Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 18. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9677 19. Wahlperiode 24.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Kai Gehring, Omid Nouripour, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 19/8443 – Friedensprozess und Menschenrechtslage in Kolumbien V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In Kolumbien bestand über Jahrzehnte ein blutiger bewaffneter Konflikt zwischen dem Staat und der Rebellengruppe FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia), bei dem mehr als 300 000 Menschen starben. Über sieben Millionen Kolumbianerinnen und Kolumbianer wurden zu Binnenflüchtlingen. Beide Seiten erklärten im Juni 2016 einen endgültigen Waffenstillstand und unterzeichneten im September 2016 ein Friedensabkommen. Die letzten Waffen gaben die FARC im Juni 2017 an die Vereinten Nationen ab, bevor sie sich am 1. September 2017 als neue Partei konstituierten. Die Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Regierung und FARC hatte positive Auswirkungen wie den Rückgang von Gewalt und bewaffneter Auseinandersetzungen. Post-Paramilitarismus führt jedoch in Kolumbien weiterhin zu Vertreibungen und zu Einschränkungen des politischen und sozialen Lebens. Verschärft hat sich die Lage im Januar 2019 durch einen terroristischen Anschlag der Guerilla ELN (Ejército de Liberación Nacional, vgl. www. spiegel.de/politik/ausland/kolumbien-eln-guerilla-bekennt-sich-zu-anschlag-aufpolizeischule -in-bogota-a-1249228.html), die nicht an dem o. g. Friedensabkommen beteiligt ist, mit der noch unter dem ehemaligen Präsidenten Juan Manuel Santos im Februar 2017 ebenfalls Verhandlungen aufgenommen, aber mehrfach auf Eis gelegt worden waren. Nach dem Anschlag im Januar erklärte Kolumbiens Präsident Ivan Duque die Verhandlungen offiziell für beendet. Die kolumbianische Gesellschaft ist von massiven sozialen Spaltungen gekennzeichnet , die den Friedensprozess behindern und die Kriminalität wie etwa den Drogenhandel begünstigen. Kolumbien hat im Rahmen seines OECD-Aufnahmeprozesses die „Erklärung über internationale Investitionen und multinationale Unternehmen“ und die „Erklärung über grünes Wachstum“ unterzeichnet. Trotzdem kommt es auch nach dem Friedensschluss zu massenhaften Vertreibungen und Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger und Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten (vgl. Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Bundestagsdrucksache 19/6599). Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welche aktuellen Schwerpunkte setzt Deutschland bei der Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien, und welche Pläne bestehen seitens der Bundesregierung zur zukünftigen Unterstützung des Versöhnungsprozesses? Schwerpunkte des deutschen Engagements für den Friedensprozess in Kolumbien sind weiterhin die Begleitung des gesellschaftlichen Aussöhnungsprozesses und der Konfliktaufarbeitung sowie die Stabilisierung und nachhaltige Entwicklung besonders vom Konflikt betroffener ländlicher Gebiete. Dieser Fokus wurde auch bei den bilateralen entwicklungspolitischen Regierungsverhandlungen im November 2018 in Bogotá bestätigt und ist auch weiterhin geplant. Unterstützung für den innergesellschaftlichen Versöhnungsprozess kann unter anderem das 2016 gegründete und von der Bundesregierung geförderte Deutsch- Kolumbianische Friedensinstitut CAPAZ (spanisch „Instituto Colombo-Alemán para la Paz“) anbieten. Durch interdisziplinäre wissenschaftliche Begleitung und politische Beratung leistet das Institut einen Beitrag zur Konsolidierung des Friedens in Kolumbien und setzt dabei einen besonderen Fokus auf die Aussöhnung der Gesellschaft, die Stärkung des Rechtsstaatsprinzips und die Konfliktprävention . 2. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die aktuelle Haltung der größeren politischen Parteien des Landes zum Friedensprozess sowie hinsichtlich einer menschenrechtsbasierten Innenpolitik? Der kolumbianische Friedensprozess wird von allen in Kolumbien vertretenen politischen Parteien grundsätzlich unterstützt. In den Parteien bestehen unterschiedliche Vorstellungen zur konkreten Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Friedensvertrag der kolumbianischen Regierung mit der ehemaligen FARC- Guerilla. Die Regierung von Präsident Iván Duque möchte Anpassungen an dem Friedensvertrag vornehmen, durch die insbesondere die Ausgestaltung der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden geändert werden soll. In dieser Forderung wird die Regierungspartei Centro Democrático derzeit nur von Teilen der Konservativen Partei und der Partei Cambio Radical unterstützt. Aktuell setzen sich vor allem Parteien des linken politischen Spektrums, wie Polo Democrático und Alianza Verde, für eine menschenrechtsbasierte Innenpolitik ein. 3. Welche Auswirkungen haben nach Einschätzung der Bundesregierung die Ergebnisse der Kongress- und Präsidentschaftswahlen Anfang des Jahres 2018 und der darauffolgende Regierungswechsel in Bezug auf die bilaterale Zusammenarbeit mit der kolumbianischen Regierung im Zusammenhang mit dem innerstaatlichen Friedensprozess und den Schutz der Menschenrechte ? Deutschland und Kolumbien pflegen seit langem ein freundschaftliches Verhältnis , an dem der Regierungswechsel in Kolumbien im vergangenen Jahr nichts geändert hat. Wenngleich der neue kolumbianische Präsident Duque andere politische Akzente setzt als sein Vorgänger Santos, hält er grundsätzlich an der Umsetzung des unter der Vorgängerregierung geschlossenen Friedensvertrags mit der ehemaligen FARC-Guerilla fest. Als eine Priorität hat er die Verbesserung des Schutzes für bedrohte Führungspersönlichkeiten im sozialen Bereich sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger benannt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9677 4. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass die Maßnahmen im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit einen Beitrag zur Implementierung des Friedensvertrages liefern? Auf politischer Ebene verleiht der Beauftragte des Bundesministers des Auswärtigen zur Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien, Tom Koenigs, seit 2015 diesem Teilaspekt der insgesamt vielschichtigen bilateralen Beziehungen besondere Sichtbarkeit. Maßnahmen im Bereich der Krisenprävention, Stabilisierung und Friedenskonsolidierung werden vor der Bewilligung gründlich auf Zielsetzung , Wirkungslogik und Bedarfsorientierung geprüft. In Zwischen- und Abschlussberichten der Projektpartner gehen diese anhand quantifizierbarer Erfolgsindikatoren auf die Zielerreichung ein. Projekte der Entwicklungszusammenarbeit beruhen zusätzlich auf dem Prinzip der Eigenverantwortung der Partnerländer. Durch die inhaltliche Projektbegleitung sowie einzelne Projektbesuche der Deutschen Botschaft in Bogotá wird zusätzlich sichergestellt, dass die Maßnahmen angemessen umgesetzt werden. a) Was sind die bisherigen Ergebnisse der Auswertungen? Für Ergebnisse im Rahmen der Krisenprävention, Stabilisierung und Friedenskonsolidierung wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 20 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/3054 verwiesen . Exemplarisch werden folgende weiteren Ergebnisse von mit Bundesmitteln geförderten Projekten aufgeführt: Stärkung der Strukturen der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden und der Wahrheitskommission durch technische Beratung; Vertrauensbildung für den Friedensprozess durch Zerstörung der gesamten durch die Mission der Vereinten Nationen (VN) festgestellten Kleinwaffenbestände der ehemaligen FARC Guerilla von 8 994 Kleinwaffen; Konsolidierung des Friedens in Kolumbien durch Aktivitäten des von der Bundesregierung initiierten Deutsch-Kolumbianischen Friedensinstituts CAPAZ (interdisziplinäre wissenschaftliche Begleitung und politische Beratung); Durch die Förderung im Bereich des humanitären Minen- und Kampfmittelräumens konnte ein Beitrag zu Akkreditierung und Kapazitätsaufbau einer neuen kolumbianischen humanitären Minenräumorganisation (Humanicemos DH) geleistet werden, die die Reintegration von 146 ehemaligen FARC-Kombattanten ermöglicht. Des Weiteren konnte eine Gesamtfläche von rund 1,86 Quadratkilometern geräumt werden. Zusätzlich haben rund 600 Opfer von Minen und Kampfmitteln Gruppentherapien, individuelle psychosoziale Begleitung sowie komplementäre Nothilfe und Erstversorgung erhalten. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit hat die Bundesregierung zwischen Oktober 2013 und Juni 2018 insgesamt 40 Vorhaben der Zivilgesellschaft zur Friedensförderung unterstützt. Im Rahmen der laufenden Vorhaben im Friedensbereich wurde bislang unter anderem die Staatsanwaltschaft in den Regionen Meta und Caquetá hinsichtlich der Beschleunigung der Fallbearbeitungszeiten beraten; 115 Familien, deren Land widerrechtlich enteignet wurde oder die Opfer von Vertreibung geworden sind, dabei unterstützt, ihre Rechte auf Restitution wahrzunehmen; Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 25 Initiativen außergerichtlicher Vergangenheitsarbeit von sozialen und staatlichen Organisationen in Meta, Norte de Santander und Caquetá unterstützt; 36 Bildungseinrichtungen bei der Entwicklung und Anwendung von pädagogischen Konzepten zur Vergangenheitsaufarbeitung begleitet und in zwei Fällen die Erarbeitung der regionalen Entwicklungspläne für den Frieden („Planes de Desarrollo con Enfoque Territorial“) unterstützt. b) Sollten noch keine Ergebnisse vorliegen, wann ist mit der Auswertung welcher Maßnahmen zu rechnen? Da zahlreiche Projektmaßnahmen noch laufen, gerade erst angelaufen sind oder erst kürzlich beendet wurden, liegen der Bundesregierung Abschlussberichte, Verwendungsnachweisprüfungen und Erfolgskontrollen noch nicht zu allen geförderten Projekten vor. Weitere Ergebnisberichte werden im Laufe dieses und des nächsten Jahres eingehen. 5. Inwiefern knüpft die Bundesregierung die Neuzusagen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung im Rahmen der „Allianz für Frieden und nachhaltige Entwicklung“ zur Unterstützung des Friedensprozesses in Höhe von 535 Mio. Euro an ein klares Bekenntnis der kolumbianischen Regierung zum ausgehandelten Friedensvertrag mit der FARC und dessen konsequenter Implementierung, und welche Konsequenzen sind vorgesehen, falls die Erwartungen nicht erfüllt werden (www.bmz. de/de/laender_regionen/lateinamerika/kolumbien/index.html)? Die kolumbianische Regierung hat der Bundesregierung im Rahmen der entwicklungspolitischen Regierungsverhandlungen am 22. und 23. November 2018 bestätigt , dass sie weiterhin beabsichtige, den Friedensvertrag mit der ehemaligen FARC-Guerilla von 2016 umzusetzen. Auf dieser Grundlage wurde dort die bilaterale „Allianz für Frieden und nachhaltige Entwicklung“ vereinbart. Im Rahmen einer Sektorbudgetfinanzierung wird die Auszahlung eines Kredits in Höhe von insgesamt 200 Mio. Euro an die Umsetzung zuvor vereinbarter Reformschritte im Zusammenhang mit dem Friedensprozess geknüpft. 6. Inwiefern sind nach Auffassung der Bundesregierung vor dem Hintergrund der Kritik des Präsidenten Duque am Friedensvertrag, der Besetzung zentraler Posten mit Leugnern des bewaffneten Konfliktes (z. B. beim Centro de Memoria Historica www.elcolombiano.com/colombia/paz-y-derechos-humanos/ victimas-rechazan-candidato-para-el-centro-de-memoria-historica-OF10154192) und der Reduzierung des Budgets der Wahrheitskommission um 40 Prozent (www.eltiempo.com/politica/proceso-de-paz/comision-de-la-verdad-va-a-9- regiones-para-esclarecer-el-conflicto-297542) der nötige politische Wille sowie ausreichende finanzielle Mittel vorhanden, um den Friedensvertrag erfolgreich umzusetzen, und welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung , um eine konsequente Umsetzung zu unterstützen? Grundsätzlich besteht ein politischer Wille der kolumbianischen Regierung, den Friedensvertrag mit der ehemaligen FARC-Guerilla umzusetzen, allerdings werden die vereinbarten Ziele anders gewichtet als durch die Vorgängerregierung. Mit dem staatlichen Finanzierungsfonds „Fondo Colombia en Paz“ hat die kolumbianische Regierung ein Finanzierungsinstrument zur Implementierung des Friedensvertrags geschaffen. Derzeit müssen zahlreiche öffentliche Einrichtungen in Kolumbien Budgetkürzungen hinnehmen. Um dazu beizutragen, dass die Arbeit der Friedensinstitutionen trotz der prekären Haushaltslage nicht gefährdet Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9677 wird, unterstützt die Bundesregierung insbesondere für den Friedensprozess integrale Einrichtungen – darunter auch die Wahrheitskommission – bei ihren Aktivitäten . Die Bundesregierung thematisiert den Fortgang des Friedensprozesses regelmäßig in ihren Gesprächen mit der kolumbianischen Regierung. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1, 4 und 5 verwiesen. 7. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung vieler Expertinnen und Experten, dass die Umsetzung der Landreform eines der zentralen Themen zur erfolgreichen Implementierung des Friedensvertrages ist, und wie schätzt sie den derzeitigen Stand der Umsetzung und den politischen Willen der aktuellen Regierung ein (www.deutschlandfunk.de/kolumbien-der-frieden-nachdem -frieden.886.de.html?dram:article_id=418500)? Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung und sieht die extreme Ungleichverteilung von Land sowie das Fehlen einer umfassenden Landreform und ganzheitlichen ländlichen Entwicklung als eine der wesentlichen Ursachen für den bewaffneten Konflikt. Die erfolgreiche Umsetzung der im Friedensvertrag vorgesehenen Landreform ist ein wichtiger Bestandteil nachhaltiger Konfliktbearbeitung. Die Entwicklung eines einheitlichen und multidimensionalen Katastersystems ist ein wichtiges erstes Element auf dem Weg zur Durchführung einer umfassenden Landreform. Hierzu ist ein von der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank unterstütztes Projekt im Umfang von derzeit 150 Mio. Euro geplant . 8. Wie, in welchem Umfang, und mit welchen Akteuren in Kolumbien unterstützt die Bundesregierung die Umsetzung der im Friedensvertrag festgeschriebenen Landreform? Es ist vorgesehen, im Rahmen der 2018 zugesagten Sektorbudgetfinanzierung im Friedensbereich die Entwicklung des Katastersystems in Kolumbien zu flankieren (siehe hierzu auch Antworten zu den Fragen 5 und 7). Zudem fördert die Bundesregierung mit Maßnahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit unter anderem die Umsetzung der regionalen Entwicklungspläne für den Frieden, die Teilhabe der Bevölkerung, die Landrückgabe und die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle im ländlichen Raum. 9. Wie schätzt die Bundesregierung die Rolle der ehemaligen FARC-Rebellen im Friedensprozess ein? Wie gut gelingt nach Kenntnis der Bundesregierung ihre Integration in die Gesellschaft, etwa im Rahmen der entsprechenden UN-Mission? Wie sieht sie ihren persönlichen Schutz, insbesondere in ländlichen Regionen , gesichert? Ein großer Teil der ehemaligen FARC-Mitglieder ist in kollektiven Wiedereingliederungsprojekten engagiert. Ein weiterer Teil, der sich der Demobilisierung nicht angeschlossen hat, bildet die sogenannte FARC-Dissidenz und verübt weiter Gewalttaten. Die kollektiven wirtschaftlichen Wiedereingliederungsprojekte sind unterschiedlich erfolgreich. Die kolumbianische Regierung arbeitet derzeit an nachhaltigen Zukunftsstrategien für jedes einzelne Projekt. Die Bundesregierung unterstützt diese Bemühungen durch Projekte der bi- und multilateralen Zusammenarbeit. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Um den Schutz der ehemaligen FARC-Mitglieder in den Wiedereingliederungszentren (Espacios Territoriales de Capacitación y Reincorporación – ETCR) zu gewährleisten, arbeiten dort drei Seiten zusammen: ehemalige FARC-Angehörige selbst, die kolumbianischen Sicherheitskräfte sowie die Vereinten Nationen. 10. Welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung post-paramilitärische Gruppen bei den sich nach dem Friedensschluss häufenden Gewalttaten und Morden in Kolumbien (www.epo.de/index.php?option=com_content& view=article&id=15034:kolumbien-gewalt-nimmt-zu-trotz-friedensvertrag &catid=29&Itemid=71)? Die Bundesregierung weiß um die Bedeutung der Nachfolgeorganisationen paramilitärischer Gruppen bei den sich nach dem Friedensschluss häufenden Gewalttaten gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger sowie kommunale Führungspersönlichkeiten in Kolumbien. Diese Gruppierungen übernehmen vermehrt die Kontrolle in Gebieten, die die ehemalige FARC-Guerilla nach dem Friedensschluss mit der kolumbianischen Regierung 2016 verlassen hat. Nach Angaben des aktuellen Berichts der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen zur Menschenrechtslage in Kolumbien vom 4. Februar 2019 (https://undocs.org/A/HRC/40/3/ADD.3) wurden 40 Prozent der Morde an Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern und Führungspersönlichkeiten im sozialen Bereich von Nachfolgeorganisationen des Paramilitarismus begangen. Die größte Gruppierung, die unter anderem als „Clan del Golfo“ bekannt ist, wird vom kolumbianischen Verteidigungsministerium auf rund 1 600 Mitglieder geschätzt. 11. Was ist nach Ansicht der Bundesregierung die effektivste Strategie, mittelfristig einen Friedenszustand mit der bewaffneten ELN zu erreichen? Wo sieht die Bundesregierung aufbauend auf den Erfahrungen des FARC- Friedensprozesses vorbildliche Aspekte, wo Verbesserungspotenzial? Um den Konflikt mit der ELN-Guerilla („Ejército de Liberación Nacional“ – „Nationale Befreiungsarmee“) beizulegen, gibt es aus Sicht der Bundesregierung keine tragfähige Alternative zu einer politischen Lösung. Aus diesem Verständnis heraus hat die Bundesregierung gemeinsam mit anderen europäischen Partnern den im Februar 2017 begonnenen Dialogprozess zwischen der damaligen kolumbianischen Regierung und der ELN bis zu dessen Abbruch begleitet. Auslöser für den Abbruch war der schwere Autobombenanschlag auf die Polizeischule General Santander in Bogotá im Januar 2019, zu dem sich die ELN bekannt und den die Bundesregierung in aller Entschiedenheit verurteilt hat. Das vorläufige Ende der Friedensgespräche ist aus Sicht der Bundesregierung ein Rückschlag für die Bemühungen um eine dauerhafte Befriedung Kolumbiens. Um ein günstigeres Klima zu schaffen, das den Konflikt deeskalieren und den Boden für einen neuerlichen Dialoganlauf bereiten könnte, wäre ein wichtiger erster Schritt die umgehende Freilassung der noch in der Gewalt der ELN befindlichen Personen sowie ein Bekenntnis der ELN, Entführungen künftig zu unterlassen. Bemerkenswert bei den Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla war aus Sicht der Bundesregierung der Ansatz, die Opferperspektive in den Mittelpunkt zu stellen. Dieser Aspekt könnte beispielgebend für andere Friedensprozesse sein. Künftige Dialogprozesse sollten eine frühzeitige Einbeziehung der betroffenen Zivilbevölkerung und den sofortigen Umsetzungsbeginn von Teilvereinbarungen anstreben, um von Beginn an eine sogenannte Friedensdividende sichtbar zu machen und die Akzeptanz für eine Verhandlungslösung zu erhöhen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/9677 12. Was hat die Bundesregierung getan, um darauf hinzuwirken, dass die vereinbarten Protokolle zum Schutz der Verhandlungsdelegation beim Friedensdialog mit der ELN in Havanna eingehalten werden, und wieso hat die Bundesregierung sich nicht der Kritik Norwegens und anderer Staaten an den Auslieferungsforderungen durch die kolumbianische Regierung angeschlossen (vgl. Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Mündliche Frage 65 in der Fragestunde am 30. Januar 2019, Plenarprotokoll 19/76)? Deutschland war kein Garantenstaat der Friedensgespräche mit der ELN und anders als Norwegen nicht formell in die Verhandlungen eingebunden. Zur Haltung der Bundesregierung wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 65 der Abgeordneten Heike Hänsel in der Fragestunde am 30. Januar 2019 (Plenarprotokoll 19/76) verwiesen. Diese Position vertritt die Bundesregierung auch gegenüber der kolumbianischen Regierung. 13. Wie wird die Bundesregierung mit der Ankündigung der kolumbianischen Regierung, das Protokoll mit der ELN zur Beendigung der Friedensgespräche nicht umzusetzen, umgehen (www.zeit.de/news/2019-01/19/kolumbienspraesident -will-nach-anschlag-hart-vorgehen-190119-99-629233)? Es wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 14. Wie schätzt die Bundesregierung die Unabhängigkeit der Justiz sowie faire Prozessbedingungen in Kolumbien ein, und wie plant sie diese Bereiche zu unterstützen? Die Unabhängigkeit der Justiz in Kolumbien ist in der kolumbianischen Verfassung von 1991 festgeschrieben. Das kolumbianische Verfassungsgericht hat seine Unabhängigkeit wiederholt durch Urteile unter Beweis gestellt, in denen Vorhaben der Regierung abgelehnt wurden. Diese umfassten auch Fälle, die den Friedensprozess betrafen. Die Bundesregierung unterstützt Institutionen des Justizbereichs in Kolumbien punktuell im Rahmen von Projekten der bi- und multilateralen Zusammenarbeit. Darunter befinden sich insbesondere Projekte zur Stärkung der Sondergerichtsbarkeit für den Frieden. 15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Haftbedingungen in den überfüllten Gefängnissen sowie den Zugang zu anwaltlicher Beratung (www.leonberger-kreiszeitung.de/inhalt.leonberg-ein-puzzleteil-fuer-denfrieden -in-kolumbien.da6be4d5-a297-4617-a36d-36c9202a487d.html)? Die Haftbedingungen in Kolumbien sind je nach Justizvollzugsanstalt sehr unterschiedlich . Generell wird aber eine Überbelegung der Gefängnisse verzeichnet. Diese rangiert nach Kenntnis der Bundesregierung zwischen rund 50 und 300 Prozent. Die kolumbianische Regierung hat die Verbesserung der Lage in den Haftanstalten kürzlich zur Priorität erklärt. Bei der Bereitstellung von Nahrungsmitteln ist eine Grundversorgung gewährleistet . Medien berichten im Zusammenhang mit den Missständen in kolumbianischen Haftanstalten über zahlreiche Korruptionsskandale der staatlichen Justizvollzugsbehörde . Der Zugang zu anwaltlicher Beratung wird nach Kenntnis der Bundesregierung grundsätzlich gewährt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 16. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Effektivität der Strafverfolgung in Kolumbien, und inwieweit ist dabei „Straffreiheit“ ein Problem ? Die geringe Aufklärungsrate bei Gewaltverbrechen und die damit verbundene weitgehende Straflosigkeit stellt nach wie vor ein Problem für die kolumbianische Justiz dar. Aus dem aktuellen Bericht der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen zur Menschenrechtslage in Kolumbien vom 4. Februar 2019 (https://undocs.org/A/HRC/40/3/ADD.3) geht hervor, dass bislang rund 87 bis 94 Prozent der angezeigten Tötungsdelikte straffrei bleiben. Die häufig unzureichende Präsenz der kolumbianischen Generalstaatsanwaltschaft in den ländlichen Regionen Kolumbiens führt häufig dazu, dass Anklagen nicht fristgerecht erhoben werden können und Verfahren daher eingestellt werden müssen bzw. dass übermäßige Untersuchungshaftzeiten anfallen. 17. Wie schätzt die Bundesregierung dabei die Rolle, Möglichkeiten und Kompetenzen der Sonderjustiz für den Frieden (JEP, Jurisdiccion Especial para la Paz) ein, und wie beurteilt die Bundesregierung die Autonomie und Unabhängigkeit der Sonderjustiz? Die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden (JEP) ist eines der drei konstitutiven Elemente des im Friedensvertrag vereinbarten integralen Systems für Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Nichtwiederholung und aus Sicht der Bundesregierung eine entscheidende institutionelle Komponente der Friedensordnung Kolumbiens. Diese verfassungsmäßig festgeschriebene Rolle der JEP wurde auch vom kolumbianischen Verfassungsgericht mehrfach bestätigt. 18. Welche Hintergründe sind der Bundesregierung über Morde an Anführerinnen und Anführern sozialer Bewegungen sowie demobilisierten FARC- Kämpferinnen und -Kämpfern in Kolumbien bekannt? 19. Inwiefern hält die Bundesregierung die Morde an Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern und kommunalen Aktivistinnen und Aktivisten für eine systematische Praxis (www.tagesspiegel.de/politik/ kolumbien-menschenrechtler-in-gefahr/22839498.html)? Welche Kenntnisse hat sie über die Motivlagen? Die Fragen 18 und 19 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Berichte staatlicher, nichtstaatlicher und internationaler Organisationen zeigen, dass Gewalttaten gegen den genannten Personenkreis überwiegend in ländlichen, vom Binnenkonflikt besonders betroffenen Gegenden begangen werden, in denen ein unverändert hohes Gewaltniveau vorherrscht. In der Regel handelt es sich um Gebiete, in denen nach Rückzug der ehemaligen FARC-Guerilla keine oder eine nur geringe staatliche Präsenz besteht und andere Gewaltakteure nun Machtkämpfe um territoriale Kontrolle und Hoheit über illegale Ökonomien austragen. Der Täterkreis wird vor allem organisierten illegalen bewaffneten Gruppierungen zugeordnet. Dazu zählen unter anderem Nachfolgegruppen paramilitärischer Organisationen , die ELN-Guerilla, dissidente FARC-Einheiten sowie kriminelle Banden aus dem Drogenmilieu. Besonders gefährdet sind übereinstimmenden Berichten zufolge Personen, die sich auf lokaler Ebene dadurch exponieren, dass sie sich kriminellen Aktivitäten entgegenstellen, sich für die Umsetzung des Friedensabkommens mit der ehemaligen FARC-Guerilla – insbesondere in den Bereichen Drogensubstitution und Landrechte – einsetzen oder zivile, politische, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/9677 wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Rechte einfordern. Oftmals sind es Menschen , die auf kommunaler Ebene, etwa in Gemeinderäten, öffentliche Funktionen ausüben. Darüber hinaus wird auf den aktuellen Bericht der Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte zur Menschenrechtslage in Kolumbien (https:// undocs.org/A/HRC/40/3/ADD.3) sowie auf den Bericht des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen zur Lage von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern über seinen Aufenthalt in Kolumbien vom 20. November bis 3. Dezember 2018 (www.ohchr.org/Documents/Issues/ Defenders/StatementVisitColombia3Dec2018_EN.pdf) verwiesen. 20. Welche Strategie hält die Bundesregierung für zielführend, um die rasant gestiegenen Mordzahlen an Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern , örtlichen Friedensaktivistinnen und Friedensaktivisten und Gemeindeführerinnen und Gemeindeführern seit Abschluss des Friedensvertrages 2016 wirksam zu reduzieren und die Gewaltverbrechen der letzten zwei Jahre aufzuarbeiten (www.tagesspiegel.de/politik/kolumbienmenschenrechtler -in-gefahr/22839498.html)? Der Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern ist für die Bundesregierung ein zentrales Anliegen. Die Hochkommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Michelle Bachelet, und der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Lage von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern, Michel Forst, haben in ihren aktuellen Berichten eine Reihe von Empfehlungen hierzu abgegeben, die die Bundesregierung grundsätzlich teilt (https://undocs.org/A/HRC/40/3/ADD.3 und www. ohchr.org/Documents/Issues/Defenders/StatementVisitColombia3Dec2018_EN. pdf). Um die Sicherheitslage in den besonders von Gewalt und Konflikt betroffenen Regionen entscheidend zu verbessern, ist es unumgänglich, dort eine umfassende staatliche Präsenz herzustellen, das heißt neben Sicherheitsorganen insbesondere auch zivile Institutionen zu etablieren, und einen ganzheitlichen sicherheits- und entwicklungspolitischen Ansatz zu verfolgen, der die Zusammenarbeit von Regierungsstellen mit regionalen und lokalen Behörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Akteuren aus Politik und Wirtschaft sucht. 21. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die tatsächliche Gewährleistung der Rechte indigener Minderheiten sowie über gewaltsame Vertreibungen von indigenen Gemeinden und Bauernfamilien? Die kolumbianische Verfassung von 1991 schützt indigene Minderheiten. Konfliktbedingt sind sie aber gleichwohl Opfer von Diskriminierung, Armut, Vertreibung und Übergriffen durch Gewaltakteure. Der Friedensvertrag der kolumbianischen Regierung mit der ehemaligen FARC-Guerilla beinhaltet ein Kapitel über Ethnien und den Schutz indigener Rechte. Der nationale Dachverband der indigenen Gruppen in Kolumbien (Organización Nacional Indígena de Colombia, ONIC) unterscheidet 102 ethnische Gruppen, von denen 36 nach Feststellung des kolumbianischen Verfassungsgerichts durch konfliktbedingte Gefährdungen und 31 weitere aufgrund von geringen Geburtenraten und extremer Armut vom physischen und kulturellen Aussterben bedroht sein sollen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 10 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 22. Inwiefern liegen der Bundesregierung Informationen über die Bewaffnung beteiligter Akteure in Kolumbien mit deutschen Waffen vor? Inwiefern kann die Bundesregierung ausschließen, dass deutsche Waffen in den innerstaatlichen Unruhen zum Einsatz kommen? Der Bundesregierung liegen aktuell keine diesbezüglichen Informationen vor. 23. Welche Rüstungsexporte, inklusive Kleinwaffen, wurden von der Bundesregierung im Zeitraum 2015 bis 2020 nach Kolumbien genehmigt bzw. sind vorgesehen (bitte nach Art und Anzahl der Rüstungsgüter sowie Finanzvolumen auflisten)? Es liegen noch keine endgültigen Zahlen für die Jahre 2018 und 2019 vor. Ausgewertet wurden Daten bis zum Stichtag 19. März 2019. Die derzeit vorliegenden Angaben können sich durch Fehlerkorrekturen oder Nachmeldungen noch verändern . Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik . Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet sie im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen. Grundlage hierfür sind die rechtlichen Vorgaben des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG), des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) sowie die „Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern “ aus dem Jahr 2000, der „Gemeinsame Standpunkt des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“ und der Vertrag über den Waffenhandel („Arms Trade Treaty“). Die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland spielt bei der Entscheidungsfindung eine hervorgehobene Rolle. Die Bundesregierung folgt dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Oktober 2014 (BVerfGE 137, 185) und unterrichtet über abschließende positive Genehmigungsentscheidungen sowie die Eckdaten eines Ausfuhrgeschäfts, das heißt über Art und Anzahl der Rüstungsgüter, das Empfängerland und das Gesamtvolumen. Die Bundesregierung sieht gemäß dem zuvor genannten Urteil von weitergehenden Ausführungen ab. Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 19. März 2019 wurden durch die Bundesregierung keine Genehmigungen für die Ausfuhr von Kleinwaffen oder Kleinwaffenteilen nach Kolumbien erteilt. Die in diesem Zeitraum erteilten Einzelausfuhrgenehmigungen für den Export von Rüstungsgütern nach Kolumbien können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden: Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 11 – Drucksache 19/9677 Jahr Güter nach Ausfuhrlistenposition Anzahl der Genehmigungen Wert in Euro 2015 A0004 1 400.000 A0006 1 213.896 A0009 4 86.615.130 A0010 1 32.500 A0011 4 650.864 A0013 1 13.500 A0014 3 43.488 A0015 1 855 A0017 1 94.300 A0021 3 20.703 A0022 4 430.000 Gesamt 2015 18 88.515.236 2016 A0004 1 176.696 A0006 1 1.701.081 A0009 1 2.000 A0010 3 8.143 A0011 4 817.657 A0016 2 422 A0017 2 149.979 A0021 3 14.606 A0022 1 0 Gesamt 2016 16 2.870.584 2017 A0005 1 128.696 A0010 9 30.577 A0011 2 360.181 A0021 1 5.599 A0022 1 200.000 Gesamt 2017 13 725.053 2018 A0009 2 125.171 A0010 8 91.747 A0011 5 810.229 A0021 3 15.216 Gesamt 2018 15 1.042.363 2019 A0011 1 33.820 Gesamt 2019 1 33.820 Die Summe der Anzahlen der AL-Positionen kann in einem Jahr höher als die angegebene Gesamtanzahl sein, da sich auf einer Genehmigung Güter befinden können, die von unterschiedlichen AL-Positionen erfasst sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 12 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 24. Welche Maßnahmen hält die Bundesregierung für zielführend, um den Import von – insbesondere durch bewaffnete Gruppen – illegal abgebautem Gold in Konfliktregionen zu vermeiden, und inwiefern setzt sie sich für diese Maßnahmen bezogen auf Kolumbien ein? Die Bundesregierung erwartet, dass deutsche Unternehmen bei ihren Auslandsaktivitäten die „OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen“ beachten. Die Leitsätze enthalten ein umfassendes Konzept von Sorgfaltspflichten und eines verantwortungsvollen Lieferkettenmanagements in einer Vielzahl von Themenbereichen , unter anderem zum Schutz von Menschen- und Arbeitnehmerrechten, der Umwelt sowie zur Korruptionsbekämpfung. Sie gelten branchenunabhängig und schließen damit sowohl die Rohstoffgewinnung als auch spätere Verarbeitungsstufen in der Wertschöpfungskette ein. Die OECD-Leitsätze werden durch allgemeine und sektorspezifische Handreichungen ergänzt. Dazu gehören die sektorspezifischen „OECD-Leitsätze für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“. Die Sorgfaltspflichten sind grundsätzlich auf alle Minerale anwendbar und gelten für die gesamte Lieferkette. Mit der sogenannten Konfliktminerale-Verordnung (EU) 2017/821 wird ab dem 1. Januar 2021 die Einhaltung von Sorgfaltspflichten bei bestimmten aus Konflikt - und Hochrisikogebieten bezogenen Mineralen verbindlich. Vom Anwendungsbereich der Verordnung sind auch Importeure von Gold erfasst. Die Verordnung zielt darauf ab, für Transparenz und Sicherheit in Bezug auf die Beschaffungspraxis von Unionseinführern zu sorgen, die die betreffenden Ressourcen aus Konflikt- und Hochrisikogebieten beziehen. So soll sie insbesondere dazu beitragen , dass Erlöse aus dem Verkauf der erfassten Minerale nicht in die Finanzierung von bewaffneten Konflikten fließen. Die Europäische Kommission hat bereits unverbindliche Leitlinien zur Ermittlung von Konflikt- und Hochrisikogebieten sowie sonstiger Lieferkettenrisiken herausgegeben. Sie wird zudem mit Hilfe externer Sachverständiger eine Indikativliste von Konflikt- und Hochrisikogebieten erstellen und regelmäßig aktualisieren. Diese Liste ist nicht abschließend, soll den betroffenen Importeuren jedoch als Orientierungshilfe dienen. Die Bundesregierung kann derzeit nicht absehen, ob Kolumbien in diese Liste aufgenommen wird. Darüber hinaus betreffen die Maßgaben des im Dezember 2016 vom Kabinett verabschiedeten Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte alle deutschen Unternehmen, die damit aufgefordert sind, ihrer Sorgfaltspflicht entlang der Lieferkette nachzukommen. 25. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung zur Lage der Pressefreiheit sowie zur Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten und Bloggerinnen und Bloggern in Kolumbien? Die Pressefreiheit ist in Kolumbien grundsätzlich gewährleistet. Gesetzlich sind Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit in Artikel 20 der kolumbianischen Verfassung von 1991 garantiert. Die Medienlandschaft ist vielfältig, allerdings befinden sich die meisten Medien im Besitz weniger Familien oder Unternehmen. Größtes Risiko für die Pressefreiheit geht von Gewalt und Bedrohungen gegen Journalistinnen und Journalisten aus, vor allem in den Regionen. Immer wieder werden Fälle von Drohungen und Angriffen gegen sowie Festsetzungen von Journalistinnen und Journalisten angezeigt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 13 – Drucksache 19/9677 Nichtregierungsorganisationen wie die Stiftung für Pressefreiheit (Fundación para la Libertad de Prensa, FLIP) begleiten die Gewährleistung der Pressefreiheit politisch, indem sie sich für Journalistinnen und Journalisten einsetzen und Missstände öffentlich machen. Gesetzliche Maßnahmen, die Effekte von Zensur nach sich ziehen könnten, werden in der kolumbianischen Öffentlichkeit kritisch hinterfragt . 26. Inwieweit hält die Bundesregierung den Aufarbeitungsprozess der Verbrechen des über 50 Jahre anhaltenden Bürgerkrieges für nachhaltig, und inwieweit bemüht sich die Bundesregierung daran mitzuwirken? Die Aufarbeitung des Konflikts ist entscheidendes Element der durch den Friedensschluss mit der ehemaligen FARC-Guerilla aufgestellten Friedensordnung. Sie ist in einem integralen System für Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Nichtwiederholung verankert, das institutionell die Sondergerichtsbarkeit für den Frieden, eine Wahrheitskommission sowie eine Einheit zur Suche Verschwundener umfasst. Alle drei Institutionen haben kürzlich ihre Arbeit aufgenommen . Die Bundesregierung unterstützt die Arbeit dieser Einrichtungen im Rahmen der bi- und multilateralen Zusammenarbeit mit Kolumbien, beispielsweise durch technische Beratung und die Aufbereitung von Expertenanalysen für die kolumbianische Öffentlichkeit. 27. Welche Auswirkungen haben nach Einschätzung der Bundesregierung die andauernde Drogennachfrage auch aus Europa und die transnationale Drogenkriminalität in Verbindung mit massiver sozialen Ungleichheit auf die Menschenrechtslage und den Friedensprozess in Kolumbien, und welche Möglichkeiten sieht sie, diese Probleme wirksam anzugehen? Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den seit Beginn der Friedensgespräche angestiegenen Anbau von Kokablättern in der Region, den Einsatz von Glyphosat zur Bekämpfung des Drogenanbaus und dessen ökologischen und gesundheitlichen Folgen sowie die steigende Zahl von gewaltsamen Übergriffen gegen die Landbevölkerung (www.tagesspiegel.de/politik/ friedensprozess-in-kolumbien-ein-land-kaempft-mit-der-droge/19861794.html)? Im Mittelpunkt der kolumbianischen Drogenökonomie stehen Koka und dessen Erzeugnisse. Kolumbien zählt zu den Ländern mit der größten Kokainproduktion weltweit. Nach Kenntnissen der Bundesregierung werden Bauern teilweise auch von illegalen bewaffneten Gruppen zum Kokaanbau gezwungen. Besonders in der Pazifikregion hat sich die humanitäre Lage aufgrund der Präsenz diverser illegaler Gewaltakteure und deren Verwicklung in den Drogenschmuggel verschlechtert . Es kommt häufig zu Vertreibungen und Geiselnahmen der Bevölkerung in dieser Region; Personen, die sich gegen den Drogenanbau einsetzen, sind Drohungen und Gewalt ausgesetzt. In den letzten Jahren ist der Kokaanbau in Kolumbien weiter gestiegen. Zwar sollten Drogensubstitutionsprogramme Anreize zum freiwilligen Verzicht auf den Kokaanbau schaffen. Doch den Bauern fehlt es insbesondere an Zugang zu legalen Absatzmärkten für alternative Produkte . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 14 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Den Einsatz von Glyphosat erlaubt das kolumbianische Verfassungsgericht nur unter sehr strengen Auflagen, da es Glyphosat als ökologisch und gesundheitlich schädlich eingestuft. Faktisch werden derzeit nur punktuell Drohnen zur Besprühung von Kokafeldern eingesetzt. Die Regierung von Präsident Duque strebt jedoch an, eine breitangelegte Herbizidbesprühung aus der Luft zur Vernichtung von Kokafeldern wieder einzuführen. 28. Inwieweit sind aus Sicht der Bundesregierung in Kolumbien Frauenrechte als elementare Menschenrechte wirksam geschützt? Grundsätzlich sind durch die Verfassung von 1991 und das 2011 verabschiedete Anti-Diskriminierungsgesetz (Gesetz 1482) Rechte von Frauen geschützt. Mit Sorge sieht die Bundesregierung jedoch, dass es etwa im ländlichen Raum an staatlichen Strukturen fehlt, um die Rechte von Frauen zu garantieren. Im Zusammenhang mit dem Binnenkonflikt erleben Frauen besonders häufig Gewalt. 29. Inwieweit sind Kinderrechte aus Sicht der Bundesregierung in Kolumbien als elementare Menschenrechte wirksam geschützt? Kolumbien hat die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen 1990 ratifiziert und 2006 in nationales Recht umgesetzt. Die nationale Gesetzgebung sieht den ganzheitlichen Schutz der Interessen und Rechte von Kindern und Jugendlichen vor. Der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen liegen Informationen vor, dass Guerillagruppen (wie ELN und EPL), dissidente FARC- Einheiten, die sich dem Friedensprozess nicht angeschlossen haben, und kriminelle Organisationen nach wie vor Kinder und Jugendliche – zum Teil zwangsweise – rekrutieren und für ihre Zwecke missbrauchen. Kinder und Jugendliche werden häufig Opfer von Menschenhandel. 30. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Wiederaufnahme von ehemaligen Kindersoldaten in ihre Familien und in die Gesellschaft, sowie über ihren Zugang zu Bildung und gesundheitlicher Versorgung? Die nationale Reintegrationsbehörde „Agencia para la Reincorporación y la Normalización “ (ARN) wurde von der kolumbianischen Regierung damit beauftragt, eine speziell auf die Bedürfnisse Minderjähriger angepasste Reintegrationsstrategie auszuarbeiten. Außerdem setzt die Behörde in Kooperation mit der US-amerikanischen Entwicklungsagentur USAID und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) ein Bildungs- und Ausbildungsprogramm für die Reintegration von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen um. 31. Inwieweit sind die Rechte von LGBTIQ-Personen in Kolumbien aus Sicht der Bundesregierung wirksam geschützt? Die Rechtsprechung des kolumbianischen Verfassungsgerichts zum Thema Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen und Intersexuellen (LGBTI-Personen) ist fortschrittlich. Das Verfassungsgericht urteilte zugunsten des Rechts auf Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare im Jahr 2011. Jedoch ist die gesellschaftliche Akzeptanz sehr gering und von Vorurteilen geprägt, die oft zu Gewalttaten führen. Diskriminierendes Verhalten der kolumbianischen Polizei gegenüber LGBTI-Personen und Probleme bei der Arbeitssuche für diesen Personenkreis sind besonders häufig in ländlichen Gebieten zu be- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 15 – Drucksache 19/9677 obachten. LGBTI-Personen werden häufig Opfer von Menschenhandel. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte berichtet, dass im Durchschnitt sieben von zehn LGBTI-Personen in Kolumbien mindestens einmal in ihrem Leben aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Diskriminierung erfahren. 32. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die kirchliche Ablehnung von Entschädigungsmaßnahmen für im Drogenkrieg besonders beeinträchtigte LGBTIQ-Personen (https://de.lutheranworld.org/de/content/kolumbieninitiativen -fuer-frieden-und-frauenrechte-131)? In Kolumbien sind die Rechte der LGBTI-Personen durch die Verfassung von 1991 geschützt. Die Nichtregierungsorganisation Colombia Diversa zeigt sich jedoch über den Einfluss, den konservative und evangelikale Gruppen, die in der Vergangenheit gegen die Rechte von LGBTI-Personen vorgegangen sind, auf Regierungsstellen und Verwaltung nehmen, besorgt. 33. Inwieweit ist aus Sicht der Bundesregierung die Wissenschaftsfreiheit in Kolumbien geschützt, und wird die Expertise von Konflikt- und Friedensforschung im Regierungshandeln berücksichtigt? Die Wissenschaftsfreiheit in Kolumbien ist grundsätzlich gewährleistet. Sowohl öffentliche als auch private Universitäten und Forschungsinstitutionen sind von politischer Einflussnahme unabhängig und können ihren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Rahmen der ökonomischen Bedingungen auch regierungskritische Forschung ermöglichen. Einschränkungen der Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sind durch die komplexe Sicherheitslage in den Regionen gegeben. Die Expertise von Konflikt- und Friedensforschung steht der kolumbianischen Regierung zur Verfügung. Durch die Vielseitigkeit der Forschung können auch die verschiedenen politischen Lager auf wissenschaftliche Expertise zurückgreifen . 34. Wie schätzt die Bundesregierung die Auswirkungen der derzeitigen Fluchtbewegungen aufgrund der humanitären Krise in Venezuela in den Norden Kolumbiens auf den Friedensprozess in Kolumbien ein, und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Situation der Geflüchteten im Norden Kolumbiens, insbesondere vor dem Hintergrund der Aktivitäten der ELN auf diesem Gebiet? Die große Anzahl von Flüchtlingen aus Venezuela stellt sowohl die kolumbianische Regierung als auch die kolumbianische Gesellschaft vor eine erhebliche Herausforderung. Die kolumbianische Regierung geht davon aus, dass sich aktuell etwa 1,5 Millionen venezolanische Migrantinnen und Migranten in Kolumbien aufhalten, und rechnet mit einem Anstieg auf zwei Millionen bis Ende des Jahres. Besonders kritisch ist die Flüchtlingssituation in den Grenzregionen. Hier ist die starke Präsenz von Migrantinnen und Migranten und die damit einhergehende Aus- bzw. Überlastung der bestehenden Infrastruktur – zum Beispiel im Gesundheits - und Bildungssektor – ein Faktor, der die ohnehin von zahlreichen Konfliktfaktoren geprägte Situation in diesen Gebieten weiter belastet. Die kolumbianische Regierung hat die internationale Gemeinschaft um Hilfe bei der Bewältigung der Herausforderungen durch die Flüchtlingssituation gebeten. Die Bundesregierung unterstützt die kolumbianische Regierung mit Projekten der humanitären Hilfe sowie der Entwicklungszusammenarbeit. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9677 – 16 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 35. Welche Auswirkungen hat der stagnierende Friedensprozess in Kolumbien nach Ansicht der Bundesregierung auf die gesamte Region? Sollten die Friedensbemühungen in Kolumbien nachlassen oder zum Stillstand kommen, könnte sich dies nach Auffassung der Bundesregierung durch ein Wiederaufleben der Gewalt im Land und transnational agierende bewaffnete Gruppierungen besonders auf die Nachbarstaaten destabilisierend auswirken. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333