem die Engführung von Hasskriminalität und politisch motivierter Kriminalität problematisiert wird. Dies könne dazu führen, „dass nicht alle Erscheinungsformen der Hasskriminalität als solche erkannt werden“, insbesondere wenn Täter nicht explizit politisch motiviert sind (oder eine politische Motivation nicht ausdrücklich zutage tritt). Die Antidiskriminierungsstelle schlägt als Alternative vor, eine eigene Meldekategorie der Hasskriminalität einzuführen, die unabhängig von der (explizit) politisch motivierten Kriminalität ist. 1. Wie viele und welche antiziganistische Straftaten wurden in Deutschland im Jahr 2018 begangen, und wie gliedern sich diese nach PMK-Phänomenbereichen auf (bitte vollständig angeben und von jedem Fall kurz die Umstände der Tat, den Tatort mit Ortschaft und das Datum darstellen)? a) Welche dieser Straftaten sind als Gewaltdelikte eingestuft (bitte nach Tötungsdelikten , Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikten, Landfriedensbruch, Gefährliche Eingriffe in den Schiffs- Luft-, Bahnund Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte und Sexualdelikten aufgliedern), und wie viele Betroffene wurden dabei verletzt oder getötet (bitte ebenfalls nach PMK-Bereichen aufgliedern )? b) Wie viele Propagandadelikte waren darunter (bitte ebenfalls nach PMK- Bereichen aufgliedern)? Die erbetene Einzelaufstellung der antiziganistischen Straftaten im Jahr 2018 sowie die statistischen Aufstellungen zu diesem Unterthema werden nachfolgend dargestellt. Zu beachten ist, dass die Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) 2018 vorläufigen Charakter haben und noch Veränderungen unterworfen sein können. Tatzeit 2018, Unterthema „Antiziganistisch“ lfd. Nr. Tatzeit Tatort Zähldelikt Phänomenbereich 1 09.01.2018 Berlin § 185 StGB Rechts 2 18.01.2018 Oranienburg § 130 StGB Rechts 3 31.01.2018 Heidelberg § 130 StGB Rechts 4 06.02.2018 Auetal § 86a StGB Rechts Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/8343 Tatzeit 2018, Unterthema „Antiziganistisch“ lfd. Nr. Tatzeit Tatort Zähldelikt Phänomenbereich 5 07.02.2018 Auetal § 168 StGB Rechts 6 08.02.2018 Auetal § 86a StGB Rechts 7 12.02.2018 Berlin § 130 StGB Rechts 8 08.03.2018 Neustrelitz § 130 StGB Rechts 9 11.03.2018 Memmingen § 130 StGB Nicht zuzuordnen 10 18.03.2018 Berlin § 130 StGB Rechts 11 25.03.2018 Berlin § 241 StGB Rechts 12 28.03.2018 Berlin § 130 StGB Nicht zuzuordnen 13 03.04.2018 Mölln § 185 StGB Nicht zuzuordnen 14 09.04.2018 Berlin § 130 StGB Rechts 15 12.04.2018 Kaiserslautern § 241 StGB Rechts 16 14.04.2018 Zwickau § 111 StGB Rechts 17 26.04.2018 Hüfingen § 303 StGB Rechts 18 02.05.2018 Köln § 130 StGB Rechts 19 09.05.2018 Berlin § 86a StGB Rechts 20 12.05.2018 Ludwigshafen am Rhein § 114 StGB Rechts 21 21.05.2018 Oberhausen § 223 StGB Rechts 22 25.05.2018 Bad Hersfeld § 130 StGB Rechts 23 31.05.2018 Essen § 130 StGB Rechts 24 07.06.2018 Potsdam § 130 StGB Rechts 25 15.06.2018 Hannover § 130 StGB Rechts 26 18.06.2018 Köln § 130 StGB Rechts 27 28.06.2018 Lingenfeld § 223 StGB Rechts 28 29.06.2018 Berlin § 185 StGB Rechts 29 05.07.2018 Halle § 130 StGB Rechts 30 07.07.2018 Fulda § 130 StGB Rechts 31 08.07.2018 Berlin § 130 StGB Rechts 32 09.07.2018 Baden-Baden § 185 StGB Rechts 33 10.07.2018 Weinstadt § 130 StGB Rechts 34 13.07.2018 Singen § 130 StGB Rechts 35 16.07.2018 Potsdam § 185 StGB Nicht zuzuordnen 36 23.07.2018 Bremen § 130 StGB Rechts 37 30.07.2018 Halle § 224 StGB Rechts 38 31.07.2018 Dortmund § 130 StGB Rechts 39 08.08.2018 Hamburg § 185 StGB Rechts 40 09.08.2018 Münster § 130 StGB Rechts 41 10.08.2018 Heidelberg § 130 StGB Rechts Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8343 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Tatzeit 2018, Unterthema „Antiziganistisch“ lfd. Nr. Tatzeit Tatort Zähldelikt Phänomenbereich 42 14.08.2018 Neustadt § 130 StGB Rechts 43 17.08.2018 Wesel § 130 StGB Rechts 44 23.08.2018 Düsseldorf § 185 StGB Rechts 45 25.08.2018 Dortmund § 224 StGB Rechts 46 27.08.2018 Berlin § 185 StGB Rechts 47 28.08.2018 Berlin § 130 StGB Rechts 48 12.09.2018 Leipzig § 303 StGB Rechts 49 15.09.2018 Prüm § 223 StGB Rechts 50 18.09.2018 Dortmund § 130 StGB Nicht zuzuordnen 51 18.09.2018 Kiel § 130 StGB Rechts 52 27.09.2018 Fulda § 130 StGB Rechts 53 02.10.2018 Berlin § 185 StGB Rechts 54 11.10.2018 Leer § 130 StGB Rechts 55 13.10.2018 Weißenberg § 86a StGB Rechts 56 18.10.2018 Frankfurt § 223 StGB Rechts 57 21.10.2018 Frankfurt § 303 StGB Rechts 58 29.10.2018 Adendorf § 242 StGB Rechts 59 02.11.2018 Halle § 130 StGB Rechts 60 11.11.2018 Frankfurt § 130 StGB Rechts 61 17.11.2018 Kiel § 241 StGB Rechts 62 13.12.2018 Oranienburg § 241 StGB Rechts 63 17.12.2018 Frankfurt § 130 StGB Rechts Im Jahr 2018 wurden im Unterthema „Antiziganistisch“ insgesamt sieben Gewaltdelikte (davon sechs Körperverletzungen und ein Widerstandsdelikt im Phänomenbereich PMK -rechts-) sowie vier Propagandadelikte im Phänomenbereich PMK -rechts- polizeilich erfasst. 2. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen antiziganistischer Straftaten ermittelt , wie viele wurden festgenommen, und gegen wie viele wurden Haftbefehle erlassen (bitte ebenfalls nach PMK-Bereichen aufgliedern)? Für das Jahr 2018 wurden zum Stichtag 31. Januar 2019 bei 63 Straftaten im Unterthema „Antiziganistisch“ insgesamt 36 Tatverdächtige ermittelt, davon 32 im Phänomenbereich PMK -rechts- (davon eine Festnahme) und vier im Phänomenbereich PMK -nicht zuzuordnen-. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/8343 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Anzahl bzw. Entwicklung der antiziganistischen Straftaten, welche Erklärung hat sie für möglicherweise signifikante Abweichungen vom Vorjahr, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Die Bundesregierung verurteilt die Begehung von politisch motivierten Straftaten . Der Anteil antiziganistischer Straftaten an der PMK lag im Jahr 2018 bei 0,17 Prozent. Auch wenn es im Vergleich zum Jahr 2017 zu einer Steigerung der Fallzahlen kam, befinden sich diese weiterhin auf sehr niedrigem Niveau. Die Bundesregierung verfolgt die weitere Entwicklung der Zahlen sehr genau. 4. Wie definiert die Bundesregierung den Begriff „Antiziganismus“ (auf die Darlegungen in der Vorbemerkung der Fragesteller wird verwiesen), und inwieweit fallen für sie alle oder ausschließlich Straftaten gegen Sinti oder Roma in den Bereich Antiziganismus? 5. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung im polizeilichen Bereich eine einheitliche Definition des Begriffs „antiziganistisch“, und falls ja, wie lautet diese? Falls nein, anhand welcher Kriterien erfassen die Landespolizeibehörden nach Kenntnis der Bundesregierung eine antiziganistisch motivierte Straftat, und inwiefern setzt sie sich dafür ein, eine einheitliche Definition zu schaffen ? Fragen 4 und 5 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der PMK werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, u. a. dass sie gegen eine Person wegen ihrer/ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen ethnischen Zugehörigkeit gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/ Sache oder ein Objekt richtet. Straftaten werden als antiziganistisch erfasst, wenn sie sich gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma richten. 6. Welche Bemühungen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung im Vorfeld bzw. seit der Aufnahme antiziganistischer Straftaten als Unterthema der Hasskriminalität zur Sensibilisierung von Polizeibeamten, um diese besser in die Lage zu versetzen, solche Straftaten auch zu erkennen, insbesondere auf der Ebene der Staatsschutzabteilungen in den Landeskriminalämtern sowie der Bundespolizei? Inwiefern wurde dabei mit Organisationen der Sinti und Roma zusammengearbeitet ? Welche Rolle spielt dabei die Arbeitsdefinition der Allianz gegen Antiziganismus ? 7. Inwiefern werden Polizistinnen und Polizisten im Allgemeinen und die Staatsschutzabteilungen der Landeskriminalämter im Besonderen nach Kenntnis der Bundesregierung darauf sensibilisiert, auch gängige antiziganistische Codierungen („mobile ethnische Minderheit“, „Bulgaren“, „Rumänen “ usw.) zu erkennen, um ggf. einen antiziganistischen Hintergrund einer Straftat erfassen zu können? 8. Inwiefern und in welchen Gremien wurde über das Themenfeld „antiziganistisch “ bzw. seine inhaltliche Definition bund-länderübergreifend kommuniziert (bitte die wichtigsten Ergebnisse oder Schlussfolgerungen angeben)? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8343 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die Beantwortung der Fragen 6, 7 und 8 erfolgt wegen Sachzusammenhangs gemeinsam . Die Bewertung der PMK-Straftaten erfolgt ausschließlich durch spezialisierte Mitarbeiter. Im Bachelor-Studiengang zum gehobenen Kriminalvollzugsdienst des Bundeskriminalamtes (BKA) findet das Thema „Antiziganismus“ bereits im einführenden Modul 1 unter dem Themenschwerpunkt „Reflexion polizeilichen Handelns“ Berücksichtigung. Das Thema Hasskriminalität inklusive seiner Unterthemen (u. a. Antiziganismus) nimmt im Bereich der Fortbildung einen erheblichen Raum ein. Darüber hinaus besteht im Bereich der Allgemeinen Fortbildung des BKA ein umfangreiches Angebot zum Erhalt und der Verbesserung der Kommunikationskompetenz, was u. a. auch den „Umgang mit Stereotypen und Vorurteilen“ bezogen auf das eigene (polizeiliche) Handeln umfasst. Darüber hinaus ist das BKA dauernd bestrebt, die Vermittlung verfassungsrechtlicher Werte im eigenen Lehrgangsangebot zu verbessern und auch in Zusammenarbeit mit externen Stellen die Wertevermittlung ethischer Grundlagen polizeilichen Handelns zu optimieren. In Kooperation mit dem Frankfurter Fritz-Bauer-Institut setzen sich die Studierenden aktiv mit der Rolle der Polizei im Nationalsozialismus auseinander, wobei die damals betroffenen Opfergruppen besondere Berücksichtigung finden. Ergänzend werden Kernbefunde des BKA-Historienprojektes vermittelt, die Grundlagen und Fortführung des „Antiziganismus“ in polizeilichen Strukturen und Bekämpfungsansätzen behandeln. Auch im weiteren Verlauf des Studiums, insbesondere im Modul 7 „Gewaltkriminalität“, hier Lehrveranstaltung „Hass- und Vorurteilskriminalität“ sowie im Modul 12 „Politisch motivierte Kriminalität“ wird das Thema „Antiziganismus“ als Variante der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit und typisches Kernthema rechtspopulistischen und rechtsextremen Agierens behandelt und die entsprechende Aufmerksamkeit bei den angehenden Kriminalbeamtinnen und -beamten kontinuierlich weiterentwickelt. Dies betrifft auch die Erkennung und Erfassung von Delikten der verschiedenen Formen von Hasskriminalität, so auch antiziganistisch motivierte Delikte. Des Weiteren besteht eine fachliche Kooperation des BKA mit der Forschungsstelle Antiziganismus in Heidelberg, welche sich mit grundlegenden Studien zu Ursachen, Formen und Folgen des Antiziganismus in den europäischen Gesellschaften beschäftigt. Die Maßnahmen der Aus- und Fortbildung der Bundespolizei thematisieren regelmäßig wichtige Themen, wie Xenophobie, Rassismus, Antisemitismus und Vorurteile gegen Minderheiten. Aspekte der Gleichbehandlung und Einhaltung des Diskriminierungsverbotes sind fächerübergreifende Schwerpunkte. So werden durch die Bundespolizeiakademie Seminare zu den Themen „lnterkulturelle Kompetenz“, Extremismus (rechts/links), politisch motivierte Kriminalität und Polizeiliche Kriminalprävention angeboten und durchgeführt, in denen auch antiziganistische Motive angesprochen werden. Die Bundespolizei stellt durch praxisbezogene Aus- und Fortbildung die rechtskonforme Anwendung ihrer Befugnisnormen sicher. Im Rahmen von Verhaltenstrainings werden konkrete Maßnahmen besprochen und der Grundrechtsbezug fortlaufend hergestellt. In speziellen Seminaren zum Ausbau der sozialen und interkulturellen Kompetenzen werden die kommunikativen Fertigkeiten weiter gestärkt , um Konfliktsituationen vorzubeugen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/8343 Die Einführung des Unterthemas „Antiziganistisch“ im Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) wurde durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Einbeziehung von Vertretern aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft empfohlen. Hintergrund war die zeitgemäße Gestaltung des Bereichs der Hasskriminalität, um die Ausprägungen des Kriminalitätsphänomens optimiert abbilden zu können. Abschließend nahm die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) im Rahmen ihrer 204. Sitzung diese Empfehlung zur Kenntnis und bat Bund und Länder um Umsetzung in den Unterlagen zum KPMD-PMK. Das Unterthema „Antiziganistisch“ wurde daher mit Wirkung vom 1. Januar 2017 im KPMD-PMK bundesweit eingeführt. Auch vor diesem Zeitpunkt wurden antiziganistische Straftaten im KPMD-PMK als Hasskriminalität gemeldet, konnten jedoch keinem separatem Unterthema zugeordnet und damit statistisch nicht beziffert werden. Darüber hinaus wurde ergänzend zu den bestehenden Regelungen der PDV 100 auf Beschluss der IMK unter Ziffer 2.2.5 folgender klarstellender Passus – der sich am Wortlaut des § 46 des Strafgesetzbuchs (StGB) orientiert – in die Vorschrift aufgenommen: „Grundsätzlich sind in Fällen von Gewaltkriminalität rassistische und anderweitig politisch motivierte Hintergründe zu prüfen. Die Ergebnisse sind zu dokumentieren .“ Mit Inkrafttreten der geänderten Fassung der PDV 100 am 15. August 2015 ist dies geltende Weisung für deutsche Polizistinnen und Polizisten. 9. Inwiefern beabsichtigen die Sicherheitsbehörden des Bundes sowie nach Kenntnis der Bundesregierung diejenigen der Länder, bei der Erfassung antiziganistischer Hasskriminalität auch die Monitoring-Berichte zivilgesellschaftlicher Organisationen zu berücksichtigen, um ggf. die Praxis der polizeilichen Einstufungen in das Themenfeld zu überprüfen? Die Bewertung im Rahmen des KPMD-PMK erfolgt auf Basis der polizeilichen Erkenntnisse zur Tat. So werden auch antiziganistische Straftaten ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung/Einstellung des Täters und den Umständen der Tat (bei der Würdigung der Umstände der Tat ist neben anderen Aspekten auch die Sicht des/der Betroffenen mit einzubeziehen) als politisch motivierte Straftaten in der PMK-Statistik erfasst. Aktuell fördert das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat mit einem mehrjährigen Forschungsprojekt die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Erfassung und Bekämpfung von vorurteilsgeleiteten und insbesondere auch von antiziganistischen Straftaten. Das Projekt hat dabei zum Ziel, durch Intensivierung der Kooperation mit der Zivilgesellschaft das Dunkelfeld dieser Straftaten zu erhellen und die polizeiliche Prävention in diesem Bereich weiterzuentwickeln. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8343 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 10. Welche zivilgesellschaftlichen Organisationen werden vom Bund in welchem Ausmaß gefördert, um diese beim Monitoring antiziganistischer Vorfälle zu unterstützen? Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) fördert den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sowie des Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma institutionell. Verschiedene Arbeitsbereiche der Einrichtungen setzen sich in ihrer täglichen Arbeit mit antiziganistischen Vorfällen auseinander. Individuelle Diskriminierungsfälle und antiziganistische Vorfälle werden im Rahmen der Beratungsarbeit im Dokumentationszentrum erfasst. Die Auseinandersetzung mit antiziganistischen Vorfällen in den Medien, Institutionen , Polizei und Justiz, aber auch auf internationaler Ebene ist Teil der Arbeit des Zentralrats. Eine systematische Erfassung, Intervention und Publikation antiziganistischer Vorfälle erfolgt dabei jedoch nicht. Ergänzend wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 9 und 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/4234 verwiesen. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. 11. Welche Erfahrungen wurden von der Polizei nach Kenntnis der Bundesregierung mit der Erfassung antiziganistischer Straftaten im PMK-Definitionssystem bislang gemacht, und welche Schlussfolgerungen ziehen die Länder bzw. die Bundesregierung selbst daraus? Auf welche praktischen Probleme stieß insbesondere das Erkennen von Straftaten als möglicherweise antiziganistisch? Im Rahmen des KPMD-PMK werden Delikte der Hasskriminalität und somit auch antiziganistische Straftaten seit dessen Einführung im Jahr 2001 erfasst. Die Systematik des KPMD-PMK hat sich in dieser Zeit bewährt. Zum 1. Januar 2017 wurde das eigenständige Unterthema „Antiziganistisch“ in das Themenfeld „Hasskriminalität“ aufgenommen. Die Bundesregierung begrüßt die seitdem bestehende Möglichkeit einer automatisierten Auswertemöglichkeit auch dieser Straftatengruppe. 12. In welche Bereiche, Themenfelder und Unterthemen ist das Definitionssystem der Politisch Motivierten Kriminalität derzeit untergliedert (bitte vollständig angeben)? Der Themenfeldkatalog des Definitionssystems der PMK ist ein „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuftes Dokument und wurde von der IMK erarbeitet. Der Arbeitskreis II der IMK hat entschieden, u. a. den Themenfeldkatalog nicht offenzulegen, da die Veröffentlichung Rückschlüsse auf die polizeiliche Zusammenarbeit zulassen und die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Länderpolizeibehörden mit dem BKA erschweren würde. Eine Freigabe des Themenfeldkataloges oder Inhalte aus diesem kann daher nicht erfolgen. Herausgeber der Verschlusssache ist nach § 15 Absatz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen Geheimschutz (VSA) die IMK. Nach § 18 Absatz 1 VSA kann nur der Herausgeber den Geheimhaltungsgrad herabsetzen . Ein sich gegen die Bundesregierung als Nichtherausgeber richtender Anspruch auf Informationszugang von Dokumenten der IMK würde diese Regelungen unterlaufen und muss daher abgelehnt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/8343 Die Kooperation der Innenverwaltungen der Länder im Rahmen der IMK ist darauf angewiesen, dass Erörterungen und als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Berichte Dritten nicht zur Kenntnis gelangen. Entscheidet die IMK gegen die Freigabe von Unterlagen, kommt der Bundesregierung keine eigene Prüfkompetenz zu, ob es sich an die Nichtfreigabeentscheidung bzw. das Beibehalten einer „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ Einstufung gebunden sieht. 13. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Sorge der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die Zuordnung zur Politisch Motivierten Kriminalität bringe das Risiko mit sich, dass nicht alle Formen der Hasskriminalität erfasst würden, und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Mit der Einführung des Definitionssystems Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2001 und der damit einhergehenden Neugestaltung des Staatsschutzmeldedienstes als Kriminalpolizeilicher Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität erhielt die Hasskriminalität eine herausgehobene Stellung. Im Definitionssystem PMK ist die Hasskriminalität bereits in der Begriffsbestimmung politisch motivierter Straftaten enthalten. Sie ist in den Voraussetzungen für die Zuordnung eines Delikts zur PMK in ihrem Wesensgehalt als eigener Spiegelstrich aufgeführt (Definitionssystem PMK Nummer 2.1). Ein hasskriminelles Motiv bei der Begehung einer Straftat stellt mithin selbst eine politische Motivation dar – weitere Voraussetzungen für eine Erfassung als PMK bestehen bei Straftaten der Hasskriminalität nicht. Insofern stehen PMK und Hasskriminalität nicht nebeneinander, sondern die Hasskriminalität stellt einen (erheblichen) Teil der PMK dar, da Hasskriminalität immer politisch motiviert ist. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333