Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 24. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9701 19. Wahlperiode 24.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Heike Hänsel, Michel Brandt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/9318 – Neue Verfahren zur Massendatenauswertung bei Europol („Big Data“) V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Europäische Union will im Juni 2019 Schlussfolgerungen zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ („Novel Actionable Information “, NAI) verabschieden (Ratsdokument 5572/19, vgl. www.statewatch.org/ news/2019/mar/eu-novel-info.htm). Gemeint sind Daten, die bereits bei Strafverfolgungsbehörden gespeichert sind. Sie sollen mithilfe neuer Verfahren erschlossen werden, sodass zusätzliche Informationen oder neue Zusammenhänge erkennbar werden. Dieses Verfahren wird auch als Massendatenauswertung oder Big Data bezeichnet (Bundestagsdrucksache 18/571). Dabei sollen zunächst die relevanten Daten identifiziert und anschließend auf Muster untersucht werden . Dies kann sowohl strukturierte (also bereits analysierte) als auch unstrukturierte Daten (sogenannte Rohdaten) betreffen. Die Zusammenführung, Analyse und Interpretation der Informationen soll die Einleitung von operativen Maßnahmen ermöglichen. Für die Analyse und Auswertung von Daten, insbesondere für die Erstellung sogenannter Kreuztreffer nutzt Europol bislang Software der Firmen „Palantir“ und „IBM i2“. Die Anwendungen ermöglichen die „automatische Extraktion von Zusammenhängen zwischen Erkenntnissen der Mitgliedstaaten und den bei Europol vorliegenden Informationen“ (Bundestagsdrucksache 18/13310, Antwort zu Frage 8). Die Erschließung von Informationen mithilfe der NAI gehört zu den Prioritäten der rumänischen Präsidentschaft (Ratsdokument 5843/19). Die dabei genutzten Methoden und technischen Mittel sollen europaweit einheitlich sein. Hierzu hat die Regierung bereits auf dem „Salzburg Forum“ am 14. und 15. Juni 2018 einen Diskussionsprozess begonnen (http://gleft.de/2Mj), der zunächst auf einen Wissensaustausch zu NAI abzielt. Europol hat bereits zwei Seminare mit Analysten und Ermittlern aus den Mitgliedstaaten abgehalten und Anforderungen zur Verbesserung der kriminalpolizeilichen Forensik definiert (Ratsdokument 5572/19). Perspektivisch sollen auch entsprechende Standards definiert werden. Im Rahmen des Prozesses soll außerdem eine Plattform für den Wissens- und Erfahrungsaustausch eingerichtet werden. Dabei sollen bereits existierende Projekte (etwa SIRIUS oder das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität bei Europol) genutzt werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9701 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode Ein Fragebogen soll die in den Mitgliedstaaten genutzten Verfahren und Techniken zusammentragen. Weitere Workshops sind geplant. Das Thema wurde schließlich auf dem Rat für Inneres und Justiz am 7. und 8. Februar 2019 in Bukarest behandelt. Die Minister bekräftigten die Notwendigkeit der Initiative und entsprechender Investitionen. Die bessere Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ wird jetzt im Ständigen Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI) behandelt (Ratsdokument CM 1319/19). 1. Was ist der Bundesregierung über die Initiative zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ („Novel Actionable Information“, NAI) bekannt, und inwiefern hält sie diese für notwendig (Ratsdokument 5572/19)? Der Bundesregierung ist die Initiative der rumänischen Ratspräsidentschaft zu „Novel Actionable Information“ bekannt, mit der sie insbesondere die wachsende Bedeutung digitaler Daten für die Strafverfolgung hervorhebt und den Umgang mit ihnen verbessern will, etwa durch einen Erfahrungsaustausch der Strafverfolgungsbehörden und Aus- und Fortbildungsangebote. Die Bundesregierung hat zu dem Vorhaben bislang noch keine abgestimmte Haltung. 2. Wie definiert die Bundesregierung „actionable information“ und wie grenzt sie dies ab von „actionable criminal intelligence“ oder „criminal analysis“? Im Kontext der Initiative der rumänischen Ratspräsidentschaft zu „Novel Actionable Information“ soll der Begriff Kriminalanalyse („criminal analysis“) nach Kenntnis der Bundesregierung sowohl den methodischen Prozess der Analyse als auch das Produkt bezeichnen. Die Begriffe „umsetzbare Kriminalerkenntnisse“ („actionable criminal intelligence“) und das Produkt Kriminalanalyse sollen synonym verstanden werden. Informationen oder Erkenntnisse sollen in diesem Zusammenhang umsetzbar („actionable“) sein, wenn Strafverfolgungsbehörden aus der Information oder Erkenntnis operative Maßnahmen ableiten können. 3. Mit welchen neuen Verfahren könnten die bereits bei Strafverfolgungsbehörden vorhandenen Informationen erschlossen werden, sodass zusätzliche Informationen oder neue Zusammenhänge erkennbar werden? Im Kontext der Initiative der rumänischen Ratspräsidentschaft zu „Novel Actionable Information“ steht nach Kenntnis der Bundesregierung vor allem ein Vertiefen der Zusammenarbeit im Vordergrund, etwa durch das Vereinheitlichen von Begrifflichkeiten, durch eine gemeinsame Bewertung der bisherigen Analyseerstellungsvorgänge , durch Aus- und Fortbildung und den Aufbau einer Plattform für den Wissensaustausch. 4. Handelt es sich dabei aus Sicht der Bundesregierung um eine Massendatenauswertung oder ein Verfahren von „Big Data“? Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich nicht um eine Massendatenauswertung oder Verfahren von „Big Data“. Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9701 5. Welche Software nutzt Europol nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit zur Erschließung von Massendaten? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 8 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/13310 wird verwiesen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung keine Kenntnis, welche Software die EU-Agentur Europol zur Erschließung von Massendaten nutzt. 6. An welchen Treffen, die sich mit der zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ befassten, haben Bundesbehörden teilgenommen? Die Initiative der rumänischen Ratspräsidentschaft zu „Novel Actionable Information “ war Gegenstand des informellen JI-Rates am 7./8. Februar 2019, des Ständigen Ausschusses für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit (COSI) am 21. Februar 2019 und des informellen COSI am 13./ 14. März 2019. Die rumänische Ratspräsidentschaft hat ihre Initiative darüber hinaus bei einem Treffen der EU Polizeichefs am 14./15. März 2019 vorgestellt. 7. Was hat die Bundesregierung auf einen Fragebogen des Rates bzw. von Europol zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ geantwortet , und welche bewährten Praktiken und Erfahrungen wurden mitgeteilt ? Der im Februar 2019 versandte Fragebogen wurde von der Bundesregierung mit Verweis auf Erörterungsbedarf zur Zielsetzung nicht beantwortet. 8. Welche Haltung wird die Bundesregierung in den Diskussionen über Ratsschlussfolgerungen zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen “ einnehmen? Zu den geplanten Ratsschlussfolgerungen gibt es noch keine innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Haltung. 9. Inwiefern könnte das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität bei Europol aus Sicht der Bundesregierung bei besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ unterstützen? Beim Europäischen Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität bei Europol bestehen mit der Europol Plattform für Experten (EPE) und dem Projekt SIRIUS bereits Initiativen für den Wissensaustausch. Der Entwurf der Ratsschlussfolgerungen weist hierauf hin und fordert, Doppelungen zu vermeiden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. 10. Wie könnten Initiativen zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen “ aus Sicht der Bundesregierung von der Europäischen Union finanziert werden? Der Entwurf der Ratsschlussfolgerungen fordert die Europäische Kommission auf, die Bereitstellung angemessener Ressourcen zu prüfen, etwa über die Haushalte der EU-Agenturen oder Projektfinanzierungen, zum Beispiel aus dem Fonds für die Innere Sicherheit. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9701 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 11. Inwiefern sollten im Rahmen der besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ aus Sicht der Bundesregierung auch Datenformate harmonisiert werden? Nach Kenntnis der Bundesregierung sollen im Kontext der Initiative der rumänischen Ratspräsidentschaft zu „Novel Actionable Information“ Analyseformate angeglichen werden, etwa durch eine größere Einheitlichkeit bei der Bewertung der Zuverlässigkeit der Quelle und Richtigkeit der Information sowie durch eine stärkere Berücksichtigung der Nutzeranforderungen an das Analyseprodukt. Eine darüber hinausgehende Harmonisierung von Datenformaten gehört nach Kenntnis der Bundesregierung nicht zu den Zielen der Initiative. 12. Was ist der Bundesregierung über einen Fahrplan („Roadmap“) zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ bekannt? Der Entwurf der Ratsschlussfolgerungen fordert Europol auf, einen Fahrplan für die Entwicklung einer Plattform zum Wissensaustausch zu „Novel Actionable Information “ zu entwickeln und bis Ende 2019 dem COSI zu präsentieren. 13. Inwiefern haben sich in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen auch die Netzwerke ATLAS oder ENLETS zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ geäußert? a) Welche wesentlichen Aussagen haben diese gemacht? Vertreter des ATLAS-Netzwerks oder von ENLETS haben sich in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen nicht zu dem in Rede stehenden Thema geäußert. b) Welche eigenen Informationssysteme oder Analyseinstrumente könnten dabei zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ vernetzt werden? Eine Vernetzung von eigenen Informationssystemen oder Analyseinstrumenten zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ ist durch das ATLAS-Netzwerk oder ENLETS nicht geplant. 14. Was ist der Bundesregierung über eine neue „future group“ bekannt, die nach Kenntnis der Fragestellerinnen und Fragesteller bei Europol zur besseren Informationsverarbeitung eingerichtet wird? Auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 17 bis 17c der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/9536 wird verwiesen . 15. In welchem Zusammenhang steht die Initiative zur besseren Nutzung „neuartiger verwertbarer Informationen“ nach Kenntnis der Bundesregierung mit der europäischen „Forensic Science Area“ (Ratsdokument 7376/19)? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von einem Zusammenhang der Initiative der rumänischen Ratspräsidentschaft zu „Novel Actionable Information“ und der europäischen „Forensic Science Area“. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9701 16. Was verbirgt sich nach Kenntnis der Bundesregierung hinter dem Projekt „EU Policing 2030/2040“ der rumänischen Ratspräsidentschaft (Ratsdokument 5843/19)? Der Bundesregierung ist bekannt, dass die rumänische Ratspräsidentschaft bei der Vorstellung ihres Programms in Ratsgremien mitgeteilt hat, dass sie sich auch damit beschäftigen wolle, wie man in der Zukunft (Policing 2030/2040) mit digitalen Daten in der Ermittlungsarbeit umgehen könne. Darüber hinausgehende Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. 17. Mit welchen Maßnahmen sollte Europol aus Sicht der Bundesregierung seine Analysefähigkeiten auf EU-Ebene stärken, und wie hat sie sich diesbezüglich zum Ratsdokument 15200/18 positioniert? Die Bundesregierung befürwortet den Ansatz Europols, in Workshops mit Vertretern der Mitgliedstaaten zu erheben, welche Anforderungen aus Sicht nationaler Auswerte- und Ermittlungsdienststellen an die Analyseprodukte und Unterstützungsmöglichkeiten Europols gestellt werden und diese hierauf aufbauend gegebenenfalls weiterzuentwickeln und zu ergänzen. Bei den Analysefähigkeiten sollten fundierte Kenntnisse zur statistischen Datenauswertung sowie zu den Verfahren des maschinellen Lernens durch Schulung und Personalgewinnung erworben werden. Diese Fähigkeiten sollten durch Wissensaustausch mit den Mitgliedstaaten geteilt werden. Zum Ratsdokument 15200/18 hat die Bundesregierung sich dahingehend positioniert , dass die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Verbesserung der europäischen Analysefähigkeiten bei Europol zur besseren Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten begrüßt wird und das Thema von Mitgliedern der Strafverfolgungsbehörden fachlich erörtert werden sollte. 18. Inwiefern sollten aus Sicht der Bundesregierung auch Geheimdienste (etwa das BVT aus Österreich oder die SÄPO aus Schweden) in diesen Ausbau einbezogen bzw. daraus ausgeschlossen werden? Die Mitgliedstaaten entscheiden in eigener Verantwortung, welche zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Europol-Verordnung (EU) 2016/794 in die Zusammenarbeit mit Europol einbezogen bzw. daraus ausgeschlossen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333