Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 8. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9205 19. Wahlperiode 09.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Torsten Herbst, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/8530 – Kundenbezogene Pünktlichkeitserfassung bei der Deutschen Bahn AG V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Pünktlichkeit im Schienenverkehr muss nach dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Wahlperiode ein Markenzeichen der Eisenbahnen in Deutschland sein. In Anbetracht der derzeitigen Pünktlichkeitswerte der Deutschen Bahn AG (DB AG) im Fernverkehr ist klar, dass dieser Anspruch gegenwärtig nicht erfüllt wird. Laut Angaben der DB AG waren im Fernverkehr im Jahresdurchschnitt 2018 lediglich 74,9 Prozent aller Züge pünktlich, also mit weniger als sechs Minuten Verspätung unterwegs. Komplett ausgefallene Züge sind dabei in dieser Statistik noch gar nicht erfasst. Die Bahn ist damit nicht nur weit vom eigenen Pünktlichkeitsziel von 82 Prozent entfernt, sondern schneidet auch deutlich schlechter ab als im Vorjahr (vgl. www.tagesschau.de/wirtschaft/ bahn-verspaetung-101.html). In den vergangenen fünf Jahren hat die DB AG kein einziges Mal eine Pünktlichkeitsquote der Fernverkehrszüge von über 80 Prozent erreicht (siehe Bundestagsdrucksache 19/3247). Hinzu kommt, dass sich aus diesen Pünktlichkeitswerten nur eine stark eingeschränkte Aussage über die tatsächliche Wirkung von Verspätungen für die Fernzugfahrgäste in Deutschland ableiten lässt. Dies ist darin begründet, dass das derzeitige System der Pünktlichkeitserfassung bei der DB AG die einzelnen Züge und nicht die Passagiere in den Mittelpunkt stellt. Im Gegensatz dazu messen zum Beispiel die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) den „prozentualen Anteil aller pünktlich Reisenden“ und den „prozentualen Anteil aller Umsteigenden mit gewährtem Anschluss“ (Quelle: https://company.sbb.ch/de/medien/ dossier-medienschaffende/weitere-dossiers/kundenpuenktlichkeit.html). Nach Auffassung der Fragesteller ist es wahrscheinlich, dass die Pünktlichkeit nach Reisenden derzeit bei noch schlechteren Werten liegt als die aktuelle Pünktlichkeitsquote nach Zügen. Für diese Annahme spricht, dass passagierspezifische Elemente, wie die Ein- und Ausstiegsgeschwindigkeit, die Zug- und Bahnhofsauslastung sowie die Trassenauslastung auf viel befahrenen Strecken, in erheblichem Maße zu Verspätungen beitragen. Dieser Sachverhalt ist auch der DB AG bekannt. So geht aus einem Papier der DB AG hervor, dass 60 Prozent der Verspätungen im Fernverkehr ihren Ursprung an den zehn verkehrs- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9205 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode stärksten Bahnhöfen in Deutschland haben (Quelle: www.businessinsider.de/ bahn-sprecher-erklaert-warum-ices-selbst-bei-eiltempo-nicht-puenktlicher-sind- 2018-4). Dabei führt die DB Fernverkehr AG nach Angaben der Bundesregierung eine „Messung der kundenbezogenen Pünktlichkeit“ auf der Reisekette im Fernverkehr der DB bereits durch (siehe Bundestagsdrucksache 19/3247). Diese Messung entspricht dabei „grundsätzlich“ methodisch der Pünktlichkeitserfassung der SBB. Umso überraschender ist es, dass die DB AG ungeachtet der Erfassung der kundenbezogenen Pünktlichkeit nach wie vor in der öffentlichen Darstellung lediglich auf den Anteil der pünktlichen Fernzüge verweist. Nach Auffassung der Fragesteller lässt diese Berechnungsmethode keine hinreichende Bewertung der Qualität des Personenfernverkehrs auf der Schiene zu. Im Zentrum der deutschen Bahnpolitik muss vielmehr der Anspruch stehen, Passagiere pünktlich zu befördern. Diesem Anspruch sollte die DB AG bei der Pünktlichkeitsstatistik gerecht werden. Nur durch eine realistische Einschätzung kann der gesamte Verkehrsträger Schiene hinreichend auf die zukünftigen Herausforderungen im Mobilitätsbereich vorbereitet werden. 1. Erfasst die Deutsche Bahn AG nach Kenntnis der Bundesregierung die kunden - und zugbezogene Pünktlichkeit in allen ihren Fernzügen? 2. Falls ja, warum wird die kundenbezogene Pünktlichkeit nach Auffassung der Bundesregierung zwar erfasst, aber weder veröffentlicht noch in der öffentlichen Kommunikation verwendet? 3. Hat die Bundesregierung gegenüber der Deutschen Bahn AG in den letzten fünf Jahren darauf hingewirkt, die kundenbezogene Pünktlichkeit in Fernzügen zu erfassen und zu veröffentlichen? Falls ja, in welcher Form ist dies geschehen? Falls nein, warum nicht? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Ermittlung der kundenbezogenen Pünktlichkeit ist eine Aufgabe der Verkehrsunternehmen . Nach Auskunft der Deutschen Bahn AG (DB AG) werden die kunden- und zugbezogene Pünktlichkeit aller Fernzüge der DB Fernverkehr AG berücksichtigt. Die DB AG hat die Reisendenpünktlichkeit (kundenbezogene Pünktlichkeit) erstmals für das Jahr 2017 ermittelt und im Geschäftsbericht der DB Fernverkehr AG veröffentlicht. Die DB AG zieht in Erwägung monatlich die Reisendenpünktlichkeit zusätzlich zu der zugbezogenen Pünktlichkeit zu veröffentlichen . 4. Wie hat sich die kunden- und zugbezogene Pünktlichkeit in den Fernzügen der Deutschen Bahn AG nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte pro Jahr einzeln aufschlüsseln)? Nach Auskunft der DB AG lag die Reisendenpünktlichkeit 2017 bei 84,3 Prozent und im Jahr 2018 bei 80,1 Prozent. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9205 Entwicklung der zugbezogenen Pünktlichkeit: 2009 81,2% 2010 72,6% 2011 80,0% 2012 79,1% 2013 73,9% 2014 76,5% 2015 74,4% 2016 78,9% 2017 78,5% 2018 74,9% 5. Mit welcher Systematik erfasst die Deutsche Bahn AG die kunden- und zugbezogene Pünktlichkeit in Fernzügen? Nach Auskunft der DB AG werden für die Berechnung der Reisendenpünktlichkeit für die täglich rund 400 000 Fahrgäste im Fernverkehr die Daten im Gegensatz zur betrieblichen Pünktlichkeit nicht nur gemessen, sondern auch simuliert und berechnet. Dazu werden die täglichen Buchungsdaten von ca. 270 000 Reisenden mit den Pünktlichkeitsdaten der ca. 7 000 Fernverkehrshalte verknüpft, ausfallende und Ersatzzüge berücksichtigt und für jeden nicht erreichten Anschluss konkrete Alternativverbindungen ermittelt und bewertet. Für die ca. 130 000 Reisen ohne exakte Buchungsdaten (BahnCard 100, Streckenzeitkarten, Interrail usw.) werden Simulationsrechnungen insbesondere auf der Basis der Verkaufs- und Nutzungsstatistiken durchgeführt. Jede Reise wird analog den konkret gebuchten Verbindungen mit der realen Betriebssituation in Verbindung gesetzt und bewertet. Die Reisen von Fernverkehrsfahrgästen werden dann als pünktlich gewertet, wenn die Fahrgäste mit weniger als 15 Minuten Verspätung am Zielort ihrer Reise ankommen. Die zugbezogene Pünktlichkeit ergibt sich aus dem Anteil pünktlicher Ankünfte in Bezug auf alle Unterwegs- und Endhalte in Deutschland. Ein Halt wird als pünktlich gewertet, wenn die Ankunftszeit innerhalb von 5 Minuten und 59 Sekunden erreicht wird. 6. Wie hat sich die kunden- und zugbezogene Pünktlichkeit auf den am zehn stärksten befahrenen ICE- und IC/EC-Strecken in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte pro Jahr und Strecke einzeln aufschlüsseln)? Nach Auskunft der DB AG bezieht sich die Reisendenpünktlichkeit auf die gesamte Reise in ICE- und IC/EC-Zügen. Es wird ermittelt, ob ein Fahrgast seinen Zielort pünktlich oder verspätet erreicht. Eine Auswertung nach Strecken erfolgt nicht. Die zugbezogene Pünktlichkeit bezieht sich auf die Ankunft an einem Verkehrshalt , weshalb sich keine Aussage zur Pünktlichkeit einer Strecke ergibt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9205 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Welche Maßnahmen können nach Auffassung der Bundesregierung dazu beitragen, Verspätungen an den verkehrsstärksten Bahnhöfen zu reduzieren? Die DB AG setzt im Rahmen der Agenda für eine bessere Bahn einen Maßnahmenplan für deutlich mehr Pünktlichkeit und Qualität um. Hierzu gehören vor allem Maßnahmen zur besseren Koordination im stark belasteten Schienennetz sowie zur Steigerung der Fahrzeugverfügbarkeit. Darüber hinaus entwickelt die DB AG geschäftsfeldübergreifend weitere Maßnahmen zur Steigerung der Pünktlichkeit . 8. Wie bewertet die Bundesregierung die sogenannte Pofalla-Wende (Umkehr der Züge bereits vor Erreichung des eigentlichen Zielbahnhofs) als Instrument der Deutschen Bahn, um Zugumläufe bei Verspätungen für eine pünktlichere Rückfahrt zu optimieren (vgl. www.wiwo.de/unternehmen/ dienstleister/um-puenktlicher-zu-werden-deutsche-bahn-spielt-fahrgaestegegeneinander -aus/23672036.html)? Im Rahmen des Engpassmanagements der DB AG ist es das Ziel, Verspätungen zu vermeiden. Soweit das vorzeitige „Endenlassen“ nicht zur Überfüllung des folgenden Zuges führt, ist die vorzeitige Wende bei Verspätungen in der Größenordnung der Taktzeit zur Erhaltung größtmöglicher Fahrplansicherheit nicht zu beanstanden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333