Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 26. März 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/8791 19. Wahlperiode 27.03.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Christian Jung, Frank Sitta, Torsten Herbst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/8245 – Schutzmaßnahmen gegenüber Schaulustigen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Schaulustige (im Folgenden Gaffer) sind mittlerweile Teil des Alltages von Einsatz - und Rettungskräften. Die Vorfälle, bei denen laut Berichten Gaffer Einsatzkräfte behindern, häufen sich. So wurden erst kürzlich auf der A8 bei Pforzheim Rettungskräfte bei ihrem Einsatz durch Gaffer gestört (STUTTGARTER ZEI- TUNG, www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.unfall-auf-der-a-8-bei-pforzheim-aussagenueber -gaffer-widersprechen-sich.93beac98-b80b-44f2-a194-a7525fb1d348.html). Auch beim Erreichen der Unfallopfer sehen sich Einsatzkräfte Störungen ausgesetzt , etwa durch Personen, welche Einsatzfahrzeuge ignorieren und Wege blockieren (DIE WELT, www.welt.de/vermischtes/article187335026/Baden- Wuerttemberg-Autofahrer-laesst-Rettungswagen-nicht-ueberholen.html). In diesem Zusammenhang ist das Bilden von Rettungsgassen für die schnellstmögliche Versorgung von Geschädigten essentiell. Bei einem Unfall auf der A61 konnte diese jedoch nur mit großen Bemühungen der Einsatzkräfte gebildet werden (Berliner Morgenpost, www.morgenpost.de/vermischtes/article215087497/ Keine-Rettungsgasse-gebildet-Verfahren-gegen-65-Autofahrer.html). Doch auch wenn Einsatzkräfte die Geschädigten erreichen, sind diese häufig Beleidigungen oder gar massiven Störungen während der Ausführung der Hilfeleistungsmaßnahmen ausgesetzt (www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gaffer-aufder -autobahn-jeder-dritte-haelt-voll-drauf.8631d9ca-2e20-457a-8031-77ab881616e9. html). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8791 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Wie viele Vorfälle in den Jahren 2008 bis 2018 sind der Bundesregierung bekannt, bei denen Gaffer Einsatzkräfte behinderten? 2. Wie viele Vorfälle in den Jahren 2008 bis 2018 sind der Bundesregierung bekannt, bei denen gegen die Bildung einer Rettungsgasse verstoßen wurde? Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Überwachung und Ahndung von Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften obliegt nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes (Artikel 83, 84 GG) den Ländern. Das bedeutet, dass die zuständigen Behörden der Länder in eigener Verantwortung darüber entscheiden, ob, wo, wie oft und mit welchem erforderlichen Einsatz von Personal oder technischen Hilfsmitteln sie Überwachungsmaßnahmen durchführen. Den Ländern obliegt insoweit auch keine Berichtspflicht gegenüber dem Bund. Belastbare bundesweite Fallzahlen zu Ordnungswidrigkeitenverfahren im Straßenverkehr liegen der Bundesregierung daher grundsätzlich nicht vor. Nach Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) liegen zu ausgewählten Delikten mit Bezug zur Behinderung von Einsatzkräften sowie dem Nichtbilden einer Rettungsgasse nachfolgende Begehungszahlen aus den Jahren 2017 und 2018 vor, da aufgrund von Rechtsänderungen für diese Delikte seit 2017 nach Anlage 13 der Fahrerlaubnis-Verordnung Punkte im Fahreignungsregister des KBA eingetragen werden: Ausgewählte Delikte in den Jahren 2017 und 2018 Ausgewählte Delikte 2017 2018 111600 Keine Rettungsgasse 16 p 1403 111601 Keine Rettungsgasse, mit Behinderung 4 p 272 111602 Keine Rettungsgasse, mit Gefährdung - p 6 111603 Keine Rettungsgasse, mit Unfall - p 6 138600 Keine freie Bahn für Einsatzfahrzeug 6 p 631 138601 Keine freie Bahn für Einsatzfahrzeug, mit Gefährdung - p 52 138602 Keine freie Bahn für Einsatzfahrzeug, mit Unfall - p 40 A24 Unterlassene Hilfeleistung, mit Fahrverbot - p 1 A24 Unterlassene Hilfeleistung, mit Entziehung/isolierter Sperre - p 2 Zeichenerklärung - nichts vorhanden oder keine Veränderung p vorläufige, noch nicht veröffentlichte Zahl Bei diesen Zahlen ist zu beachten, dass es sich bei den Auswertungen des Jahres 2018 um vorläufige Zahlen handelt. Für die benannten Delikte des § 323c des Strafgesetzbuches (StGB) (Unterlassene Hilfeleistung) kann zudem keine Differenzierung nach Absatz 1 (Unterlassene Hilfeleistung) und Absatz 2 (Behinderung von hilfeleistenden Personen) der Vorschrift vorgenommen werden. Insoweit ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass § 323c Absatz 2 StGB erst mit Wirkung vom 30. Mail 2017 in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/8791 3. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung seit der Änderung des Strafgesetzbuches für den Schutz der Persönlichkeitsrechte und die Bekämpfung von Gaffern von 2018? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Fragesteller auf den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (StGB) – Effektive Bekämpfung von sogenannten „Gaffern“ sowie Verbesserung des Schutzes des Persönlichkeitsrechts von Verstorbenen (Bundestagsdrucksache 19/1594) Bezug nehmen. Dieser wurde vom Bundesrat am 2. März 2018 beschlossen, mit einer Stellungnahme der Bundesregierung dem Deutschen Bundestag zugeleitet, dort aber noch nicht beraten worden. 4. Sind die gesetzlichen Regelungen zum Schutz vor Gaffern nach Ansicht der Bundesregierung ausreichend, um über eine entsprechende Abschreckung Geschädigte vor Schaulustigen zu schützen? Wenn nein, ist eine Verschärfung der Rahmenbedingungen, z. B. nach österreichischem Modell, mit Strafen bis 2 180 Euro geplant? Bereits nach geltendem Recht macht sich gemäß § 201a des StGB strafbar, wer eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, oder wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Unter diesen Straftatbestand kann insbesondere auch das Fotografieren oder Filmen von verletzten Unfallopfern fallen. Nach § 323c Absatz 2 StGB macht sich ferner strafbar, wer in Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder Hilfe leisten will. Dies kann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden. Erfasst wird damit beispielsweise ein entsprechendes Verhalten bei einem Verkehrsunfall. Die bestehenden Strafvorschriften gewährleisten somit diesbezüglich einen angemessenen strafrechtlichen Schutz für Unfalloper und lassen eine sachgerechte Bewertung jedes einzelnen Sachverhaltes zu. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht vor, die Schutzlücken des § 201a StGB hinsichtlich der Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen in der 19. Legislaturperiode zu schließen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bereitet derzeit einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. 5. Ist der Bundesregierung der gemeinnützige Verein HelfenKannJeder e. V. bekannt, welcher für Einsatzorganisationen Gafferwände aus Spendenmitteln bereitstellt? Wenn ja, welche weiteren Organisationen sind der Bundesregierung bekannt , die sich in diesem Feld engagieren? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse zu Organisationen vor, welche Einsatzorganisationen aus Spendenmitteln Sichtschutzwände zur Verfügung stellen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/8791 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Mit welchen Initiativen und Förderungen unterstützt die Bundesregierung Organisationen, die sich für den Schutz gegen Gaffer einsetzen? 7. Welche eigenen Initiativen plant die Bundesregierung, um aktiv auf das Problem aufmerksam zu machen? Die Fragen 6 und 7 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hat im Rahmen seiner Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ in der Vergangenheit immer wieder das Thema „Gaffer“ aufgegriffen, zum Beispiel in Beiträgen (www.runtervomgas.de/impulse/artikel/gaffen-statt-helfen.html) und Materialien (www.runtervomgas.de/aktionsmaterial/alles.html) zum richtigen Verhalten am Unfallort. Die Materialien werden u. a. über die Kooperation der BMVI/DVR-Verkehrssicherheitskampagne „Runter vom Gas“ mit den Ländern bundesweit bei der Präventionsarbeit von Polizei, Verkehrswachten usw. eingesetzt . Das BMVI wird auch weiterhin im Rahmen seiner Förderung von Präventionsmaßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit das Thema „Gaffen“ auf geeigneten Wegen adressieren, um die Verkehrsteilnehmer für die Problematik zu sensibilisieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333