Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 24. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9727 19. Wahlperiode 25.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Jens Brandenburg (Rhein-Neckar), Nicola Beer, Gyde Jensen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/9245 – Rechtliche Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren in der Europäischen Union V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In den Ländern der Europäischen Union ist die Rechtslage für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle (LSBTI) weit fortgeschritten im Vergleich zum globalen Süden und Osten. Die Grundrechtecharta der Europäischen Union verbietet Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung. Auch Trans-Personen sind laut Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs durch die Grundrechtecharta vor Diskriminierung wegen ihres Geschlechts geschützt. Im Januar 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare innerhalb der EU mit einem Urteil weiter gestärkt. In einem Präzedenzfall entschied er, dass die Ehepartner von EU-Bürgerinnen und EU- Bürgern innerhalb der EU ein Aufenthaltsrecht erhalten, unabhängig davon, ob es sich um eine verschieden- oder gleichgeschlechtliche Ehe handelt (Rechtssache C-673/16). Das gilt auch in Mitgliedstaaten, in denen die gleichgeschlechtliche Ehe nicht anerkannt ist. Das Urteil verpflichtet diese Staaten jedoch nicht, die gleichgeschlechtliche Ehe einzuführen. Begründet wurde die Gerichtsentscheidung mit der geltenden Freizügigkeit für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger und ihre Familienangehörigen. Weiterhin verstoße die Nichtanerkennung von gleichgeschlechtlichen Ehepaaren gegen den in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Schutz des Familienlebens (Rechtssache C‑673/16). In einem großen Teil der Mitgliedstaaten der EU sind die gleichgeschlechtliche Ehe sowie die Adoption von Kindern für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Da das Familienrecht aber in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegt, gibt es in anderen Mitgliedstaaten für gleichgeschlechtliche Paare keinen Zugang zur Ehe oder einer eingetragenen Lebenspartnerschaft bzw. keine Möglichkeit, gemeinschaftlich Kinder zu adoptieren. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9727 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. In welchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die unten genannten familienrechtlichen und antidiskriminierenden gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen (bitte auflisten): a) die Möglichkeit für gleichgeschlechtliche Paare, die Ehe einzugehen; b) die Möglichkeit, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen; c) die Möglichkeit der Sukzessivadoption des Kindes durch den bzw. die gleichgeschlechtlichen Partner bzw. die gleichgeschlechtliche Partnerin; d) die Möglichkeit der Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare; e) ein verfassungsrechtlicher Schutz von LSBTI? 2. In welchen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, welche die eingetragenen Lebenspartnerschaften für gleichgeschlechtliche Paare ermöglichen, gibt es rechtliche Unterschiede zwischen Ehepaaren und eingetragenen Lebenspartnerschaften (bitte Länder und jeweilige Erläuterung der Unterschiede auflisten)? 3. In welchen Mitgliedstaaten der EU wird die deutsche eingetragene Lebenspartnerschaft und/oder die für gleichgeschlechtliche Paare geöffnete Ehe mit allen dort geltenden Rechtsfolgen der Ehe anerkannt? Welche Konflikte sind der Bundesregierung bekannt (bitte auflisten und jeweils erläutern)? Die Fragen 1 bis 3 werden gemeinsam beantwortet. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, im Rahmen des parlamentarischen Fragewesens Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen zusammen zu tragen und anschaulich aufzubereiten. Die Antworten zu den Fragen 1 bis 3 ergeben sich aus nachfolgend genannten Quellen: Neben den Internetauftritten der einzelnen Mitgliedstaaten, dem Europäischen Justizportal (https://e-justice.europa.eu/home.do?plang=de&action=home), das eine Reihe von Factsheets mit Informationen zum Recht der Mitgliedstaaten enthält (https://ejustice.europa.eu/content_information_on_national_law_information_ sheets-439-de.do) ist insbesondere Bergmann/Ferid/Henrich/Dutta/Ebert, Internationales Ehe- und KIndschaftsrecht zu erwähnen. 4. Wie nimmt die Bundesregierung die Interessen betroffener Bürgerinnen und Bürger wahr, die in Deutschland geheiratet haben oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen sind und in Mitgliedstaaten der EU arbeiten oder wohnen, in denen es noch nicht die Möglichkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe oder Lebenspartnerschaft gibt? Der Einsatz für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen , Transgendern und Intersexuellen (LSBTTI) ist ein Schwerpunkt der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung. Die Bundesregierung setzt sich auf der Basis der EU-Leitlinien zum Schutz der Menschenrechte von LSBTTI-Personen aktiv gegen Diskriminierung und andere Menschenrechtsverletzungen aufgrund von sexueller Orientierung und Gender-Identität ein. Aus dem gemeinsamen Einsatz für die Menschenrechte von LSBTTI-Personen weltweit auf der Grundlage dieser EU-Leitlinien ergibt sich für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine besondere Verantwortung, diese Rechte auch innerstaatlich umzusetzen . Bezüglich der Bewertung der menschenrechtlichen Lage in Mitgliedstaaten der Europäischen Union verweist die Bundesregierung auf die hierfür zu- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9727 ständigen internationalen Mechanismen. Im Menschenrechtsbericht der Bundesregierung sind auf Seite 157 („C 2 Länder A – Z“) die internationalen Berichtsund Überwachungsmechanismen aufgeführt, die die Menschenrechtslage in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfolgen und bewerten. In den Mitgliedstaaten des Europarats – darunter alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – wird die sexuelle Identität durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt. Die Bundesregierung beobachtet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch im Hinblick darauf , inwieweit dieser Schutz durch die anderen Mitgliedstaaten tatsächlich gewährt wird. Sie setzt sich im Komitee der Ministerbeauftragten des Europarats für eine konsequente Umsetzung der EGMR-Urteile ein. Nach Kenntnis der Bundesregierung sind gleichgeschlechtliche Ehen bisher nicht in allen EU-Mitgliedstaaten (z. B. Ungarn, Polen, Rumänien, Litauen und Lettland ) anerkannt. Die Entscheidung des EuGH vom 5. Juni 2018 im Fall „Coman u. a.“ (Rechtssache C-673/16) könnte jedoch Auswirkungen auf das Residenzrecht haben, wenn bei einer in Deutschland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehe eines EU-Bürgers oder einer EU-Bürgerin der Ehepartner oder die Ehepartnerin aus einem Nicht-EU-Land stammen und sich beide gemeinsam in einem Mitgliedstaat niederlassen wollen. Entsprechend bemüht sich das Auswärtige Amt in besonderer Weise, etwa in Rumänien, die Rechtstellung von LSBTTI -Personen anzusprechen und dabei auch durch engen Kontakt zu NGOs und sichtbare Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. In Bukarest organisierte die Botschaft mehrere LSBTTI-Veranstaltungen, nahm an der Pride Week und dem Pride March teil und engagiert sich in einer Arbeitsgemeinschaft gleichgesinnter Botschaften zu dem Thema. 5. Welche unterschiedliche rechtliche und steuerliche Behandlung erfahren gleichgeschlechtliche Paare in deutscher eingetragener Lebenspartnerschaft und/oder gleichgeschlechtlicher Ehe bei einem dauerhaften Aufenthalt in einem bzw. bei Staatsbürgerschaft eines anderen Mitgliedstaates der EU im Vergleich zu verschiedengeschlechtlichen Ehepaaren (bitte möglichst nach Mitgliedstaat auflisten): a) bei Rentenansprüchen, b) bei Pensionsansprüchen, c) bei der Hinterbliebenenversorgung über berufsständische Versorgungswerke und/oder private Rentenversicherungen, d) im Einkommenssteuerrecht, e) im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, f) bei der Grunderwerbsteuer, g) in der familienversicherten Krankenversicherung, h) beim Bezug von Elterngeld, i) in weiteren Bereichen des Sozial- und Steuerrechts? Auf die Antwort zu den Fragen 1 bis 3 wird verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9727 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 6. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die vorgenanntes EuGH-Urteil hinsichtlich des Aufenthaltsrechts von Ehegatten aus Drittstaaten nicht in die Rechtspraxis umgesetzt haben? Wenn ja, welche? Es wird auf die Antwort zu Frage 4 – letzter Absatz – verwiesen. Im Übrigen liegen der Bundesregierung hierzu keine abschließenden Erkenntnisse vor. 7. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Rat der EU oder anderweitig bisher ergriffen, um die Anerkennung von in Deutschland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften bzw. Ehen in der gesamten EU in allen Rechtsbereichen zu sichern? 8. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rat der EU oder anderweitig zu ergreifen, um die Anerkennung von in Deutschland geschlossenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften bzw. Ehen in der gesamten EU in allen Rechtsbereichen zu sichern? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung hat sich beispielsweise in den Brüsseler Verhandlungen zum internationalen Güterrecht für Regelungen zu eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und zu gleichgeschlechtlichen Ehen eingesetzt . Die beiden Verordnungen konnten jedoch nur im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit (Artikel 20 EUV; Artikel 326 ff. AEUV) verabschiedet werden (Verordnung [EU] 2016/1104 und Verordnung [EU] 2016/1103). Sie gelten daher nicht in allen EU-Mitgliedstaaten. Das Initiativrecht für gesetzgeberische Maßnahmen in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen liegt bei der Europäischen Kommission (Artikel 81 Absatz 2 i. V. m. Artikel 289 Absatz 1 AEUV). Es bleibt abzuwarten, ob die Kommission , die sich im Laufe dieses Jahres neu konstituiert, Vorschläge zur Anerkennung eingetragener gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und gleichgeschlechtlicher Ehen aus anderen Mitgliedstaaten vorlegen wird. Diesbezügliche Maßnahmen wären dem Familienrecht zuzuordnen. Sie könnten im Rat daher nur einstimmig (Artikel 81 Absatz 3 AEUV) oder im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit (Artikel 20 EUV i. V. m. Artikel 326 ff. AEUV), die aber nicht zum Regelfall der justiziellen Zusammenarbeit im Familienrecht werden sollte, verabschiedet werden. Solange keine Regelungen im EU-Sekundärrecht vorliegen, unterliegt die Anerkennung deutscher registrierter gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und gleichgeschlechtlicher Ehen in den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union in erster Linie dem nationalen Recht dieser Staaten. Deswegen vermag die Bundesregierung die Anerkennung dieser Rechtsinstitute in diesen Staaten nicht sicherzustellen. Die Bundesregierung tritt jedoch gegenüber den betroffenen Staaten dafür ein, dass registrierte gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften bzw. gleichgeschlechtliche Ehen aus Deutschland bzw. anderen EU-Mitgliedstaaten dort anerkannt werden. Ergänzend kann auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen werden. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9727 9. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Rat der EU oder anderweitig bisher ergriffen, um die rechtliche Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren innerhalb der EU zu verbessern (bitte erläutern)? 10. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rat der EU oder anderweitig zu ergreifen, um die rechtliche Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren innerhalb der EU zu verbessern (bitte erläutern)? Die Fragen 9 und 10 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es wird auf die Antwort auf Frage 4 verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333