Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 20. Februar 2018 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/851 19. Wahlperiode 21.02.2018 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Schäffler, Bettina Stark-Watzinger, Dr. Florian Toncar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/648 – Initial Coin Offerings V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Blockchain-Technologie ist bis jetzt vor allem als die Datenstruktur hinter Bitcoin und anderen Kryptowährungen bekannt. Die Innovation hat allerdings eine ganze Reihe weiterer Anwendungsmöglichkeiten. So lassen sich mit der Technologie „Eigentumsverhältnisse direkter und effizienter als bislang sichern und regeln, da eine lückenlose und unveränderliche Datenaufzeichnung hierfür die Grundlage schafft“ (BaFin: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/Blockchain/ blockchain_node.html). Eine der Nutzungsmöglichkeiten bilden Initial Coin Offerings (hiernach ICOs) als ein Mittel der Kapitalaufnahme von Unternehmen. ICOs finden sowohl als so genannte Smart Contracts als auch durch Schaffung neuer Blockchains und/oder digitaler Währungen Anwendung. Die erzeugten Token werden meist in unregulierten öffentlichen Bieterverfahren an interessierte Anleger verkauft (Token sale). Den Kaufpreis bezahlen die Anleger in der Regel in Kryptowährungen oder auch in Euro. 1. Wie groß war nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2017 die Kapitalaufnahme durch ICOs in Deutschland bzw. weltweit? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. Öffentlich verfügbaren Daten ist zu entnehmen, dass im Jahre 2017 weltweit von einer Kapitalaufnahme durch ICOs in Höhe von 3 700 682 293 US-Dollar ausgegangen wird. 2. Welche waren nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2017 die fünf größten ICOs weltweit bzw. die fünf größten ICOs in Deutschland (bitte nach Firmen und Ländern aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor, da es keine generelle gesetzliche Meldepflicht für ICOs gibt. Öffentlich verfügbaren Daten ist zu entnehmen, dass es sich bei den nachfolgend benannten ICOs um die weltweit größten ICOs im Jahre 2017 handelte. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/851 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Filecoin, USA, 257 000 000 US-Dollar 2. Tezos, USA, 232 319 985 US-Dollar 3. EOS Stage 1, USA, 185 000 000 US-Dollar 4. Paragon, Russland, 183 157 275 US-Dollar 5. Bancor, Israel, 153 000 000 US-Dollar 3. Welche waren nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2017 die fünf größten ICOs in Deutschland (bitte nach Firmen aufschlüsseln)? Die Bundesregierung verweist auf die Antwort zu Frage 2. 4. Wie viele Unternehmen haben eine Erlaubnis von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), mit Token zu handeln? Wie viele sind im Jahr 2017 dazugekommen? Der Erlaubnisvorbehalt nach § 32 Absatz 1 Satz 1 KWG knüpft an die Art der Dienstleistung (z. B. Finanzkommissionsgeschäft, Anlagevermittlung, Anlageberatung , Betrieb eines Multilateralen Handelssystems, Abschlussvermittlung, Eigenhandel ) und an Finanzinstrumente als Handelsgegenstand an. Jedes Institut, das eine entsprechende Erlaubnis hat, darf nach Maßgabe des Erlaubnisgegenstandes mit Token handeln, soweit der jeweilige Token als Finanzinstrument zu qualifizieren ist. Inwieweit ein Token als Finanzinstrument zu qualifizieren ist, hängt von seinem konkreten Verwendungszweck, seiner Ausgestaltung im Einzelfall und den mit ihm verbundenen Rechten ab. In Deutschland verfügen rund 1 600 Banken über eine Vollbanklizenz und über 700 Finanzdienstleistungsinstitute über eine entsprechende Erlaubnis. Im Jahre 2017 sind acht Finanzdienstleistungsinstitute hinzugekommen. Von der Anzahl der Erlaubnisträger kann allerdings nicht auf die Anzahl der Unternehmen geschlossen werden, die tatsächlich mit Token handeln. 5. Wie oft hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Jahr 2017 ein Strafverfahren bzw. Bußgelder wegen des unrechtmäßigen Handelns von Token bzw. digital Coins initiiert? Die BaFin schreitet im Verwaltungswege ein, wenn Geschäfte ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben werden. Die BaFin hat in 2017 im Zusammenhang mit Initial Coin Offerings und Token Sales 23 Verfahren zur Entscheidung in Zweifelsfällen , ob ein Unternehmen der Aufsicht der BaFin unterliegt (§ 4 KWG) und 13 Verfahren wegen des Verdachts unerlaubter Geschäfte (§ 37 KWG) eingeleitet ; in vier Fällen kam es zu förmlichen Untersagungen gegen Betreiber oder einbezogene Unternehmen. Die zuständigen Strafverfolgungsbehörden wurden insoweit eingeschaltet. Bußgelder wurden wegen des unrechtmäßigen Handelns von Token bzw. Digital Coins von der BaFin 2017 nicht festgesetzt. 6. Welchen juristischen Stellenwert hat eine Blockchain-Transaktion nach Auffassung der Bundesregierung? Es bedarf keiner eigenen juristischen Bewertung des Stellenwerts einer Blockchain -Transaktion, da diese lediglich die dezentrale Abbildung und kryptografische Verknüpfung der jeweiligen Blöcke bewirkt, so dass durch die vielfache, verteilte Speicherung die Transaktionen permanent und manipulationssicher im Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/851 Netzwerk festgehalten werden. Vielmehr kommt es auf die juristische Einordnung der jeweiligen abgebildeten Transaktion an. 7. Welchen juristischen Stellenwert hat ein Smart Contract nach Auffassung der Bundesregierung? Auch die juristische Einordnung eines Smart Contracts hängt nicht davon ab, ob es sich um einen Smart Contract handelt, sondern vielmehr davon, was für eine Art von Aktion durch diesen ausgeführt werden soll. Dabei ist die Begrifflichkeit des „Smart Contract“ insofern irreführend als es sich dabei nicht notwendigerweise um einen Vertrag handeln muss. Vielmehr ist ein Smart Contract ein digitales Protokoll, das Regeln für Prozesse festlegt, die im Rahmen einer Transaktion automatisch ausgeführt werden („in Code gefasste wenn-dann-Regeln“). 8. Wie bewertet die Bundesregierung den bestehenden gesetzlichen Rahmen, um Rechte anhand von Token zu übertragen, und welche Änderungen sind geplant? Sofern Rechte anhand von Token übertragen werden können, richtet sich diese Übertragungsmöglichkeit nach den jeweiligen Vertragsbedingungen, da die Merkmale und der Zweck der Token sehr unterschiedlich sein können. Über die Auslegung der Vertragsbedingungen entscheiden im Streitfall die zuständigen Gerichte. 9. Welche Konstellationen von ICOs können mit den derzeitigen Regulierungen nach Auffassung der Bundesregierung nicht erfasst werden? Auf dem Markt finden sich sehr unterschiedliche Ausgestaltungen von ICOs. Sie sind in organisatorischer, technischer und rechtlicher Hinsicht derart vielfältig, dass pauschale Aussagen zur aufsichtsrechtlichen Einordnung (z. B. Erlaubnisund Prospektpflicht) nicht möglich sind. Die BaFin prüft immer im Einzelfall, ob durch die konkrete vertragliche Ausgestaltung eines Tokens/ICOs u. a. Prospektpflichten nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) oder Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) ausgelöst werden oder ob die Anbieter eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG), dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) oder dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) benötigen oder ob Pflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) einzuhalten sind. 10. Wie werden Einkünfte aus ICOs nach Kenntnis der Bundesregierung besteuert ? 11. Sind Token nach Auffassung der Bundesregierung „Fremdwährungsbeträge “ im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes, und welche Verbrauchsreihenfolge ist beim Verkauf von ICO-Token anzusetzen? 12. Sind verschiedene Kryptowährungen bzw. Tokens, wie etwa Ether oder IOTA, nach Auffassung der Bundesregierung getrennt voneinander zu betrachten , so wie Fremdwährungen verschiedener Länder getrennt voneinander betrachtet werden? 13. Werden Wallets/Depots nach Kenntnis der Bundesregierung für Kryptowährungen bzw. Tokens steuerlich getrennt oder gemeinsam behandelt, falls in einem Depot/Wallet die Bestände länger gehalten werden, während in einem anderen die Beständen regelmäßig gehandelt werden? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/851 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 14. Wie verhält sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Besteuerung bei sogenannten Forks, in denen User automatisch und unentgeltlich Coins hinzubekommen ? 15. Ist für diese Fork-Coins nach Auffassung der Bundesregierung der Beginn der Frist von einem Jahr gemaß § 23 Absatz 1 Nummer 1 Satz 1 Einkommensteuergesetzes mit der Entstehung dieser Fork-Coins maßgebend, oder hängen diese neuen abgespaltenen Tochter-Kryptowährungen an der Frist der Mutter-Kryptowährung? Die Fragen 10 bis 15 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die ertragsteuerliche Beurteilung der genannten Sachverhalte soll mit den obersten Finanzbehörden der Länder erörtert werden. Die Erörterungen sind noch nicht abgeschlossen. 16. Wie werden Token nach Kenntnis der Bundesregierung umsatzsteuerrechtlich eingeschätzt, die im Rahmen einer ICO ausgegeben werden und die neben der Währungsfunktion einen zusätzlichen Verwendungszweck haben? Für Token, die im Rahmen eines ICO ausgegeben werden und die neben der Währungsfunktion einen zusätzlichen Verwendungszweck haben, gelten die allgemeinen umsatzsteuerlichen Regelungen. Es ist im Einzelfall jeweils festzustellen, ob ein im Inland umsatzsteuerbarer Leistungsaustausch stattfindet und ob die Voraussetzungen einer Umsatzsteuerbefreiung erfüllt sind. 17. Wie bewertet die Bundesregierung die Besteuerung von „Mining“, dem Bereitstellen von Rechenleistung zur Schaffung neuer Token und Transaktionen ? 18. Hat die Bundesregierung konkrete Überlegungen, die Besteuerung von Einkünften aus ICOs zu ändern? Zur Beantwortung der Fragen 17 und 18 wird auf die Antwort zu Frage 15 verwiesen . Eine Bewertung durch die Bundesregierung kann erst nach Abschluss der Erörterungen vorgenommen werden. 19. Unter welchen Umständen fallen ICOs in den Zuständigkeitsbereich der BaFin und unter welchen in den Zuständigkeitsbereich anderer nationaler bzw. supranationaler Aufsichtsbehörden? ICOs sind in organisatorischer, technischer und rechtlicher Hinsicht derart vielfältig , dass pauschale Aussagen darüber, unter welchen Umständen sie unter welche Zuständigkeitsbereiche nationaler bzw. supranationaler Aufsichtsbehörden fallen, nicht möglich sind. Die Aufsichtsbehörden prüfen im Einzelfall, ob ihre Aufsichtsgesetze durch ICOs und der darauf basierenden Geschäftsmodelle berührt werden. In den Zuständigkeitsbereich der BaFin fallen ICOs beispielsweise dann, wenn die ausgegebenen Token im Einzelfall als Finanzinstrumente zu qualifizieren sind und die damit einhergehenden Geschäftsmodelle von den finanzmarktrechtlichen Aufsichtsgesetzen (siehe Antwort zu Frage 9) erfasst werden und einen Inlandsbezug aufweisen. Die Zuständigkeiten der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (ESMA, EBA, EIOPA) sind beispielweise dann betroffen, wenn eine ICO basierte Finanztätigkeit eine ernsthafte Bedrohung für die Verbesserung des Verbraucherschutzes Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/851 darstellt. So haben EBA, ESMA und EIOPA gemeinsam am 12. Februar 2018 gemäß Artikel 9 Absatz 3 der Verordnungen (EU) Nr. 1093/10, 1094/10 und 1095/2010 zur Errichtung der Europäischen Aufsichtsbehörden, eine Mitteilung veröffentlicht, in der EU-Bürger vor den Risiken beim Kauf und Halten von „Kryptowährungen“ gewarnt werden. 20. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung von Vorstößen der Europäischen Kommission, ICOs zu regulieren, und wie plant sie, diese umzusetzen ? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über konkrete Regulierungsvorstöße der Europäischen Kommission. Sie geht allerdings davon aus, dass sich die Europäische Kommission in ihrem für den 7. März 2018 angekündigten FinTech Action Plan auch zu den Themen „Kryptowährungen“, ICOs und Blockchain äußern wird. 21. Wird derzeit auf der Ebene der G8- bzw. G20-Staaten über eine internationale Regulierung von Kryptowährungen und ICOs diskutiert, und wie ist die dortige Position der Bundesregierung? Die Bundesregierung hält es aufgrund der weltweiten Handelbarkeit von „Kryptowährungen “ und anderer Token (z. B. ICOs) für wichtig, die damit verbundenen Chancen und Risiken auch auf internationaler Ebene zu erörtern. Deswegen hat der geschäftsführende deutsche Finanzminister mit seinem französischen Kollegen in einem gemeinsamen Schreiben an die G20-Präsidentschaft vorgeschlagen , das Thema „Kryptowährungen“ und andere Token auf die Agenda des Treffens der G20-Finanzminister und -Notenbankgouverneuren im März 2018 in Argentinien zu setzen, um so die Grundlagen für einen international abgestimmten Umgang zu schaffen. 22. Hat die Bundesregierung Kenntnis über gesetzliche Initiativen anderer europäischer Mitgliedstaaten, ICOs zu regulieren? Der Bundesregierung sind derzeit keine konkreten Gesetzinitiativen zur Regulierung von ICOs in anderen europäischen Mitgliedstaaten bekannt. 23. Wie viele Mitarbeiter, Arbeitsgruppen und Abteilungen in den Bundesministerien bzw. der BaFin oder der Deutschen Bundesbank beschäftigen sich primär mit den Themen Blockchain und ICOs (bitte aufschlüsseln)? Mitarbeiter in der Bundesverwaltung beschäftigen sich mit den Themen Blockchain , ICOs oder Token, soweit davon ihre Zuständigkeiten berührt sind. Eine konkrete Bezifferung in Vollzeitäquivalenten und eine Aufschlüsselung nach Ministerien ist deswegen nicht darstellbar. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333