Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 23. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9682 19. Wahlperiode 24.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Till Mansmann, Alexander Graf Lambsdorff, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9264 – Häusliche Gewalt in Lateinamerika V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r „Zwei von drei weiblichen Opfern werden in Südamerika wegen ihres Geschlechts ermordet“, heißt es in einem Report der UNO-Gleichstellungsorganisation (UN Women) und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) (www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/lateinamerika-und-karibik-lautuno -bericht-gefaehrlichste-regionen-fuer-frauen-a-1179940.html). Durch eigenes Erleben vor Ort und durch Gespräche mit Journalisten, diplomatischen Vertretern und Nichtregierungsorganisationen wird deutlich, dass in Lateinamerika Frauen weltweit am meisten häusliche Gewalt angetan wird. Laut La Casa del Encuentro gab es im Jahr 2016 in Argentinien 254 Femizid-Vorfälle, Frauenmorde oder Vorfälle tödlicher Gewalt gegen Frauen. In den viel kleineren Staaten Honduras und El Salvador wurden im selben Jahr 466 beziehungsweise 349 Frauen umgebracht. Zahlreiche Mordversuche erscheinen nicht in der Statistik (www.watson.de/international/feminismus/418624989-femizid-inlateinamerika -wie-die-toedliche-machokultur-frauen-umbringt). Nach Aussagen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind 30 bis 50 Prozent der Frauen in Bolivien, Peru und Ecuador körperlicher Gewalt durch ihre Partner ausgesetzt (www.bmz.de/de/themen/ frauenrechte/arbeitsfelder_und_instrumente/gewalt_gegen_frauen/projektbeispiel_ suedamerika/index.html). Alle Länder der Andenregion haben sich zur Vorbeugung, Bekämpfung und Bestrafung von Femizidvorfällen verpflichtet: Sie haben die entsprechenden internationalen Konventionen ratifiziert und nationale Gesetze und Aktionspläne gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Kraft gesetzt. Doch die mangelnde Zusammenarbeit und der geringe Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen staatlichen, nichtstaatlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren erschweren die Umsetzung dieser Gesetze und Aktionspläne. Daher gibt es auch Empfehlungen, eine Stärkung der Institutionen und der Politik in der Region vorzunehmen und Frauen individuell zu stärken. Zudem gilt es die in den Gesellschaften bestehenden althergebrachten, patriarchalischen Strukturen, die die Ungleichheit der Geschlechter bewahren, anzugehen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9682 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Bislang werden durch Kampagnen, Dialogveranstaltungen und Studien soziokulturelle Denk- und Verhaltensmuster beeinflusst, die Gewalt gegen Frauen und die gesellschaftliche Ungleichheit der Geschlechter abbauen sollen. Verschiedene staatliche, nichtstaatliche und privatwirtschaftliche Akteure werden zielgruppenorientiert geschult und bei der Umsetzung von Gewalt vorbeugenden Ansätzen unterstützt (www.deutschlandfunk.de/lateinamerika-niunamenosim -kampf-gegen-frauenmorde.1773.de.html?dram:article_id=389206). 1. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, in welchen Ländern Lateinamerikas Maßnahmen gegen häusliche Gewalt vor allem gegen Frauen besonders erfolgreich sind? Wenn ja, woraus ergeben sich diese Erfolge bzw. Misserfolge? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse vor. 2. Hat die Bundesregierung den Staaten Lateinamerikas Unterstützung im Kampf gegen häusliche Gewalt, vor allem gegen Frauen, zugesagt, und wenn ja, wie sehen diese Angebote aus? Die Bundesregierung unterstützt die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen weltweit , so auch in Lateinamerika. Die Unterstützung reicht von Einzelprojekten bis hin zu öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen wie der Verleihung des Deutsch- Französischen Preises für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit an die brasilianische Menschenrechtsverteidigerin Maria da Penha, die selbst Opfer häuslicher Gewalt wurde und sich in Brasilien nach langen Jahren erfolgreich für die Anerkennung des Straftatbestands der häuslichen Gewalt eingesetzt hat. Im Rahmen der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) hat die Bundesregierung Ecuador im Jahr 2017 1 Mio. Euro für die Maßnahme „Prävention der Gewalt gegen Frauen“ (PreViMujer) zugesagt. In diesem Rahmen startete Ende 2018 die Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagne „Mujeres Sin Violencia: ¡Así Gana Ecuador!“ – „Frauen frei von Gewalt: So gewinnt Ecuador !“. Die Kampagne nutzt die Vorbild-Funktion und Prominenz von z. B. Sportlerinnen und Sportlern, um für das Thema zu sensibilisieren. Die Erfolge der Vorhaben ergeben sich aus einer kreativen Öffentlichkeitsarbeit und dem Aufbau so genannter Multiakteurspartnerschaften. Inhaltlich knüpft PreViMujer an die Arbeit des 2018 abgeschlossenen Regionalprogramms „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen in Lateinamerika“ (ComVoMujer) an, das in Bolivien, Ecuador, Paraguay und Peru unter anderem zur Umsetzung von internationalen und regionalen Rechtsinstrumenten beigetragen hat – insbesondere zur Umsetzung der Frauenrechtskonvention CEDAW und zur interamerikanischen Konvention von Belém do Pará zur Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen. In Bolivien läuft derzeit ein Vorhaben zur Prävention von Gewalt gegen Frauen mit dem Ziel, die Kenntnisse und Fähigkeiten von Lehr- und Führungskräften in ausgewählten Bildungsinstitutionen und Unternehmen zu verbessern, um Präventionsmaßnahmen effektiv und langfristig durchzuführen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9682 a) Werden in diesem Zusammenhang bei diesen Projekten neben Krankenhäusern und Bildungseinrichtungen auch Frauenhäuser berücksichtigt? b) Wo, wie viele und mit welcher Wirkung wurden Frauenhäuser gebaut und genutzt? Die Fragen 2a und 2b werden gemeinsam beantwortet. Im Rahmen des Vorhabens „Unterstützung der Aufnahmegemeinden für geflüchtete Menschen in den Grenzregionen von Kolumbien und Ecuador“ der Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ des BMZ werden in Ecuador unter anderem Frauenhäuser zum Thema Gewalt gegen Frauen im Kontext von Flucht und Migration unterstützt. Bauvorhaben für Frauenhäuser in Lateinamerika wurden von der Bundesregierung nicht in Auftrag gegeben. 3. Welche und wie viele staatliche und private Initiativen gegen häusliche Gewalt gibt es? Der Bundesregierung liegen keine systematischen Übersichten zu sämtlichen staatlichen und privaten Initiativen gegen häusliche Gewalt in Lateinamerika vor. Die Bundesregierung unterstützt einzelne staatliche Initiativen, beispielsweise über die zuvor genannten Vorhaben ComVoMujer in Bolivien, Ecuador, Paraguay und Peru und aktuell PreViMujer in Ecuador. Derzeit werden in Lateinamerika folgende Einzelmaßnahmen und Vorhaben in der EZ über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (GIZ) umgesetzt, die darauf abzielen, (häusliche) Gewalt gegen Frauen sowie Kinder und Jugendliche zu beenden und Betroffene von (häuslicher) Gewalt angemessen zu unterstützen: Ecuador: Prävention von Gewalt gegen Frauen, Bolivien: Prävention von Gewalt gegen Frauen, Zentralamerika: Prävention von Jugendgewalt in Zentralamerika III (PREVENIR); davon eine Komponente zur Prävention von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Zentralamerika: (Re-)lntegration von fluchtgefährdeten Kindern und Jugendlichen in Zentralamerika (ALTERNATIVAS), Guatemala: Förderung der integralen Bürgersicherheit und Transformation sozialer Konflikte (FOSIT II); davon ein Handlungsfeld zu Gewaltprävention und Bürgersicherheit, Guatemala: Stärkung der Menschenrechte und Förderung gewaltfreier sozialer Beziehungen als Beitrag zur Friedensentwicklung. Weiterhin unterstützt die Bundesregierung die Gründung eines Frauennetzwerks zwischen Lateinamerika, der Karibik und Deutschland, das einen intensivierten Austausch zwischen Frauen und Frauenrechtsorganisationen ermöglichen, Projekte fördern und durch die Verleihung eines Preises herausragendes Engagement für die Rechte von Frauen würdigen wird. Darüber hinaus ist auch die Spotlight-Initiative der Europäischen Union (EU) und Vereinten Nationen (VN) zur Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen („Spotlight Initiative to eliminate all forms of violence against women and girls“) in Lateinamerika aktiv. Hauptziel der Initiative ist die Verhinderung von Femiziden in Argentinien, El Salvador, Guatemala, Honduras und Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9682 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Mexiko sowie die Stärkung regionaler Netzwerke. Die EU/UN Spotlight-Initiative wird mit insgesamt 500 Mio. Euro aus EU-Mitteln finanziert, woran Deutschland als größter EU-Beitragszahler maßgeblich Anteil hat. Die Bundesregierung unterstützt darüber hinaus auch entsprechende Initiativen über nichtstaatliche Träger der Zivilgesellschaft. a) Nach welchen Kriterien werden Initiativen, die von der Bundesregierung unterstützt werden, ausgewählt? Über bilaterale Verhandlungen mit den lateinamerikanischen Partnerregierungen werden Schwerpunkte für die gemeinsame entwicklungspolitische Zusammenarbeit festgelegt. An diesen orientiert sich die Auswahl bzw. Konzeption der Vorhaben , die von der deutschen Bundesregierung unterstützt werden. Kriterien für die Förderentscheidung über Vorhaben privater Träger sind die jeweiligen Projektanmeldungen der Träger, die inhaltliche Qualität der Anträge, die Verlässlichkeit und Kapazität des Trägers sowie die politischen Prioritäten des BMZ und die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel im Haushaltstitel. 4. Wie können deutsche EZ-Programme (EZ = Entwicklungszusammenarbeit) sicherstellen, dass Maßnahmen gegen häusliche Gewalt, vor allem gegen Frauen, zielführend umgesetzt werden? Die GIZ hat als Durchführungsorganisation der deutschen EZ im Dezember 2016 das „Safeguards + Gender Managementsystem“ eingeführt. Es beruht auf dem Leitprinzip der nachhaltigen Entwicklung und dient dazu, durch eine systematische Prüfung geplanter Vorhaben bestehende Standards noch besser und systematischer umzusetzen. 5. Sind Frauen weißer, indigener oder afrikanischstämmiger Herkunft nach Kenntnis der Bundesregierung unterschiedlich von häuslicher Gewalt betroffen ? Wenn ja, inwiefern? Potenziell können Frauen jeder Ethnizität, aus allen sozialen Schichten, mit unterschiedlichem Einkommen und Bildungsstand von häuslicher Gewalt betroffen sein. Der Bundesregierung liegen hierzu jedoch keine systematischen Erkenntnisse vor. 6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine Korrelation zwischen dem Bildungsstand von Frauen und häuslicher Gewalt? Wenn ja, wie lässt sich dies darstellen? Der Bundesregierung liegen keine fundierten Belege für eine eindeutige Korrelation zwischen dem Bildungsstand von Frauen und häuslicher Gewalt vor. 7. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung eine Korrelation zwischen der Berufstätigkeit der Frauen und häuslicher Gewalt? Wenn ja, in welchen Berufsgruppen treten vermehrt Vorfälle auf und in welchen weniger? Der Bundesregierung liegen keine systematischen Erkenntnisse hierzu vor. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9682 8. Ist häusliche Gewalt eine Frage des Haushaltseinkommens, und wie verteilen sich Vorfälle auf die Einkommensgruppen? Daten zu einzelnen Einkommensgruppen in Lateinamerika und der jeweiligen Prävalenz häuslicher Gewalt liegen der Bundesregierung nicht vor. Häusliche Gewalt kommt prinzipiell in allen Einkommensgruppen vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 9. Plant die Bundesregierung, die Unterstützung der Maßnahmen lateinamerikanischer Länder gegen häusliche Gewalt, vor allem gegenüber Frauen, auszuweiten oder zu intensivieren? 10. Plant die Bundesregierung, künftig weitergehende Zusagen in der Entwicklungszusammenarbeit in diese Richtung zu machen? Wenn ja, wie sehen diese aus? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Über die künftige Ausgestaltung der EZ in diesem Bereich wird auf Basis bilateraler Regierungsverhandlungen mit den Partnerländern entschieden. Die Bundesregierung plant weitere entwicklungspolitische Maßnahmen für die Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer – darunter auch geschlechtsspezifischer häuslicher – Gewalt in Lateinamerika, beispielsweise in Bolivien. Der Fokus könnte dabei auf Präventions- und Bildungsmaßnahmen liegen. In Peru prüft die Bundesregierung die Möglichkeiten zu einer Ko-Finanzierung des von der Europäischen Kommission geförderten Projektes „Vorbeugung und Gerechtigkeit gegenüber Gewalt gegen Frauen“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333