Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 26. April 2019 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 19/9777 19. Wahlperiode 30.04.2019 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke,Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 19/9219 – Einbürgerung von Nachfahren während der NS-Zeit ausgebürgerter deutscher Staatsangehöriger V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) bestimmt, dass frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit „aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen“ entzogen worden ist, sowie ihre Abkömmlinge auf Antrag wieder einzubürgern sind. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein kausales Verhältnis zwischen der unrechtmäßigen Ausbürgerung sowie dem Nichterwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vorausgesetzt wird, haben vor dem 1. April 1953 ehelich geborene Abkömmlinge mit einem Ausländer verheirateter deutscher Mütter und vor dem 1. Juli 1993 unehelich geborene Abkömmlinge eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter keinen Anspruch auf Wiedereinbürgerung . Denn nach dem bis dahin geltenden Recht war der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt in solchen Fällen ausgeschlossen (vgl. Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 277/18). Im Jahr 1974 wurde das Staatsangehörigkeitsrecht nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes dahingehend geändert, dass nach dem 31. März 1953 ehelich geborene Abkömmlinge deutscher Mütter durch eine innerhalb einer bestimmten Frist abzugebende Erklärung die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben konnten; seit 1975 geborene Kinder deutscher Mütter erwerben die deutsche Staatsangehörigkeit automatisch durch Geburt. Keinen gesetzlichen Anspruch haben dagegen weiterhin die vor dem 1. April 1953 geborenen Abkömmlinge. Gleiches gilt für deutsche Frauen, die nach damaligem Recht die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Heirat mit einem nicht-deutschen Mann bereits vor einer Ausbürgerung durch die Nazis verloren, und für deren Abkömmlinge. Jedoch ist nach Auffassung der Fragestellerinnen und Fragesteller auch der nach früherem Recht erfolgte Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Heirat mit einem Ausländer vor dem Hintergrund Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9777 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode der erzwungenen Emigration als Verfolgungsschicksal zu werten, so dass in diesen Fällen, wie auch bei den vor 1953 geborenen Betroffenen, ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung verankert werden sollte. Sogenannte Ermessenseinbürgerungen nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) sind an einschränkende Voraussetzungen geknüpft, wie etwa wirtschaftliche Selbständigkeit (§ 14 i. V. m. §§ 8, 9), oder beschränken die Einbürgerungsmöglichkeit auf ehemalige Deutsche und deren minderjährige Kinder (§ 13). Keine der Ermessensregelungen beinhaltet ein mit Artikel 116 Absatz 2 GG vergleichbares bedingungsloses Recht auf Wiedereinbürgerung. Ein Merkblatt des Bundesverwaltungsamtes „zur Einbürgerung von vor dem 1. Januar 1975 ehelich geborenen Kindern deutscher Mütter und ausländischer Väter gemäß § 14 StAG – für Personen, die im Ausland leben“ (den Fragestellerinnen und Fragestellern liegt das Merkblatt mit Stand Juli 2018 vor) erläutert, dass bei „Personen, die nach dem 23. Mai 1949 und vor dem 1. Januar 1975 als Kind einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters ehelich geboren sind“, ein öffentliches Interesse an einer Einbürgerung bejaht wird, sofern bestimmte Kriterien erfüllt sind, zu denen unter anderem die Unterhaltsfähigkeit und Bindungen an Deutschland gehören. Diese Regelung schließt sämtliche Personen, die vor dem 23. Mai 1949 geboren sind, aus. Zum anderen steht sie unter dem Vorbehalt bestimmter Voraussetzungen wie etwa regelmäßiges Einkommen, gesicherte Altersversorgung, Sprachnachweise u. a. Die Antragsteller müssen einen Einbürgerungstest durchlaufen, und das Verfahren ist kostenpflichtig; von Erwachsenen werden für positive Entscheidungen 255 Euro verlangt, für negative 191 Euro. Die Fragestellerinnen und Fragesteller halten es für unvertretbar, bei einer Regelung , die der Wiedergutmachung erlittenen NS-Unrechts dient, von den Betroffenen bzw. deren Nachfahren eine Gebühr zu verlangen. Der Anspruch auf (Wieder-)Einbürgerung sollte auch nicht von Einkommens- bzw. Vermögensverhältnissen abhängig gemacht werden. Denn häufig dürfte es gerade das von Deutschland verübte Unrecht gewesen sein, das viele NS-Opfer und ihre Familien in die Armut getrieben hat, von der manche Nachfahren heute noch betroffen sind. Das Merkblatt regelt lediglich die Einbürgerung vor dem 1. Januar 1975 ehelich geborener Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter, geht aber nicht auf die Wiedereinbürgerung der Enkel- oder Urenkelgeneration ein. Dies wäre aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller geboten, da auch Artikel 116 Absatz 2 GG von „Abkömmlingen“ spricht und nicht nur von Kindern und auch § 14 StAG – auf den das Merkblatt Bezug nimmt – keine Einschränkung auf die Kinder enthält. In der Praxis sind Wiedereinbürgerungen früherer deutscher Staatsangehöriger bzw. ihrer Nachfahren nach wie vor bedeutend. So sind zwischen 2013 und 2017 insgesamt 12 371 Personen nach Artikel 116 Absatz 2 GG (wieder) eingebürgert worden (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 16 der Abgeordneten Ulla Jelpke auf Bundestagsdrucksache 19/7138). Offenbar infolge des Brexit-Beschlusses ist ein starker Anstieg von Anträgen aus Großbritannien zu verzeichnen: Lag die Zahl von Einbürgerungen britischer Staatsbürger bis 2015 im unteren zweistelligen Bereich, stieg sie im Jahr 2017 auf 614 an. Die Bundesregierung hat in der genannten Antwort mitgeteilt, sie prüfe eine Änderung der Regelung in Hinblick auf die bisher vorgenommene Beschränkung auf Personen, die nach dem 23. Mai 1949 geboren wurden. Aus Sicht der Fragestellerinnen und Fragesteller sollte aber ein großer Wurf gemacht werden. Statt einer „Ermessenseinbürgerung“ (die zumindest auf Einkommensnachweise , Sprachkenntnisse und Gebühren verzichten sollte) sollte ein gesetzlicher Anspruch geschaffen werden, der allen Abkömmlingen von Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 3 – Drucksache 19/9777 Personen, die von den Nazis aus rassistischen, religiösen oder politischen Gründen ausgebürgert worden sind, die deutsche Staatsbürgerschaft gewährt und damit den Gedanken der Wiedergutmachung zum Ausdruck bringt. V o r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Bundesregierung ist die staatsangehörigkeitsrechtliche Problematik bei Abkömmlingen von NS-Verfolgten, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist oder die diese im Zusammenhang mit anderen NS-Verfolgungsmaßnahmen aus denselben Gründen verloren haben, die aber keinen Anspruch auf Wiedergutmachung nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) haben, bekannt. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hatte daher bereits durch Erlass vom 28. März 2012 eine erleichterte Ermessenseinbürgerung für bestimmte Fallkonstellationen ermöglicht. Die Gesamtheit der staatsangehörigkeitsrechtlichen Wiedergutmachungsregelungen ist außerordentlich komplex und heterogen ausgestaltet. Während einerseits mit Artikel 116 Absatz 2 GG ein sehr weitgehender Wiedergutmachungsanspruch eingeräumt ist, waren für andere Fallgruppen nur befristete Regelungen in Geltung . Das resultierte daraus, dass bei den verschiedenen Konstellationen ein unterschiedlicher Wiedergutmachungsgehalt zu Grunde gelegt wurde. Hinzu kamen mit Artikel 3 Absatz 2 GG nicht im Einklang stehende Bestimmungen über den Abstammungserwerb, für die lediglich kurzzeitige Regelungen auf nachträglichen Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit bestanden. Diesbezüglich bestand die Auffassung, dass der Zeitraum für die Betroffenen ausreichend sei, um die ihnen zustehende Rechtsposition zu erlangen, und wegen der Fortgeltungsanordnung des Artikels 117 Absatz 1 GG hinzunehmen sei, dass ein Teil der Betroffenen nicht erfasst wurde. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben aus diesem Verständnis heraus judiziert, dass der Gesetzgeber die aus der seinerzeit verfassungswidrigen Regelung des Abstammungserwerbs resultierenden Folgen aus verfassungsrechtlicher Sicht ausreichend beseitigt habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 1989 – 1 C 5/89; BVerfG, Beschluss vom 24. Januar 2001 – 2 BvR 1362/99). Gleichwohl prüft die Bundesregierung, ob und auf welche Weise heute noch nachwirkende staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen über die Erlasslösung von 2012 hinaus abgemildert oder beseitigt werden können. Dabei ist zu berücksichtigen , dass es Fallkonstellationen gibt, in denen in der Vergangenheit (befristete) Wiedergutmachungsregelungen bestanden, die nicht in Anspruch genommen wurden, aber auch solche, die von diesen Regelungen nicht erfasst wurden. Ebenso ist zu bedenken, dass es Fallgruppen gibt, in denen zwar ein verfassungswidriger Ausschluss vom Abstammungserwerb, aber kein NS-Verfolgungshintergrund gegeben ist, aber auch solche, in denen beides kumuliert, oder solche, bei denen eine rein NS-verfolgungs-bedingte Wiedergutmachung in Frage steht. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass die Überlegungen zu einer sachgerechten Lösung wegen der Komplexität dieser Problematik noch nicht abgeschlossen sind. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9777 – 4 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 1. Welche Maßnahmen auf gesetzlicher oder untergesetzlicher Ebene erwägt die Bundesregierung in Hinsicht auf den Komplex der sogenannten Wiedergutmachungseinbürgerungen , und wie ist der Stand der Umsetzung? Auf den letzten Satz der Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 2. Wie viele Feststellungen der deutschen Staatsangehörigkeit gab es seit 2013 (pro Jahr) bei im Inland lebenden Abkömmlingen ausgebürgerter NS-Verfolgter ? Im Register der Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten sind (Stand: 10. April 2019) zum Sachverhalt „Feststellung, positive Entscheidung“ und dem Erwerbsgrund Artikel 116 Absatz 2 Satz 2 GG Wohnsitznahme für die Jahre 2013 bis 2019 folgende Fallzahlen erfasst: 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Länder 2 11 4 5 89 173 37 BVA 15 17 20 20 28 13 5 Gesamt 17 28 24 25 117 186 42 Die Bundesregierung weist hierzu auf Folgendes hin: Die Erfassung des Erwerbsgrundes ist erst am 1. November 2016, an dem das Erste Gesetz zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften im Wesentlichen in Kraft getreten ist, zum Pflichtfeld geworden. Angaben aus den Jahren 2013 bis 2016 sind daher möglicherweise unvollständig. 3. Wie viele Einbürgerungsanträge von Abkömmlingen ausgebürgerter deutscher Frauen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung deswegen abgelehnt , weil die Antragsteller bzw. deren Eltern vor dem 1. April 1953 geboren wurden? Wie viele Antragsteller aus dieser Personengruppe erhielten einen Hinweis, dass ihr Antrag voraussichtlich abgelehnt werde, so dass sie die Möglichkeit hatten, den Antrag zurückzuziehen, um einen kostenpflichtigen (Ablehnungs -)Bescheid zu vermeiden? 4. Wie viele Einbürgerungsanträge von Abkömmlingen ausgebürgerter deutscher Frauen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung deswegen abgelehnt , weil ihre Mütter bereits vor ihrer offiziellen Ausbürgerung ausländische Männer geheiratet hatten und somit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hatten? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Statistische Erhebungen über die zu einem bestimmten Rechtsgrund gestellten Einbürgerungsanträge sowie zu den Gründen für die Ablehnung oder Rücknahme eines Einbürgerungsantrages finden nicht statt. Die Zahl der Einbürgerungsanträge von Abkömmlingen zwangsausgebürgerter deutscher Frauen, die abgelehnt oder von den Antragstellern zurückgenommen worden sind, ist der Bundesregierung daher nicht bekannt. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine NS-Zwangsausbürgerung in den Fällen nicht mehr möglich war, in denen Frauen zuvor durch Eheschließung mit einem ausländischen Staatsangehörigen die deutsche Staatsangehörigkeit bereits verloren hatten, wobei der mit der Eheschließung verbundene mögliche Erwerb der ausländischen Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 5 – Drucksache 19/9777 Staatsangehörigkeit auch erfolgt sein kann, um einer NS-Verfolgung zu entgehen. Im Übrigen wird auf den letzten Absatz der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 5. Inwiefern sieht die Bundesregierung ein lösungsbedürftiges Problem darin, dass auch die mit dem früheren Staatsangehörigkeitsrecht begründete Ausbürgerung deutscher, in die Emigration gezwungener Frauen bei Heirat mit einem ausländischen Mann einen verfolgungsbedingten Hintergrund hatte, weil sie, emigrationsbedingt, mit weit höherer Wahrscheinlichkeit ausländische Männer ehelichten als wenn sie hätten im Reichsgebiet verbleiben können (dies betrifft insbesondere Fälle, in denen die Eheschließung und die dadurch erfolgte Ausbürgerung erfolgte, bevor § 2 der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 21. Mai 1941 die sog. Sammelausbürgerung im Ausland lebender Juden bestimmte bzw. bevor Einzelausbürgerungen im Reichsanzeiger veröffentlicht worden waren)? a) Inwiefern sieht sie Veranlassung, den Zustand nach höchstrichterlicher Rechtsauffassung, derzufolge es „unerheblich [sei] […] wie das individuelle Lebensschicksal des Betroffenen ohne die nationalsozialistische Verfolgung verlaufen wäre und zu welchen staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen es geführt hätte“ (BVerwGE 68, 220), durch die Initiierung legislativer Entscheidungen oder durch untergesetzliche Maßnahmen zu modifizieren ? b) Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um auch vor dem 31. März 1953 bzw. vor dem 23. Mai 1949 ehelich geborenen Abkömmlingen mit einem ausländischen Mann verheirateter ausgebürgerter deutscher Frauen die Wiedereinbürgerung auf Grundlage von Artikel 116 Absatz 2 GG zu ermöglichen? c) Welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, und inwiefern erstrebt sie das Ziel, die Ausbürgerung emigrierter NS-Verfolgter grundsätzlich als verfolgungsbedingt anzuerkennen und den Abkömmlingen dieser Personen grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Wiedereinbürgerung einzuräumen? Die Fragen 5 bis 5c werden gemeinsam beantwortet. Auf Satz 4 der Antwort zu den Fragen 3 und 4, zu Frage 7 sowie im Übrigen auf den letzten Satz ihrer Vorbemerkung wird verwiesen. 6. Welche Regelungen gelten für Abkömmlinge von Frauen, die von den Nazis ausgebürgert worden waren, und nach der Ausbürgerung einen ausländischen Mann geheiratet haben (bitte Verwaltungspraxis darlegen und erläutern , inwiefern solche Anträge auf Grundlage von Artikel 116 Absatz 2 GG entschieden oder abgelehnt werden mit dem Hinweis, die Frau hätte durch die Heirat mit einem ausländischen Mann ohnehin die deutsche Staatsangehörigkeit verloren)? Welche Regelung gilt, wenn die Mutter der Abkömmlinge erst einen ausländischen Mann geheiratet hat, aber nicht deswegen, sondern erst im Zuge der Sammelausbürgerung ausgebürgert worden ist (bitte Verwaltungspraxis darlegen und begründen)? Auf Abkömmlinge von Frauen, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist und die nach der NS-Zwangsausbürgerung die Ehe mit einem ausländischen Staatsangehörigen geschlossen haben, findet Artikel 116 Absatz 2 GG Anwendung, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9777 – 6 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode ohne die NS-Zwangsausbürgerung durch Geburt im Wege der Abstammung erworben hätten. Bei Anwendung des Artikels 116 Absatz 2 GG bleiben nach der NS-Zwangsausbürgerung und vor der Wiedereinbürgerung hypothetisch nach den allgemeinen staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften eingetretene Verlustgründe unberücksichtigt. Insofern erlangt der Verlustgrund der Eheschließung mit einem ausländischen Staatsangehörigen für den Wiedergutmachungsanspruch auch bei Abkömmlingen keine Relevanz. Allerdings kann sich die Eheschließung mit einem ausländischen Staatsangehörigen auf den Abstammungserwerb auswirken, weil dann die Situation eines ehelichen Kindes einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters vorliegt, aufgrund derer bei Geburt vor dem 1. April 1953 die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt im Wege der Abstammung erworben werden konnte. In diesen Fällen bestand und besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung im Ermessenswege. Bei Kindesgeburt nach dem 31. März 1953 findet Artikel 116 Absatz 2 GG Anwendung (OVG Berlin, Urteil vom 25. März 1993 – 5 B 65.90). Nach dieser Entscheidung soll Artikel 116 Absatz 2 GG es den nach dem 31. März 1953 und vor dem 1. Januar 1975 geborenen ehelichen Kindern einer zwangsausgebürgerten Mutter und eines ausländischen Vaters ermöglichen, die ihnen nach verfassungskonformen Staatsangehörigkeitsrecht zukommende Rechtsstellung zu verschaffen. Im Übrigen wird auf den letzten Satz der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Zu Fällen, in denen Frauen durch Eheschließung mit einem ausländischen Staatsangehörigen die deutsche Staatsangehörigkeit bereits vor der Geburt des Kindes verloren hatten, wird auf Satz 4 der Antwort zu den Fragen 3 und 4 sowie zu Frage 7 verwiesen. 7. Welche Regelungen gelten für Abkömmlinge von Emigrantinnen und Emigranten , denen die deutsche Staatsbürgerschaft wegen Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft entzogen worden ist? Inwiefern wird die Annahme der fremden Staatsbürgerschaft vor dem Hintergrund , dass diese für das Leben im Exil von großer Bedeutung war, ebenfalls als Folge des NS-Unrechts gewertet (bitte Verwaltungspraxis darlegen und erläutern, inwiefern Einbürgerungsanträge auf Grundlage von Artikel 116 Absatz 2 GG entschieden oder abgelehnt werden)? Für Abkömmlinge von NS-Verfolgten, denen die deutsche Staatsangehörigkeit zwar nicht durch eine NS-Zwangsausbürgerung entzogen worden ist, die aber im Zusammenhang mit NS-Verfolgungsmaßnahmen durch Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit oder als Frau durch Eheschließung mit einem ausländischen Staatsangehörigen die deutsche Staatsangehörigkeit nach allgemeinen staatsangehörigkeitsrechtlichen Vorschriften verloren haben, bestand nach § 12 Absatz 2 des bereits außer Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (1. StARegG) ein bis zum 31. Dezember 1970 befristeter Einbürgerungsanspruch, wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit ohne die Verlustfolge durch Geburt im Wege der Abstammung erworben hätten. Soweit sie keinen solchen Einbürgerungsanspruch hatten, weil sie die deutsche Staatsangehörigkeit auch ohne die Verlustfolge nicht durch Geburt im Wege der Abstammung hätten erwerben können oder erst nach 1970 geboren sind, bestand und besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung im Ermessenswege. Im Übrigen wird auf den letzten Satz der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 7 – Drucksache 19/9777 8. Trifft es zu (vgl. Artikel von Esther Weizsäcker: Ausgeschlossen. Staatsbürgerschaft , Staatenlosigkeit und Exil, in: Exilforschung 36/2018, S. 153 f.), dass das Bundesverwaltungsamt entgegen dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Mai 2001 (1 C 18.99) bei Einbürgerungsanträgen von Abkömmlingen deutschstämmiger jüdischer Danziger Staatsangehöriger die Vorlage von Sprachzertifikaten auf dem Niveau B1 sowie weitere Nachweise zu „engen Bindungen“ an Deutschland verlangt und insofern eine Schlechterstellung der Nachkommen jüdischer Danziger Staatsangehöriger gegenüber Abkömmlingen nichtjüdischer Danziger vornimmt (bitte ggf. begründen )? 9. Inwiefern wird bei Einbürgerungsanträgen von Abkömmlingen von Juden, Sinti, Roma oder anderen NS-Verfolgten in anderen, vom Deutschen Reich zwischen 1938 und 1945 besetzten bzw. annektierten Gebieten, die aus rassistischen , politischen oder religiösen Gründen von den praktizierten Sammeleinbürgerungen bzw. vom Eintrag in die Deutsche Volksliste ausgeschlossen worden waren, der Wiedergutmachungsgedanke von Artikel 116 Absatz 2 GG zugrunde gelegt, und inwiefern werden auch hier Sprachnachweise sowie weitere Nachweise enger Bindungen an Deutschland gefordert? Inwiefern hält die Bundesregierung eine solche Praxis für änderungsbedürftig ? 10. Wie wird bei Einbürgerungsanträgen von Abkömmlingen von Personen verfahren , deren Einbürgerungsanträge vor der NS-Zeit aus antisemitischen bzw. rassistischen Gründen abgelehnt wurden? Trifft es zu, dass keine Vorgaben für die Ermessensausübung in entsprechenden Konstellationen bestehen und Einbürgerungen bislang nur in Einzelfällen und nur für die Erlebensgeneration oder die erste Generation danach erfolgt sind (vgl. Weizsäcker, ebd., S. 156), und wenn ja, inwiefern sind hier Änderungen beabsichtigt? Die Fragen 8 bis 10 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung nimmt keine Stellung zu Kommentarmeinungen in der Literatur oder zur Erörterung abstrakter Rechtsfragen. Eine Einbürgerung im Ausland lebender Abkömmlinge von NS-Verfolgten, die durch NS-Unrecht von einer Sammeleinbürgerung deutscher Volkszugehöriger ausgeschossen waren, ist heute in der Regel nach § 14 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Mai 2001 – 1 C 18/99). Das Ermessen ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles auszuüben. Im Übrigen wird auf den letzten Absatz der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 11. Wie viel Geld wurde im Zuge von Einbürgerungsverfahren für die Entscheidung über die Anträge bei Wiedergutmachungsfällen eingenommen (bitte für die Jahre ab 2013 anführen und nach Möglichkeit für positive und ablehnende Entscheidungen differenzieren)? Einbürgerungen nach Artikel 116 Absatz 2 Satz 1 GG sowie Einbürgerungen nach den §§ 13 und 14 StAG mit Wiedergutmachungsgehalt sind generell gebührenbefreit . Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 19/9777 – 8 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode 12. Wie viele Antragsteller haben ihre Anträge auf Einbürgerung zurückgezogen , nachdem sie einen Hinweis auf eine voraussichtlich ablehnende Entscheidung erhalten haben, und wie viele davon waren Wiedergutmachungsfälle ? Auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 wird verwiesen. 13. Erwägt die Bundesregierung, die Einführung erleichterter Einbürgerungen für Nachkommen von während der NS-Zeit aus Deutschland geflohenen Emigrantinnen und Emigranten zu initiieren, analog zur bedingungslosen Regelung in Artikel 116 Absatz 2 GG, also unter Verzicht auf einschränkende Regelungen, wie sie bislang im StAG bzw. den Ausführungsbestimmungen enthalten sind, und falls ja, welchen gesetzlichen oder untergesetzlichen Lösungsweg favorisiert sie, und falls nein, warum nicht? Auf den letzten Satz der Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 14. Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Änderung des StAG dahingehend anzustoßen, dass bei sog. Ermessenseinbürgerungen von Abkömmlingen ehedem Ausgebürgerter grundsätzlich eine mehrfache Staatsangehörigkeit zugelassen wird, wie es bei Wiedereinbürgerungen nach Artikel 116 Absatz 2 GG bereits der Fall ist (falls ja, bitte näher ausführen, falls nein, bitte begründen)? Bei Einbürgerungen nach den §§ 13 und 14 StAG mit Wiedergutmachungsgehalt wird generell von der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit abgesehen. 15. Inwiefern hält es die Bundesregierung für angebracht, auf die Begrenzung der Regelung in § 13 StAG auf Kinder zu verzichten und die Regelung auf sämtliche Abkömmlinge auszudehnen? Die Bundesregierung hält dies nicht für angebracht und verweist auf die Begründung zu Artikel 5 Nummer 11 des Entwurfs eines Gesetzes zum Umsetzung aufenthalts - und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (Bundestagsdrucksache 16/5065, S. 230). 16. Warum sind im Merkblatt des Bundesverwaltungsamtes, das sich auf § 14 bezieht, nur die Voraussetzungen zur Wiedereinbürgerung von vor dem 1. Januar 1975 ehelich geborenen Kindern erläutert, nicht aber die Voraussetzungen zur Wiedereinbürgerung weiterer Abkömmlinge, obwohl § 14 keine Begrenzung auf die Kinder vorsieht? Welche weiteren Merkblätter für ggf. weitere Betroffenengruppen gibt es, und was ist ihr Inhalt (bitte möglichst der Antwort anfügen), und inwiefern will die Bundesregierung die Verwaltungspraxis ändern und Wiedereinbürgerungen auf Grundlage von § 14 für alle Abkömmlinge ausgebürgerter Personen ermöglichen? Die dem in der Frage angesprochenen Merkblatt des Bundesverwaltungsamtes zugrunde liegende Erlassregelung zu § 14 StAG für die Einbürgerung vor dem 1. Januar 1975 geborener ehelicher Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter knüpft an die Übergangsregelung des Artikels 3 des bereits außer Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 20. Dezember 1974 (RuStAÄndG 1974) an. Das befristete Erklärungsrecht zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit, das nach dieser Übergangsregelung bestanden hatte, war in verfassungsrechtlich ausreichender Weise (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Mai 1974 – 1 BvL 22/71, 1 BvL 21/72 –, Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 9 – Drucksache 19/9777 BVerfGE 37, 217) auf nach dem 31. März 1953 und vor dem 1. Januar 1975 geborene eheliche Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter, die verfassungswidrig vom Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ausgeschlossen waren, beschränkt und hatte weitere Abkömmlinge nicht einbezogen. Mit der Erlassregelung haben diejenigen im Ausland lebenden Kinder, die das Erklärungsrecht nicht fristgerecht ausüben konnten, die Möglichkeit erhalten, die deutsche Staatsangehörigkeit im Wege einer erleichterten Einbürgerung zu erwerben. Die Erlassregelung findet auch auf die vor dem 1. April 1953 unter Geltung des Grundgesetzes geborenen ehelichen Kinder deutscher Mütter und ausländischer Väter Anwendung, die auf Grund der Fortgeltungsregelung des Artikels 117 Absatz 1 GG nicht in das frühere Erklärungsrecht nach Artikel 3 RuStAÄndG einbezogen worden waren. Zudem können nach der Erlassregelung minderjährige Kinder miteingebürgert werden. Die Erlassregelung ist auf vor dem 1. Juli 1993 geborene nichteheliche Kinder deutscher Väter und ausländischer Mütter erweitert worden. Vgl. hierzu das entsprechende Merkblatt in der Internetpräsentation des Bundesverwaltungsamtes (www.bva.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Buerger/Ausweis-Dokumente- Recht/Staatsangehoerigkeit/Einbuergerung/Ermessen/Ermess_Vaeter.pdf?__ blob=publicationFile&v=3). Im Übrigen wird auf den letzten Satz der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 17. Inwiefern hält es die Bundesregierung für angebracht, allen Abkömmlingen von den Nazis aus rassistischen, politischen oder religiösen Gründen ausgebürgerter Personen einen rechtlichen Anspruch (statt einer bloßen Ermessensregelung ) zu gewähren, unabhängig von Geburtsdaten und den bislang im StAG vorgesehenen Einschränkungen wie Sprachnachweis und Einkommensverhältnisse , und was will sie diesbezüglich unternehmen? Falls sie einen solchen Rechtsanspruch nicht für angebracht hält, warum nicht? 18. Inwiefern beabsichtigt die Bundesregierung Vorstöße, um Ermessenseinbürgerungen für in Deutschland lebende Abkömmlinge zwangsausgebürgerter ehemaliger Deutscher (sofern die Voraussetzungen nach Artikel 116 Absatz 2 GG nicht vorliegen) analog zu den Regelungen für im Ausland lebende Antragsteller zu handhaben (d. h. z. B. auf einen Mindestaufenthalt in Deutschland zu verzichten und prinzipiell Mehrstaatlichkeit zuzulassen? 19. Beabsichtigt die Bundesregierung, auch den vor 1976 geborenen Adoptivkindern emigrierter und zwangsausgebürgerter deutscher Verfolgten des Nationalsozialismus die Einbürgerung nach §14 StAG oder nach Artikel 116 Absatz 2 GG zu ermöglichen (bitte ggf. näher ausführen)? Die Fragen 17 bis 19 werden gemeinsam beantwortet. Zur Beantwortung wird auf den letzten Satz der Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333