Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 3. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9192 19. Wahlperiode 08.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Herbst, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/8576 – Mindestabstände von Windkraftanlagen zu Verkehrswegen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit den 1990er Jahren steigt die Anzahl der Windkraftanlagen in Deutschland kontinuierlich. Aufgrund dessen beträgt der Anteil der Windkraft am Strommix inzwischen knapp ein Fünftel. Da bei allen industriellen Anlagen mit zunehmendem Alter die Fehleranfälligkeit steigt und Windkraftanlagen inzwischen eine Betriebszeit von über 20 Jahren haben, häufen sich Berichte über schwerwiegende technische Fehler. Wenn solche Fehlfunktionen auftreten, stellen Windkraftanlagen eine erhebliche Gefahr für ihre unmittelbare Umgebung dar (www.welt.de/wirtschaft/article176699938/Windkraft-TUEV-sieht-in-den- Anlagen-tickende-Zeitbomben.html). Dies gilt in besonderem Maße für Windkraftanlagen in der Nähe von Verkehrswegen. Beispielsweise sind bei in Folge von Materialermüdung brechenden Rotorblättern oder Bränden schwere Unfallszenarien denkbar (www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/riesigerfluegel -von-windrad-abgebrochen-16034018.html). Um dieser Gefahr vorzubeugen , ist die Einhaltung von Mindestabständen zu Verkehrswegen sowie eine bessere technische Kontrolle unerlässlich. Bisher gibt es dazu jedoch keine bundeseinheitlichen Regelungen. Die einzelnen Länder beschränken sich vielmehr auf sehr unterschiedliche Vorgaben in Bezug auf Mindestabstände zu Verkehrswegen . 1. Ist nach Ansicht der Bundesregierung die Einhaltung eines Mindestabstandes von Windkraftanlagen zu Verkehrswegen sinnvoll, und wenn ja, wie groß sollte dieser nach Auffassung der Bundesregierung sein? Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf für eine bundeseinheitliche Abstandsregelung für Windkraftanlagen zu Verkehrswegen. Im Rahmen der Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen sind bestehende Verkehrswege ausreichend zu berücksichtigen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9192 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 2. Welche gesetzlichen Sicherheitsabstände müssen derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung beim Bau von folgenden Infrastrukturwegen a) Bundesfernstraßen, b) Landesstraßen/Staatsstraßen, c) Kreisstraßen, d) Gemeindestraßen, e) Sonstige öffentliche Straßen, f) Gleisanlagen und Schienenwegen, g) Wasserstraßen bzw. h) Überlandleitungen in den einzelnen Ländern eingehalten werden (bitte nach Ländern aufschlüsseln und angeben, ob es sich um Bundes- oder Landesrecht handelt)? Es ist davon auszugehen, dass bestehende Windkraftanlagen im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften errichtet wurden und damit standsicher sind und etwaige Gefahren etwa durch Eiswurf durch geeignete Nebenbestimmungen ausgeschlossen worden sind. Rücken Infrastrukturwege wie öffentliche Straßen, Gleisanlagen und Schienenwege oder Wasserstraßen später an die Windkraftanlage heran, ist etwaigen Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die Windkraftanlage in der Planung je nach Örtlichkeit durch geeignete Anforderungen etwa an die Trassierung Rechnung zu tragen. Dies gilt nicht, soweit der Bau der Infrastrukturwege bereits bei Genehmigung der Windkraftanlage in Planung war und dem durch geeignete Nebenbestimmungen Rechnung getragen wurde. Gesetzliche Vorgaben zu Sicherheitsabständen heranrückender öffentlicher Straßen, Wasserstraßen sowie Gleisanlagen und Schienenwegen zu Windkraftanlagen gibt es nicht. Hinsichtlich Stromleitungen ist § 49 des Energiewirtschaftsgesetzes zu beachten, wonach Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Die Einhaltung wird vermutet, wenn die Regeln des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. eingehalten worden sind. Die technische Regel DIN EN 50341 enthält Vorgaben zur bautechnischen Planung von Freileitungen, um sicherzustellen, dass die Freileitung ihren Zweck in Bezug auf Personensicherheit, Errichtung, Betrieb, Instandhaltung und Umweltfragen erfüllt. Die Regel schreibt u. a. Mindestabstände zu Verkehrswegen , Gebäuden und weiteren Freileitungen vor. Die Abstände sind davon abhängig , mit welcher Spannung die Leitung betrieben wird. 3. Sieht die Bundesregierung Bedarf für eine bundeseinheitliche Abstandsregelung ? Falls ja, plant die Bundesregierung, eine solche umzusetzen? Falls nein, warum nicht? Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf für eine bundeseinheitliche Abstandsregelung im Falle von an die Windkraftanlage heranrückender Infrastrukturwege . Im Rahmen der Planfeststellung der Infrastrukturwege können bestehenden Windkraftanlagen etwa durch eine geeignete Wahl der Trassierung ausreichend berücksichtigt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9192 4. Sind die einzelnen Abstandsregelungen der Länder nach Auffassung der Bundesregierung ausreichend im Falle der Havarie einer Windkraftanlage? 5. Hält die Bundesregierung die gültigen Sicherheitsabstände von Bundesfernstraßen für ausreichend im Falle der Havarie einer Windkraftanlage? Die Fragen 4 und 5 werden gemeinsam beantwortet. Die bestehenden Rechtsvorschriften zur Standsicherheit gewährleisten, dass Windkraftanlagen standsicher sind. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. 6. Wie viele Windkraftanlagen gibt es derzeit in Deutschland, und wie viele davon wurden mit einem Abstand von weniger als 50 Metern zu einem der in Frage 2 aufgeführten Verkehrswege errichtet? Mit Stand 31. Dezember 2018 gab es in Deutschland über 29 200 Windenergieanlagen . Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Inwiefern einzelne Windenergieanlagen einen Abstand von 50 Metern zu den o. g. Verkehrswegen unterschreiten , ist der Bundesregierung nicht bekannt. 7. Wie wird sichergestellt, dass Windkraftanlagen (z. B. aufgrund von Licht‐ und Schatteneffekten, Eiswurf, Bedrängungswirkung oder Trümmerwurf z. B. nach Blitzschlägen und Stürmen) nicht zu einer Beeinträchtigung des Verkehrs und dessen Sicherheit führen? Die Länder haben entsprechende Maßnahmen formuliert. Für den Bereich der Eisenbahnen des Bundes empfiehlt das Eisenbahn-Bundesamt bestimmte Sicherheitsabstände , um denkbare Gefährdungs-, Schädigungs- oder Störpotentiale und damit mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Sicherheit und den Ablauf des Bahnbetriebes zuverlässig ausschließen zu können. Diese Mindestabstände werden auch bei der Errichtung von Schienenwegen in der Nähe von bestehenden Windenergieanlagen beachtet. Auch die übrigen Verkehrsträger achten darauf, dass eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf den Verkehrsanlagen ausgeschlossen ist und fordern entsprechende Nebenbestimmungen bzw. Sicherheitsabstände. Bei der Errichtung der Windenergieanlagen längs öffentlicher Straßen sind die straßenrechtlichen Anbauverbote einzuhalten. Soweit unter dem Gesichtspunkt des vorbeugenden Immissionsschutzes und der Gefahrenvorsorge erforderlich, werden von den zuständigen Behörden weitergehende Sicherheitsabstände gefordert. 8. Plant die Bundesregierung die Einführung einer bundesweit verpflichtenden regelmäßigen Kontrolle der Windkraftanlagen durch den TÜV, indem die Anlagen als Industrieanlagen eingestuft werden und auf Basis der Betriebssicherheitsverordnung geprüft werden? Falls ja, wann soll dies geschehen? Falls nein, warum nicht? Für eine Prüfpflicht von Windkraftanlagen auf Basis der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) kommt es nicht auf eine Einstufung als Industrieanlagen an. Ziel der BetrSichV ist es, die Sicherheit und den Schutz der Gesundheit von Beschäftigten bei der Verwendung von Arbeitsmitteln zu gewährleisten. Hinsichtlich überwachungsbedürftiger Anlagen regelt die BetrSichV zugleich Maßnahmen zum Schutz anderer Personen im Gefahrenbereich dieser Anlagen. Im Vor- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9192 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode dergrund steht bei der BetrSichV der Arbeitsschutz. Sie verpflichtet den Arbeitgeber , Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu treffen. Dazu gehören auch Prüfungen, die in der Regel von hierzu befähigten Personen durchzuführen sind. Dabei entscheidet grundsätzlich der Arbeitgeber eigenverantwortlich über Art, Umfang und Fristen von Prüfungen sowie über die Qualifikation der Prüferinnen und Prüfer. Lediglich bei bestimmten überwachungsbedürftigen Anlagen sind dem Arbeitgeber so genannte Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS, u. a. TÜV) als Prüferinnen und Prüfer verbindlich vorgegebenen. Der Katalog überwachungsbedürftiger Anlagen ist abschließend in § 2 Nummer 30 des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) vorgegeben, hierüber kann die auf das ProdSG gestützte BetrSichV nicht hinausgehen. Windkraftanlagen sind in § 2 Nummer 30 ProdSG derzeit nicht aufgeführt, das heißt, sie können derzeit nicht den besonderen Prüfpflichten der BetrSichV für überwachungsbedürftige Anlagen unterworfen werden. Das Produktsicherheitsgesetz ist auf Grund europarechtlicher Änderungen in absehbarer Zeit einer Revision zu unterziehen. In diesem Zusammenhang wird auch die bisherige Liste überwachungsbedürftiger Anlagen auf der Grundlage neuer technischer Erkenntnisse und Erfahrungen kritisch zu hinterfragen sein. 9. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, damit schwerwiegende Defekte an Windkraftanlagen, wie z. B. durch Brände oder Materialermüdung , möglichst frühzeitig erkannt und abgestellt werden? In Deutschland besteht ein anerkannter und praxisbewährter Ansatz zur regelmäßigen Überwachung und Prüfung der Sicherheit von Windenergieanlagen. So erfolgen in regelmäßigen Abständen von zwei bis vier Jahren – abhängig vom Anlagenalter – sogenannte Wiederkehrende Prüfungen (WKP), also Überprüfungen der gesamten Windenergieanlage einschließlich der Stand- und Funktionssicherheit . Die Wiederkehrenden Prüfungen werden von unabhängigen Sachverständigen bzw. Prüfstellen durchgeführt, die durch die Genehmigungsbehörden anerkannt sein müssen. Die WKP sind wie folgt vorgeschrieben: In der Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), die entsprechende WKP anordnet; In der Baugenehmigung, z. B. im Hinblick auf die Standsicherheit des Fundaments ; In der „Richtlinie für Windenergieanlagen“ des Deutschen Instituts für Bautechnik , die bundeseinheitliche Kriterien für die WKP von Windenergieanlagen festlegt. Auflagen im Rahmen der BImSchG-Genehmigung erfordern zudem regelmäßige Inspektionen und Wartungen der Windenergieanlagen. So wird ein verlässliches, ausreichend hohes Sicherheitsniveau der Windenergienutzung in Deutschland erreicht. Die technischen Regelungen werden kontinuierlich weiterentwickelt. Sie sind Grundlage für die Genehmigungsverfahren der zuständigen Landesbehörden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333