Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 2. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9130 19. Wahlperiode 04.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Heike Hänsel, Michel Brandt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/8495 – Diplomatische Beziehungen zu Venezuela V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e n s t e l l e r Am 23. Januar 2019 hat sich der Präsident der Nationalversammlung Venezuelas , Juan Guaidó, auf einer öffentlichen Versammlung in Caracas zum Präsidenten des südamerikanischen Landes erklärt („Guaidó erklärt sich zum Präsidenten “, tagesschau.de, 23. Januar 2019). Wenige Minuten nach dieser Proklamation verkündete US-Präsident Donald Trump die Anerkennung Juan Guaidós durch die USA. Weitere Staaten, insbesondere der sogenannten Lima- Gruppe, folgten schnell. Seitdem hat die US-Regierung wiederholt mit einer Militärintervention in Venezuela gedroht, um Präsident Nicolás Maduro abzusetzen („Maduro lässt Ultimatum verstreichen – Trump droht mit Militär“, welt.de, 4. Februar 2019). Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben festgestellt, dass diese Drohungen mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar und damit völkerrechtswidrig seien (WD 2 – 3000 – 014/19). Deutschland und weitere EU-Mitgliedstaaten setzten der venezolanischen Regierung zunächst ein Ultimatum von acht Tagen, um neue Präsidentschaftswahlen auszurufen. Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro wies dieses Ultimatum zurück. Am 4. Februar erkannte die Bundesregierung den Präsidenten der Nationalversammlung Venezuelas, Juan Guaidó, als Präsident Venezuelas an („Gemeinsame Erklärung zu Venezuela“, auswaertiges-amt.de, 4. Februar 2019). Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben in einer Ausarbeitung zur Anerkennung Juan Guaidós festgestellt, dass es „starke Gründe“ für die Annahme gibt, dass es sich bei der Anerkennung Juan Guaidós um eine „Einmischung in innere Angelegenheiten“ handelt (WD 2 - 3000 - 014/19). Die Frage, ob diese als unzulässige Intervention zu bewerten ist, sei „durchaus berechtigt“. Dies hänge in erster Linie davon ab, ob der als Präsident anerkannte Politiker „die effektive Kontrolle über die Staatsgewalt, einschließlich der Streitkräfte und des Sicherheitsapparates, ausübt“. In einer Antwort in der Fragestunde des Bundestages am 13. Februar 2019 zu diesem Thema stellte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, fest, dass die Anerkennung nicht bedeute, „dass sich an den politischen Verhältnissen in Venezuela selbst etwas Grundlegendes geändert hat“ (Plenarprotokoll 19/79, S. 9239). Die Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9130 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bundesregierung hat damit nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller bestätigt, dass Juan Guaidó nicht die effektive Kontrolle über die Staatsgewalt ausübt und die formelle Anerkennung damit völkerrechtswidrig ist. Aus der Anerkennung Juan Guaidós als Präsident ohne reale Macht in dem Land, dessen Staatsoberhaupt er angeblich ist, ergeben sich aus Sicht der Fragesteller konkrete Fragen bezüglich der diplomatischen Beziehungen Deutschlands zur Bolivarischen Republik Venezuela. 1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller , dass die Anerkennung Juan Guaidós als Präsident Venezuelas völkerrechtswidrig ist? Wenn nein, warum nicht? Die Erklärung der Bundesregierung vom 4. Februar 2019 stellt eine politische Anerkennung Juan Guaidós dar, um ihn als Vorsitzenden der letzten verbleibenden demokratisch legitimierten Staatsgewalt Venezuelas, der Nationalversammlung , zu stärken. Verfassungsmäßige Aufgabe von Juan Guaidó als Übergangspräsident in Venezuela ist es, möglichst rasch freie und faire Präsidentschaftswahlen zu organisieren. 2. Hat bzw. hatte Juan Guaidó nach Ansicht der Bundesregierung die effektive oder teilweise Kontrolle über die Staatsgewalt in Venezuela, einschließlich der Streitkräfte und des Sicherheitsapparates a) zum Zeitpunkt der Anerkennung als Präsident Venezuelas durch die Bundesregierung bzw. b) zum Zeitpunkt der Beantwortung der Frage (bitte erläutern)? Maßgeblich für die Erklärung der Bundesregierung ist die in der Antwort zu Frage 1 dargelegte Ansicht, dass Juan Guaidó der Vorsitzende der letzten verbleibenden demokratisch legitimierten Staatsgewalt Venezuelas, der Nationalversammlung , ist. 3. Sind die militärischen Drohungen der USA gegenüber Venezuela nach Ansicht der Bundesregierung mit dem Völkerrecht vereinbar (bitte begründen)? 4. Verurteilt die Bundesregierung die wiederholten Drohungen der Regierung der USA, notfalls militärische Mittel einzusetzen, um Präsident Nicolás Maduro abzusetzen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung setzt gemeinsam mit ihren Partnern auf eine friedliche Lösung des Konflikts in Venezuela. Darüber hinaus bewertet sie Äußerungen der Regierungen von anderen Staaten gegenüber Drittstaaten nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9130 5. Wann, und wo hatte die Bundesregierung in den letzten sechs Monaten persönlichen Kontakt zu Juan Guaidó bzw. dessen Vertreterinnen bzw. Vertretern (Plenarprotokoll 19/79, Antwort auf die Mündliche Frage 24 des Abgeordneten Dr. Dieter Dehm, S. 9264)? Welche Themen wurden dort besprochen? Die Botschaft Caracas führte in den letzten sechs Monaten regelmäßig persönliche Gespräche mit Juan Guaidó, seinen Vertreterinnen und Vertretern im Präsidium der Nationalversammlung sowie anderen Abgeordneten. Wichtigste Themen waren aktuelle politische Entwicklungen, die humanitäre Lage und Menschenrechte . 6. Ist die Bundesregierung weiterhin der Ansicht, dass Juan Guaidó eine gewaltsame Lösung „kategorisch“ ablehnt (Plenarprotokoll 19/79, Antwort auf die Mündliche Frage 23 des Abgeordneten Dr. Dieter Dehm, S. 9241)? Juan Guaidó hat in allen direkten Gesprächen mit der Bundesregierung betont, dass er eine friedliche Lösung der Staatskrise anstrebt. 7. Wie ist der Zustand der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bolivarischen Republik Venezuela? Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bolivarischen Republik Venezuela sind aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Wochen erheblich belastet. Botschafter Kriener befindet sich daher derzeit zu Konsultationen in Berlin. 8. Erkennt die Bundesregierung die Botschaft Venezuelas in Deutschland als Vertretung Venezuelas an? Am Status der Botschaft Venezuelas in Deutschland hat sich nichts geändert. 9. Inwieweit hat die Bundesregierung seit ihrer Anerkennung Juan Guaidós Kontakt zur venezolanischen Botschaft in Deutschland gehabt? Das Auswärtige Amt und die venezolanische Botschaft in Deutschland haben wegen diverser Themen von beiderseitigem Interesse fortwährend Kontakte auf persönliche , telefonische und schriftliche Weise. 10. Wie wird die Bundesregierung formell den von der Nationalversammlung Venezuelas benannten „diplomatischen Vertreter“ Otto Gebauer behandeln („Guaidó nombra representantes diplomáticos para Europa“, efectococuyo.com, 19. Februar 2019)? a) Erkennt sie ihn formell als Botschafter Venezuelas an? b) Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die bestehenden diplomatischen Vertretungen Venezuelas in Deutschland? Die Bundesregierung hat Otto Gebauer am 13. März 2019 erstmals als persönlichen Vertreter des venezolanischen Interimspräsidenten Juan Guaidó empfangen und wird auch weiterhin mit ihm in Kontakt stehen. Für die bestehenden diplomatischen Vertretungen Venezuelas in Deutschland ergeben sich daraus keine Konsequenzen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9130 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. An wen richtet die Bundesregierung seit der Anerkennung Juan Guaidós förmliche Verbalnoten, beispielsweise im Zusammenhang mit der konsularischen Betreuung von in Venezuela inhaftierten deutschen Staatsangehörigen (vgl. Antwort zu Frage 4 auf Bundestagsdrucksache 19/7343)? Im Fall des vom 19. November 2018 bis 15. März 2019 in Venezuela inhaftierten Staatsangehörigen Billy Six hat die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Venezuela förmliche Verbalnoten an das Außenministerium der Bolivarischen Republik Venezuela gerichtet. 12. Hat der auf der Straße ausgetragene Machtkampf von Juan Guaidó mit Präsident Nicolás Maduro im Januar 2019 nach Kenntnis der Bundesregierung die Situation von in Venezuela inhaftierten deutschen Staatsangehörigen verschlechtert , da beispielsweise Anhörungstermine oder Verfahrenseröffnungen abgesagt werden mussten („Guaidó will Machtwechsel mit Demonstrationen erzwingen“, wiwo.de, 26. Januar 2019)? Der deutsche Staatsangehörige Billy Six wurde am 15. März 2019 aus dem Gefängnis entlassen. Er hat Venezuela am 17. März 2019 verlassen. Drei der vier Haftbesuche durch Angehörige der deutschen Botschaft in Venezuela erfolgten nach dem 23. Januar 2019. Im Falle der weiteren, derzeit in Venezuela inhaftierten deutschen Staatsangehörigen , hat die Bundesregierung keine konkrete Kenntnis darüber, dass sich ihre Situation seit dem 23. Januar 2019 unmittelbar verändert hat. 13. Aufgrund welcher Ereignisse betrachtet die Bundesregierung die venezolanischen Präsidentschaftswahlen vom 20. Mai 2018 als „illegitime und undemokratische Wahl“ (Plenarprotokoll 19/79, S. 9238) bzw. als weder frei noch fair? Der Wahlprozess war seit seiner verfassungswidrigen Einberufung durch die (von der Bundesregierung und der Europäischen Union nicht anerkannte) sogenannte verfassungsgebende Versammlung von Unregelmäßigkeiten und Manipulationen geprägt: einseitige Festlegung des Wahltermins durch die Regierung, Ausschluss der wichtigsten Oppositionsparteien durch verwaltungstechnische Schikanen, Ausschluss der aussichtsreichsten Kandidaten der Opposition (soweit nicht ohnehin schon seit längerer Zeit in Haft oder im Exil) und Wählernötigung. Nicolás Maduro verfügte über eine dominante Stellung in den staatlichen Medien und nutzte staatliche Gelder sowohl für den Wahlkampf als auch zur sozialen Kontrolle der Bevölkerung durch die Verteilung staatlicher Lebensmittelpakete. Auf die gemeinsamen Ratschlussfolgerungen vom 28. Mai 2018 (www.consilium. europa.eu/de/press/press-releases/2018/05/28/venezuela-council-adopts-conclusions/) wird verwiesen. 14. Welche „aussichtsreichsten Kandidaten“ (Plenarprotokoll 19/79, S. 9238) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen vom 20. Mai 2018 „bewusst“ durch wen und mit welcher Begründung von den Wahlen ausgeschlossen? Einigen der bekanntesten Oppositionsführer Venezuelas wurde aufgrund von Haft, Hausarrest, ihrer Flucht ins Exil oder Ämterverbote die Möglichkeit verwehrt , sich zur Wahl aufstellen zu lassen, darunter Leopoldo López, Henrique Capriles, Antonio Ledezma und Freddy Guevara. Auch führende Oppositionsparteien wie Primero Justicia, Voluntad Popular oder Acción Democrática wurden durch die Regierung Maduro von der Teilnahme ausgeschlossen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9130 15. Liegen der Bundesregierung jenseits der Vorwürfe, die Präsidentschaftswahlen seien weder fair noch frei gewesen, Beweise für eine Manipulation der Ergebnisse der genannten Wahlen vor? Wenn ja, welche? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. 16. Aus welchem Grund hat die Bundesregierung es bislang unterlassen, im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen von Wahlbetrug zu sprechen? Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich in einer ersten Reaktion am 21. Mai 2018 folgendermaßen: „Das waren nicht die freien und fairen Wahlen, die das venezolanische Volk verdient hat. Wir verurteilen die Einschüchterungsversuche gegenüber der Opposition und fordern die Verantwortlichen auf, endlich humanitäre Hilfe ins Land zu lassen.“ Anschließend legte sich die Bundesregierung mit den anderen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf eine gemeinsame Linie fest, die am 28. Mai 2018 auf Ebene der Außenminister durch gemeinsame Ratsschlussfolgerungen (www. consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/05/28/venezuela-council-adoptsconclusions /) dokumentiert wurde. Diese benennen die Unregelmäßigkeiten im Wahlprozess deutlich. 17. Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass der venezolanische Wahlrat (CNE) oder die venezolanische Regierung die UNO und die EU eingeladen haben, die Präsidentschaftswahlen am 20. Mai 2018 zu beobachten („Consejo Electoral venezolano invita a UE a observar comicios de mayo“, eltiempo.com, 12. April 2018), und wenn ja, aus welchen Gründen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung diese Anfragen negativ beschieden? Die Bundesregierung hat die damals von Außenminister Jorge Arreaza ausgesprochene Einladung zur Kenntnis genommen. Seitens der venezolanischen Regierung wurde kommuniziert, dass eine umfassende Wahlbeobachtung nach venezolanischem Recht nicht statthaft sei. Eine bloße „Wahlbegleitung“ hätte keine echte Beobachtung des Wahlablaufes ermöglicht und somit keine verlässlichen Erkenntnisse geliefert. Die Bundesregierung stimmte daher mit der im EU-Kreis einheitlichen Ansicht überein, dass die notwendigen Voraussetzungen für eine Wahlbeobachtermission nicht gegeben waren. Auch die Vereinten Nationen sowie das Carter Center lehnten eine Wahlbegleitung unter den gegebenen Bedingungen ab. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333