Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 25. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9672 19. Wahlperiode 25.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Christian Wirth, Dr. Bernd Baumann, Dr. Gottfried Curio, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/8723 – Definition der deutschen Volkszugehörigkeit V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In dem durch die Internetseite https://netzpolitik.org/2019/wir-veroeffentlichendas -verfassungsschutz-gutachten-zur-afd/ öffentlich gemachten Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) „Gutachten zu tatsächlichen Anhaltspunkten für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung in der ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) und ihren Teilorganisationen“ wird mehrfach auf das Verständnis des Wortes „Volk“ verwiesen. Ein Indiz für eine verfassungsfeindliche Gesinnung sei zum einen ein rassistisches Volksverständnis , welches das Volk als eine in sich geschlossene, biologische Abstammungsgemeinschaft definiert. Der Einschätzung, dass eine solche Definition verfassungsfeindlich sei, schließen sich die Fragesteller ausdrücklich an und sie soll nicht Gegenstand dieser Kleinen Anfrage sein. Ferner wird jedoch im Gutachten des BfV ein Volksverständnis, welches das Volk als eine ethnisch-kulturelle Gemeinschaft definiert, nach Ansicht der Fragesteller in die Nähe einer Verfassungsfeindlichkeit gerückt. In manchen Passagen des Gutachtens genügt sogar ein bloßes Rekurrieren auf die Kultur als mögliches Merkmal eines verfassungsfeindlichen Volksbegriffes. Beispiel: „Der AfD ist ein kulturdeterministisches Gesellschaftsbild eigen, das von einer grundlegenden Prägung des Staatsvolks durch einen Komplex aus Traditionen und hergebrachten Werten ausgeht und ‚einen souveränen Nationalstaat‘ als institutionelle Voraussetzung für deren Erhaltung ansieht. […] Der konstitutive Charakter, der in der Positionierung der Aussage als einleitende Feststellung im entsprechenden Kapitel zum Ausdruck kommt, akzentuiert die konstatierte Haltung der AfD zur Rolle der Kultur als identitätsstiftendes Moment noch einmal besonders. Die Bemerkung, wonach ‚auch ein neues Politikverständnis‘ die Kultur als ‚zentrale Klammer‘ sehen müsse, deutet kryptisch auf eine übersteigerte Bedeutung der kulturellen Verbundenheit als maßgebliches Kriterium für die Zugehörigkeit zum Volk hin, bleibt an dieser Stelle aber zu undeutlich, um ein etwaiges verfassungsfeindliches Volksverständnis zu begründen.“ (Gutachten Kapitel C I. 1.1.1). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9672 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Die im Gutachten immer wieder angeführte Begründung für eine Verfassungsfeindlichkeit eines solchen Volksbegriffes ist stets, dass er Menschen von grundgesetzlich garantierten Staatsbürgerrechten exkludiere, welche nicht unter diese Definition fallen. Aus Sicht der Fragesteller wird hier jedoch die Volkszugehörigkeit in unzulässiger Weise mit der Staatsangehörigkeit gleichgesetzt. Aus Sicht der Fragesteller muss ein deutscher Staatsangehöriger nicht zwingend Teil des deutschen Volkes sein. So konstatiert beispielsweise Artikel 6 der Verfassung des Freistaates Sachsen: „Die im Land lebenden Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit sind gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes.“ Ebensowenig muss aus Sicht der Fragesteller ein deutscher Volkszugehöriger zwingend deutscher Staatsbürger sein. Dies erkennt auch die Bundesregierung an. So ist beispielsweise auf der Internetseite des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten zu lesen: „In der Republik Serbien , insbesondere in der autonomen Provinz Vojvodina, leben ca. 3 500 – 4 000 serbische Bürger deutscher Volkszugehörigkeit“ (www.aussiedler beauftragter.de/AUSB/DE/Themen/deutsche-minderheiten/deutsche-minderheiteneuropa /moe-staaten/moe-staaten_node.html). Die enge Verbundenheit des deutschen Staates mit den deutschen Minderheiten im Ausland manifestiert sich auch über finanzielle Unterstützung Letzterer durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Ein weiteres Indiz, welches gegen eine Verfassungsfeindlichkeit eines ethnischkulturellen Volksbegriffs spricht, sehen die Fragesteller in der Tatsache, dass das Bundesvertriebenengesetz eine ebensolche Definition heranzieht: „Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird“ (BVFG § 6 Absatz 1). Das Bundesvertriebenengesetz knüpft damit an Artikel 116 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) an, demzufolge Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind. Nach einer juristischen Lehrmeinung lässt diese Gleichstellung bestimmter Volksdeutscher mit deutschen Staatsangehörigen „den Rückschluss zu, dass die Zugehörigkeit zu der deutschen Nation im ethnisch-kulturellen Sinne auch den grundsätzlich maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit bilden soll“ (BeckOK Grundgesetz/Hillgruber GG Artikel 116 Rn. 2 bis 4). 1. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass es sich bei dem auf netzpolitik .org veröffentlichten Gutachten um das vom Bundesamt für Verfassungsschutz erstellte Gutachten handelt, dessen Ergebnisse am 15. Januar 2019 in der Pressekonferenz des Bundesamtes für Verfassungsschutz vorgestellt wurden? a) Wenn nein, handelt es sich um eine Vorabversion? Die Bundesregierung ist zur Beantwortung außer Stande, da ein Abgleich des Gutachtens des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem auf netzpolitik.org veröffentlichten Gutachten nicht stattgefunden hat. b) Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, wie dieses als vertraulich eingestufte Gutachten an die Öffentlichkeit gelangen konnte? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9672 2. Hält die Bundesregierung einen ethnisch-kulturellen Volksbegriff für verfassungsfeindlich (bitte erläutern)? Die Einschätzung der Bundesregierung orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Grundgesetz kennt einen ausschließlich an ethnischen Kategorien orientierten Begriff des Volkes im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetztes (GG) nicht (BVerfG, Urteil v. 17. Januar 2017, 2 BvB 1/13, Rn. 690). Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass gemäß Artikel 20 Absatz 2 Satz 1 GG das Volk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, „von den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Artikel 116 Absatz 1 gleichgestellten Personen“ (BVerfGE 83, 37 <51>) gebildet wird. 3. Stimmt die Bundesregierung zu, dass das Bundesvertriebenengesetz in § 6 Absatz 1 eine ethnisch-kulturelle Definition der Volkszugehörigkeit vornimmt , wenn dort auf Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur verwiesen wird (wenn nein, bitte erläutern inwiefern Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur als Merkmale einer deutschen Volkszugehörigkeit von der Bundesregierung nicht als ethnisch-kulturelle Merkmale verstanden werden)? Bei dem Begriff der Volkszugehörigkeit aus § 6 Absatz 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) handelt es sich um einen Rechtsbegriff und nicht um eine ethnologische oder ethnisch-kulturelle Definition . Insbesondere gilt § 6 Absatz 1 BVFG in seiner heutigen Fassung lediglich für Personen, die vor dem 1. Januar 1924 geboren sind. Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Den in § 6 Absatz 1 BVFG genannten Merkmalen wie Abstammung, Sprache, Erziehung und Kultur kommt insgesamt nur eine beispielhafte Bedeutung zu. Insofern lässt sich eine Volkszugehörigkeit nicht ausschließlich von diesen Merkmalen ableiten. 4. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich deutsche Volkszugehörigkeit und deutsche Staatsangehörigkeit gegenseitig bedingen (wenn ja, bitte erläutern, warum im Bundesvertriebenengesetz in § 1 Absatz 1 zwischen deutschen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen unterschieden wird und inwiefern die Bundesregierung zwischen Staatsangehörigkeit und Volkszugehörigkeit unterscheidet)? Die Bundesregierung ist nicht dieser Auffassung. Aus Artikel 116 Absatz 1 GG ergibt sich, dass Deutscher im Sinne des Grundgesetzes, vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. Im Bundesvertriebenengesetz wird Artikel 116 Absatz 1 GG konkretisiert. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9672 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 5. Der Begriff „Volkszugehörigkeit“ wird auch in § 25 Absatz 3b des Parteiengesetzes in Bezug auf die in Deutschland lebenden Minderheiten verwendet, inwiefern unterscheidet die Bundesregierung die Definition der Volkszugehörigkeit hier von der Definition in § 6 Absatz 1 des Bundesvertriebenengesetzes ? Der Begriff der Volkszugehörigkeit in § 25 Absatz 2 Nummer 3b des Parteiengesetzes wird weder in dem Gesetz noch in der Begründung zu dem Entwurf der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP für ein Achtes Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes vom 16. April 2002 (Bundestagsdrucksache 14/8778) definiert. Der Begriff bezieht sich ausschließlich auf Parteien nationaler Minderheiten in ihren traditionellen Siedlungsgebieten in Deutschland und erlaubt ihnen ausnahmsweise, Spenden aus Nachbarstaaten Deutschlands annehmen zu dürfen, in denen Angehörige der gleichen Volkszugehörigkeit wie die der Angehörigen der betreffenden nationalen Minderheit leben . Inwiefern sich der Begriff in § 25 Absatz 2 Nummer 3b des Parteiengesetzes von der Definition in § 6 Absatz 1 des Bundesvertriebenengesetzes unterscheidet, war daher noch nicht Gegenstand einer Prüfung der Bundesregierung. 6. Widerspricht die Bundesregierung der Auffassung, dass „die Zugehörigkeit zu der deutschen Nation im ethnisch-kulturellen Sinne auch den grundsätzlich maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit bilden soll“ (BeckOK Grundgesetz/Hillgruber GG Artikel 116 Rn. 2 bis 4) (falls ja, bitte erläutern)? Die Voraussetzungen für die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit, d. h. der Einbürgerung, sind im Grundgesetz, im Staatsangehörigkeitsgesetz sowie in staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften anderer Gesetze geregelt. Die Bundesregierung nimmt im Übrigen keine Stellung zu Kommentarmeinungen in der Literatur und beteiligt sich nicht an der Erörterung abstrakter Rechtsfragen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333