Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 15. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9550 19. Wahlperiode 17.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/8859 – Auswirkungen der Vielzahl von Verhaftungen und Entlassungen von Beamten der türkischen Sicherheitsbehörden auf Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Seit Beginn des offenen Machtkampfes zwischen der türkischen Regierung und der Gülen-Bewegung Ende 2013 sowie insbesondere nach dem Putschversuch im Juli 2016 wurden in der Türkei zehntausende Polizeibeamte und Justizbeamte unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft oder der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung – der sogenannten Fethullah-Terrororganisation (FETÖ) – ihres Postens enthoben sowie festgenommen oder in Untersuchungshaft genommen (www.zeit.de/politik/ausland/2019-01/tuerkei-festnahmeterrorverdacht -putsch-guelen). In der Staatsverwaltung arbeitenden Mitgliedern der Gülen-Bewegung werden zudem Manipulation von Ermittlungsverfahren und Fälschung von Beweisen – etwa im Ergenenkon-Prozess – gegen führende Militärs und säkulare Persönlichkeiten vorgeworfen (www.judiciaryofturkey.gov.tr/pdfler/hsyk_karar440.PDF, S. 7; www.anadoluturkhaber.com/TR/Detail/Gulens-Police-Confess-Fabricating- Evidence-In-Ergenekon-Trial/3631; http://en.milligazete.com.tr/turkish_military_ totally_cleared_of_coup_plotters/4652). Der seit November 2016 inhaftierte ehemalige Vorsitzende der linken prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP), Selahattin Demirtas, spricht ebenfalls davon, dass die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen auf von Gülen-nahen Juristen manipulierten bzw. fabrizierten Beweisen beruhen (https://m.bianet.org/english/politics/197335- demirtas-i-m-kept-in-custody-on-fabricated-evidence). Unter den wegen mutmaßlicher FETÖ-Mitgliedschaft inhaftierten ehemaligen Angehörigen von Ermittlungsbehörden befinden sich auch Beamte, die nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller jahrelang eng mit deutschen Ermittlungsbehörden im Zuge des internationalen polizeilichen Informationsaustausches und der Rechtshilfe kooperiert haben. Bei diversen in der Bundesrepublik Deutschland gegen mutmaßliche terroristische Vereinigungen im Ausland nach § 129b des Strafgesetzbuchs (StGB) geführten Prozessen kommt solches Beweismaterial aus der Türkei zur Verwendung. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9550 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Diese Materialien wurden nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller vielfach von türkischen Ermittlern beigebracht, die inzwischen selbst wegen dem Vorwurf der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung und der Manipulation von Beweismaterial inhaftiert sind. Nach Ansicht der Fragestellerinnen und Fragesteller sollten von solchen Personen im Zuge des internationalen polizeilichen Informationsaustausches oder der Rechtshilfe beigebrachte zweifelhafte Beweise zu Gerichtsverfahren in Deutschland nicht zugelassen werden. 1. Wie viele Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie Bedienstete der Justizbehörden der Türkei (einschließlich Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2013 unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vom Dienst suspendiert, entlassen, festgenommen, in Untersuchungsoder Strafhaft genommen (bitte nach Justiz- und Polizeiangestellten und möglichst auch nach Funktionen innerhalb des Justiz- und Polizeiapparates aufschlüsseln)? Öffentlich zugänglichen Quellen zufolge wurden während des von der türkischen Regierung verhängten Notstands zwischen dem 20. Juli 2016 und dem 18. Juli 2018 per Verordnung 38 304 Polizeibeamte entlassen und 24 225 suspendiert. Davon wurden 1 110 entlassene Polizeibeamte wieder eingestellt; bei 3 939 wurde die Suspendierung aufgehoben. Es wurden außerdem 11 702 Bedienstete der Justizbehörden einschließlich Richter und Staatsanwälte entlassen und 739 suspendiert. 277 wurden wieder eingestellt, bei 221 wurde die Suspendierung aufgehoben . Seit dem 15. Juli 2016 wurden öffentlich zugänglichen Quellen zufolge mindestens 13 121 Polizeibeamte und mindestens 2 848 Richter und Staatsanwälte in Polizeigewahrsam genommen. Mindestens 9 044 Polizeibeamte und mindestens 2 310 Richter und Staatsanwälte wurden verhaftet. Wie viele von ihnen wieder freigelassen wurden, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. 2. Wie viele und welche Polizistinnen und Polizisten bzw. Bedienstete der Justizbehörden der Türkei in welcher Position, die im Zuge des internationalen polizeilichen Informationsaustausches oder der Rechtshilfe mit den deutschen Behörden im regelmäßigen Austausch oder Kontakt standen, wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit 2013 unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft bzw. Unterstützung oder Propaganda für die sogenannte Fethullah- Terrororganisation (FETÖ) fest- oder in Untersuchungshaft genommen bzw. bereits verurteilt? Der Bundesregierung sind keine konkreten Fälle im Sinne der Fragestellung bekannt geworden. 3. Wann, wie oft, auf welche Weise und in welchem Zusammenhang hatten nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche Polizei- und Justizbehörden welche Art von Kontakten mit den bei der Antiterrorabteilung der Istanbuler Polizeibehörden beschäftigten Beamten Y. A. und Ö. K.? a) Welche Position und welchen Aufgabenbereich hatten A. und K. nach Kenntnis der Bundesregierung? b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über eine Festnahme, Verhaftung und mögliche Anklage von A. und K. unter dem Vorwurf der FETÖ-Mitgliedschaft nach dem Putschversuch vom Juli 2016? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9550 c) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die gegenwärtige Situation von A. und K.? d) Wann, inwieweit und in welchen Verfahren und bezüglich welcher in der Bundesrepublik Deutschland als mutmaßlich terroristisch verfolgter Gruppierungen aus der Türkei wurde welches von A. und K. angefertigte und/oder übermittelte Material und welche Informationen in welchem Umfang an welche deutschen Behörden übergeben? e) Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob A. und K. von Seiten der türkischen Justiz auch der Manipulation oder Fälschung von Beweismaterial in Ermittlungsverfahren beschuldigt werden? Die Fragen 3 und 3a bis 3e werden auf Grund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen dazu keine eigenen Erkenntnisse vor. f) Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus einer möglichen Inhaftierung dieser beiden Polizeibeamten aufgrund des Vorwurfes der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bezüglich der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der von A. und K. nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller im Zuge der Amtshilfe an deutsche Behörden übergebenen Informationen, Materialien und Beweise? Mangels eigener Erkenntnisse trifft die Bundesregierung keine Schlussfolgerungen . Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5b verwiesen. 4. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, dass ehemals für die türkische Polizei und Justiz tätige Mitglieder der Gülen-Bewegung heute von Seiten der türkischen Justiz und Regierung beschuldigt werden, systematisch Beweismaterial in Strafverfahren manipuliert und gefälscht zu haben, und wenn ja, welche? Nach Kenntnis der Bundesregierung beschuldigen türkische Behörden die Gülen- Bewegung der Manipulation der Strafverfahren durch ihre mutmaßlichen Vertreter in der Staatsanwaltschaft und der Justiz. So werfen türkische Behörden etwa einigen ehemaligen türkischen Staatsanwälten vor, dass sie als Mitglieder der Gülen-Bewegung in Kooperation mit Polizeibeamten unter anderem Beweismittel gefälscht haben sollen. Einem der Staatsanwälte wird darüber hinaus Medienberichterstattung zufolge vorgeworfen, im Rahmen der Ermittlungen im Vorfeld der „Ergenekon“- und „Balyoz“-Prozesse mit falschen Beweisen zur Verhaftung zahlreicher Personen beigetragen zu haben. 5. Inwieweit werden bei Verfahren nach dem § 129b StGB gegen die Vereinigungen Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML), Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) und Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) Informationen und Beweismaterialien benutzt, die im Zuge des internationalen polizeilichen Informationsaustausches oder der Rechtshilfe aus der Türkei erlangt wurden? In Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Mitglieder der TKP/ML (Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten), der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) und der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) wegen des Verdachts der Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Absatz 1 in Verbindung mit § 129a Absatz 1, Absatz 4 StGB finden auch Erkenntnisse über den Bestand, die Strukturen und die Aktivitäten der jeweiligen Organisationen außerhalb der Bundesrepublik Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9550 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Deutschland Verwendung, die im Zuge des internationalen polizeilichen Informationsaustausches und der internationalen Rechtshilfe aus der Türkei erlangt wurden. a) Inwieweit wurden solche Informationen und Beweismaterialien nach Kenntnis der Bundesregierung von Angehörigen der türkischen Justizund Polizeibehörden erbracht, die mittlerweile selbst unter dem Vorwurf der Unterstützung, Mitgliedschaft oder Propaganda der in der Türkei als terroristische Vereinigung FETÖ gelisteten Gülen-Bewegung ihres Postens enthoben, festgenommen oder in Haft genommen oder angeklagt oder bereits verurteilt wurden? In einem derzeit anhängigen Strafverfahren gegen zehn Angeklagte wegen des Verdachts der Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Absatz 1 in Verbindung mit § 129a Absatz 1, Absatz 4 StGB (Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten/TKP/ ML), wurde, wie aus öffentlicher Hauptverhandlung bekannt, durch die Verteidigung eines Angeklagten vorgetragen, der an der Erstellung eines Tatortprotokolls der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft in der Türkei beteiligte Staatsanwalt sei als überzeugter Anhänger von Fethullah Gülen unmittelbar nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 inhaftiert worden. Eine inhaltliche Unrichtigkeit des Tatortprotokolls wurde von der Verteidigung weder behauptet noch näher ausgeführt . Über diesen Einzelfall hinaus liegen keine weiteren Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. b) Welche generellen Schlussfolgerungen bezüglich der Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit von Informationen, Materialien und Beweisen, die von Angehörigen des türkischen Justiz- und Polizeiapparates, die nun selbst der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Fälschung oder Manipulation von Beweismaterial in Ermittlungs- und Strafverfahren beschuldigt werden, zieht die Bundesregierung? Die Glaubhaftigkeit und die Zuverlässigkeit der von der Türkei übermittelten Informationen sind im Einzelfall anhand einer Gesamtschau aller verfügbaren Erkenntnisse zu bestimmen. 6. Inwieweit und seit wann liegen Verfolgungsermächtigungen des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gegen die Vereinigungen Maoistisch-Kommunistische Partei (MKP) und Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) oder Teile dieser Vereinigungen oder diesen Vereinigungen angehörende Einzelpersonen nach § 129b StGB vor? Es liegen bislang keine Verfolgungsermächtigungen im Sinne der Fragestellung vor. 7. Inwieweit und mit welchem Ergebnis gab oder gibt es Ermittlungen oder Vorermittlungsverfahren gegen die MKP und MLKP bzw. Teilbereiche dieser Vereinigungen nach § 129b StGB, und warum wurden solche Ermittlungen bzw. Vorermittlungen gegebenenfalls zwischenzeitlich eingestellt? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 3a der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/9779 verwiesen. Die Abklärungen im Prüfvorgang gegen unbekannte Mitglieder und Unterstützer der MLKP (Marxistische-Leninistische Kommunistische Partei Türkei/Nordkurdistan) führten zur Bejahung eines Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9550 Anfangsverdachts wegen Straftaten der Mitgliedschaft in und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Absatz 1 in Verbindung mit § 129a Absatz 1, Absatz 5 StGB. Von einer Strafverfolgung wurde jedoch abgesehen, weil die Voraussetzungen des § 153c Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StPO vorlagen. Die Abklärungen im Prüfvorgang gegen unbekannte Mitglieder und Unterstützer der MKP (Maoistische Kommunistische Partei) führten nicht zur Bejahung eines Anfangsverdachts wegen Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Absatz 1 in Verbindung mit § 129a Absatz 1, Absatz 5 StGB. Der Prüfvorgang wurde daraufhin geschlossen. 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