Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums Wirtschaft und Energie vom 16. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9658 19. Wahlperiode 23.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Leif-Erik Holm, Tino Chrupalla, Dr. Michael Espendiller, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD –Drucksache 19/8809– Mögliche Gefährdung der Realisierung von Nord Stream 2 V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Nachdem Frankreich Anfang Februar 2019 signalisiert hatte, die von der EU- Kommission angestrebten und nach Ansicht der Fragesteller gegen den Bau und die Nutzung der Erdgasleitung Nord Stream 2 gerichteten Änderungen der EU- Gasrichtlinie (2009/73/EG) zu unterstützen und Deutschland damit seine Sperrminorität in dieser Frage im EU-Rat verloren hatte, wurde vor der Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV) ein informeller Kompromiss zwischen Deutschland und Frankreich geschlossen (www.sueddeutsche.de/wirtschaft/ nord-stream-kompromiss-frankreich-deutschland-1.4322208). Nach Angabe des Bundesministers für Wirtschaft und Energie Peter Altmaier ermöglicht der im Trilog von EU-Rat, EU-Kommission und EU-Parlament übernommene Kompromiss die Realisierung von Nord Stream 2, und nach dem Bundesminister des Auswärtigen Heiko Maas sei es nach der Einigung in Brüssel nun an den Unternehmen, über die Fertigstellung der Pipeline zu entscheiden (www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gas-pipeline-deutschland-rechnet-mit -fertigstellung-nord-stream-2-pipeline/23992058.html?ticket=ST-2590527-P fcsTME3O0EAiaC5xxxO-ap6). Weiter gäbe es zwar noch ungeklärte Rechtsfragen , aber Deutschland könne in erheblicher Weise an den Entscheidungen zur Regulierung von Nord Stream 2 mitwirken, so Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in einer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag zum Thema Nord Stream 2 (http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/19/19079.pdf). Zudem erwarte er wegen der neuen EU-Gasmarktrichtlinie Änderungen an der Eigentümerstruktur der Pipeline (www.wiwo.de/politik/deutschland/gas-pipelinealtmaier -nord-stream-2-pipeline-kann-vollendet-werden/23992210.html). Andere Medien berichteten im Rahmen der LNG-Konferenz am 12. Februar 2019, dass mit der Einigung im Trilog die Option, mit der russischen Seite über Ausnahmeregelungen verhandeln zu können, „zugemauert“ wurde bzw. die EU- Gasrichtlinie nun auch für Nord Stream 2 gelte und die EU-Kommission als Aufsichtsbehörde Ausnahmen, wie sie für Nord Stream 2 notwendig wären, prüfen könne (www.deutschlandfunk.de/kompromiss-in-bruessel-eu-gasrichtliniegilt -nun-auch-fuer.1766.de.html?dram:article_id=440937). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9658 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Dass die EU-Gasrichtlinie zukünftig auch für Gaspipelines aus Drittstaaten gelten wird, deckt sich mit dem Bericht des EU-Verbindungsbüros des Deutschen Bundestages (www.bundestag.btg/Wissen/Europa/Berichte/2019_04.pdf). Dort wird darüber hinaus darauf hingewiesen, dass die formelle Annahme der neuen Gasrichtlinie durch das EU-Parlament bzw. der Abschluss des Änderungsverfahrens für Anfang April 2019 geplant ist. Ebenfalls berichtet das Verbindungsbüro , dass die endgültige Entscheidung über von Mitgliedstaaten als notwendig erachtete Ausnahmen für Gaspipelines, die nach dem 1. Januar 2019 ihren gewerblichen Betrieb aufgenommen haben, bei der EU-Kommission läge. Dass nach Änderung der EU-Gasrichtlinie noch eine Ausnahmegenehmigung für Nord Stream 2 erforderlich sein könnte, wurde nach Kenntnis der Fragesteller bisher nicht von der Bundesregierung öffentlich kommuniziert. Ein Blick in die überarbeiteten Änderungsanträge zur Gasrichtlinie zeigt darüber hinaus die Kriterien, nach denen die EU-Kommission Ausnahmen prüft (www. europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0143_DE.pdf). Änderungsantrag 16 besagt, dass die EU-Kommission bei der Beschlussfassung über Ausnahmen für neue Gasinfrastrukturen berücksichtigt, ob Wirtschaftssanktionen gegen das Drittland verhängt wurden, aus dem die neue Gasinfrastruktur herausführt . Nach Ansicht der Fragesteller werden sich die von der EU erst im Dezember 2018 verlängerten Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland negativ auf eine eventuell erforderliche Ausnahmegenehmigung der EU-Kommission für Nord Stream 2 auswirken, sofern diese beantragt werden muss. Entsprechend stellen diese beiden Punkte nach Ansicht der Fragesteller ein erhebliches Risiko für die Fertigstellung und/oder die Nutzung von Nord Stream 2 dar, das nicht klar von der Bundesregierung kommuniziert wurde. Abschließend hat die Bundesregierung am 20. Februar 2019 in ihrem schriftlichen Bericht gegenüber dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages – 19(9)272 – erklärt, dass die mit Frankreich gefundene Lösung den Umfang der Regulierung durch die Europäische Kommission begrenze , eine Regulierung durch den Mitgliedstaat erfolge, die Bedingungen für Ausnahmen für neue Leitungen ergänzt würden und Mitgliedstaaten von der Kommission für Vertragsverhandlungen mit Drittstaaten ermächtigt werden müssten. Die Bundesregierung äußerte sich auch hier nicht zu einer etwaig erforderlichen Ausnahmegenehmigung durch die EU-Kommission für Nord Stream 2. 1. Wann soll Nord Stream 2 nach Kenntnis der Bundesregierung fertiggestellt werden, und wann soll die Pipeline in Betrieb genommen werden? Nach Kenntnis der Bundesregierung plant das Unternehmen Nord Stream 2, die Pipeline bis Ende 2019 fertigzustellen und in Betrieb zu nehmen. 2. Ist Nord Stream 2 nach Kenntnis der Bundesregierung gemäß der neuen Gasrichtlinie eine bestehende oder eine neue Gasinfrastruktur? Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich um eine neue Gasinfrastruktur , da sie voraussichtlich erst nach Inkrafttreten der Revision der Erdgasbinnenmarktrichtlinie fertig gestellt werden wird. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9658 3. Ist die Europäische Kommission ermächtigt, Ausnahmegenehmigungen für neue Gasinfrastrukturen zu erteilen? a) Falls ja, nach welchen Kriterien prüft die EU-Kommission die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen? b) Falls nein, wie bewertet die Bundesregierung Änderungsantrag 12 zur EU-Gasrichtlinie in Bezug zu Nord Stream 2, der besagt, dass neue Gasverbindungsleitungen auf Antrag für bis zu fünf Jahre von Teilen der neuen Gasrichtlinie ausgenommen werden können? Genehmigungen zur Gewährung einer Ausnahme werden nach Artikel 36 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG von den nationalen Regulierungsbehörden erteilt und der Europäischen Kommission notifiziert. Die Letztentscheidung liegt bei der Europäischen Kommission. Zu den Voraussetzungen zählen u.a., dass sich durch die Investition der Wettbewerb bei der Gasversorgung und die Versorgungssicherheit verbessert und die Ausnahme sich nicht nachteilig auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes oder das effiziente Funktionieren des regulierten Netzes auswirkt. Die zuständige nationale Behörde teilt der Europäischen Kommission unverzüglich die Entscheidung zusammen mit allen für die Entscheidung bedeutsamen Informationen mit, die der Europäischen Kommission eine fundierte Entscheidung ermöglichen. 4. Ist für Nord Stream 2 eine Ausnahmeregelung erforderlich? 5. Liegt eine verbindliche Ausnahmegenehmigung für Nord Stream 2 vor? a) Falls ja, wann wurde der Antrag gestellt, wann hat die EU-Kommission über den Antrag entschieden, und wo ist die Genehmigung für Nord Stream 2 dokumentiert? b) Falls nein, wann plant die Bundesregierung eine Ausnahme für Nord Stream 2 bei der Europäischen Kommission zu beantragen, und wie rechtfertigt sich die in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte Aussage von Bundesaußenminister Heiko Maas, dass es nun an den Unternehmen sei, über Nord Stream 2 zu entscheiden, wenn die Entscheidung über Nord Stream 2 voraussichtlich ab April 2019 bei der EU-Kommission bzw. der Genehmigung einer Ausnahme für Nord Stream 2 liegt? 6. Wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Europäische Kommission eine Ausnahmegenehmigung für Nord Stream 2 erteilt? Die Fragen 4 bis 6 werden gemeinsam beantwortet. Die Entscheidung für konkrete Zertifizierungsanträge bzw. die Inanspruchnahme vorgesehener Ausnahmemöglichkeiten liegt bei den betroffenen Unternehmen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9658 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 7. Werden sich nach Ansicht der Bundesregierung die von der EU verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf eine Ausnahmegenehmigung für Nord Stream 2 auswirken, und wenn ja, wie werden sie sich auswirken? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die von der Europäischen Union verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Nord Stream 2 Pipeline haben. 8. Welche konkreten Schritte will die Bundesregierung unternehmen, um Nord Stream 2 zu nutzen, sollte die Europäische Kommission keine Ausnahmegenehmigung für Nord Stream 2 erteilen? Soweit der Bundesregierung bekannt, hat das Unternehmen Nord Stream 2 bisher keine Entscheidung über konkrete Zertifizierungsanträge bzw. die Inanspruchnahme vorgesehener Ausnahmemöglichkeiten getroffen. 9. Sieht die Bundesregierung in der Abhängigkeit von Ausnahmegenehmigungen der Europäischen Kommission für eine Gaspipeline zwischen Deutschland und Russland eine Beschneidung ihres Rechts, selbst über die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung bestimmen zu können, bzw. einen Konflikt zwischen der neuen Gasrichtlinie und Artikel 194 Absatz 2 Satz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (bitte begründen)? Artikel 194 Absatz 2 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestimmt die Freiheit der Mitgliedstaaten bei der Wahl zwischen Energiequellen und der Bestimmung der allgemeinen Struktur der Energieversorgung . Davon unabhängig sind Maßnahmen, die für das Funktionieren des Binnen- und Energiemarkts erforderlich sind. Diese liegen in der Kompetenz der Union und werden im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Artikel 194 Absatz 1, Absatz 2 Unterabsatz 1 AEUV erlassen. Die Bundesregierung sieht deshalb keine Beschneidung ihres Rechts, über die Wahl zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung bestimmen zu können. 10. Beinhaltete der Kompromiss zwischen Deutschland und Frankreich im Vorfeld des Treffens des AStV, dass die EU-Kommission über eine Ausnahmeregelung bezüglich Nord Stream 2 entscheiden darf? a) Falls ja, worauf gründet sich die in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte, von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gegenüber der Presse geäußerte Zuversicht, dass Nord Stream 2 realisiert werden wird? b) Falls nein, wie bewertet die Bundesregierung die Abweichung von den Absprachen im Vorfeld des Treffens der AStV? Nein, das Verfahren zur Gewährung einer Ausnahme war bereits vor dem Kompromiss zwischen Deutschland und Frankreich zur Änderung der Gasrichtlinie in Artikel 36 der Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG geregelt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9658 11. Welche konkreten Mitwirkungsrechte hat die Bundesregierung, und wie wirken sich die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier angesprochenen Mitwirkungsrechte an Nord Stream 2 auf Ausnahmegenehmigungen der Europäischen Kommission für neue Gasinfrastrukturen aus? Wie in der Antwort zu Frage 3 ausgeführt, liegt die Prüfung von Entscheidungen nach Artikel 36 der Richtlinie 2009/73/EG bei den nationalen Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten. 12. Welche sind die vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gegenüber der Presse in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnten noch ungeklärten Rechtsfragen? Prüft die Bundesregierung die derzeit noch ungeklärten Rechtsfragen, und wann rechnet sie mit ersten Ergebnissen? Der von Deutschland und Frankreich eingebrachte Kompromiss ist vom Rat der Europäischen Union und vom Europäischen Parlament bestätigt worden, so dass keine Rechtsfragen mehr zu klären sind. 13. Wäre die Pipeline mit Hinblick auf die von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte andere erwartete Eigentümerstruktur der Pipeline nach Ansicht der Bundesregierung mit jetziger Eigentümerstruktur zulässig? Welche Konsequenzen hätte die Beibehaltung der jetzigen Eigentümerstruktur nach Ansicht der Bundesregierung? Die Bundesregierung erwartet, dass der Betrieb von Nord Stream 2 im Einklang mit den Regeln des 3. Binnenmarktpakets organisiert wird. Es obliegt dem Unternehmen zu entscheiden, in welcher konkreten Rechtsform dies umgesetzt wird. 14. Wie bewertet die Bundesregierung den mit Inkrafttreten der neuen Gasrichtlinie vorliegenden Sachverhalt, dass für eine Gasinfrastruktur zum einen der Rechtsrahmen der EU und zum anderen der russische Rechtsrahmen gilt, nachdem Nord Stream 2 durch Hoheitsgewässer oder Ausschließliche Wirtschaftszonen der EU als auch Russlands führt und damit EU-Recht in russischen Hoheitsgewässern gelten soll? Nach Erwägungsgrund Nr. 9 bleibt die Anwendbarkeit der Richtlinie 2009/73/EG auf Gasfernleitungen aus Drittländern und in Drittländern auf das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten beschränkt. In Bezug auf Offshore-Ferngasleitungen soll die Richtlinie im Küstenmeer des Mitgliedstaats gelten, in dem der erste Kopplungspunkt mit dem Netz der Mitgliedstaaten gelegen ist. Eine Ausdehnung des Geltungsbereichs der Erdgasbinnenmarktrichtlinie auf Hoheitsgewässer der Russischen Föderation ist damit nach Auffassung der Bundesregierung nicht gegeben und dies war auch zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Verhandlungen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333