Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 25. März 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/8788 19. Wahlperiode 27.03.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Marc Jongen, Dr. Götz Frömming, Nicole Höchst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/8220 – Genderkritik und die Gefahr der Spaltung der Gesellschaft durch Misandrie V o r b e m e r k u n g d e r F r a g s t e l l e r Unter dem Projektnamen „KRisE der GeschlechterVERhältnisSE? Anti-Feminismus als Krisenphänomen mit gesellschaftsspaltendem Potenzial“ (RE- VERSE) fördert die Bundesregierung mit einer Summe von knapp 1 Mio. Euro ein Projekt, das die Kritik an der Genderkritik analysiert (https://idw-online. de/de/news684356). Unter dem Titel „Genderism is junk science! Gender studies as object of academic criticism and hate speech“ wurden mittlerweile erste Ergebnisse des Projekts vorgestellt. Die Autorin listet darin unter anderem Wissenschaftler auf, die sich kritisch zur Genderforschung geäußert haben (Marion Näser-Lather: „Genderism is junk science! Gender studies as object of academic criticism“, in: Critical Issues in Science, Technology and Society Studies, Conference Proceedings of the 17th STS Conference Graz 2018, 7. Bis 8. Mai 2018, Graz 2018, S. 176 bis 185). Sie wirft Genderkritikern vor, sie wollten die Genderforschung diskreditieren und spricht von „Angriffen“ (attacks). Statt sich mit der inhaltlichen Kritik an der Genderforschung auseinanderzusetzen, versucht die Autorin nach Auffassung der Fragesteller genderkritischen Wissenschaftlern eine Verbindung zu verschiedenen politischen Akteuren nachzuweisen, zum Teil durch Zitationen der besagten Wissenschaftler in Zeitschriften, deren politische Ausrichtung der Autorin nicht genehm ist. Genderkritische Gruppen oder Akteure (die von traditionellen Konservativen bis hin zu Pegida reichen, S. 182), so die Autorin, erklärten „die Modernisierung der Geschlechterverhältnisse“ angeblich „als Bedrohung für die Gesellschaft, für Kinder und für traditionelle Werte und Lebensformen wie die Ehe“. Ein Teil dieser Genderkritiker versuche angeblich die Mittelschicht oder diejenigen, die vom Prekarität bedroht sind, zu mobilisieren. Aus Sicht der Fragesteller verfolgt das Projekt „Reverse“ eine wissenschaftsfeindliche Immunisierungsstrategie. Es ist der sichtliche Unwille erkennbar, sich mit der Kritik an der Genderforschung inhaltlich auseinanderzusetzen. Diese Haltung indes dürfte kaum mit den Fördergrundsätzen für das Projekt vereinbar sein. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8788 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Das Projekt krankt aus Sicht der Fragesteller aber noch an einem anderen schwerwiegenden Defizit, das auch seitens der Genderkritiker bisher nur unzureichend in den Blick genommen wurde. Es steht nämlich die Frage im Raum, warum das Phänomen Misandrie und dessen gravierende gesellschaftsspaltende Auswirkungen im Hinblick auf die „Krise der Geschlechterverhältnisse“ nicht längst ein Desiderat wissenschaftlicher Forschung ist. Aus Sicht der Fragesteller ist es hohe Zeit, die wissenschaftliche Erforschung der Männerfeindlichkeit (Misandrie) mit entsprechenden Fördermitteln auszustatten. Diese Forschung bedarf additiv begleitender Aufklärungskampagnen, die auf die Gefahren des radikalen Feminismus und der ihm inhärenten Misandrie aufmerksam machen. Nur so kann weiterer Schaden von unserer Gesellschaft in Form einer immer weiter voranschreitenden Entfremdung zwischen den Geschlechtern abgewendet werden, die die Fragesteller mit wachsender Besorgnis beobachten. Es ist aus ihrer Sicht höchste Zeit, dass die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, die Förderung von Projekten zu stoppen, die dieser Entwicklung Vorschub leisten. 1. Aufgrund welcher Überlegungen kam die Bundesregierung zu dem Entschluss , das Projekt „KRisE der GeschlechterVERhältnisSE? Anti-Feminismus als Krisenphänomen mit gesellschaftsspaltendem Potenzial“ (REVERSE) mit einer Summe von 975 000 Euro am Zentrum für Gender Studies und feministische Zukunftsforschung (ZGS) an der Universität Marburg zu fördern ? Der Antrag zum Vorhaben „KRisE der GeschlechterVERhältnisSE? Anti-Feminismus als Krisenphänomen mit gesellschaftsspaltendem Potenzial“ (REVERSE) wurde von der Universität Marburg auf die Förderbekanntmachung „Zusammenhalt stärken in Zeiten von Krisen und Umbrüchen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eingereicht. Die Bekanntmachung wurde am 30. Mai 2016 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Ziel der Bekanntmachung ist es, den Umgang mit gesellschaftlichen Krisen und Umbrüchen sowie deren Wirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu erforschen. Das Projekt REVERSE wurde auf Grundlage eines wissenschaftlichen Begutachtungs- und Auswahlverfahrens dem BMBF zur Förderung empfohlen. 2. Kann die Bundesregierung eine verbindliche Definition dafür angeben, was unter „Feminismus“ zu verstehen ist? a) Falls ja, inwieweit besteht im Hinblick auf diese Definition ein wissenschaftlicher Konsens? b) Falls nein, inwieweit kann daraus abgeleitet werden, dass es keine allgemein wissenschaftliche Definition des Begriffs „Anti-Feminismus“ gibt? Beim Begriff „Feminismus“ handelt es sich nicht um einen Rechtsbegriff, für den eine verbindliche Definition seitens der Bundesregierung erforderlich wäre. Wissenschaftliche Begriffsdefinitionen unterliegen der Freiheit von Wissenschaft und Forschung. 3. Kann die Bundesregierung eine verbindliche Definition dafür angeben, was unter „Anti-Feminismus“ zu verstehen ist? a) Falls ja, inwieweit besteht im Hinblick auf diese Definition ein wissenschaftlicher Konsens? b) Falls nein, inwieweit kann daraus abgeleitet werden, dass es keine allgemein wissenschaftliche Definition des Begriffs „Anti-Feminismus“ gibt? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/8788 4. Inwieweit entsprechen aus Sicht der Bundesregierung die in der o. g. Studie präsentierten bisherigen Ergebnisse den Förderkriterien? a) Falls den Förderkriterien aus Sicht der Bundesregierung entsprochen wurde, an welchen Kriterien macht die Bundesregierung dies fest? b) Falls den Förderkriterien aus Sicht der Bundesregierung nicht entsprochen wurde, welche Konsequenzen hat die Bundesregierung aus diesem Befund ggf. gezogen? Die Ergebnisse der Studie basieren auf der in der Vorhabenbeschreibung des Antrags dargestellten Vorgehensweise und den dort enthaltenen Arbeits- und Verwertungsplänen . Die Vorhabenbeschreibung erfüllt auch nach Auffassung der externen Begutachtung die Förderkriterien der Bekanntmachung „Zusammenhalt stärken in Zeiten von Krisen und Umbrüchen“ wie hohe wissenschaftliche Qualität , Relevanz der Forschungsfrage sowie Stringenz des Projekt- und Forschungsdesigns . 5. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Rahmen des Projektes „Reverse“ als „Anti-Feminismus“ denunzierte Genderkritik die „Akzeptanz von Pluralität“ und „damit verbunden auch die Werte einer Demokratie “ gefährde (https://idw-online.de/de/news684356)? a) Falls ja, warum teilt die Bundesregierung diese Auffassung? b) Falls nein, warum nicht? 6. Stimmt die Bundesregierung der Auffassung der Leiterin des Reverse-Projektes zu, dass die „Art und Weise, wie diese Themen [durch genderkritische Akteure, d. F.] verhandelt“ werden, „auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt “ bedrohten (https://idw-online.de/de/news684356)? a) Falls ja, was sind die Gründe der Bundesregierung, dieser Auffassung zuzustimmen ? b) Falls nein, aus welchen Gründen stimmt die Bundesregierung dieser Auffassung nicht zu? Die Fragen 5 und 6 werden im Zusammenhang beantwortet. Die Bundesregierung ist grundsätzlich der Auffassung, dass Bestrebungen, die sich gegen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern richten, demokratische Werte verletzen. Das Vorhaben REVERSE leistet einen Beitrag zur empirischen Analyse von Diskursen zur Liberalisierung der Geschlechterverhältnisse in Deutschland. Es wird untersucht, welche Aspekte am Wandel der Geschlechterverhältnisse und staatlicher Gleichstellungspolitiken als krisenhaft empfunden werden, wie sich Widerstand dagegen formiert und wie vor diesem Hintergrund der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8788 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Bestehen seitens der Bundesregierung Pläne, Projekte zu fördern, die sich, komplementär zu dem von der Bundesregierung geförderten o. g. Projekt zum „Anti-Feminismus“, wissenschaftlich mit dem Phänomen Misandrie beschäftigen? a) Falls ja, kann die Bundesregierung Projekte benennen, die sich mit diesem Thema wissenschaftlich auseinandersetzen? b) Falls nein, warum bestehen seitens der Bundesregierung keine Pläne, derartige Projekte zu fördern? Seitens der Bundesregierung gab es keine Ausschreibung zum Thema „Anti- Feminismus“. Das Vorhaben REVERSE wurde auf die in der Antwort zu Frage 1 genannte Bekanntmachung des BMBF zu Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts eingereicht. Anträge zum Thema Misandrie gingen nicht ein. Die Bundesregierung wird auch künftig Bekanntmachungen veröffentlichen, um Forschung im Kontext des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu fördern. 8. Inwieweit stimmt die Bundesregierung dem Befund zu, dass Vorurteile und Diskriminierungen, die durch Misandrie geschürt werden, den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohen? a) Falls ja, welche Gegenmaßnahmen hat die Bundesregierung bisher eingeleitet , um dem entgegenzuwirken? b) Falls nein, warum sieht die Bundesregierung hier keinen Handlungsbedarf ? Vorurteile und Diskriminierungen bergen generell das Potenzial, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bedrohen. Artikel 3 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes bilden die Grundlage staatlichen Handelns durch gesetzliche Regelungen und unterstützende Maßnahmen, um Bevorzugungen oder Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts entgegenzuwirken. 9. Inwieweit stimmt die Bundesregierung dem Befund zu, dass Misandrie ein zentraler Bestandteil des radikalen Feminismus ist, der zur gesellschaftlichen Spaltung beiträgt? a) Falls ja, inwieweit plant die Bundesregierung aufklärerische Kampagnen, um auf diesem Zusammenhang aufmerksam zu machen? b) Falls nein, warum stimmt die Bundesregierung diesem Befund nicht zu? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Die Gleichbehandlung ist grundgesetzlicher Auftrag, dies schließt eine Herabsetzung aufgrund des Geschlechtes aus. 10. Inwieweit plant die Bundesregierung Förderprogramme, die sich wissenschaftlich mit der immer weiter um sich greifenden Männerdiskriminierung beschäftigen? a) Falls ja, wie weit sind diese Förderprogramme vorangeschritten? b) Falls nein, warum plant die Bundesregierung keine derartigen Programme? Der Bundesregierung ist keine „immer weiter um sich greifende strukturelle Männerdiskriminierung“ bekannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/8788 11. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welche wissenschaftlichen Projekte sich derzeit kritisch mit den Gefahren des doktrinär betriebenen Feminismus auseinandersetzen? a) Falls ja, kann die Bundesregierung angeben, welche Projekte das im Einzelnen sind? b) Falls nein, muss daraus geschlossen werden, dass es derartige Projekte nicht gibt? Die Bundesregierung hat darüber keine Kenntnisse. 12. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welches Informationsmaterial die Bundeszentrale für Politische Bildung bereithält, das über den doktrinär betriebenen Feminismus und dessen gesellschaftsspaltende Gefahren aufklärt? a) Falls nein, kann daraus geschlossen werden, dass derartiges Aufklärungsmaterial nicht vorhanden ist? b) Falls ja, kann die Bundesregierung angeben, um welches Material es sich hier im Einzelnen handelt? 13. Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, welches Informationsmaterial die Bundeszentrale für politische Bildung bereithält, das über die gesellschaftsspaltenden Gefahren der Misandrie aufklärt? a) Falls nein, kann daraus geschlossen werden, dass derartiges Aufklärungsmaterial nicht vorhanden ist? b) Falls ja, kann die Bundesregierung angeben, um welches Material es sich hier im Einzelnen handelt? Die Fragen 12 und 13 werden im Zusammengang beantwortet. Es wird auf die Antworten zu den Fragen 10 und 11 verwiesen. Im Übrigen greift das wissenschaftsbasierte Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) aktuelle Debatten und gesellschaftspolitische Wandlungsprozesse auf. So widmet sich die BpB auch dem Wandel der Geschlechterrollen sowie dem Sexismus im breiteren Kontext des Phänomens „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit “ (GMF). In diesem Themenfeld gibt es zahlreiche phänomenübergreifende Maßnahmen der BpB, deren übergeordnetes Ziel es ist, Einschnitte in die Grundrechte von Individuen zu verdeutlichen und hierfür zu sensibilisieren. U. a. mit dem Wandel männlicher Geschlechterrollen beschäftigt sich die Ausgabe „Mannsbilder“ der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (40/2012). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333