Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 23. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9673 19. Wahlperiode 25.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Stephan Brandner und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/9137 – Erfassung subkulturell geprägter Linksextremisten durch das Bundesamt für Verfassungsschutz V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Verfassungsschutzbericht 2017 heißt es auf Seite 48 im Kapitel Personenpotenzial Rechtsextremismus, dass „die bisherige Darstellungsform des rechtsextremistischen Personenpotenzials von den Kategorien ‚Subkulturell geprägte Rechtsextremisten‘, ‚Neonazis‘, ‚Parteien‘ und ‚Sonstige rechtsextremistische Organisationen‘“ ausginge (www.verfassungsschutz.de/download/vsbericht- 2017.pdf). Weiter zählt der Verfassungsschutzbericht des Jahres 2017 9 200 Personen in dem Bereich der subkulturell geprägten Rechtsextremisten. Im Bereich des linksextremistischen Personenpotenzials wird jedoch keine Aussage zu subkulturell geprägten Personen getroffen. Vergleichbares trifft auch auf die Verfassungsschutzberichte der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern zu. In der Fußnote 3 zur Erfassung des rechtsextremen Personenpotenzials im Verfassungsschutzbericht des Bundes 2017 heißt es: „Hierin sind unter anderem 500 bis 600 als Rechtsextremisten zu wertende ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter ‘ sowie 300 Mitglieder der ‚Identitären Bewegung Deutschlands (IBD)‘ (Verdachtsfall , vgl. hierzu ausführlich S. 80 f.) für das Jahr 2016 enthalten“. Zur IBD lägen tatsächliche Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor, sodass die Gruppierung durch das BfV im Rahmen eines Verdachtsfalls bearbeitet wird. Eine Erfassung des Personenpotenzials von Verdachtsfällen im Phänomenbereich Linksextremismus geht aus der entsprechenden Stelle des Verfassungsschutzberichtes zum Personenpotenzial Linksextremismus (Seite 103) jedoch nicht hervor. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte Fußnote 3 in der Tabelle zum rechtsextremistischen Personenpotenzial im Verfassungsschutzbericht 2017 ist der Kategorie „in sonstigen rechtsextremistischen Organisationen“ zugeordnet. Ein Bezug zur Kategorie „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ besteht somit – anders als die Vorbemerkung der Fragesteller suggeriert – nicht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9673 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Was versteht die Bundesregierung grundsätzlich unter einer „Subkultur“? 2. Was versteht die Bundesregierung im Zusammenhang mit extremistischen Bestrebungen unter einer „Subkultur“? Die Fragen 1 und 2 werden angesichts des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Das Konzept der „Subkulturen“ stammt aus der Soziologie und ist schon dort nicht einheitlich definiert. Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wird der Begriff nicht phänomenübergreifend verwendet, weshalb es auch keine einheitliche Definition des BfV hierfür gibt. Im Phänomenbereich Rechtsextremismus bezeichnet das BfV als Subkultur – angelehnt an den Gebrauch des Begriffes in der Soziologie – die Kultur einer in sich relativ geschlossenen gesellschaftlichen Teilgruppe, die sich in verschiedenen Belangen (z. B. Werte oder Verhaltensweisen) von der gesellschaftlich dominierenden Kultur abgrenzt und dadurch als eigenständige „Unter“-Kultur (i. e. Subkultur ) wahrnehmbar wird. In der Regel besitzen diese Subkulturen keinen explizit politischen Anspruch. In einzelnen Subkulturen sind jedoch politische Strömungen erkennbar, die sich meist aus ideologischen Versatzstücken und weniger aus einem ideologisch geschlossenen Weltbild speisen. Derartige Strömungen können im Einzelfall auch extremistischen Charakter besitzen, so etwa seit den 1980er Jahren im rechtsextremistischen Spektrum der Skinhead-Subkultur. Rechtsextremistische Skinheads machten den überwiegenden Teil des in der bis 2017 angewandten Kategorie „subkulturell geprägte Rechtsextremisten“ erfassten rechtsextremistischen Personenpotenzials aus (s. Antwort zu Frage 3). Kleinere rechtsextremistische Personenpotenziale finden sich in wenigen weiteren „subkulturellen“ Szenen. Hierzu zählen beispielsweise die Black-Metal-Szene, Hooligans oder Rockergruppierungen. In den genannten (gemeinhin unpolitischen ) „Subkulturen“ sind Rechtsextremisten jedoch nur in einem geringen Maße vertreten und dominieren nicht zwangsläufig die gesamte „Subkultur“. Insofern werden diese „Subkulturen“ auch nicht in ihrer Gesamtheit von den Verfassungsschutzbehörden beobachtet. In den Phänomenbereichen Links- und Ausländerextremismus sowie Islamismus /islamistischer Terrorismus verwendet das BfV den Begriff der „Subkultur“ nicht. 3. Wie viele Personen zählt die Bundesregierung zum Personenpotenzial subkulturell geprägter Links-, Rechts- und anderer Extremisten, und wie hat sich die Anzahl seit dem Jahr 2000 entwickelt? Seit dem Jahr 2000 schwankte die Zahl der „subkulturell“ geprägten Rechtsextremisten zwischen mehr als 7 200 und 10 700 Personen. Der Höchststand von 10 700 Personen wurde im Jahr 2002 erreicht. Danach ging die Zahl der Angehörigen des „subkulturellen“ rechtsextremistischen Spektrums bis zum Jahr 2014 auf 7 200 Personen zurück. Seitdem stieg die Zahl erneut stetig an und erreichte im Jahr 2017 mit 9 200 Personen einen vorläufigen Höchststand. Im Jahr 2017 wurde angesichts der strukturellen Veränderungen im Rechtsextremismus die bisherige Darstellung des Personenpotenzials nach inhaltlich-ideologischen Kriterien von einer neuen Kategorisierung abgelöst, die sich am Organisationsgrad orientiert . Seit 2018 wird daher die Kategorie „subkulturell geprägte Rechtsextremisten “ nicht mehr separat ausgewiesen. Die Angehörigen des „subkulturellen“ Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9673 rechtsextremistischen Spektrums finden sich nunmehr als Teilmenge in der Kategorie „weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial“ wieder. Entwicklung des Personenpotenzials „subkulturell“ geprägter Rechtsextremisten im Einzelnen: 2000: 9.700 2001: 10.400 2002: 10.700 2003: 10.000 2004: 10.000 2005: 10.400 2006: 10.400 2007: 10.000 2008: 9.500 2009: 9.000 2010: 8.300 2011: 7.600 2012: 7.500 2013: 7.400 2014: 7.200 2015: 8.200 2016: 8.500 2017: 9.200 Der Begriff der „Subkultur“ wird für eine Kategorisierung von Gruppierungen in den Phänomenbereichen Links- und Ausländerextremismus sowie Islamismus/ islamistischer Terrorismus nicht verwendet und findet daher keine Berücksichtigung bei der Feststellung des Personenpotenzials. 4. Wieso findet die Kategorie der subkulturell geprägten Linksextremisten keine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht? Der Linksextremismus lässt sich – weder strukturell noch hinsichtlich der Verwendung von Begrifflichkeiten – mit dem Rechtsextremismus gleichsetzen. Zwar liegen dem BfV einzelne Randerkenntnisse zu Überschneidungen von Linksextremisten mit etwaigen möglicherweise auch als subkulturell zu bezeichnenden Gruppierungen vor. Diese Gruppierungen sind als solche aber vom gesetzlichen Beobachtungsauftrag des BfV nicht umfasst. Es erfolgt daher keine systematische Beobachtung und entsprechend keine gesonderte Darstellung im Verfassungsschutzbericht. 5. Plant die Bundesregierung die Aufnahme der Kategorie der subkulturell geprägten Linksextremisten in den Verfassungsschutzbericht? Nein. 6. Weshalb erfolgte bislang keine Aufnahme der Kategorie subkulturell geprägter Linksextremisten im Verfassungsschutzbericht? Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 7. Welche weiteren „Subkulturen“ (insbesondere politische oder religiöse) gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung – neben rechts- und gegebenenfalls linksextremistischen –, und wie erfolgt jeweils die Zuordnung zu diesen Kategorien ? Der Begriff der „Subkultur“ wird für eine Kategorisierung von Gruppierungen in den Phänomenbereichen Links- und Ausländerextremismus sowie Islamismus/ islamistischer Terrorismus nicht verwendet. Es erfolgt daher in diesen Bereichen keine Zuordnung zu diesen Kategorien. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9673 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 8. Ist die Praxis bei der Erhebung der jeweiligen Personenpotenziale nach Kenntnis der Bundesregierung in allen Bundesländern und auf Bundesebene gleich, und lassen sich insofern die Ergebnisse auf Länder- und Bundesebene miteinander vergleichen? Welche Unterschiede gibt es gegebenenfalls nach Kenntnis der Bundesregierung in der Erfassung der jeweiligen Personenpotenziale? Die Erhebung des Personenpotenzials erfolgt für alle vom BfV bearbeiteten Phänomenbereiche in einem jährlichen formalisierten Verfahren im Verfassungsschutzverbund . Dabei werden für die verschiedenen Phänomenbereiche jeweils spezifische, die jeweiligen strukturellen Besonderheiten berücksichtigende, Kategoriensysteme zugrunde gelegt, die sich an den jeweils festgelegten Beobachtungsobjekten orientieren. Die Ergebnisse auf Bundes- und Landesebene sind demnach dem Grund nach vergleichbar. Geringe Unterschiede können sich jedoch z. B. aufgrund von unterschiedlichen Voraussetzungen für die Eröffnung der Zuständigkeiten ergeben, die in den Landesgesetzen geregelt sind. Die Erhebung der Personenpotenziale für den Bereich Rechtsextremismus erfolgt nach einem zwischen Bund und Ländern abgestimmten und im Jahr 2017 – angesichts struktureller Veränderungen in der rechtsextremistischen Szene – modifizierten Kategoriensystem zur Erfassung des rechtsextremistischen Personenpotenzials (vgl. Antwort zu Frage 3. Das Kategoriensystem erfasst (1) Parteien, (2) parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen sowie (3) ein weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial. 9. Geht die derzeitige Praxis der Erfassung auf eine Verabredung oder einen Beschluss zwischen dem Bund und einzelnen oder der Gesamtheit der Länder , etwa im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK), zurück, und wie lautet gegebenenfalls der Wortlaut der Verabredung beziehungsweise des Beschlusses, und wann, warum und in welchen Rahmen wurde diese beziehungsweise dieser geschlossen? „Subkulturelle“ Personenpotentiale wurden in den Bund-Länder-Gremien nur im Zusammenhang mit der Skinheadszene, die zum subkulturellen, rechtsextremistischen Spektrum zählt, behandelt. Die rechtsextremistische „subkulturelle“ Skinhead-Szene wurde als eigene Bestrebung seit Anfang der 1990er Jahre nach Abstimmung im Verfassungsschutzverbund beobachtet. Von 1991 bis 2009 wurden die Ergebnisse der Beobachtung jeweils in einem eigenen (Unter-)Kapitel mit der Überschrift „rechtsextremistische Skinheads“ in den Verfassungsschutzberichten des Bundes dargestellt. Auch die Erfassung des Personenpotenzials für die Phänomenbereiche Links- und Ausländerextremismus auf Bundesebene erfolgt jährlich in Abstimmung mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz. Basis bildet eine schriftliche und formalisierte Abfrage bei den Landesbehörden. Die Erhebung des Personenpotenzials orientiert sich an den für die Phänomenbereiche festgelegten Beobachtungsobjekten . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9673 10. Welche Organisationen, Parteien und Personenzusammenschlüsse wurden seit dem Jahr 2000 durch das Bundesamt für Verfassungsschutz oder nach Kenntnis der Bundesregierung der Landesämter für Verfassungsschutz als Verdachtsfall bezeichnet, und wie hoch ist jeweils das Personenpotenzial (bitte einzeln nach Rechtsextremismus, Linksextremismus, Islamismus, extremistische Bestrebungen von Ausländern und Jahreszahl auflisten)? Bezüglich der in der Fragestellung erbetenen Informationen ist die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass die Frage nicht beantwortet werden kann. Es kann insofern keine Antwort erteilt werden, als zum Teil Erkenntnisse, die der Einstufung einzelner Beobachtungsobjekte als „Verdachtsfall “ zugrunde lagen, Verschlusssachengraden bzw. dem Quellenschutz unterliegen. Eine Offenlegung auch nur des Beobachtungsstatus insbesondere kleinerer Personenzusammenschlüsse würde Rückschlüsse auf die Erkenntnislage der Verfassungsschutzbehörden zulassen und dadurch schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen berühren. Das BfV sammelt gemäß § 3 Absatz 1 BVerfSchG im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags Informationen und wertet diese aus. Durch eine Stellungnahme zum Beobachtungsstatus einer Organisation außerhalb der Verfassungsschutzberichte könnten Rückschlüsse auf den Aufklärungsbedarf, den Erkenntnisstand sowie die generelle Arbeitsweise des BfV gezogen werden. Dies würde die Funktionsfähigkeit des BfV und damit das Staatswohl nachhaltig beeinträchtigen. Nach sorgfältiger Abwägung des parlamentarischen Fragerechts mit den Folgen einer Beantwortung für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des BfV ergibt sich, dass eine Beantwortung der Frage durch das BfV nicht erfolgen kann. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333